„Stabilisierung“ und „Normalisierung“ sind die Schlüsselworte bei der Vorstellung der Bilanz der vatikanischen Finanzaufsichtsbehörde AIF. Im Jahr 2017 hat die AIF 150 Verdachtsfälle auf Geldwäsche festgestellt, 57 weniger als im Vorjahr; bis 2012 waren es nur sechs gewesen. René Brülhart, Präsident der AIF, sieht darin den Beleg, dass seine Behörde gut arbeitet.
Johanna Gremme und Nadine Vogelsberg – Vatikanstadt
Herr Brülhart, können Sie für unsere Hörer die wichtigsten Ergebnisse des Berichts zusammenfassen?
Brülhart: „Den Bericht kann man gut zusammenfassen mit zwei Wörtern: Einerseits Konsolidierung, andererseits Normalisierung. Konsolidierung im Sinne, dass die Arbeiten, was das rechtliche Umfeld aber auch die Implementierung der entsprechenden Maßnahmen anlangt, soweit abgeschlossen sind. Selbstverständlich geht auch die Regulierungsarbeit weiter, aber das Fundament ist in den letzten Jahren gelegt worden und wird heute vollumfänglich angewandt. Und dann auch sozusagen eine Normalisierung: Bei den Verdachtsmitteilungen gab es 2015 eine Spitze. Das ist darauf zurückzuführen, dass dort die entsprechenden Arbeiten im Institut für die Religiösen Werke (IOR, die Vatikanbank) abgeschlossen worden sind. Wenn man hier die letzten zwei Jahre anschaut, insbesondere das letzte Jahr, hat es dort eine entsprechende Abnahme gegeben. Das ist positiv zu werten, hier hat man Qualität vor Quantität. Und der letzte Punkt, die internationale Zusammenarbeit, die mit dem Abschluss von weiteren, 19 Zusammenarbeitsvereinbarungen mit den Behörden anderer Länder weiter ausgebaut worden ist, auch hier hat man entsprechende Fortschritte gemacht.“
Wenn Sie auf Ihre gesamte Amtszeit schauen, was haben Sie für Entwicklungen erlebt?
Brülhart: „Es war ein stetiger Prozess, insbesondere wenn wir auf 2012 / 2013 zurückschauen, wo es darum gegangen ist, ein maßgeschneidertes System für den Vatikan beziehungsweise den Heiligen Stuhl aufzusetzen und ein Verständnis dafür herzustellen, was es effektiv braucht und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen. Das wurde dann auch mit großer politischer Unterstützung getan und wird nach wie vor getan. Es war wirklich ein stetiger Weg, den man hier beschritten hat, um rechtliche Rahmen aufzusetzen , die Institution einerseits zu verstärken, andererseits dann auch neu zu schaffen – eine schöne Entwicklung eigentlich.“
Sie sprechen von einem maßgeschneidertem System, worauf muss man da im Vatikan achten, was zum Beispiel in der Schweiz anders gewesen wäre?
Brülhart: „Ein großer Unterschied ist das: Der Vatikan hat keinen kommerziellen Finanzplatz als solches, also wenn Sie das mit der Schweiz vergleichen, haben Sie die Banken, da haben Sie eine Börse, da haben Sie Versicherungsunternehmen, Treuhänder, Anwälte, die in diesem Bereich tätig sind. Das alles gibt es im Vatikan nicht. Im Vatikan gibt es Finanzaktivitäten, sehr, sehr beschränkte und eigentlich auch sehr fokussierte für vornehmlich die Institution als solches, aber jetzt nicht per se kommerzieller Natur oder mit nur sehr wenigen Ausnahmen. Und von daher ist es schon ein massiver Unterschied zwischen diesen beiden Institutionen, auch was dann die mögliche Geldwäschebekämpfung betrifft.“
Wo, würden Sie sagen, steht dann der Vatikan als Finanzplatz in Finanz- und Wirtschaftswelt insgesamt aber auch in seiner Beziehung zu Italien?
Brülhart: „Es ist kein Finanzplatz als solches. Hier finden Finanzaktivitäten statt, die für den Vatikan notwendig sind. Der Vatikan ist eine globale Institution, nicht beschränkt auf Italien, sondern eine globale Institution, auch global tätig. Sie haben Geistliche und religiöse Werke überall in der Welt, und natürlich auch eine Jurisdiktion. In Weltgegenden, wo ein Bankensystem oder ein Finanzsystem nicht per se funktioniert, ist es dann zum Beispiel auch möglich, Geld zur Unterstützung zu überweisen und Zahlungen vorzunehmen. Hier spielt der Vatikan eine Rolle.“
Was sind gerade aktuell Herausforderungen?
Brülhart: „Etwas, das uns momentan ganz aktuell beschäftigt, ist die Einverleibung des Vatikans in das europäische Zahlungssystem. Das ist etwas, wo wir hoffentlich auf einem guten Wege sind. Und ansonsten sind es eher ein bisschen die technischen Verfeinerungen, gestützt auf diese Normalisierung, die wir in den letzten Jahren erreicht haben.“
Seit 2012 leitet der Schweizer die Finanzaufsicht und ist der erste Laie an der Spitze der AIF. Aufgabe der Finanzaufsicht ist, im Vatikan gegen unlautere Finanzgeschäfte vorzugehen, insbesondere gegen Geldwäsche. (vatican news)
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