Der Vatikan will den Vorschlag prüfen, Flüchtlingen mit eigenen Visa eine legale Einreise nach Europa zu ermöglichen. Es sei allerdings schwer, diese Idee zu verwirklichen, sagte der Präsident des päpstlichen Migrantenrates, Kardinal Antonio Maria Vegliò, am Samstag in einem Interview mit Radio Vatikan. Die Kirche wolle alles in ihrer Macht Stehende tun, um zu einer Lösung der Flüchtlingsproblematik beizutragen. Wörtlich sagte Vegliò: „Diese Idee wurde uns in den vergangenen Tagen vorgestellt. Vier Priester haben dieses Konzept erarbeitet. Es ist zwar sehr schwer, das umzusetzen, doch wir können diese Idee auch nicht verwerfen. Auf jeden Fall werden wir als Kirchenvertreter daran arbeiten, Lösungswege vorzuschlagen!“
Vier katholische Priester hatten in der italienischen Zeitschrift ‚L`Espresso’ an den Vatikan appelliert, in den Herkunftsländern der Flüchtlinge durch seine Botschaften – sogenannte Nuntiaturen – vatikanische Visa ausstellen zu lassen, um eine legale Einreise nach Europa zu ermöglichen. Durch diesen sogenannten „humanitären Korridor“ wollen sie verhindern, dass sich die Flüchtlinge in die Hände von Schleusern begeben und auf überfüllten Booten die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer antreten.
Vegliò hat am Freitag mit dem Papst über die Flüchtlingsproblematik gesprochen. Dabei hat Franziskus nach Angaben des Kardinals die Einstellung „einiger Politiker in Europa“ kritisiert: Sie hätten „seltsame Ideen“, um Flüchtlinge auf dem Mittelmeer aufzuhalten. Franziskus sei gegen „unmenschliche“ Einstellungen bei der Flüchtlingspolitik, so Vegliò.
Es sei ihm bewusst, so der Kardinal, dass viele Europäer Angst vor den Flüchtlingen hätten, weil sie sie als Gefahr und Problem betrachteten. „Allerdings steht Europa auch in der Pflicht, sich um die Flüchtlinge zu kümmern, weil es ein reicher Kontinent ist! Wer nach Europa flieht, um ein besseres Leben zu suchen, braucht unsere Unterstützung. Diese Menschen nehmen sogar den Tod bei ihrer Überfahrt in Kauf.“ Kardinal Vegliò macht einen klaren Unterschied zwischen Migranten, die ein besseres Leben suchen, und Flüchtlingen, die gezwungen sind, vor Gewalt zu fliehen. Gerade in Ländern wie Syrien, dem Irak, Nigeria oder Somalia herrschten politische oder religiöse Verfolgung. „Wir können nicht einfach dorthin gehen und ein ganzes Land bombardieren. Das wäre gegen das internationale Recht! Eine andere Sache ist das Zerstören der Boote, um gegen das Geschäft der Schlepper vorzugehen. Doch das scheint mir sehr kompliziert zu sein. Ich verstehe zwar, dass man sich fragt, wie man Herr der Lage werden könnte. Die einzige Lösung scheint mir aber jene zu sein, dass jedes der 28 EU-Länder eine gewisse Anzahl Flüchtlinge aufnimmt.“
Auch andere christliche Kirchen in Europa wollen im Bereich Mittelmeer-Flüchtlinge mithelfen. Das bestätigte gegenüber Radio Vatikan der anglikanische Bischof Christopher Hill, Vorsitzender der ökumenischen Konferenz Europäischer Kirchen (KEK). Dieser Verband traf sich diese Woche in Rom mit dem Rat der europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) – unter anderem, um über die Flüchtlingsproblematik zu beraten.
„Die katholischen Bischöfe und die Kirchenvertreter aller anderen Konfessionen in Europa teilen die Befürchtungen, auch wenn wir uns davor hüten, über die bisherige Politik diesbezüglich zu urteilen. Das ist Sache der Kirchenvertreter in Brüssel. Wir sind selbstverständlich sehr besorgt über die derzeitige Lage auf dem Mittelmeer und rufen die Regierungen sowie die Europäische Union auf, Lösungen zu finden.“ (rv)