Die Missbrauchsskandale der vergangenen Monate standen im Mittelpunkt des Jahresrückblicks von Papst Benedikt XVI. Bei dem traditionellen Weihnachtsempfang für die vatikanische Kurie machte er den zunehmenden moralischen Relativismus für die Missbrauchsskandale in der Kirche mitverantwortlich. Insgesamt seien politische wie auch moralische Instanzen vom sinkenden moralischen Konsens bedroht.
In seiner Jahrsbilanz beklagte der Papst erneut das ungeahnte Ausmaß sexuellen Missbrauchs von Priestern an Kindern und Jugendlichen in der Kirche.
„Wir waren erschüttert, ausgerechnet während des Priesterjahrs von Missbrauch an Minderjährigen durch Geistliche in einem unvorstellbaren Ausmaß zu erfahren, die das Sakrament in sein Gegenteil verkehren. Unter dem Mantel des Heiligen verletzen sie zutiefst einen Menschen in seiner Kindheit und fügen ihm damit für sein Leben lang Schaden zu."
In seiner Ansprache an die Kurienmitglieder zeigte der Papst Strategien für den weiteren Umgang mit den Missbrauchsfällen auf:
„Wir müssen diese Erniedrigung als Aufforderung zur Erneuerung auffassen. Allein die Wahrheit kann uns erlösen. Wir müssen uns fragen, was an unserer Verkündigung falsch war, was an unserem Christsein, dass so etwas geschehen konnte. Wir müssen zu Buße bereit sein und bei der Vorbereitung auf das Priestertum dafür sorgen, das es sich nicht wiederholen kann."
Der Papst dankte in diesem Zusammenhang ausdrücklich vor allem denjenigen, die Missbrauchsopfer betreuen. Gleichzeitig sah er sexuelle Übergriffe von Geistlichen nicht als isoliertes Phänomen sondern erklärte es mit gesellschaftlichen Grundbedingungen:
„Wir dürfen den Kontext nicht übersehen, in dem diese Vorfälle sich ereignen konnten. Der Markt der Kinderpornographie wird von der Gesellschaft zunehmend als normal angesehen. Die psychologische Zerstörung von Kindern, die auf eine Ware reduziert werden ist ein erschreckendes Zeichen unserer Zeit."
Bischöfe aus Entwicklungsländern erinnerten immer wieder an Sextourismus, der eine ganze Generation schädige und in ihrer Freiheit einschränke, mahnte der Papst beim Weihnachtsempfang für die Kurie. In diesem Zusammenhang sah er auch das Problem des Drogenhandels:
„Der Drogenhandel streckt mit wachsender Kraft seine Tentakel nach dem gesamten Globus aus. Er ist ein Zeichen für die Diktatur des Mammon, die den Menschen pervertiert."
Moralischer Relativismus ist nach Auffassung des Papstes mit verantwortlich auch für kirchliche Missbrauchsskandale:
„Um uns diesen Phänomenen zu widersetzen, müssen wir einen Blick auf die ideologischen Grundlagen werfen. In den siebziger Jahren wurde Pädophilie als konform mit dem Wesen des Menschen und des Kindes betrachtet. Dies war Teil einer Perversion des Begriffs von Ethos. Selbst in der katholischen Theologie hieß es, dass es kein Gutes oder Böses in sich gebe. Alles hing demnach von den Umständen und vom beabsichtigten Zweck ab."
Bei einem Rückblick auf die jüngste Nahost-Synode im Vatikan beklagte der Papst vor den Kurienmitgliedern überdies erneut wachsende Christenverfolgung und neue Spaltungen in der Region.
„Christen sind derzeit die am stärkten unterdrückte und gequälte Minderheit. Über Jahrhunderte lebte sie friedlich mit ihren jüdischen und muslimischen Nachbarn zusammen. Aus der Synode sollte ein starker Impuls an die politisch und religiös Verantwortlichen ergehen, damit sie die Christianophobie stoppen."
Islamische Stimmen, die Gewalt gegen Christen anprangern, wie
dies ein libanesischer Gast bei der Synode getan hatte, bezeichnete der Papst als „zu schwach". (rv)