Wir brauchen ’neue Männer‘, fordert Erzbischof Chaput

„Frauen haben ein Recht darauf, wütend zu sein, wenn Männer sie wie Objekte behandeln und sich wie Tyrannen und Schweine verhalten.“

PHOENIX – Vom edlen Ritter bis zum Heiligen: Im Christentum hat die Rolle des Mannes, haben männliche Eigenschaften eine lange, vielfältige Geschichte und Tradition. Wie „männlich“ ist oder soll das Leben als Christ aber im 21. Jahrhundert geführt werden? Und wie sieht ein solches Leben in der Praxis aus? Angesichts der Skandale um sexuelles Fehlverhalten von prominenten Männern in Hollywood und anderswo haben diese Fragen neue, brisante Aktualität gewonnen.

Auf einer eigens dafür abgehaltenen Konferenz haben am 3. Feburar in Phoenix (Arizona) mehrere Bischöfe und Redner zum Thema gesprochen.

Erzbischof Charles Chaput rief vor mehr als 1300 Männern dazu auf, sich daran zu erinnern, wie glaubenstreue Männer früher ihre Leben als Christen führten. Und er hatte klare Worte für die Männer, die hinter den aktuellen Sex-Skandalen stecken.

Die Konferenz stand unter dem Motto Into the Breach – auf Deutsch in etwa „Rein in die Bresche“ – ein Titel, den auch ein vor einiger Zeit von Bischof Thomas Olmsted veröffentlichter Hirtenbrief trägt. Olmsted stellte auch auf der Konferenz ein neues „Handbuch für Männer“ vor.

Wir sind hier, um wieder zu verstehen, was es bedeutet ein Mann zu sein, und vor allem, wie man als Christ ein Leben von Wert und Tugend führt“, sagte Erzbischof Chaput der Konferenz. „Eine Gemeinschaft ohne Gedächtnis stirbt“

Gerade die Geschichte spiele eine wichtige Rolle in der christlichen Kultur, betonte Chaput. „So wie das Erinnerungsvermögen die individuelle Geschichte einer jeden Person verankert, so spielt ein gemeinsames Gedächtnis auch die gleiche Rolle für Kulturen, Nationen und Glaubensgemeinschaften. Die Geschichte ist ein gemeinsames Gedächtnis. Eine Gemeinschaft stirbt, wenn ihr Gedächtnis versagt“, sagte er.

Das Christentum sei immer noch eine „kämpfende Religion“ sagte der Erzbischof von Philadelphia mit Verweis auf ein Zitat von CS Lewis. Das Evangelium zu leben bedeute einen „echten geistlichen Kampf“ um Liebe und Frieden:

„Unsere ersten Waffen sollten immer Großzügigkeit, Geduld, Barmherzigkeit sein, die Fähigkeit zu verzeihen, zuzuhören, ein starkes persönliches Glaubenszeugnis – und in Liebe die Wahrheit klar auszusprechen“.

Der Erzbischof sagte weiter, dass „christliche Gleichberechtigung“ verstehe, dass es wirkliche Unterschiede – und wechselseitige Abhängigkeiten – zwischen Mann und Frau gebe.

„Als Männer sind wir von Natur aus dazu angelegt und durch das Wort Gottes darin bestätigt, drei Dinge zu tun: zu dienen, zu beschützen und zu führen – nicht um unser selbst willen, nicht um der Eitelkeiten und Bedürfnisse willen, sondern im Dienst an anderen.“

Wie Männer diese christliche Männlichkeit zurückbekommen? Dazu lehre die Kirche, dass es „das persönliche Beispiel ihrer Heiligen“ gebe.

„Liebe die Frauen in deinem Leben mit der Ermutigung, Zuneigung, Unterstützung und Ehrfurcht, die sie zurecht verdienen. Sei Deiner Frau in Geist und Körper treu. Erweise den Frauen, denen Du begegnest, Höflichkeit und Achtung, auch wenn sie diese nicht erwidern.“

Und wer heirate, so der Erzbischof weiter, der sollte mehr Kinder haben, und seine Zeit und sein Herz stärker in sie investieren.

Ein gestörtes Verhältnis zur Sexualität

Chaput verurteilte die jüngsten sexuellen Skandale, die weltweit Schlagzeilen machen, als „Symptom“ einer ganzen Kultur, die ein gestörtes Verhältnis zur Sexualität habe. „Frauen haben ein Recht darauf, wütend zu sein, wenn Männer sie wie Objekte behandeln und sich wie Tyrannen und Schweine verhalten.“

Ein echter Wandel, eine langfristige Änderung der Kultur wie des eigenen Lebens sei nur durch eine Bekehrung der Herzen möglich, betonte der Erzbischof.

Ein Mann müsse erst etwas für sich entdecken, woran er glauben kann, und dass seinem Leben einen echten Sinn gibt – und somit auch umkrempelt, weil es sein Denken und Verlangen leitet: „Mit anderen Worten, wenn er ein neuer Mann wird.“

„Eine echte Reform wird niemals durch feministische Vorträge zustande kommen, oder das öffentliche Anprangern männlichen Verhaltens bei Preisverleihungen“.

„Deshalb bete ich heute für uns alle, dass Gott den Samen eines neuen Ritterschlags in unsere Herzen pflanzen wird – und uns zu den ’neuen Männern‘ macht, die unsere Familien, unsere Kirche, unsere Nation und unsere Welt brauchen“, schloss Erzbischof Chaput. (CNA Deutsch)

Fisichella: „Keine Rechtsansprüche auf Priesteramt“

Der Hirtenbrief an die irische Kirche schlägt weiter hohe Wellen: Der vatikanische Kurienerzbischof Rino Fisichella kündigt Konsequenzen für die Priesterausbildung an. Niemand habe ein Recht auf das Priesteramt, sagte Fisichella in einem Interview mit der katholischen Tageszeitung „Avvenire“ von diesem Sonntag.
Strengere Auswahl
Nach dem Papstbrief zum Thema Missbrauch hat Kurienerzbischof Rino Fisichella eine strengere Auswahl von Priesteramtskandidaten angekündigt. Es gebe keine Entschuldigung mehr, so Fisichella. Nicht einmal der Mangel an Berufungen könne ein Grund dafür sein, jeden aufzunehmen, „der beim Priesterseminar anklopft“, so der Ethik-Verantwortliche des Vatikans gegenüber „Avvenire“. Der Brief des Papstes schlage „entschlossen ein neues Kapitel auf“, fügte der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben hinzu. Künftig werde es keinerlei Verschweigen und keine Entschuldigung geben. Fisichella bewertet den Hirtenbrief als „Wort von großem Mut“, für das es in den vergangenen Jahrhunderten der Kirchengeschichte keinen Vergleich gebe. (rv)

Irland/USA: Gemischte Reaktionen auf Papstbrief

Die Gruppen, die Missbrauchsopfer in Irland vertreten, sind gespalten in ihren Reaktionen auf den Hirtenbrief von Papst Benedikt. Die Gruppe „One in Four“ warf dem Papst vor, die Rolle des Vatikans im Umgang mit Missbrauchsskandalen nicht genauer untersucht zu haben. Er spreche „nur von den Fehlern der irischen Kirche“, so eine Sprecherin der Gruppe. Außerdem gebe es keine wirkliche Entschuldigung des Papstes für das systematische Vertuschen von Missbrauchsfällen durch die Kirche – das sei „extrem schmerzlich“. Benedikt hätte jetzt die Bischöfe dazu drängen sollen, alle Infos über pädophile Priester zu veröffentlichen, meint der Vertreter einer Internetbewegung namens „BishopAccountability“, zu deutsch ungefähr: Die Bischöfe sind verantwortlich.
Das „Dublin Rape Crisis Center“ und die Bewegung „Irish Survivors of Child Abuse“, kurz SOCA, hingegen haben den Brief begrüßt: Er sei „ohne Zweideutigkeit und macht deutlich, dass die irische Kirche über Jahrzehnte hinweg schwer gegen die Jugend gesündigt hat“. Es sei wichtig, dass Benedikt die Täter auffordere, sich der Justiz zu stellen, so SOCA. Der Brief sei „ein erster Schritt auf dem Weg zur Heilung bei vielen, die ihr Vertrauen in die Kirche verloren haben.“ Die Entschuldigung Benedikts sei „tief bewegend und auch lange erwartet“.
In den USA, die vor etwa zehn Jahren ebenfalls von heftigen kirchlichen Missbrauchs-Skandalen erschüttert wurden, zeigt sich der Verband „SNAP“ unzufrieden: Das Kürzel steht für „Organisation zur Verteidigung der Opfer von pädophilen Priestern“, und dem Verband gehören 9.000 Mitglieder an. Benedikt habe doch gar keine konkreten Strafen für Täter, Entschädigungen für Opfer oder Präventionsmassnahmen genannt. Wörtlich heißt es in einer Erklärung von SNAP: „Der Papst schickt schöne Worte, aber man erwartete Taten von ihm. Er läßt weiter Risiken zu, dabei brauchte man eigentlich Prävention. Er verteidigt das Verheimlichen, dabei brauchen wir jetzt Wahrheit. Und der Papst ignoriert das Leiden und die Agonie – dabei geht es jetzt um eine wirkliche Heilung, nicht um Worte.“
Die Reformgruppe „Voice of the Faithful“, zu deutsch „Stimme der Gläubigen“, kritisiert, der Papstbrief erwecke den Eindruck, dass Missbrauch ein irisches Problem sei. Dabe gehe es in Wirklichkeit um ein „katholisches Problem“, so der Leiter der Gruppe. (rv)

Starkes Medienecho auf Papstbrief

Der Papstbrief an die irische Kirche zum Thema sexueller Missbrauch hat an diesem Wochenende weltweit für ein starkes Medienecho gesorgt. Fast alle großen Zeitungen stellten in ihren Onlineauftritten die Papst-Meldung ganz nach oben. „Dem Papst tun die irischen Missbrauchsfälle leid“, titelt etwa die Internetseite der britischen „Times“; „Der Papst ist ehrlich bestürzt über den Skandal“, formuliert der „Irish Independent“ aus Dublin. „Der Papst bittet um Entschuldigung für die Missbrauchs-Fälle in Irlands Kirche“, steht fast wortgleich auf den Homepages der Fernsehriesen CNN und BBC. Einige britische Zeitungen haben eine ziemlich kritisch gefärbte Berichterstattung: „Der Papstbrief enttäuscht die Opfer“, urteilt etwa „The Guardian“. Auf der Homepage von „Le Monde“ aus Paris hingegen taucht die Nachricht aus dem Vatikan als die Nummer sechs auf, während „Le Figaro“ – ebenfalls aus Paris – mit ihr aufmacht und titelt, der Hirtenbrief Benedikts sei „ein beispielloser Schritt“.
Die spanische Tageszeitung „El Pais“ zeigt an diesem Sonntag einen gequälten Papstsprecher Lombardi auf ihrer Titelseite; ein Artikel im Innenteil gibt an, Ratzinger sei einst wegen seiner klaren Worte gegen den „Schmutz“ in der Kirche ins Papstamt gewählt worden, habe sich dort aber auch in fünf Jahren noch nicht gegen die herrschende innerkirchliche „Korruption“ durchsetzen können. Die italienische Tageszeitung „La Repubblica“ hatte schon am Samstagmorgen – unter Bruch des päpstlichen Embargos – aus dem Hirtenbrief zitiert; sie interviewt in der Sonntagsausgabe den Schweizer Kardinal Georges Cottier, der mit den Worten zitiert wird: „Benedikt wendet sich wie ein Vater an alle Christen… Sein geistliches Niveau und der barmherzige Ton haben mich überrascht.“
„Der Papst bietet eine Entschuldigung, aber keine Sanktionen“, schreibt die „New York Times“ auf ihrer Internetseite. Die „Washington Post“ bringt Benedikts Hirtenbrief online als Nummer fünf. Einige Stunden lang ist der Brief aus Rom auch die Startmeldung auf der Homepage des arabischen Fernsehsenders Al-Dschasira: „Der Papst bedauert zutiefst die Missbräuche in Irland“. (rv)

DBK Zollitsch: „Klare Weisungen für die gesamte Kirche“

Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz von Erzbischof Robert Zollitsch:

„Papst Benedikt XVI. wendet sich durch seinen Hirtenbrief mit eindringlichen Worten an die Katholiken in Irland. Was er ihnen sagt, hat Geltung für die ganze Kirche und ist eindeutig eine Botschaft auch an uns in Deutschland. Ohne Wenn und Aber verurteilt der Papst die schrecklichen Verbrechen, die an jungen Menschen begangen wurden, als Mitglieder der Kirche, besonders Priester und Ordensleute, sie sexuell missbrauchten. Seine schonungslose Analyse zeigt, dass sich der Heilige Vater dem Problem sexuellen Missbrauchs mit Ernst und mit großer Sorge stellt. Dabei beklagt er, dass häufig auf die ‚ausreichende menschliche, moralische, intellektuelle und geistliche Ausbildung in Seminarien’ viel zu wenig Wert gelegt wurde. Vorrang hat für den Papst die Perspektive der Opfer. Deshalb kritisiert er den zum Teil übermäßigen Täterschutz, den die Kirche häufig praktiziert habe. Wieder und wieder drängt er darauf, dass die Vorgaben der Justiz und des staatlichen Rechts einzuhalten seien. Vor allem aber müsse es, soweit das möglich ist, Heilung für die Opfer geben. Es sind ergreifende Worte, die Papst Benedikt XVI. findet, wenn er sich an die Opfer wendet und sie um Vergebung bittet: ‚Im Namen der Kirche drücke ich offen die Schande und die Reue aus, die wir alle fühlen.’
Besonders bewegen mich die deutlichen Worte des Papstes an die Priester und Ordensleute, die sich versündigt haben. Sie haben das Vertrauen junger Menschen aufs Schlimmste verletzt und müssen sich vor Gott und den Gerichten verantworten. Auch die Kritik des Papstes an den kirchlichen Autoritäten lässt keine Fragen offen. Wenn die bittere Wahrheit offen ausgesprochen wird, wirkt dies schmerzlich, aber auch befreiend. Ich bin für diese Worte dankbar. Wir wissen, dass auch bei uns in Deutschland Fehler gemacht wurden. Wir deutschen Bischöfe haben solche Fehler bei unserer Frühjahrsvollversammlung in Freiburg deutlich erkannt und eingestanden. Wir dürfen Fehler nicht wiederholen und brauchen auch in Deutschland eine lückenlose Aufklärung und uneingeschränkte Transparenz. Daran arbeiten wir in allen Bistümern. Deshalb verstehe ich die Mahnung des Papstes an die Bischöfe in Irland zugleich auch als Mahnung an uns. Der Skandal sexuellen Missbrauchs ist kein bloß irisches Problem, er ist ein Skandal der Kirche an vielen Orten und er ist der Skandal der Kirche in Deutschland.
Der Brief des Papstes ist auch ein geistliches Dokument, das geistige und moralische Entwicklungen begreifen und aus dem Glauben deuten will. Der Papst ist geprägt von der Hoffnung, dass Gottes Liebe im Leben von Opfern und Tätern neue Anfänge möglich macht. Der Glaube motiviert vor allem dazu, die Wunden zu heilen, soweit dies menschlich möglich ist. Mit herzlichen Worten wendet sich der Papst an die junge Generation Irlands und bittet sie eindringlich, trotz aller tragischen Erfahrungen nicht an der Kirche zu verzweifeln, sondern an ihrer Erneuerung mitzuwirken. Dazu trägt auch eine große Geste des Papstes bei: Er fügt seinem Brief ein Gebet der Hoffnung auf einen neuen Anfang bei, das er der Kirche in Irland widmet. Ich bitte die Gläubigen in Deutschland, sich dieses Gebet als Gebet auch für unser Land anzueignen. Wir gehen den Weg der Aufklärung und Aufarbeitung, den Weg des aufmerksamen Hinschauens und der Prävention. Es ist ein langer Weg, der Zeit braucht und Mühe kostet, den wir in Manchem noch lernen müssen, aber wir werden keine Zeit verstreichen lassen. Der Heilige Vater ruft auch uns zu, dass wir diesen Weg der Heilung, Erneuerung und Wiedergutmachung ohne Angst und gläubigen Mutes gehen sollen.“ (Deutsche Bischofskonferenz)

Was ist ein Hirtenbrief?

Bei einem Hirtenbrief handelt es sich um Rundschreiben von Bischöfen an die Gläubigen. Die Verfassung eines Hirtenbriefes ist also kein Vorrecht des Papstes. Mit dem neuen Hirtenbrief nimmt Papst Benedikt XVI. zu den Missbrauchsfällen in Irland Stellung. Das Schreiben geht somit in erster Linie an die irischen Bischöfe, die es in ihren Gemeinden verlesen. Hirtenbriefe befassen sich in der Regel mit Glaubensfragen, aber auch mit gesellschaftlichen Fragen der Zeit. Regelmäßig werden sie zur Fastenzeit veröffentlicht. In den deutschen Bistümern nehmen Bischöfe nach Angaben der Bischofskonferenz seit Mitte des 18. Jahrhundert in Form von Hirtenbriefen Stellung. Erste Vorläufer waren demnach die Apostelbriefe. Unmittelbar gehen die Hirtenbriefe auf den Mailänder Kardinal Karl Borromäus (1538-1584) zurück. Der Papst selbst schreibt Schätzungen zufolge pro Jahre etwa zehn Hirtenbriefe. Sie sind nicht zu verwechseln mit den Enzykliken. Dabei handelt es sich um päpstliche Lehrschreiben, in denen das Kirchenoberhaupt sich in verbindlicher Weise zu grundlegenden Fragen äußert. Papst Benedikt XVI. veröffentlichte seit 2005 bislang drei Enzykliken, zuletzt im Juli 209 eine Sozialenzyklika. Sein Vorgänger Johannes Paul II. veröffentlichte in den 26 Jahren seines Pontifikats 14 Enzykliken. (rv)

Vatikan: Hirtenbrief zeigt die Anteilnahme des Papstes

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Der Pressesprecher des Heiligen Stuhls, Pater Federico Lombardi, führt in den Hirtenbriefes des Papstes ein:„Der Brief des Papstes an die Katholiken Irlands über die Krise, in die die Kirche des Landes über den sexuellen Missbrauch gestürzt ist, ist ein eindrucksvolles Dokument. Es zeigt seinen Schmerz und seine persönliche Anteilnahme am Bemühen um Wiedergutmachung, Heilung und Erneuerung.
Seine Worte wenden sich zunächst an die Opfer und zeigen eine tiefe Anteilnahme an ihrem Leiden. Er versteht ihre Enttäuschung, weil das Vertrauen, das sie in die Vertreter der Kirche gesetzt hatten, verraten wurde. Der Papst, der bereits in der Vergangenheit Missbrauchsopfer getroffen hat, in den USA, in Australien und auch hier in Rom, ist bereit, das in der Zukunft wieder zu tun. Die Worte, die sich an die Schuldigen richten, sind sehr schwerwiegend. Der Papst betont, dass sie ihre Sünde und ihre Verbrechen vor Gott und vor den zuständigen Gerichten verantworten müssen. Aber auch, wenn sie sich der Rechtsprechung unterwerfen müssen, erinnert er sie daran, dass sie nicht an der Güte Gottes zweifeln dürfen und Buße tun müssen. Andere Worte des Papstes sind eine Ermutigung und eine Einladung zur Verantwortung. Sie richten sich an die Eltern, die Jugend, an die Priester und an alle Gläubigen. In seinen Worten an die Bischöfe richtet er an sie eine ernste Ermahnung, die Fehler in der Leitung ihnen anvertrauter Menschen wahrzunehmen. Der Papst besteht darauf, dass sie streng die Strafvorschriften der Kirche in Missbrauchsfällen umsetzen und mit den staatlichen Justizbehörden und Institutionen zum Kinderschutz kooperieren.
Der Papst schlägt auch konkrete geistliche und pastorale Initiativen der Buße und der geistlichen Erneuerung vor. Wie sein Besuch in den Vereinigten Staaten der Ortskirche geholfen hat, sich aus einer ähnlichen Krise zu erheben und sich mit erneuertem Vertrauen auf den Weg zu machen, so soll auch dieser Brief an die Gläubigen Irlands den Anfang eines neuen Weges aufzeigen.“ (rv)

Der Hirtenbrief des Papstes an die Kirche in Irland

Am Josefstag wurde er unterschrieben, an diesem Samstag wurde er offiziell vorgestellt: der Hirtenbrief des Papstes an die katholische Kirche in Irland. Es ist ein Brief, der klar und deutlich an Irland gerichtet ist. Es ist ein langes Dokument, in dem sich der Papst an die Kirche Irlands – insgesamt und an einzelnen Gruppen: die Opfern, die Tätern, die Bischöfen etc – wendet. Es ist außerdem ein geistlicher Text, keine politische Absichtserklärung, keine Dienstanweisung für strukturelle Änderungen oder Ähnliches. Der Papst hatte am Mittwoch bei der Generalaudienz darum gebeten, den Brief selbst und ganz zu lesen. Zuvor dokumentieren wir hier – in einer Arbeitsübersetzung – eine Zusammenfassung des Textes.

Zusammenfassung
des Pastoralbriefs des Papstes an die Katholiken in IrlandDer Papst hat einen Hirtenbrief an alle Katholiken Irlands geschrieben, in dem er seine Bestürzung über den sexuellen Missbrauch junger Menschen durch Vertreter der Kirche und über die Art, wie dem von den Ortsbischöfen und Oberen der Ordensgemeinschaften begegnet wurde, Ausdruck verleiht. Er bittet, dass dieser Brief aufmerksam und vollständig gelesen wird. Der Heilige Vater spricht von seiner Nähe im Gebet zur gesamten irischen katholischen Gemeinschaft in dieser schmerzvollen Zeit und schlägt einen Weg der Heilung, der Erneuerung und der Wiedergutmachung vor.
Er ruft sie dazu auf, sich an den Felsen zu erinnern, aus dem sie gehauen ist (Jesaja 51:1), besonders der besonderen Beiträge irischer Missionare für die europäische Zivilisation und in der Verbreitung des Evangeliums auf jedem Kontinent. Vergangene Jahre haben im Zuge des schnellen sozialen Wandels viele Anfechtungen des Glaubens in Irland gesehen und eine Abnahme der Beachtung traditioneller Frömmigkeitsformen und sakramentaler Bräuche. Dies ist der Kontext, in dem der Umgang der Kirche mit dem Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern verstanden werden muss.
Viele Faktoren haben zum Problem beigetragen: nicht ausreichende moralische und geistliche Ausbildung in Seminarien und Noviziaten, eine Tendenz in der Gesellschaft, zum Klerus und anderen Autoritäten aufzuschauen, und eine fehlgeleitete Sorge um die Reputation der Kirche und der Vermeidung von Skandalen; dies alles resultierte in einem Versagen, bestehende kirchenrechtliche Strafen bei Bedarf anzuwenden. Nur durch sorgfältige Untersuchung der vielen Elemente, die zur Krise beigetragen haben, können ihre Ursachen korrekt diagnostiziert und effektive Abhilfe geschaffen werden.
Während des Ad Limina Besuchs in Rom 2006 hat der Papst die irischen Bischöfe dazu aufgefordert, die „Wahrheit über das herauszufinden, was in der Vergangenheit geschehen ist, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit so etwas nie wieder vorkommen kann, sicherzustellen, dass die Prinzipien des Rechts voll respektiert werden und – vor allem – den Opfern und allen, die von diesen ungeheuerlichen Verbrechen betroffen sind, Heilung zu bringen.“ Seitdem hat der Papst selbst mehrere male Opfer getroffen, ihre Geschichten gehört, mit ihnen und für sie gebetet, und er ist bereit, das in Zukunft wieder zu tun. Im Februar 2010 hat er die irischen Bischöfe nach Rom gerufen, um mit ihnen die Maßnahmen zu diskutieren, die sie zur Lösung des Problems getroffen haben, unter besonderer Betrachtung der Verfahren und Ordnungen, die im Augenblick gelten, um die Sicherheit von Kindern in kirchlichen Einrichtungen zu gewährleisten und schnell und gerecht auf Anschuldigungen von Missbrauch zu reagieren. In seinem Hirtenbrief spricht er verschiedene Gruppen innerhalb der irischen katholischen Gemeinschaft im Licht der augenblicklichen Situation direkt an.
Sich zuerst an die Opfer wendend gibt er den schmerzlichen Verrat zu, den sie erleiden mussten, und er sagt ihnen, wie Leid ihm alles tut, was sie ertragen mussten. Er sieht, dass in vielen Fällen den Opfern niemand zuhören wollte, wenn sie den Mut gefunden hatten, über das zu sprechen, was geschehen ist. Er versteht, wie diejenigen, die in Heimen oder Internaten gelebt haben, das Gefühlt hatten, dass es kein Entkommen aus ihrem Leid gibt. Er erkennt an, wie schwer es für viele von ihnen sein muss, der Kirche zu vergeben oder sich mit ihr zu versöhnen, und er bittet sie, die Hoffnung nicht aufzugeben. Jesus Christus, selbst Opfer ungerechten Leidens, versteht die Tiefe ihres Schmerzes und dessen andauernde Wirkung auf ihr Leben und ihre Beziehungen. Aber seine Wunden, verwandelt durch sein erlösendes Leiden, sind das Mittel, durch das die Kraft des Bösen gebrochen ist und wir zu neuem Leben und zur Hoffnung neu geboren sind. Der Papst bittet die Opfer, in der Kirche die Begegnung mit Jesus Christus zu suchen und dort Heilung und Versöhnung in der Wiederentdeckung der unendlichen Liebe zu finden, die Christus für jeden von ihnen hat.
In seinen Worten an die Priester und Ordensleute, die junge Menschen missbraucht haben, fordert der Papst sie auf, Rechenschaft für ihre begangenen Sünden abzulegen vor Gott und vor den zuständigen Gerichten. Sie haben das heilige Vertrauen verraten und Schande und Unehre auf ihre Mitbrüder gebracht. Großer Schaden wurde angerichtet, zuerst an den Opfern, dann aber auch an der Wahrnehmung des Priestertums und des Ordenslebens in Irland. Auch wenn er sie auffordert, sich den Forderungen der Justiz zu stellen, erinnert er sie, dass sie an Gottes Gnade nicht verzweifeln sollen, eine Gnade, die frei auch dem größten Sünder geschenkt wird, wenn er seine Handlungen bereut, Buße tut und demütig um Vergebung bittet.
Der Papst ermutigt Eltern, standhaft zu sein in der anspruchsvollen Aufgabe, Kinder groß zu ziehen, so dass sie sich geliebt und geschätzt wissen und einen gesunden Selbstwert entwickeln. Eltern haben die erste Verantwortung für die Erziehung von nachfolgenden Generationen in den moralischen Prinzipien, die wesentlich sind für eine zivilisierte Gesellschaft. Der Papst läd Kinder und junge Menschen ein, in der Kirche eine Möglichkeit für eine lebendige Begegnung mit Christus zu suchen und sich nicht vom angerichteten Übel einiger Priester und Ordensleute abschrecken zu lassen. Er hofft, dass die jüngere Generation zur Erneuerung der Kirche beiträgt. Er fordert ebenfalls Priester und Ordensleute auf, sich nicht entmutigen zu lassen, sondern sich neu ihren jeweiligen Aufgaben zu widmen, in Übereinstimmung mit ihren Oberen zu arbeiten um der Kirche in Irland neues Leben und Vitalität durch ihr lebendiges Zeugnis für die Erlösungstat des Herrn zu schenken.
An die irischen Bischöfe gewand nennt der Papst die schwerwiegenden Fehlurteile und den Mangel an Leitung vieler, indem sie sich in der Behandlung der Missbrauchsvorwürfe nicht korrekt an die kirchenrechtlichen Verfahren gehalten haben. Auch wenn es schwer war, das richtige Handeln in den komplexen Situationen zu erkennen, bleibt es eine Tatsache, dass schwere Fehler gemacht wurden, und im Ergebnis haben sie Glaubwürdigkeit verloren.
Der Papst fordert sie auf, ihre entschiedenen Anstrengungen zur Besserung vergangener Fehler fortzusetzen und mit den staatlichen Autoritäten zu kooperieren. Er ruft die Bischöfe auch dazu auf, sich erneut dem Streben nach Heiligkeit zu widmen und so selbst ein Beispiel zu geben, und auch dazu, die Priester und die Gläubigen zu ermutigen, ihren Teil am Leben und der Mission der Kirche beizutragen.
Schließlich schlägt der Papst einige konkrete Maßnahmen für die Erneuerung der Kirche in Irland vor. Er bittet alle, ihre Freitags-Buße für die Dauer eines Jahres der Wiedergutmachung der Sünden des Missbrauchs zu widmen. Er empfiehlt eine häufigere Inanspruchnahme des Sakraments der Versöhnung und der eucharistischen Anbetung. Er kündigt seine Absicht an, eine Apostolische Visitation bestimmter Bistümer, Seminarien und Religionsgemeinschaften unter Mitarbeit der römischen Kurie abzuhalten. Und schließlich schlägt er eine landesweite Mission für Bischöfe, Priester und Ordensleute in Irland vor. Da dies das Jahr des Priesters ist, stellt er den heiligen Jean-Marie Vianney als Vorbild und Fürsprecher für ein neu belebtes Priestertum in Irland vor. Nach seinem Dank an alle, die hart daran gearbeitet haben, entschieden mit dieser Frage umzugehen, schließt er mit einem Gebet für die Kirche Irlands für alle Gläubigen, um für die Gnade der Heilung und Erneuerung in dieser schwierigen Zeit zu beten. (rv)

Der Hirtenbrief des Papstes im Volltext

Radio Vatikan dokumentieren in einer Arbeitsübersetzung den Brief des Papstes an die katholische Kirche Irlands:

Hirtenbrief
Des Heiligen Vaters
Papst Benedikt XVI.
An die Katholiken in Irland

 1. Liebe Schwestern und Brüder, mit großer Sorge schreibe ich euch als Hirt der weltweiten Kirche. Wie Euch haben auch mich die Informationen über den Missbrauch an Kindern und Schutzbefohlenen durch Mitglieder der Kirche Irlands, besonders durch Priester und Ordensleute, sehr beunruhigt. Ich kann die Bestürzung und das Gefühl des Vertrauensbruchs nur teilen, das so viele von euch beim Erfahren dieser sündhaften und kriminellen Taten und der Art der Autoritäten der Kirche, damit umzugehen, erfahren haben.
Wie ihr wisst, habe ich erst kürzlich die irischen Bischöfe zu einem Treffen hier in Rom eingeladen, dass sie über ihren Umgang mit diesen Angelegenheiten in der Vergangenheit berichten und um die Schritte aufzuzeigen, die sie unternommen haben, um auf diese schwerwiegende Situation zu reagieren. Gemeinsam mit höheren Verantwortlichen der römischen Kurie habe ich gehört, was sie, sowohl einzeln als auch als Gruppe, zu der Analyse der begangenen Fehler und der gelernten Lektionen, als auch in der Darstellung der Programme und jetzt geltenden Richtlinien zu sagen hatten. Unsere Diskussionen waren offen und konstruktiv. Ich bin zuversichtlich, dass resultierend aus diesen Gesprächen die Bischöfe nun besser in der Lage sind, die Aufgabe zu übernehmen, die vergangenen Ungerechtigkeiten wieder gut zu machen und das weitergehende Thema des Missbrauchs an Minderjährigen in einer Weise anzugehen, die den Anforderungen der Justiz und der Lehre des Evangeliums entspricht.
2. Die Schwere der Vergehen und die oftmals unangemessenen Reaktion der kirchlichen Autoritäten in eurem Land erwägend habe ich entschieden, diesen Hirtenbrief zu schreiben, um meine Nähe zu euch auszudrücken und einen Weg der Heilung, der Erneuerung und der Wiedergutmachung vorzuschlagen.
Wie viele in Eurem Land betont haben: es ist wahr, dass das Problem des Missbrauchs von Kindern weder ein rein irisches noch ein rein kirchliches ist. Trotzdem ist Eure Aufgabe nun, das Problem des Missbrauchs aufzuarbeiten, das in der irischen katholischen Gemeinschaft entstanden ist, und dies mit Mut und Bestimmtheit zu tun. Niemand erwartet, dass diese schmerzhafte Situation sich schnell lösen lässt. Wirklicher Fortschritt ist gemacht worden, aber es bleibt noch viel zu tun. Durchhaltevermögen und Gebet sind nötig, mit großem Vertrauen in die heilende Kraft der Gnade Gottes.
Gleichzeitig muss ich aber auch meine Überzeugung mitteilen, dass die Kirche in Irland, um von dieser tiefen Wunde zu genesen, die schwere Sünde gegen schutzlose Kinder vor Gott und vor anderen offen zugeben muss. Solch eine Anerkennung, begleitet durch ernste Reue für die Verletzung dieser Opfer und ihrer Familien, muss zu einer gemeinsamen Anstrengung führen, um den Schutz von Kindern vor ähnlichen Verbrechen in der Zukunft sicher zu stellen.
Da Ihr nun die Herausforderungen des Augenblicks auf euch nehmt bitte ich euch, „blickt auf den Felsen, aus dem ihr herausgehauen seid“ (Jesaja 51:1). Bedenkt den großherzigen und oft heroischen Beitrag, den vergangene Generationen irischer Männer und Frauen für die Kirche und die ganze Menschheit geleistet haben. Lasst Euch das Ansporn sein für eine ehrliche Selbstbetrachtung und ein engagiertes Programm kirchlicher und persönlicher Erneuerung. Ich bete dafür, dass die Kirche in Irland, durch den Beistand der vielen Heiligen und gereinigt durch Reue, die augenblickliche Krise überwindet und erneut ein Zeuge für die Wahrheit und die Güte des allmächtigen Gottes wird, die sich zeigt in seinem Sohn Jesus Christus.
3. In der Geschichte waren die Katholiken Irlands immer eine starke Kraft für das Gute, in der Heimat und außerhalb. Keltische Mönche wie der heilige Kolumban haben das Evangelium in Westeuropa verbreitet und das Fundament für die mittelalterliche Klosterkultur gelegt. Die Ideale von Heiligkeit, Nächstenliebe und transzendenter Weisheit, geboren aus dem christlichen Glauben, fanden ihren Ausdruck in den Kirchen und Klöstern, in den Schulen, Bibliotheken und Hospitälern, die alle daran mitwirkten, die geistige Identität Europas zu festigen. Diese irischen Missionare haben ihre Stärke aus dem festen Glauben, der starken Leitung und der aufrechtem Verhalten der Kirche in ihrem Mutterland gewonnen.
Beginnend mit dem 16. Jahrhundert haben die Katholiken in Irland eine lange Zeit der Verfolgung erdulden müssen, während derer sie sich mühten, die Flamme des Glaubens unter gefährlichen und schwierigen Umständen lebendig zu halten. Der Heilige Oliver Plunkett, der Märtyrerbischof von Armagh, ist das berühmteste Beispiel einer ganzen Schar von mutigen Söhnen und Töchtern Irlands, die bereit waren, ihr Leben aus Treue zum Evangelium hinzugeben. Nach der katholischen Emanzipation war die Kirche frei, neu zu wachsen. Familien und zahllose Einzelne, die den Glauben in Zeiten der Prüfung erhalten haben, wurden zum Auslöser für das große Wiederaufleben des irischen Katholizismus im 19. Jahrhundert. Die Kirche bot Bildung, besonders für die Armen, und leistete dadurch ihren Beitrag zur Gesellschaft Irlands. Zu den Früchten des Wachsens der neuen katholischen Schulen gehörte eine Zunahme in Berufungen: Generationen von Missionaren, Schwestern und Brüdern, haben ihr Heimatland verlassen um auf allen Kontinenten zu dienen, besonders in der englischsprachigen Welt. Bemerkenswert waren nicht nur ihre große Zahl, sondern auch die Stärke ihres Glaubens und die Standhaftigkeit ihres pastoralen Engagements. Viele Bistümer, besonders in Afrika, Amerika und Australien, haben von der Präsenz irischer Geistlicher und Ordensleute profitiert, die das Evangelium verkündeten und Pfarreien, Schulen, Universitäten und Krankenhäuser gründeten, die sowohl den Katholiken als auch der gesamten Gesellschaft dienten, mit besonderem Augenmerk auf die Bedürfnisse der Armen.
In fast jeder Familie in Irland gibt es jemanden – einen Sohn oder eine Tochter, einen Onkel oder eine Tante – der sein Leben der Kirche gegeben hat. Irische Familien würdigen und schätzen zu Recht die Ihren, die ihr Leben Christus geweiht haben, die das Geschenk des Glaubens mit anderen Teilen und aus diesem Glauben Taten folgen lassen, in liebendem Dienst an Gott und dem Nächsten.
4. In den vergangenen Dekaden hatte die Kirche in Eurem Land jedoch neue und schwere Herausforderungen für den Glauben durch die rasche Transformation und Säkularisierung der irischen Gesellschaft zu bestehen. Der schnelllebige soziale Wandel hat oft genug das traditionelle Festhalten der Menschen an den katholischen Lehren und Werten beeinträchtigt. Viel zu oft wurden die sakramentalen und andächtigen Gebräuche vernachlässigt, die den Glauben erhalten und ihm erlauben, zu wachsen, wie etwa die regelmäßige Beichte, das tägliche Gebet und jährliche Einkehrtage. Bedeutsam war während dieser Zeit ebenfalls die Tendenz vieler Priester und Ordensleute, Weisen des Denkens und der Einschätzung säkularer Realitäten ohne ausreichenden Bezug zum Evangelium zu übernehmen. Das Programm der Erneuerung, dass das Zweite Vatikanische Konzil vorgelegt hat, wurde häufig falsch gelesen; im Licht des tiefen sozialen Wandels war es schwer, die richtigen Weisen der Umsetzung zu finden. Es gab im Besonderen die wohlmeinende aber fehlgeleitete Tendenz, Strafen für kanonisch irreguläre Umstände zu vermeiden. In diesem Gesamtkontext müssen wir das verstörende Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu verstehen versuchen, das nicht wenig zur Schwächung des Glaubens und dem Verlust des Respekts vor der Kirche und ihre Lehren beigetragen hat.
Nur durch sorgfältige Prüfung der vielen Faktoren die zum Entstehen der augenblicklichen Krise geführt haben kann eine klare Diagnose ihrer Gründe unternommen und können wirkungsvolle Abhilfemaßnahmen gefunden werden. Sicherlich können wir zu den entscheidenden Faktoren hinzuzählen: unangemessene Verfahren zur Feststellung der Eignung von Kandidaten für das Priesteramt und das Ordensleben; nicht ausreichende menschliche, moralische, intellektuelle und geistliche Ausbildung in Seminarien und Noviziaten; eine Tendenz in der Gesellschaft, den Klerus und andere Autoritäten zu favorisieren; und eine fehlgeleitete Sorge für den Ruf der Kirche und die Vermeidung von Skandalen, die zum Versagen in der Anwendung bestehender kanonischer Strafen und im Schutz der Würde jeder Person geführt hat. Es muss dringend gehandelt werden um diese Faktoren anzugehen, die so tragische Konsequenzen in den Leben von Opfern und ihrer Familien hatten und die das Licht des Evangeliums in einer solchen Weise verdunkelt haben, wie es noch nicht einmal Jahrhunderten der Verfolgung gelungen ist.
5. Bereits mehrfach seit meiner Wahl auf den Stuhl Petri habe ich Opfer sexuellen Missbrauchs getroffen und ich bin bereit, das auch in Zukunft zu tun. Ich habe mit ihnen zusammen gesessen, habe ihre Geschichten gehört, ihr Leiden wahrgenommen und ich habe mit ihnen und für sie gebetet. Schon früher in meinem Pontifikat habe ich in meiner Sorge diese Frage anzusprechen, die Bischöfe Irlands aufgefordert, „die Wahrheit dessen, was in der Vergangenheit geschehen ist, festzustellen, jede notwendige Maßnahme zu ergreifen, damit das nie wieder geschehen kann, sicherzustellen, dass die Vorgaben der Justiz voll eingehalten werden und, am wichtigsten, den Opfern und allen von diesen ungeheuerlichen Verbrechen Betroffenen Heilung zu bringen“ (Ansprache an die Bischöfe von Irland während des Ad Limina Besuchs, 28. Oktober 2006).
Mit diesem Brief möchte ich euch alle, das Volk Gottes in Irland, ermahnen, die Wunden am Körper Christi zu betrachten. Betrachtet aber auch die manchmal schmerzhaften Heilmittel, die wir brauchen, um diese Wunden zu binden und zu heilen, und ebenfalls die Notwendigkeit der Einheit, der Nächstenliebe und der gegenseitigen Unterstützung in einem langwierigen Prozess der Wiederherstellung und kirchlicher Erneuerung. Ich wende mich nun an euch mit Worten, die von Herzen kommen und ich möchte zu euch einzeln und zu euch allen gemeinsam als Brüder und Schwestern im Herrn sprechen.
6. An die Opfer des Missbrauchs und ihre Familien
Ihr habt viel gelitten und ich bedaure das aufrecht. Ich weiß, dass nichts das Erlittene ungeschehen machen kann. Euer Vertrauen wurde verraten und eure Würde wurde verletzt. Viele von Euch mussten erfahren, dass, als Ihr den Mut gefunden habt, über das zu spreche, was euch zugestoßen ist, Euch niemand zugehört hat. Diejenigen von euch, denen das in Wohnheimen und Internaten geschehen ist, müssen gefühlt haben, dass es kein Entkommen gibt aus Eurem Leid. Es ist verständlich, dass es schwer für Euch ist, der Kirche zu vergeben oder sich mit ihr zu versöhnen. Im Namen der Kirche drücke ich offen die Schande und die Reue aus, die wir alle fühlen. Gleichzeitig bitte ich Euch, die Hoffnung nicht aufzugeben. In der Gemeinschaft der Kirche begegnen wir Christus, der selbst ein Opfer von Ungerechtigkeit und Sünde war. Wie ihr trägt er immer noch die Wunden seines eigenen ungerechten Leidens. Er versteht die Tiefe eures Leides und die fortdauernden Auswirkungen auf Euer Leben und Eure eigenen Beziehungen, eingeschlossen Eure Beziehung zur Kirche. Ich weiß, dass es einigen von euch schwer fällt durch die Türen der Kirche zu gehen nach allem, was passiert ist. Aber Christi eigene Wunden, verwandelt durch sein erlösendes Leiden, sind der Weg, durch den die Macht des Bösen gebrochen wird und wir zu Leben und Hoffnung wiedergeboren sind. Ich glaube zutiefst, dass diese heilende Kraft der aufopfernden Liebe Befreiung und die Verheißung eines Neuanfangs bringt – sogar in den dunkelsten und hoffnungslosesten Situationen.
Ich spreche zu Euch als Hirte, der sich um das Wohl aller Kinder Gottes sorgt und bitte Euch, zu bedenken, was ich gesagt habe. Ich bete, dass durch die Annäherung an Christus und durch die Teilnahme am Leben seiner Kirche – einer Kirche gereinigt durch Buße und erneuert in Nächstenliebe – Ihr die unermessliche Liebe Christi für jeden von Euch wiederentdecken könnt. Ich bin zuversichtlich, dass Ihr auf diese Weise Versöhnung, tiefe innere Heilung und Frieden finden könnt.
7. An die Priester und Ordensleute, die Kinder missbraucht haben
Ihr habt das Vertrauen, das von unschuldigen jungen Menschen und ihren Familien in Euch gesetzt wurde, verraten und Ihr müsst Euch vor dem allmächtigen Gott und vor den zuständigen Gerichten dafür verantworten. Ihr habt die Achtung der Menschen Irlands verspielt und Schande und Unehre auf Eure Mitbrüder gebracht. Die Priester unter Euch haben die Heiligkeit des Weihesakraments verletzt, in dem Christus sich selbst in uns und unseren Handlungen gegenwärtig macht. Gemeinsam mit dem immensen Leid, das Ihr den Opfern angetan habt, wurde die Kirche und die öffentlichen Wahrnehmung des Priestertums und des Ordensleben beschädigt.
Ich mahne Euch, Euer Gewissen zu erforschen, Verantwortung für die begangenen Sünden zu übernehmen und demütig Euer Bedauern auszudrücken. Ehrliche Reue öffnet die Tür zu Gottes Vergebung und die Gnade ehrlicher Besserung. Durch Gebet und Buße für die, denen Ihr Unrecht getan habt, sollt ihr persönlich für Euer Handeln Sühne leisten. Christi erlösendes Opfer hat die Kraft, sogar die größte Sünde zu vergeben und Gutes sogar aus dem schlimmsten Übel wachsen zu lassen. Gleichzeitig ruft uns Gottes Gerechtigkeit dazu auf, Rechenschaft über unsere Taten abzulegen und nichts zu verheimlichen. Erkennt Eure Schuld öffentlich an, unterwerft Euch der Rechtsprechung, aber verzweifelt nicht an der Gnade Gottes.
8. An die Eltern
Ihr seid zutiefst entsetzt über die furchtbaren Dinge, die an den Orten stattgefunden haben, die eigentlich die sichersten und sorgenfreiesten Orte hätte sein sollen. Es ist heute nicht einfach, ein Zuhause zu bilden und Kinder zu erziehen. Sie verdienen es, sicher aufzuwachsen, geliebt und geschätzt mit einem starken Gefühl ihrer Identität und ihres Wertes. Sie haben das Recht, mit authentischen moralischen Werten erzogen zu werden, zutiefst in der Menschenwürde verankert. Sie haben das Recht, inspiriert zu werden durch die Wahrheit unseres katholischen Glaubens und Weisen des Verhaltens und Handelns zu erlernen, die zu einem gesunden Selbstwert und zu dauerhaftem Glück führen. Diese noble aber auch anspruchsvolle Aufgabe ist zuallererst Euch anvertraut, den Eltern. Ich bitte Euch dringend, Eure Rolle bei der Gewährleistung der besten möglichen Fürsorge für die Kinder sowohl zu Hause als auch in der Gesellschaft zu spielen, während die Kirche ihre Rolle wahrnimmt und weiter die Maßnahmen der letzten Jahre umsetzt um junge Menschen in Pfarreien und Schulen zu schützen. Während Ihr Eure lebenswichtige Verantwortung wahrnehmt möchte ich Euch versichern, dass ich Euch nahe bin und die Unterstützung meiner Gebete anbiete.
9. An die Kinder und die Jugend Irlands
Euch möchte ich ganz besonders ermutigen. Eure Erfahrung der Kirche ist sehr unterschiedlich von der Eurer Eltern und Großeltern. Die Welt hat sich sehr geändert seit sie in Eurem Alter waren. Trotzdem sind alle Menschen aller Generationen dazu berufen, denselben Weg durchs Leben zu gehen, gleich unter welchen Umständen. Wir sind alle skandalisiert von den Sünden und dem Versagen von einigen Mitgliedern der Kirche, besonders durch die derer, die eigens dazu ausgesucht waren, jungen Menschen zu dienen und sie anzuleiten. Aber es ist die Kirche, in der Ihr Christus findet, der derselbe ist, gestern, heute und morgen (Hebräerbrief 13:8). Er liebt Euch und er hat sich am Kreuz für Euch hingegeben. Sucht eine persönliche Beziehung zu ihm in der Gemeinschaft der Kirche, denn er wird nie Euer Vertrauen missbrauchen! Er allein kann Eure tiefsten Sehnsüchte erfüllen und Eurem Leben den vollen Sinn geben dadurch, dass er es zum Dienst am Nächsten lenkt. Haltet Eure Augen auf Jesus und seine Güte gerichtet und schützt die Flamme des Glaubens in Eurem Herzen. Gemeinsam mit den übrigen Gläubigen in Irland sehe ich in Euch treue Jünger unseres Herrn; bringt den nötigen Enthusiasmus und Idealismus zum Neuaufbau und der Erneuerung Eurer geliebten Kirche.
10. An die Priester und Ordensleute in Irland
Wir alle leiden als Folge der Sünden unserer Mitbrüder, die das heilige Vertrauen missbraucht haben oder versagt haben, gerecht und verantwortungsvoll mit den Missbrauchsvorwürfen umzugehen. In der Wut und der Empörung die das alles nicht nur unter den Gläubigen sondern auch unter Euch und in den Ordensgemeinschaften hervorgerufen hat, fühlen sich viele von Euch mutlos oder sogar verlassen. Mir ist ebenfalls bewusst, dass in den Augen vieler Ihr durch die Nähe zu den Tätern einen Makel tragt und als irgendwie verantwortlich für die Verbrechen anderer gesehen werdet. In dieser schmerzlichen Zeit möchte ich Eure Hingabe an das Priestertum und das Apostolat würdigen und Euch einladen, Euren Glauben in Christus zu festigen, Eure Liebe zu seiner Kirche und Euer Vertrauen in die Verheißung des Evangeliums auf Erlösung, Vergebung und innere Erneuerung. Auf diese Weise werdet ihr aufzeigen, dass da, wo die Sünde mächtig wurde, die Gnade übergroß wurde (Römerbrief 5:20).
Ich weiß, dass viele von Euch von der Art und Weise, wie diese Dinge von Euren Oberen behandelt wurden, enttäuscht, verwirrt und verärgert sind. Trotzdem ist es wesentlich, dass Ihr eng mit den Autoritäten kooperiert und helft, dass die Maßnahmen zur Bewältigung der Krise wirklich dem Evangelium gemäß, gerecht und effektiv sind. Vor allem aber bitte ich Euch, immer mehr Männer und Frauen des Gebets zu werden, die mutig dem Weg der Bekehrung, Reinigung und Versöhnung gehen. Auf diese Weise wird die Kirche in Irland neues Leben und neue Dynamik aus Eurem Zeugnis für Gottes erlösende Kraft, die in Eurem Leben sichtbar wird, schöpfen.
11. An meine Mitbrüder im Bischofsamt
Es kann nicht geleugnet werden, dass einige von Euch und von Euren Vorgängern bei der Anwendung der seit langem bestehenden Vorschriften des Kirchenrechts zu sexuellem Missbrauch von Kindern versagt haben. Schwere Fehler sind bei der Behandlung von Vorwürfen gemacht worden. Ich erkenne an, dass es schwer war, die Komplexität und das Ausmaß des Problems zu erkennen, gesicherte Informationen zu erlangen und die richtigen Entscheidungen bei widersprüchlichen Expertenmeinungen zu treffen. Trotzdem muss zugegeben werden, dass schwerwiegende Fehlurteile getroffen wurden und Fehler in der Leitung vorkamen. Dies alles hat Eure Glaubwürdigkeit und Effektivität untergraben. Ich erkenne Eure Bemühungen an, vergangene Fehler wieder gut zu machen und zu garantieren, dass sie nicht wieder passieren. Abgesehen von der vollständigen Umsetzung der Normen des Kirchenrechts im Umgang mit Fällen von Kindesmissbrauch: kooperiert weiter mit den staatlichen Behörden in ihrem Bereich. Für die Ordensoberen gilt dasselbe. Sie haben ebenfalls an Diskussionen hier in Rom teilgenommen, um einen eindeutigen und klaren Weg zum Umgang in dieser Angelegenheit zu entwickeln. Es ist zwingend erforderlich, dass die Normen der Kirche in Irland zum Schutz von Kindern kontinuierlich überprüft und aktualisiert werden und dass sie vollständig und unabhängig in Übereinstimmung mit dem Kirchenrecht angewandt werden.
Ausschließlich entschiedene Handlungsweisen, umgesetzt in voller Aufrichtigkeit und Transparenz, wird den Respekt und den guten Willen des irischen Volks der Kirche gegenüber, der wir unser Leben geweiht habt, wiedergewinnen. Das muss zuallererst aus Eurer Selbsterforschung, aus innerer Reinigung und geistlicher Erneuerung kommen. Die Menschen Irlands erwarten zu Recht, dass Ihr Menschen Gottes seid, dass Ihr gottgefällig und einfach lebt und täglich die persönliche Bekehrung erstrebt. Für sie – in den Worten des heiligen Augustinus – seid Ihr Bischof; aber gemeinsam mit ihnen seid Ihr berufen, Christus nachzufolgen (Sermon 340, 1). Ich ermahne Euch deswegen, Euren Sinn für die Rechenschaftspflicht vor Gott zu erneuern, in der Solidarität mit Eurem Volk zu wachsen und die pastorale Sorge für alle Mitglieder Eurer Herde zu vertiefen. Besonders fordere ich Euch auf, achtsam zu sein für die geistlichen und moralischen Bedürfnisse jedes einzelnen Eurer Priester. Gebt ihnen durch Euer eigenes Leben ein Beispiel, seit ihnen nahe, hört auf ihre Anliegen, bietet Ermutigung in dieser schwierigen Zeit und nährt die Flamme ihrer Liebe zu Christus und ihr Engagement für den Dienst an ihren Brüdern und Schwestern.
Die Gläubigen sollen ebenfalls ermutigt werden, ihre eigene Rolle im Leben der Kirche zu spielen. Sorgt dafür, dass sie so ausgebildet sind, dass sie eine verständliche und überzeugende Darstellung des Evangeliums in mitten der modernen Gesellschaft geben können (1. Petrusbrief 3:15) und vollständiger mit dem Leben und dem Auftrag der Kirche kooperieren. Dies wird umgekehrt Euch helfen, wieder glaubwürdige Obere und Zeugen der erlösenden Wahrheit Christi zu werden.
12. An alle Gläubigen Irlands
Die Erfahrung der Kirche eines jungen Menschen sollte immer aus einer persönlichen und Leben spendenden Begegnung mit Jesus Christus in einer liebenden, nährenden Gemeinschaft Frucht bringen. In dieser Umgebung sollten junge Menschen ermutigt werden, ihre menschliche und geistliche Gestalt voll zu entwickeln, das hohe Ideal der Heiligkeit, der Nächstenliebe und der Wahrheit anzustreben, und von den Reichtümern der kulturellen und religiösen Tradition inspiriert zu sein. In unserer zunehmend säkularisierten Gesellschaft, in der selbst wir Christen es oft schwer finden, über die transzendente Dimension unserer Existenz zu sprechen, müssen wir neue Wege finden, jungen Menschen die Schönheit und den Reichtum der Freundschaft mit Christus in der Gemeinschaft der Kirche nahe zu bringen. Für die Bewältigung der gegenwärtigen Krise sind Maßnahmen, die gerecht mit individuellem Unrecht umgehen, unerlässlich, aber allein für sich sind sie nicht ausreichend: wir brauchen eine neue Vision, um zukünftige Generationen zu inspirieren, das Geschenk unseres gemeinsamen Glaubens zu schätzen. Indem Ihr den Weg des Evangeliums geht, durch das Halten der Gebote und dadurch, dass Ihr Euer Leben immer mehr in Übereinstimmung mit dem Leben Jesu Christi bringen, werdet Ihr sicher die tiefe Erneuerung erfahren, die wir in dieser Zeit so dringend brauchen. Ich lade Euch ein, auf diesem Weg beständig zu sein.
13. Liebe Brüder und Schwestern in Christus, ich wollte Euch diese Worte der Ermutigung und Unterstützung aus meiner Fürsorge für Euch alle in dieser schmerzvollen Zeit, in der die Zerbrechlichkeit des menschlichen Wesens so deutlich offenbar geworden ist, schreiben. Ich hoffe, dass Ihr sie als Zeichen meiner geistlichen Nähe und meiner Zuversicht in Eure Fähigkeit empfangt, den Herausforderungen der Stunde dadurch zu begegnen, dass Ihr erneuerte Inspiration und Stärke aus Irlands nobler Tradition der Treue zum Evangelium empfangt, Ausdauer im Glauben und Beharrlichkeit im Erstreben von Heiligkeit. In Solidarität mit Euch allen bete ich, dass mit Gottes Gnade die Wunden, die so viele Einzelne und Familien verletzt haben, heilen und dass die Kirche in Irland eine Zeit der Wiedergeburt und der geistlichen Erneuerung erfahre.
14. Ich möchte Euch nun auch einige konkrete Initiativen zum Umgang mit der Situation vorschlagen.
Am Ende meines Treffens mit den irischen Bischöfen habe ich darum gebeten, dass diese Fastenzeit reserviert wird für das Gebet um das Ausgießen der Barmherzigkeit Gottes und der Geistesgaben der Heiligkeit und Stärke über der Kirche in Eurem Land. Ich lade Euch alle ein, die Freitagsbuße für die Dauer eines Jahres bis Ostern 2011 dieser Intention zu widmen. Ich bitte Euch, Euer Fasten, Euer Gebet, Eure Schriftlesung und Eure Werke der Nächstenliebe dem zu widmen, damit Ihr so die Gnade der Heilung und der Erneuerung für die Kirche in Irland erlangt. Ich ermutige Euch, aufs Neue das Sakrament der Versöhnung für Euch zu entdecken und häufiger die verwandelnde Kraft seiner Gnade zu nutzen.
Besondere Aufmerksamkeit sollte ebenfalls der eucharistischen Anbetung zuteil werden; in jedem Bistum soll es Kirchen oder Kapellen geben, die speziell diesem Zweck gewidmet sind. Ich fordere Pfarreien, Seminarien, Ordenshäuser und Klöster dazu auf, Zeiten eucharistischer Anbetung zu organisieren, so dass sich alle beteiligen können. Durch intensives Gebet vor dem anwesenden Herrn könnt Ihr Wiedergutmachung leisten für die Sünde des Missbrauchs, die so viel Schaden angerichtet hat. Gleichzeitig könnt Ihr so die Gnade neuer Stärke erflehen und einen tieferen Sinn des Auftrags aller Bischöfe, Priester, Ordensleute und Gläubigen.
Ich bin zuversichtlich, dass dieses Unterfangen zu einer Neugeburt der Kirche in Irland führen in der Fülle von Gottes Wahrheit führen wird, denn es ist die Wahrheit, die uns frei macht (Johannesevangelium 8:32).
Darüber hinaus, nachdem ich darüber beraten und gebetet habe, habe ich vor, eine Apostolische Visitation einiger Bistümer Irlands abzuhalten, ebenso von Seminarien und Ordensgemeinschaften. Absprachen für diese Visitation, die der Ortskirche auf ihrem Weg der Erneuerung helfen soll, werden in Absprache mit den zuständigen Büros der römischen Kurie und der irischen Bischofskonferenz getroffen. Die Einzelheiten werden zu gegebener Zeit bekannt gegeben.
Ich schlage ebenfalls eine gemeinsame Mission in ganz Irland für alle Bischöfe, Priester und Ordensleute vor. Es ist meine Hoffnung, dass durch das Nutzen der Expertise erfahrener Prediger und Exerzitienbegleiter von Irland und andernorts und durch das erneute Studium der Dokumente des Konzils, der liturgischen Riten von Weihe und Profess und der neueren päpstlichen Lehren, Ihr zu einem tieferen Verständnis für Eure jeweilige Berufung kommt, um so die Wurzeln Eures Glaubens in Jesus Christus wieder zu entdecken und aus dem Quell des lebendigen Wassers zu trinken, den er Euch durch seine Kirche bietet.
In diesem Jahr des Priesters empfehle ich Euch ganz besonders den heiligen Jean-Marie Vianney, der ein reiches Verständnis des Mysteriums des Priestertums hatte. Er schrieb: „der Priester hält den Schlüssel zu den Schätzen des Himmels: er ist es, der die Tür öffnet: er ist der Statthalter des guten Herrn; der Verwalter seiner Güter.“ Der Pfarrer von Ars verstand sehr gut, wie gesegnet eine Gemeinschaft ist, wenn ihr von einem guten und heiligen Priester gedient wird: „ein guter Hirte, ein Hüter nach Gottes Herzen, ist der größte Schatz, den Gott einer Gemeinde schenken kann und eines der wertvollsten Geschenke göttlicher Gnade.“ Durch die Fürsprache des heiligen Jean-Marie Vianney möge das Priestertum in Irland neu belebt werden und möge die ganze Kirche in Irland wachsen in Wertschätzung für das große Geschenk des priesterlichen Dienstes.
An dieser Stelle möchte ich denen im voraus danken, die an der Aufgabe der Organisation der Apostolischen Visitation und der Mission beteiligt sind, und genauso den vielen Männern und Frauen in ganz Irland, die schon heute für den Schutz von Kindern im kirchlichen Umfeld arbeiten. Seit der Zeit, als wir begonnen haben, die Schwere und das Ausmaß des Problems zu verstehen, hat die Kirche eine ungemein große Anstrengung in vielen Teilen der Welt geleistet, um sich dem zu stellen und um Abhilfe zu schaffen. Auch wenn keine Anstrengung aufgespart werden sollte, die Verfahren zu verbessern und zu aktualisieren, bin ich doch ermutigt durch die Tatsache, dass die augenblicklichen Verfahren zur Absicherung, die die Kirche eingeführt hat, in einigen Teilen der Welt als vorbildlich für andere Institutionen angesehen werden.
Ich möchte diesen Brief mit einem besonderen Gebet für die Kirche in Irland beenden, das ich Euch mit der besonderen Sorge des Vaters für seine Kinder und der Zuneigung eines Mitchristen sende, der skandalisiert und verletzt ist durch das, was in unserer geliebten Kirche geschehen ist. Wenn Ihr es in Euren Familien, Pfarreien und Gemeinschaften betet, möge die selige Jungfrau Maria jeden von Euch schützen und leiten zu einer engeren Verbindung mit ihrem Sohn, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Mit großer Zuneigung und unentwegter Zuversicht in Gottes Zusage sende ich Euch herzlich meinen apostolischen Segen als eine Zusage von Stärke und Frieden im Herrn.

Aus dem Vatikan, 19. März 2010, am Hochfest des heiligen Josef (rv)