Heiliges Tattoo! Eine 700 Jahre alte christliche Tradition blüht in Jerusalem

JERUSALEM – In der Altstadt von Jerusalem ist der Pilger umgeben von Geschichte. Eine schnelle Suche auf dem Smartphone führt einen in jahrhunderte-alte Geschäfte, zu den Stufen einer tausend Jahre alten Kirche, vorbei am 3.000 Jahre alten Tempelberg – und alles platzt aus den Nähten. Aber in den steinernen Mauern von „Razzouk Ink“ kann sich der moderne Pilger diese Geschichte als lebenslanges Memento auf den Körper zeichnen lassen.

Christliche Pilger kommen seit den Kreuzfahrerzeiten zur Familie Razzouk, um sich die alten Zeichen christlicher Identität und des Pilgerns einprägen zu lassen. Heute sind die Geräte modern, und manche Entwürfe auch behutsam aktualisiert worden. Doch die Familie Razzouk sticht Tätowierungen aus Jahrhunderte alter Tradition und Geschichte.

Ein in Tinte gestochenes Familienerbe

Wassim Razzouk, 43, ist ein Tätowierungskünstler mit einer Jahrhunderte alten Ahnenreihe: einer 700 Jahre alten, um genau zu sein.

„Wir sind Kopten, wir kommen aus Ägypten, und in Ägypten gibt es eine christliche Tradition des Tätowierens, und schon meine Vorfahren aus uralter Zeit gehörten zu den Tätowierern koptischer Christen“.

Die ersten belegten christlichen Tätowierungen lassen sich in Ägypten und im Heiligen Land zurückverfolgen bis ins 6. oder 7. Jahrhundert. Von dort hat sich die Tradition unter den Ostchristen ausgebreitet, darunter den Äthiopischen, Armenischen, Assyrischen und Maronitischen Kirchen. Bis heute verlangen viele Koptische Kirchen als Beweis für die Zugehörigkeit zum Glauben ein Kreuz-Tattoo oder etwas vergleichbares. (Weitere Traditionen christlicher Tätowierung, etwa unter Kelten und Kroaten, entstand unabhängig davon zu einem späteren Zeitpunkt.)

Mit der Ankunft der Kreuzfahrer im Jahr 1095, zur Befreiung des Heiligen Landes von muslimischen Eroberern, verbreitete sich dann die Tradition auch unter europäischen Christen. Der Brauch, sich als Pilger ins Heilige Land dort zum Abschluss tätowieren zu lassen – eine Tradition, die bis heute fortbesteht – lässt sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen.

Bei meinem Besuch des Geschäftes beobachtete ich, wie die Familie Razzouk einen römisch-katholischen Bischof beriet, der sich nach dem Abschluss einer persönlichen Wallfahrt noch in diesem Jahr tätowieren lassen will. Einige Wochen zuvor wurde hier Theophilos tätowiert, der Koptische Bischof des Rosten Meers. Weitere Kunden der Familie Razzouk waren christliche Würdenträger aus Äthiopien, verfolgte Christen, und Pilger aus ganz unterschiedlichen Gemeinden in aller Welt.

Als Wallfahrer kamen ursprünglich auch die ersten Mitglieder der Familie Razzouk nach Jerusalem. Nach vielen Wallfahrten und mehreren Generationen, die vor Ort Pilger und einheimische Christen des Heiligen Landes tätowierten, siedelten sie schließlich im Jahr 1750 permanent um in die Heilige Stadt. Wassim erzählte:

„Seit über 500 Jahren tätowieren wir Pilger im Heiligen Land, und es wurde von Vater zu Sohn immer weitergereicht.“

Künstler und Kunstwerkzeug

Die Wändes des Geschäftes erzählen aus der Familiengeschichte. Neben umrahmten Zeitungsartikeln mit Kunstwerken von Wassim und seinem Vater, Anton, hängen Schaukästen mit Portraits der Vorfahren: Wassims Großater, Yacoub, und Urgroßvater Jirius. Daneben sieht man Kunstwerkzeug wie eine ein traditionelles Gerät zum Stechen der Bilder, sowie ein frühes Tattoo-Instrument.

Traditionell stellten die christlichen Tätowierer ihre Tinte selber her und stempelten Bilder auf die Haut, bevor sie diese mit der Nadel einpausten. Auch wenn Wassim das alte Rezept für Tinte – bestehend aus Ruß und Rotwein – nicht mehr verwendet, sondern lieber moderne, sterilisierte Tinte, sind doch viele der 168 hölzernen Stempel im Besitz der Familie heute noch in Gebrauch.

Wassim stempelt die Entwürfe nicht direkt auf die Haut, sondern übeträgt sie auf ein Pauspapier, dass dann auf die Haut kommt. Während ich Wassim interviewte, sah ich, dass praktisch alle Kunden sich für Elemente dieser uralten Entwürfe entschieden. Zwei Frauen aus dem Westen Armeniens – eine Region, die heute unter türkischer Kontrolle ist – kamen herein und erzählten, dass sie gerade ihre Pilgerreise ins Heilige Land abgeschlossen hätten und nun ein traditionelles Pilger-Tattoo wollten. Ohne Änderungen.

Sie wählten den Stempel eines traditionellen Armenischen Kreuzes aus, ein kleines Kruzifix, dass zarte Blütenblätter als Elemente enthält.

Razzouk stich zum Abschluss das Jahr „2017“ darunter, um an die Zeit der Pilgerfahrt zu erinnern. Jedesmal, wenn die Frauen wieder eine Wallfahrt ins Heilige Land unternehmen, erklärte Wassim, werde dann eine weitere Jahreszahl dazukommen.

Nachdem die Frauen gegangen waren, zeigte man mir eine Schublade mit Dutzenden hölzerner Stempel, von denen jeder einmalig ist. Mehrere Entwürfe basierten auf dem Jerusalemer Kreuz: Ein Kreuz mit gleichlangen Armen, in dessen Viertel wieder je ein kleines Kreuz ist. Andere stellten die Jungfrau Maria dar, den Erzengel Sankt Michael, die Auferstehung Jesu, Lämmer, Rosen oder der Anfang Bethlehems. Ein jeder Stempel enthielt zutiefst christliche Symbolik, und erzählte damit eine Geschichte.

Die meisten Holzblöcke, die aus Oliven- und Zedernholz geschnitzt sind, stammen wohl aus dem 17. Jahrhundert, also aus einer Zeit, in der die Razzouks selber noch Pilger waren. Doch nur zwei Stempel sind verlässlich datiert – einer stammt aus dem Jahr 1749, der andere aus dem Jahr 1912. Doch Wassims Mutter, Hilda, erzählte mir, dass die ältesten Stempel bis zu 600 Jahre alt sind.

Das Retten einer Jahrhunderte alten Tradition

Trotz der tiefen geschichtlichen Verwurzelung und langen Tradition christlicher Pilger, die sich in Jerusalem tätowieren lassen: Immer wieder stand der Brauch kurz vor dem Aussterben.

Im Jahr 1947, dem Krieg für Israelische Unabhängigkeit, flohen viele Palästinenser aus Jerusalem in Sicherheit, darunter auch die Familie Razzouk. Sie kehrten zurück, aber sie waren die Ausnahme: Razzouks waren die einzigen christlichen Tätowierer, die übrig blieben.

Ein weiteres Mal stand die Tradition vor gut zehn Jahren vor dem Aus: Wassim und seine Geschwister entschieden sich, andere Berufe auszuüben.

„Ich wollte das eigentlich nicht werden“, sagte mir Wassim. „Ich stand nicht auf Tätowieren und wollte das also auch nicht machen, dafür verantwortlich sein.“

Somit studierte Wassim lieber Gastwirtschaft und verfolgte andere Interessen. „Eines Tages las ich dann online ein altes Interview mit meinem Vater“, erzählte Wassim. „Er sagte, dass er wirklich traurig sei: Er dachte, diese Tradition und das Familien-Erbe sei am Ende, weil ich es nicht tun wollte.“

Bis vor einem Jahrzehnt war Anton, Wassims Vater, der Tätowiermeister in der Familie. Keines seiner Kinder wollte den altehrwürdigen Beruf ausüben. Der Artikel und diese Realität wog schwer auf Wassims Gewissen. „Ich wollte nicht der Typ sein, dessen Name dafür steht, dass er dies abgebrochen hat – der Typ, der das gekillt hat“, so Wassim.

So begann er eine Lehre bei seinem Vater wie auch bei zeitgenössichen Tattoo-Studios, modernisierte das Geschäft und die Werkzeuge, brachte alles auf den neuesten Sicherheits- und Hygienestand. Dann verlegte er das Geschäft selber, weg aus den verschlungenen Gassen des Christenviertels in die Nähe des geschäftigen Jaffatores.

Heute arbeiten Wassim und Gabrielle, seine Ehefrau, gemeinsam im Studio. Und sie bilden ihre eigenen Kinder im Kunsthandwerk aus, wobei sie aber darauf achten, nicht zuviel Druck auszuüben, dass die nächste Generation sich nicht gezwungen fühlt, das Geschäft zu übernehmen.

Die Kunden sind froh darüber, dass das Familienerbe der Razzouks fortgeführt wird. „Ich kann mir einfach keinen besseren Weg vorstellen, dieser Wallfahrt zu gedenken, als hier mit diesem Laden“, erzählte mir Matt Gates, ein Pilger aus Daphne im US-Bundesstaat Alabama. Er ließ sich ein Jerusalemer Kreuz stechen.

Nach dem spirituell begeisternden, geistlich stärkenden Erlebnis dieser Reise habe diese Tätowierung eine ganz besondere Bedeutung für ihn. „Das ist so ein cooles Erbe, hier sich mit einem 500 Jahre alten Stempel tätowieren zu lassen“, sagte er. „Ich habe eine Menge Tattoos, aber dieses wird so viel mehr bedeuten als alle anderen“. (CNA Deutsch)

Papst Franziskus betrübt über Gewalt im Heiligen Land: „Gott möge Erbarmen mit uns haben!“

VATIKANSTADT – Betrübt und besorgt hat sich Papst Franziskus angesichts der Gewalt im Heiligen Land und im Nahen Osten gezeigt.

Am Ende der Generalaudienz vom Mittwoch, den 15. Mai, sagte der Heilige Vater in seiner Botschaft: „Ich bin sehr besorgt und betrübt wegen der Zunahme der Spannungen im Heiligen Land und im Nahen Osten und wegen der Spirale der Gewalt, die uns immer mehr vom Weg des Friedens, des Dialogs und der Verhandlungen entfernt.“

„Ich drücke meine große Trauer um die Toten und Verwundeten aus und bleibe allen, die leiden, durch Gebet und Zuneigung nahe. Ich wiederhole, dass der Einsatz von Gewalt niemals zu Frieden führen wird. Krieg ruft Krieg herbei, Gewalt ruft Gewalt herbei.“

Er forderte auch „alle beteiligten Parteien und die internationale Gemeinschaft auf, ihren Einsatz zu erneuern, damit Dialog, Gerechtigkeit und Frieden die Überhand gewinnen.“

Nach einem Ave Maria rief der Papst: „Gott möge Erbarmen mit uns haben!“

Der Heilige Vater hat seine Solidarität mit den Toten und Verwundeten der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen palästinensischen Demonstranten und israelischen Soldaten im Gazastreifen (Palästina) zum Ausdruck gebracht.

Am vergangenen Montag, dem 14. Mai wurden mindestens 60 Palästinenser getötet und weitere 2000 verletzt, nachdem die israelische Armee das Feuer gegen Aktivisten und Demonstranten eröffnet hatte, die gewaltsam gegen die Verlegung der amerikanischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem protestierten.

Die Entscheidung der US-Regierung provozierte palästinensische Betroffene, die Jerusalem als Hauptstadt eines zukünftigen palästinensischen Staates fordern. Der Schritt wurde gleichzeitig mit den Feiern zum 70. Jahrestag der Gründung des Staates Israel vollzogen.

Obwohl Israel im Jahre 1967 alle seine politischen Institutionen in die Stadt Jerusalem verlegte – dem Jahr, in dem es die bis dahin unter jordanischer Souveränität stehende Stadt annektierte – erkennt die internationale Gemeinschaft nur Tel Aviv als Hauptstadt an.

In der Tat befanden sich bis zur Verlegung der amerikanischen Botschaft alle internationale Botschaften in Tel Aviv. (CNA Deutsch)

Christen in Jerusalem reagieren auf Vandalismus durch Siedler

JERUSALEM – Vertreter christlicher Kirchen verteidigen die Notwendigkeit einer christlichen Präsenz in der Altstadt Jerusalems angesichts Berichten über zunehmenden Vandalismus, Beschimpfungen, und aggressiven Grundstückskäufen durch jüdische Siedler.

„Die Kirche wird heute massiv bedroht durch bestimmte Siedler-Gruppen. Die Siedler versuchen hartnäckig, die Präsenz der christlichen Gemeinde in Jerusalem zu erodieren“, sagte der griechisch orthodoxe Patriarch von Jerusalem, Theophilos III, in einem Interview mit der Zeitung „the Guardian„.

„Diese radikalen Siedler-Gruppen sind hoch organisiert. In den vergangenen Jahren sind wir Zeuge der Schändung und Zerstörung einer bisher nie dagewesenen Zahl von Kirchen und Heiligenstedten geworden, und erhalten immer mehr Berichte von Priestern und Gläubigen vor Ort, die angegriffen und beschimpft wurden“, fuhr der Patriarch fort.

Katholische Institutionen und Gläubige sind auch Opfer solcher Angriffe, so der Priester David Neuhaus, Der dem Päpstlichen Biblischen Institut angehört.

„Was Patriarch Theophilos beschreibt ist richtig, insofern kirchliches Eigentum und einzelne Christen angegriffen worden sind“, sagte Pater Neuhaus gegenüber CNA.

„Die Angreifer unterscheiden nicht zwischen verschiedenen christlichen Konfessionen“, erklärte Pater Neuhaus weiter. So seien oft auch katholische Einrichtungen und Gläubige Opfer dieser Angriffe Punkt

Die meisten Christen in Israel sind Araber und gehören entweder der griechisch-katholischen Kirche an, der griechisch-orthodoxen, oder der römisch-katholischen Kirche.

Die deutschsprachige Benediktinerabtei Dormitio wurde in den vergangenen Jahren fünfmal mit anti-christlichem Graffiti in hebräischer Sprache beschmiert.

im September 2017 zerschmetterten Angreifer Kirchenfenster und zerstörten eine Statue der Muttergottes in der Stephanskirche in Beit Jamal, einem Salesianer-Kloster im Westen von Jerusalem.

Der Orden vom Heiligen Grab hat vor kurzem eine Spende bewilligt für einen Zaun um eine ebenfalls geschändete Kirche in Nazareth. Dieser soll weitere Angriffe unterbinden helfen.

Für Pater Neuhaus ist es wichtig daran zu erinnern, dass „diese Angriffe auch gegen Muslime verübt werden“, und „viel mehr Moscheen als Kirchen angegriffen werden“. Die Gewalt der Siedler richte sich gegen alle Nichtjuden.

„Die Frage der Siedler und damit verbundener Gewalt ist ein wichtiges Phänomen in der israelischen Gesellschaft und betrifft Christen und Muslime sehr tief“, sagte der US-amerikanische Priester.

Der Direktor von „In Defence of Christians“, Philippe Nassif, sagte gegenüber CNA, dass er besorgt sei über extremistische Angriffe „von allen Seiten“.

„Es ist wichtig, dass Christen sich frei fühlen, ihren Glauben auszuüben, zu arbeiten, und in Israel ohne Angst vor Gewalt durch eine Handvoll Extremisten, und wir bitten die israelische Regierung dringend, die Straftäter solcher Verbrechen auch vor Gericht zu bringen und wirklich zu bestrafen“, so Nassif weiter.

Auch das Lateinische Patriarchat von Jerusalem hat vergangene Woche die Bedeutung der christlichen Gemeinschaft in Jerusalem betont.

„Die Identität Jerusalems wäre ohne eine lebendige und sichtbare christliche Präsenz nicht vollständig. Die Heiligen Stätten und die Anwesenheit vieler Pilger sind nicht genug, um den christlichen Charakter der Stadt zu bekräftigen: Ohne die Anwesenheit einer lebendigen und aktiven Gemeinde kann es keine Kirche geben „, schrieb Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, Apostolischer Administrator des Patriarchats, in einem Brief an die Lateinische Gemeinde in Jerusalem am 3. Mai.

Erzbischof Pizzaballa sagte, die Kirche erwäge, in Jerusalem eine zweite Pfarrei zu gründen, um die christliche Präsenz zu stärken.

„Es ist daher eine Priorität und grundlegend für uns alle, unsere Präsenz in Jerusalem nicht nur zu bewahren, sondern vielmehr zu stärken und den christlichen Charakter der Heiligen Stadt zu bewahren“, schrieb der Erzbischof.

Am 14. Mai werden die Vereinigten Staaten ihre neue Botschaft in Jerusalem eröffnen und die USA zum ersten Land machen, das Jerusalem seit der Gründung des Staates im Jahr 1948 als Hauptstadt Israels anerkennt.

Nachdem Präsident Donald Trump im Dezember vergangenen Jahres diesen Schritt angekündigt hatte, drückte Papst Franziskus seine „tiefe Besorgnis“ aus und appellierte an die internationale Gemeinschaft, sicherzustellen, dass „sich jeder gemäß den einschlägigen Resolutionen der UN dazu verpflichtet, den Status quo der Stadt zu respektieren.“

Papst Franziskus drängte darauf auch im Oktober 2017 bei seinem Treffen mit Theophilos III. – dabei sprachen die Oberhäupter auch über die Sorge des Patriarchen um die christliche Gemeinschaft angesichts der Aggression jüdischer Siedler.

Der Papst sagte: „Jede Art von Gewalt, Diskriminierung oder Intoleranz gegenüber jüdischen, christlichen und muslimischen Anbetern oder Orten der Anbetung muss entschieden abgelehnt werden. Die Heilige Stadt, deren Status Quo verteidigt und bewahrt werden muss, sollte ein Ort sein, an dem alle friedlich zusammenleben können; Sonst wird die endlose Spirale des Leidens für alle weitergehen. “ (CNA Deutsch)

Heiliges Land: Christliche Oberhäupter schließen die Grabeskirche auf unbestimmte Zeit

JERUSALEM – In einer „beispiellosen Maßnahme“ haben die christlichen Oberhäupter des Heiligen Landes die Grabeskirche auf unbestimmte Zeit geschlossen, um gegen die „skandalöse Vereinnahmung“ zu protestieren, die der Bürgermeister von Jerusalem verwirklichen will. Ein Enteignungsgesetz, das im Parlament diskutieren werden soll, ist Teil dessen, was „ein Versuch zu sein scheint, die christliche Präsenz zu schwächen.“

Die Basilika, in der sich der Legende nach das Grab Jesu befindet, ist seit gestern Mittag geschlossen. Vor den Türen standen der Kustos des Heiligen Landes, Pater Francesco Patton, der orthodoxe Patriarch von Jerusalem, Theophilos III., und der armenische Patriarch von Jerusalem, Nourhan Manougian.

In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten die drei Verantwortlichen, die sich die Verwaltung des heiligen Ortes teilen, „die systematische Kampagne von Missbräuchen gegen Kirchen und Christen“, die „ihren Höhepunkt erreicht hat, da ein diskriminierender und rassistischer Gesetzentwurf befördert wird, der sich nur auf Besitztümer der christlichen Gemeinschaft im Heiligen Land richtet.“

Die internationale Presse berichtete, dass die Erklärung sich auf einen Gesetzesentwurf bezieht, der es der israelischen Regierung erlauben würde, Grundstücke der katholischen und orthodoxen Kirchen zu enteignen.

„Dieses abscheuliche Gesetz liegt bereit, um heute bei einem Treffen des Ministerrates vorangebracht zu werden. Sollte es genehmigt werden, würde es die Enteignung der Ländereien der Kirche ermöglichen. Das erinnert uns an all die Gesetze ähnlicher Art, die gegen die Juden in dunklen Zeiten der Geschichte Europas erlassen wurden“ klagten sie an.

Darüber hinaus gibt es „Ankündigungen skandalöser Eintreibungen und Anordnungen zu Beschlagnahmungen“, die das Gemeindeamt von Jerusalem „aufgrund angeblicher strafrechtlicher Gemeindesteuern“ erlassen hat.

Die religiösen Vertreter betonten, dass diese „systematische und offensive Kampagne bestehende Vereinbarungen und internationale Verbindlichkeiten verletzt, die die Rechte und Privilegien der Kirchen gewährleisten – durch das, was anscheinend ein Versuch ist, die christliche Präsenz in Jerusalem zu schwächen.“

„Die größten Opfer sind die verarmten Familien, die ohne Nahrung und Wohnung bleiben werden, sowie die Kinder, die keine Schule besuchen werden können“ prangerten sie an.

In diesem Sinne erklärten sie, dass „wir als eine Maßnahme des Protestes beschlossen haben, diesen nie zuvor dagewesenen Schritt der Schließung der Grabeskirche zu unternehmen.“

Im Text heißt es, dass sie zusammen mit allen Vertretern der Kirchen im Heiligen Land „vereint, unbeirrbar und entschlossen sind zum Schutz unserer Rechte und unserer Güter.“ „Möge der Heilige Geist unsere Gebete erhören und eine Lösung für diese historische Krise in unserer heiligen Stadt herbeiführen“ endet die Erklärung.

Übersetzt aus dem Spanischen von Susanne Finner. (CNA Deutsch)

Dialog ist immer möglich, sagt Kardinal angesichts der Spannungen in Jerusalem

JERUSALEM – Der Vorsitzende des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, Kardinal Jean-Louis Tauran, hat in Bezug auf die Situation im Heiligen Land betont, dass der Dialog „immer möglich“ sei.

In einem Interview mit der Tageszeitung des Vatikan, L’Osservatore Romano (LOR), bekräftigte der französische Kurienkardinal auch die Bedeutung der gegenseitigen Achtung in Bezug auf die Anhänger anderer Religionen.

Kardinal Tauran erklärte gegenüber LOR, „den Dialog als Weg zu beschreiten, ist immer möglich; aus diesem Grund sollte er, trotz allem, befördert werden. Ja, denn der Christ ist aufgerufen, auch in schwierigen Zeiten ein kohärentes Zeugnis abzulegen, vor allem in einer Welt, in der die Gewalt zunehmend im Namen Gottes oder der Religion verübt wird.“

Seiner Meinung nach gebe es noch Hoffnung für den Frieden im Nahen Osten, betonte er, in Bezugnahme auf die Entscheidung des Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen.

„Der Dialog muss weiterhin auf allen Ebenen geführt werden. Es genügt, daran zu denken, was aufgrund eines signifikanten Zufalls am 6. Dezember passiert ist, als die Entscheidung des Weißen Hauses öffentlich bekanntgemacht wurde“, erinnerte der Kardinal in Bezug auf das Treffen des Papstes mit den Teilnehmern einer Versammlung des Dikasterium und der Kommission für den Interreligiösen Dialog des Staates Palästina.

Diese ganze Situation, so der Kardinal, „zeigt, wie wichtig es ist – für uns Christen – in unserem Glauben eifrig und konsequent zu bleiben, in den Schwierigkeiten einer Welt, die so pluralistisch ist, und uns nicht entmutigen zu lassen, um die charakteristischen Herausforderungen einer multikulturellen Realität besser zu verstehen und zu bezeugen, dass es möglich ist, zusammenzuleben, in der Überzeugung, dass die Liebe die einzige Kraft ist, die fähig ist, die Welt zu einem besseren Ort für uns alle zu machen.“

Der Status Quo Jerusalems

Am Mittwoch, den 6. Dezember, hatte Donald Trump seine Entscheidung bekanntgegeben, die Botschaft der Vereinigten Staaten von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen.

Damit wurde Jerusalem durch die USA als Hauptstadt Israels anerkannt, was zu teilweise gewalttätigen Zusammenstößen geführt hatte. Die palästinensische Organisation Hamas rief zu einer neuen “Intifada” auf, das heißt zu einer neue Rebellion, einem neuen Aufstand gegen Israel.

Mehrere Länder und UN-Vertreter haben Trumps Entscheidung kritisiert. Andere Regierungen haben jedoch die Ankündigung der Vereinigten Staaten befürwortet, wie Guatemala, das ebenfalls ankündigt hat, den Sitz seiner Botschaft in Israel nach Jerusalem zu verlegen.

Der Status Jerusalems ist ein Schlüsselthema im israelisch-palästinensischen Konflikt, da beide Seiten auf diese Stadt als ihre Hauptstadt Anspruch erheben.

Über Jahre hinweg haben die amerikanischen Präsidenten den diplomatischen Sitz in Tel Aviv belassen, wie die meisten Nationen der Welt auch, und ihn nicht nach Jerusalem verlegen wollen.

Die Palästinenser und ein Großteil der arabischen und muslimischen Welt akzeptieren nicht, dass Jerusalem Hauptstadt Israels sei. Neben der umstrittenen Territorialfrage spielt dabei auch eine Rolle, dass sich in Jerusalem heilige Stätten des Judentums, Christentums und Islam befinden.

In der Generalaudienz am 6. Dezember appellierte Papst Franziskus nachdrücklich an den Frieden und daran, eine Lösung für die neue, durch den amerikanischen Präsidenten ausgelöste Krise zu finden. (CNA Deutsch)

Pax Christi: Erklärung von Betlehem

Pax Christi InternationalDie internationale katholische Friedensbewegung Pax Christi will mehr auf junge Leute und auf Frauen setzen. Jungen Leuten will sie in den nächsten fünf Jahren „Alternativen zum Extremismus bieten“, kündigt sie in einer „Erklärung von Betlehem“ an. In der Geburtsstadt Jesu haben sich in den letzten Tagen 150 Pax-Christi-Delegierte aus etwa dreißig Ländern zu einer Generalversammlung getroffen. Pax Christi wurde in Frankreich unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, es feiert dieses Jahr also sein 70jähriges Bestehen. (rv)

Israel: „In Europa lieber Englisch sprechen“

Israel Keine Raketen mehr und Waffenruhe. So lauten die neuesten Nachrichten zum Gaza Konflikt. Israel und die Palästinenser haben sich Dienstag-Abend ein weiteres Mal auf eine Waffenruhe geeinigt und diesmal soll sie ohne Zeitbeschränkung halten. An diesem Dienstag gab es noch keine gemeldeten Zwischenfälle. Iris Lanciano, eine österreichische Journalistin, die in Tel-Aviv lebt, berichtet uns von der Situation vor Ort:

„Eine Umfrage hat gezeigt, dass 50 % der Israelis unzufrieden sind mit der israelischen Regierung. Und das macht natürlich Sorge. Die Menschen vertrauen Ministerpräsident Netanjahu nicht mehr und sie glauben auch nicht mehr an den Waffenstillstand. Man kann nur abwarten was die Zukunft bringt. Aber die Menschen, vor allem im Süden des Landes haben Angst, dass wieder Raketen fallen und wollen nicht zurück in ihre Häuser.“

In den 50 Tagen der Eskalation ist viel geschehen: Israelischen Angaben zufolge seien 5.230 Ziele bombardiert worden. Militante Palästinenser hätten rund 4.590 Raketen auf Israel abgefeuert und davon seien rund 3.660 eingeschlagen. Der Rest sei von dem Israelischen Abwehrsystem „Iron Dome“ abgefangen worden oder auf palästinensischen Boden gefallen. Bei der Offensive der israelischen Armee wurden 2.130 Palästinenser getötet, darunter nach Angaben der Vereinten Nationen fast 500 Kinder und mehr als 11.100 verletzt. Auf israelischer Seiten starben 64 Soldaten und sechs Zivilisten.
In Deutschland und Österreich sind die Schlagzeilen vor allem dem Jubel der Palästinenser gewidmet. Die ‚Zeit’ berichtet beispielsweise über „Jubel inmitten der Trümmer“, die Frankfurter Allgemeine Zeitung meldet „Freudenschüsse statt Raketen und Bombenhagel“, die Süddeutsche Zeitung schreibt auch Palästinenser in Gaza feiern Einigung als „Sieg“. Die Palästinenser werten demnach die Waffenruhe als Sieg gegen Israel und feiern auf den Straßen. Bilder zeigen Freude und Erleichterung im Gazastreifen und die Zerstörung. Wie wird das in Israel aufgenommen?

„Die Bilder aus Gaza sind natürlich nicht auch hier an uns nicht vorbeigegangen und es sit erschreckend zu sehen, wie Kinder mit Sprengstoffgürteln und Waffen abgelichtet werden und die Israelis machen sich Sorgen, dass es zu weiteren Anschlägen kommen kann.“

Durch den Gaza-Konflikt hörte man immer wieder von neuer antisemitischen Entfachung –auch in Deutschland, Italien und Österreich. Wie gehen die Jugendlichen, oder die jungen Erwachsenen mit diesen Informationen um. Wird es viel thematisiert? Auch in den israelischen Medien?

„Der Antisemitismus in Europa ist erschreckend. Viele Israelis überlegen sich nun zweimal, ob sie nun nach Europa reisen oder nicht. Diejenigen, die nach Europa reisen, haben Angst auf den Straßen hebräisch zu sprechen und sprechen lieber Englisch.“

Aus Ägypten hieß es jetzt, dass die Grenzübergänge von Israel zum Gazastreifen umgehend geöffnet werden, um humanitäre Hilfe durchzulassen. Für UN-Generalsekretär Ban Ki-moon gibt dies nun Hoffnung für eine politische Lösung des Konflikts. „Eine bessere Zukunft für Gaza und für Israel bedingt eine verlässliche Waffenruhe. Es liegt nun an beiden Seiten, dieser Verantwortung gerecht zu werden“, sagte Ban in New York. (rv)

Historiker: „Papst Pauls Heiliglandreise nicht an heutigen Maßstäben messbar“

Gudrun SailerIn einem Monat reist Papst Franziskus ins Heilige Land. So wie vor 50 Jahren Papst Paul VI. wird er drei Tage lang – von 24. bis 26. Mai – die Stätten Jesu aufsuchen. Das Programm, das Franziskus absolvieren wird, fällt aber anders aus als das seines Vorgängers anno 1964. Denn in diesen 50 Jahren kam es zu erheblichen Akzentverschiebungen gerade bei Heiliglandreisen der Päpste. Aus heutiger Sicht mutet die Visite Paul VI. in ihren einzelnen Schritten, Bildern und Programmpunkten revolutionär und zugleich seltsam veraltet an. Der in Potsdam lehrende Historiker Thomas Brechenmacher warnt davor, die Maßstäbe von 2014 an Papst Pauls Heiliglandreise vor 50 Jahren anzulegen. Gudrun Sailer sprach mit ihm.

„Wir sehen das heute im Jahr 2014 vor dem Hintergrund schon etablierter Papstreisen. Papstreisen sind etwas Normales heutzutage, es ist von einem Papst verlangt, dass er reist. Das war 1964 anders. Es ist die erste Papstreise modernen Typus. Seit 150 Jahren hatte kein Papst Italien verlassen. Das zweite Überraschende war das Ziel: eine Reise ins Heilige Land – zu den Ursprüngen des Christentums, in diese politisch extrem zerklüftete und auch gefährliche Gegend. Drittes Staunen: das theologische oder kirchengeschichtliche Hauptereignis der Reise, die Begegnung mit dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras, die dazu geführt hat, dass ein Jahrhunderte langes Schweigen zwischen den Kirchen des Westens und den Orthodoxen Kirchen des Ostens beendet wurde.“

Sie sagen, von der heutigen Warte aus würde man dazu neigen, diese Reise auch in einer Optik der Defizite zu sehen. Was fehlt denn aus unserer Sicht heute an dieser Papstvisite vor 50 Jahren?

„Wenn man auf die Reise Johannes Paul II. blickt oder auch auf jene von Benedikts ins Heilige Land, fallen sofort die Bilder ins Auge das Bild: der Papst an der Klagemauer, der Papst in Yad Vashem. Die Auseinandersetzung mit Schuld, historischer Verantwortung, der Dialog, das Zugehen, die offene Seite gegenüber den anderen monotheistischen Religionen, speziell dem Judentum. Das war alles 1964 zwar auch vorhanden, aber nicht in einer Art, wie wir es heute erwarten würden. Es gab keinen Papst an der Klagemauer und keinen Papst in Yad Vashem. Zur Holocaust-Gedenkstätte ging ein Vertreter des Papstes. Wenn wir das von heute her sehen, denken wir, das kann doch nicht sein.“

Eine Frage der Anerkennung

Alle Päpste, die bisher ins Heilige Land gereist sind, bis hin zu Franziskus, dessen Reise bevorsteht, haben ihre Besuche dort als Pilgerreisen deklariert. Das kann aber natürlich nur die halbe Wahrheit sein: Wenn Päpste reisen, ist das niemals bloß Privatsache. Welchen politischen Rahmen hatte die Visite Paul VI. mit Blick auf Israel?

„Nahost, zerklüftet, politisch gespalten. In Palästina die Zweistaatlichkeit; Jordanien im Besitz der Altstadt von Jerusalem, auf der anderen Seite Israel, zwei verfeindete Staaten. Beide Staaten verfügten nicht über diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl. Aber auf beiden Seiten waren die Erwartungen sehr hoch bezüglich der politischen Ergebnisse der Reise, und zwar in Bezug auf die Frage: werden wir jetzt vom Heiligen Stuhl, vom Papst anerkannt. Das war für Israel noch wichtiger als für Jordanien. Bedeutet die Anwesenheit des Papstes in unserem Land, dass nun der Heilige Stuhl Israel als legitimen Staat auf dem Boden des Heiligen Landes anerkennt?“

Und wie wurde das gelesen?

„Die führenden israelischen Politiker haben das tatsächlich so interpretiert, allein die Anwesenheit des Papstes in unserem Land bedeutet, dass er es de facto anerkennt, auch wenn noch keine de jure Anerkennung vorlag. Das war eine gewagte Interpretation, denn auf der anderen Seite entstanden ja gerade Frustrationen über diese Reise dadurch, dass Papst Paul VI. kein einziges Mal den Namen des Staates Israel in den Mund genommen hat und dass er kein einziges Mal den Präsidenten des Staates angesprochen hat mit „Herr Präsident“, sondern immer mit der neutralen Formulierung „Exzellenz“; dass er also nie direkt Bezug genommen hat auf diesen Staat. Trotzdem die Interpretation: Nein, das ist alles zweitrangig. Erstrangig ist, der Papst ist hier, und das bedeutet, wir werden de facto anerkannt.“

Keine interreligiösen Gespräche

Gespräche mit Vertretern des Islam und Judentums fanden vor 50 Jahren nicht statt. Stieß das nirgendwo auf Unverständnis?

„Es gab Kritik von unterschiedlichen Gruppen. Es gab diverse Rabbiner, die argumentiert haben, der Papst spricht gar nicht zu uns, obwohl er auch eine historische Schuld abzuarbeiten hätte. Auf der anderen Seite gab es gerade auf der Orthodoxie Strömungen, die ganz anders herum argumentiert haben: Wozu sollen wir denn mit dem Papst sprechen? Dazu besteht doch gar keine Veranlassung, wir lehnen das ab. Ein orthodoxer Rabbiner hat einen Eklat damit provoziert indem er erklärte, ich werde daran nicht teilnehmen. Die Sache ist in unterschiedlichen Gruppen unterschiedlich gelagert, aber es gab Kritik an dem ausbleibenden Gespräch. Doch auch hier muss man sagen, man darf nicht von unserer Situation heute ausgehen. Wir haben einen längst etablierten christlich-jüdischen Dialog, den es zu jener Zeit noch gar nicht gab, es fehlten die Formen, es fehlten die Routinen. So gesehen war dieser Besuch bei allen Defiziten natürlich ein Anfang, ein erstes Zeichen.“

Die Reise fand eineinhalb Jahre vor der Veröffentlichung der Konzilserklärung „Nostra Aetate“ statt, das die Beziehungen zu den Religionen, gerade auch zum Judentum, auf eine neue Basis stellte. Hatte die Reise ins Heilige Land Auswirkungen darauf, oder war sie als Vorab-Signal für eine größere religiöse Toleranz der Katholischen Kirche überhaupt zu verstehen?

„Die Konzilserklärung war in Bearbeitung. Wir befinden uns im Winter 1963/1964, die zweite Sitzungsperiode des Konzils war abgeschlossen. Der Papstwechsel hatte einige Monate vorher stattgefunden. Durch Johannes XXIII. war diese Aufgabe angegangen worden, das Sekretariat von Kardinal Augustin Bea, das damit beauftrag war, Entwürfe auszuarbeiten, hatte die Arbeit begonnen. Aber auf dem Konzil selbst ist die Frage der Konzilserklärung über das Judentum noch nicht intensiv diskutiert worden. Das hing so in der Schwebe in der zweiten Sitzungsperiode und wurde in der dritten wieder aufgenommen. Von Seiten des neuen Papstes war das ein klares Bekenntnis, indem er sagt, eine meiner ersten Aktionen ist, ich fahre ins Heilige Land. Damit war klar, er ist ebenfalls dafür, dass eine Konzilserklärung über das Judentum ausgearbeitet werden soll. Das hatte eine katalysatorische Wirkung, und wenn man auf die Geschichte der Konzilsdeklaration sieht, sieht man, im Konzil gab es heftige Gegenströmungen, und es ist unter anderem Paul VI. gewesen, der am Schluss ausschlaggebend war, dass die Konzilserklärung verabschiedet wurde.“

Das Holocaust-Gedenken: 1964 nur ein Randelement

Zum Religionspolitischen: 1964 bei der Papstreise lagen die Gräuel der Shoah erst 20 Jahre zurück. Erst auf Anregung Israels wurde zu diesem heiklen Thema ein kurzer symbolischer Akt des Holocaustgedenkens ins Programm genommen, wenn auch nicht ins Programm des Papstes. Wie lief das?

„Wir kennen die israelischen Dokumente zu diesem Thema, nicht aber die vatikanischen. Wir haben also nur die halbe Seite der Geschichte. Ausgehend von den israelischen Dokumenten sieht es so aus, dass diese Idee von den israelischen Politikern über einen jüdischen Generalkonsul in Mailand in Richtung Vatikan gespielt wurde. Die argumentierten, der Papst ist nun in Israel, es wäre die Krönung, wenn er eine Holocaust-Gedenkstätte besichtigen würde. Diese Idee wurde lanciert, das können wir nachvollziehen. Die Idee war, der Papst selber soll das machen. Am Ende ist aber nicht der Papst gegangen, sondern er hat den Stellvertreter Kardinal Tisserant geschickt, die Idee wurde also im Planungsstab aufgenommen, aber sie wurde verändert. Grundsätzlich hatten aber alle einen großen Respekt vor dem gedrängten Programm. Elf Stunden auf israelischem Boden. Und man sagte, man respektiert das, der Papst will eine Pilgerreise machen, es ist ein geistliches Programm, und jedes Zeichen, das er setzt, ist willkommen. Die Lösung war dieses Zeichen: Kardinal Tisserant geht in die Gedenkstätte, nicht Yad Vashem, das war der sogenannte Trauerkeller in der Nähe des Zionsberges, das lag auf der Veranstaltungsroute des Papstes.“

Noch ein Element dieser Reise, das aus heutiger Sicht erstaunt: Paul VI. hat in Israel seinen Vorgänger Pius XII. ausdrücklich für sein Vorgehen im Holocaust verteidigte. Rolfs Hochhuths „Stellvertreter“ war 1963 erschienen, ein Theaterstück, das höchst öffentlichkeitswirksam Pius für sein Schweigen zur Judenverfolgung geißelte. Paul VI. Montini war zur Zeit des Kriegs ein wichtiger Mitarbeiter von Pius im Staatssekretariat gewesen, und er fühlte die Notwendigkeit, Pius zu verteidigen. Wie haben die israelischen Stellen darauf reagiert?

„Das war schon ein eigenartiges Ereignis: Kurz vor dem Verlassen des Staates Israel am Abend dieses 5. Januar bei der Abschiedsrede kommt Paul VI. auf Pius zu sprechen und verteidigt ihn gegen Hochhuth. Das ist unterschiedlich interpretiert worden und auch noch heute rückblickend ein großer Streitpunkt bei dieser Reise. Manche haben gesagt, das hätte er sich nicht erlauben dürfen, das sei eine Apologie gewesen, und damit hätte er die Leiden des jüdischen Volkes relativiert. Das sind aber die Stimmen einzelner gewesen. Im Großen und Ganzen kann man nachvollziehen aus den israelischen Dokumenten, vor allem auch bei den Regierungspolitikern, hat man etwas gestutzt darüber, bei genauerem Nachdenken sagte man aber auch, nun, das ist ja der Vorwurf eines deutschen Autors gewesen, von jüdischer Seite ist diese Kritik ja so gar nicht geäußert worden, und wenn der Papst es für so wichtig hält, dass er es hier in Jerusalem an diesem zentralen Ort darüber spricht, dann bedeutet das doch eigentlich, er erkennt uns an. Es ist wieder in diesem Koordinatensystem abgebucht worden, man hat gesagt, wenn der so was Wichtiges für hier sagt, dann bedeutet das, er nimmt uns ernst. Das bedeutet wiederum, er erkennt Israel an, und noch mehr, den israelischen Führungsanspruch für alle Juden der Welt. Israelische Politiker haben deutlich gesagt, einen besseren Beweis dafür konnte der Papst gar nicht liefern, dass er eben das jüdische Volk im Staat Israel anerkennt in seiner Führungsposition für alle Juden in aller Welt. Das kommt uns heute merkwürdig vor, weil wir dieses Denken nicht mehr so nachvollziehen können, aber dafür gibt es klare Belege.“

„Ein unvollkommener Anfang, aber ein Anfang“

Welche Bilanz lässt sich aus heutiger Sicht auf die Reise Pauls VI. ins Heilige Land vor 50 Jahren ziehen?

„Hauptertrag natürlich theologisch der Dialog mit der Orthodoxie. Das ist der wichtigste Punkt. Wir neigen dazu, Israel in den Mittelpunkt zu stellen. Für den Dialog mit den Ostkirchen ist das zentral gewesen und übrigens dann auch für die Fortsetzung des Konzils. Zweiter Punkt: Es formiert sich ein neues Bild des Papsttums. Ein reisender Papst. Das macht Paul VI. dann auch weiter, er spricht vor der UNO, reist nach Indien. Für die Beziehungen zum Judentum ist es denke ich auch ein wichtiger Meilenstein. Einer der israelischen Politiker hat einmal gesagt, hier hat zum ersten Mal das Oberhaupt der katholischen Kirche auf gleicher Augenhöhe gesprochen mit Vertretern des Judentums. Eine Verständigung auf gleicher Augenhöhe findet hier zum ersten Mal statt. Das was wir heute christlich-jüdischen Dialog nennen, war noch vielen Rückschlägen und Verzögerungen ausgesetzt, bis es dann zu den großen Schuldbitten Johanns Pauls II. im Jahr 2000 kam. Da sind noch einige Jahrzehnte vergangen. Dennoch war es ein Anfang. So unvollkommen dieser Anfang war, er war ein Anfang, der alles weitere nach sich gezogen hat, das was Johanns Paul für den Ausbau des Dialogs geleistet hat, was auch Benedikt XVI. geleistet hat, lebt auch und bezieht sich auch immer zurück auf diesen Anfang des Jahres 1964.“ (rv)

Jerusalem: Voll, aber friedlich

Via DolorosaGläubige und Pilger aus der ganzen Welt kommen in das Heilige Land, um die religiösen Feiern in der Grabeskirche zu verfolgen, Christen aller Konfessionen sind am Karfreitag dort, um mit Holzkreuzen den Leidensweg Jesu – die Via Dolorosa – nachzuempfinden. Dieses Jahr überlagern sich die religiösen Feste in Jerusalem. Trotz unterschiedlicher Kalendersysteme feiern die Christen der Ost- und Westkirche zur selben Zeit Ostern und zusätzlich die Juden ihr Pessach-Fest. Alle wollen nach Jerusalem! Der Journalist Ulrich Sahm ist vor Ort und hat in einem Interview mit dem Domradio vom Ausnahmezustand erzählt:

„Da steht natürlich das ganze Land Kopf. In diesen Tagen werden in einem Land von einer Bevölkerung von nur acht Millionen Menschen eine Million Menschen allein den Flughafen passieren. Pilger, die kommen und Israelis, die in den Pessach-Urlaub irgendwohin fliegen, in die Türkei oder anderswohin. Die Polizei steht Kopf, weil fürchterliche Staus erwartet werden. Insofern ist es furchtbar.“

Es ist selten, dass Ostern der West- und Ostkirche an einem Termin zusammenfallen. Das passiert erst wieder 2017 und dann wieder 2025. Warum? West- und Ostkirche konnten sich bisher nicht auf ein gemeinsames Datum für die Feier der Auferstehung Christi einigen. In den meisten orthodoxen Kirchen richtet sich die Lage der Festtage nach dem alten Julianischen Kalender und nicht nach dem Gregorianischen Kalender, den Papst Gregor XIII. im 16. Jahrhundert im Zug seiner Kalenderreform einführte. Dieser gemeinsame und große Ansturm der Gläubigen führt in Jerusalem zu erhöhten Sicherheitsmaßnahmen, kontrollierten Zugängen in der Altstadt und schließlich auch zu Beschränkungen am Tempelberg. In den vergangenen Tagen ist es zu Ausschreitungen zwischen Palästinensern und israelischer Polizei gekommen, gefährlich sei es aber nicht, so Ulrich Sahm.

„Anschläge, würde ich sagen, kann man fast ausschließen. Es gibt Spannungen auf dem Tempelberg, zum Beispiel haben dann die Israelis beschlossen, dass keine Touristen und keine Juden auf den Tempelberg steigen dürfen und dass nur Frauen und Männer über 50 mit israelischem Ausweis dort beten gehen dürfen. Also, es wird versucht, da auch diese Spannungen ein wenig zu mindern, zu lindern. Anschläge werden eigentlich nicht erwartet. Es hat ja schon einige Jahre lang keine richtigen großen Anschläge mehr gegeben, Selbstmordattentate oder dergleichen. Insofern ist Jerusalem eigentlich ein sehr ruhiger Fleck geworden, auch wenn es fürchterlich voll ist.“

Den Ostergottesdienst feiern die Katholiken in der Grabeskirche aufgrund des besonderen Zeitplans der unterschiedlichen Religionen bereits am frühen Samstagmorgen. Laut Sahm kann es passieren, dass durch die Absperrungen und Kontrollen auch einige Christen, die aus fernen Ländern wie Äthiopien angereist sind, bei der Osterzeremonie nicht teilnehmen können. Er befürchte aber keine großen Auseinandersetzungen:

„Da gibt es nun einen so genannten Status quo, das heißt Regeln, die sind über 300 Jahre alt, die aufgestellt worden sind und die dafür sorgen, dass jede religiöse Gemeinschaft, Kirche, Konfession, dass jeder an seinen Altären genau zu festgelegten Zeiten betet oder Gottesdienste feiert, dass die Prozessionen eine nach der anderen abgehalten werden, damit es da nicht zu Zusammenstößen kommt. Es gibt manchmal Prügeleien, weil bei manchen die Uhren nicht so ganz richtig gehen. Aber dafür ist ja Polizei präsent und die sorgt dann dafür, die Streithähne auseinanderzutreiben.“
(rv)

Israels Premier Netanyahu spricht mit Papst über Nahost-Visite

IsraelIsraels Premierminister Benjamin Netanyahu und Papst Franziskus haben über eine mögliche Reise des Papstes ins Heilige Land gesprochen. Franziskus empfing den Politiker an diesem Montag in Privataudienz. Vorrangig sprachen der israelische Premier und Franziskus über die „komplexe politische und soziale Lage im Nahen Osten", hieß es in einem anschließenden Vatikan-Statement. Besonders vertieft wurde bei den „herzlichen Gesprächen" die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern, wobei der Wunsch nach einer „gerechten und dauerhaften Lösung im Respekt der Rechte beider Parteien" geäußert wurde. Anschließend ging es um die Frage des Status der katholischen Kirche in Israel sowie um den Abschluss eines seit längerem angestrebten Abkommens darüber.

Netanyahu sprach nach seiner Begegnung mit Papst Franziskus noch mit dem vatikanischen Staatssekretär Pietro Parolin sowie mit dem Untersekretär für die Beziehungen mit den Staaten, Monsignore Antoine Camilleri. (rv)