Es ist soweit: An diesem Sonntag um 9.58 Uhr hat Papst Franziskus die Heilige Pforte des Petersdoms geschlossen und somit das außerordentliche Jahr der Barmherzigkeit offiziell beendet. Nach einem letzten Erklingen der Hymne des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit und nach einem stillen Gebet hat der Papst selbst die Pforte geschlossen. Ein nächstes Mal wird die Tür für das Jubeljahr 2025 geöffnet werden – sofern nicht in der Zwischenzeit ein weiteres außerordentliches Heiliges Jahr ausgerufen wird. Im Beisein zahlreicher Würdenträger und etwa 70.000 Gläubiger und bei mildem Wetter feierte er anschließend den Abschlussgottesdienst des Heiligen Jahres auf dem Petersplatz. In einer Ansprache dankte er vor dem Angelusgebet ausdrücklich allen, die zum Gelingen des Heiligen Jahres beigetragen hatten.
Das „paradoxe“ Königtum Christi stellte der Papst in den Mittelpunkt seiner Predigt, die Kirche feiert am letzten Sonntag des Kirchenjahres das Hochfest Christkönig. Das Königtum ohne Macht und Ruhm, das am Kreuz hängt, der König der für dreißig Silberstücke verkauft ist. „Die Größe seines Reiches besteht nicht in der Macht nach Maßstäben der Welt, sondern gemäß der Liebe Gottes, einer Liebe, die alles erreichen und heilen kann“, so der Papst. Es sei eine Liebe, die „alles Leben umarmt und rettet“. „Er hat uns nicht verdammt, er hat uns auch nicht bezwungen, er hat nie unsere Freiheit verletzt, sondern er hat sich den Weg durch die demütige Liebe gebahnt, die alles entschuldigt, die alles hofft, die allem standhält“.
Diese paradoxe Herrschaft verwandle „Sünde in Gnade, Tod in Auferstehung, Angst in Vertrauen“, fuhr der Papst fort. Das alles wäre aber „umsonst, wenn wir ihn nicht persönlich aufnehmen und wenn wir nicht auch seine Art zu herrschen aufnehmen.“
Verwandelnde Herrschaft Christi
Drei Figuren aus dem Evangelium des Tages – die Kreuzigung Jesu – nahm der Papst zur Verständnishilfe dazu. Zunächst sei da das schaulustige Volk. „Es sind die gleichen Leute, die sich für die eigenen Bedürfnisse um Jesus gedrängt haben und jetzt Distanz halten“, so Franziskus. Es seien Menschen, die sein Königtum nicht annähmen und nicht zum Mitmenschen würden. Das wahre Volk hingegen sei gerufen, täglich Jesus mit dem eigenen Leben zu antworten.
„Es gibt eine zweite Gruppe, die sich aus verschiedenen Personen zusammensetzt: die führenden Männer des Volkes, die Soldaten und ein Verbrecher. Sie alle verspotten Jesus. Sie richten an ihn die gleiche Provokation: ‚Hilf dir selbst!’“ Diese zweite Gruppe ist in noch schlimmerer Versuchung als die erste, urteilt der Papst, es ist ein direkter Angriff auf die Liebe, ‚Hilf dir selbst!’, nicht den anderen, sondern dir selbst. Das Ich möge siegen mit seiner Kraft, mit seinem Ruhm, mit seinem Erfolg. Das ist die furchtbarste Versuchung, die erste und die letzte des Evangeliums.“ Jesus reagiere nicht und rechtfertige sein Königtum nicht, „Er liebt vielmehr weiter“.
Er liebt weiter
Gegen diese Versuchung gelte es anzukämpfen, gegen die Versuchung, vom Kreuz hinab zu steigen. „Die Anziehungskraft der Macht und des Erfolgs wird als ein leichter und schneller Weg für die Verbreitung des Evangeliums dargestellt und rasch wird dabei vergessen, wie das Reich Gottes wirkt. Dieses Jahr der Barmherzigkeit hat uns eingeladen, die Mitte wiederzuentdecken, zum Wesentlichen zurückzukehren“. Das Wesentliche, das sei für ihn eine gastfreundliche, freie, treue und missionarische Kirche, arm an Gütern und Reich an Liebe.
Die dritte Gestalt im Evangelium sei die des Verbrechers, vervollständigte der Papst seine Aufzählung. „Dieser Mensch hat einfach auf Jesus geschaut und dadurch an sein Reich geglaubt“, ohne sich zu verschließen. Dieser Mensch habe Barmherzigkeit erfahren. „Sobald wir ihm die Möglichkeit dazu geben, denkt Gott an uns. Er ist bereit, die Sünde vollständig und für immer zu tilgen, denn sein Gedächtnis zeichnet nicht das getane Böse auf und stellt nicht immer das erlittene Unrecht in Rechnung, wie es das unsere tut. Gott denkt nicht an die Sünde, er denkt an uns, an einen jeden von uns, seine geliebten Kinder. Und er glaubt, dass es immer möglich ist, neu zu beginnen und wieder aufzustehen.“
Barmherzigkeit geht weiter
Auch wenn die Heilige Pforte geschlossen werde, stehe die wahre Pforte der Barmherzigkeit immer offen, schloss der Papst seine Gedanken. „Viele Pilger haben die Heiligen Pforten durchschritten und jenseits lauter Berichterstattungen die große Güte des Herrn erfahren. Wir wollen dafür danken und uns daran erinnern, dass uns Barmherzigkeit zuteilwurde, damit wir die Gesinnung der Barmherzigkeit anlegen und auch wir zu Werkzeugen der Barmherzigkeit werden. Gehen wir diesen Weg weiter – gemeinsam.“ (rv)