Papst Franziskus liegt die Situation und die Resozialisierung von Strafgefangenen besonders am Herzen. Bereits kurz nach seiner Wahl zum Oberhaupt der Katholischen Kirche besuchte Franziskus junge Strafgefangene im römischen Gefängnis Casal del Marmo und wusch ihnen die Füße. Nicht nur durch diesen gewichtigen symbolischen Akt machte Franziskus auf die Würde von Gefangenen aufmerksam. In den vergangenen Wochen hat er sich in Ansprachen zweimal zu den Zielen des Strafvollzugs, zu Buße und Besserung geäußert. Am 21. Juni sagte er im Gefängnis von Castrovillari in Kalabrien:
„Ich wünsche jedem von Euch, dass diese Zeit nicht umsonst, sondern eine kostbare Zeit sei, während der ihr Gott um diese Gnade bittet und empfangt. Auf diese Weise leistet ihr einen Beitrag, in erster Linie euch selbst zu verbessern und gleichzeitig auch der Gemeinschaft, denn im Guten wie im Bösen üben eure Taten Einfluss auf die anderen und auf die ganze Menschheitsfamilie aus.“
Bei einem Besuch des Gefängnisses in Isernia in Mittelitalien kam Papst Franziskus auf die Wirksamkeit von Strafe zu sprechen. Viele Menschen fordern schärfere Strafen, sagte der Papst, wollten dass Straftäter, die Unrecht begangen haben, lange weggesperrt werden. „Das nützt gar nichts, das dient niemandem“, sagte der Papst. Die innere Haltung, die Hoffnung, es besser zu machen und dabei auf die helfende Hand Gottes zu vertrauen, sei entscheidend.
Den Ruf nach härteren Sanktionen in Medien und Öffentlichkeit kennt auch Helmut Kury aus dem badischen Freiburg. Der emeritierte Professor für Kriminologie und studierte Psychotherapeut war unter anderem Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Und er stimmt dem Papst zu:
„Denken Sie beispielsweise an die USA. In einigen Bundesstaaten haben wir nach wie vor die Todesstrafe, andere haben sie längst abgeschafft. Wenn man auf die Kriminalitätsraten der einzelnen Bundestaaten schaut, dann stellt man fest, dass die ohne Todesstrafe niedrigere Kriminalitätsraten haben als die mit Todesstrafe. Da sind wir bereits bei einem wesentlichen Ergebnis der kriminologischen Forschung: dass harte Strafen eben oft nichts bewirken.“
Papst Franziskus, der übrigens alle zwei Wochen mit jungen Gefangenen in Buenos Aires telefoniert, forderte, mehr für die Resozialisierung der Gefangenen zu tun. Helmut Kury:
„Das ist etwas, was der Papst völlig zu Recht anspricht. Und es ist sehr begrüßenswert, dass von so prominenter Seite auf die Probleme der Resozialisierung hingewiesen wird.“
Auch Papst Benedikt hat sich während seines Pontifikats zum Strafvollzug geäußert. Am 22. November 2012 forderte er mehr Unterstützung und vor allem Bildungsmaßnahmen im Strafvollzug, insgesamt ein Umdenken. Auch Kriminologe Kury fordert ein Umdenken,
„dass wir uns mehr um die Ursachen von Straffälligkeit kümmern. In der Gesellschaft, gerade in westlichen Gesellschaften, in der Medienberichterstattung wird Kriminalität ja oft individualisiert. Man schaut sich den Täter an, aber man schaut nicht nach, warum der Täter zum Täter geworden ist. Da sind wir dann sehr schnell bei den gesellschaftlichen Bedingungen. Das ist etwas, worauf der Papst hinweist. Völlig zu Recht. Viele dieser Täter sind in ihrer Kindheit und Jugend selbst zum Opfer geworden, von schlechter Erziehung, von Misshandlung, von Gewalt in ihren Familien, weil die Eltern vielleicht nicht erziehungsfähig waren und wo die Gesellschaft vielleicht zu wenig getan hat, um diese Kinder oder Jugendlichen in Not zurückzuführen in die Gesellschaft.“
Papst Benedikt XVI. hat in seiner Ansprache auf die Bedeutung der Seelsorge im Strafvollzug hingewiesen. Diese große Bedeutung der Seelsorge bestätigt auch Helmut Kury:
„Sie wissen ja, dass in Deutschland die Psychologen nicht mehr uneingeschränktes Schweigegebot haben. Sie berichten zum Beispiel in Gefangenenkonferenzen, wo über das weitere Leben der Gefangenen entschieden wird. Viele gehen lieber zum Pfarrer und reden mit ihm, weil sie sicher sein können, dass dieser aufgrund seines Beichtgeheimnisses die Information, die er bekommt, nicht weitergibt. Dann kommt hinzu, dass die Pfarrer vielfach auch mehr Zeit haben, um sich um die Gefangenen zu kümmern.“ (rv)