Generaloberer der Jesuiten: Papst ist nicht Oberhaupt der universalen Kirche

VATIKANSTADT – Der Generalobere der Gesellschaft Jesu, Pater Arturo Sosa Abascal, hat gesagt, dass der „Papst nicht das Oberhaupt der universalen Kirche ist“, und dass die Bischöfe „Pares“, ihm „gleichgestellt“, sind.

In einem englischsprachigen Interview mit EWTN in Rom, wo Pater Sosa an der Jugendsynode teilnimmt, die noch bis zum 28. Oktober stattfinden wird, erklärte die oberste Autorität der Jesuiten weltweit: „Es gibt keine Jurisdiktion für die ganze Kirche. Wir vergessen oft, dass der Papst nicht der Chef der Kirche ist. Er ist der Bischof Roms. Und als Bischof von Rom hat er einen anderen Dienst für die Kirche, der darin besteht, auf die bestmögliche Art zu versuchen, die Gemeinschaft der ganzen Kirche zu erreichen.“

Pater Sosa betonte, dass Papst Franziskus „ständig wiederholt, wenn Sie sich daran erinnern, dass er der Bischof von Rom ist – lassen Sie mich das wiederholen – und dass er empfindet, dass die anderen Bischöfe für ihr eigenen Kirchen verantwortlich sind, mit denen er in Dialog treten kann.“

„Was er tut, ist zu fördern, dass die Kirche in diese Mentalität der Zusammengehörigkeit im Bilden der Gemeinschaft eintritt und deshalb hebt er immer das Wort ´Unterscheidung´ (der Geister, A.d.R.) hervor“, erklärte er.

„Einige Personen in der Kirche meinen, dass Franziskus das sagt, weil er Jesuit ist und weil die Jesuiten die Unterscheidung berücksichtigen, erfinden. Die Unterscheidung gibt es schon seit dem Evangelium. Wenn sie die Figur Jesu betrachten, werden sie einen Menschen finden, der in der Unterscheidung steht, einen Menschen, der das sucht, was der Geist ihm sagen will, wie er leben soll. Die großen Meister der Spiritualität in der Kirche sind Männer und Frauen der Unterscheidung.“

Für den Generaloberen der Jesuiten ist „die Unterscheidung die Form, in der sich diese Gemeinschaft bilden lässt und die Form, in der die Kirche die wahre Struktur finden wird, um eine Kirche widerzuspiegeln, die dafür offen ist.“

Auf die Frage nach der Rolle der Ordensfrauen in der Synode antwortete der Generalobere: „Wir müssen verstehen, was die Natur der Synode ist, in diesem Moment, mit der Struktur der Kirche. Die Idee der Synode ist eine Art lokaler Versammlung.“
Seiner Meinung nach stellt die Synode einen „Beitrag für die Gemeinschaft aller Kirchen dar und der Papst kann die ihm Gleichgestellten (Pares), die die Bischöfe sind, zusammenrufen.“

„Wir haben Schritte unternommen, um mehr Leute und mehr Stimmen in die Synode aufzunehmen. Die erste Synode war nur für die Bischöfe, dann wurden einige Auditoren hinzugefügt, enige Experte und dann noch andere… in diesem Fall Jugendliche, und zuletzt Familien“, fügte er hinzu.

„Die Struktur verändert sich also und ich hoffe, dass man diesen Rhythmus der Veränderung in der Kirche beibehält. Wenn die Kirche wirklich zu einer Kirche des Volkes Gottes wird, dann wird die Struktur ein Widerschein davon sein; aber dass muss von unten nach oben erfolgen, nicht umgekehrt“, betonte Pater Sosa.
Der Generalobere der Jesuiten erläuterte zudem, dass die Synode „keine Art Parlament sei, in dem es eine Mehrheit oder eine Minderheit gäbe. Wir sind alle zusammen und versuchen, auf den Geist zu hören, und die Unterscheidung lehrt uns, dies zu tun.“
Aussagen Pater Sosas haben in der Vergangenheit Polemik
hervorgerufen, wie jene im Mai des Jahres 2017, als er sagte, der Teufel sei eine „symbolische Figur“.

In einem Interview mit der spanischen Tageszeitung El Mundo hatte der venezolanische Priester erklärt, dass „wir Christen glauben, dass wir nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen sind. Gott ist frei, aber Gott wählt immer, das Gute zu tun, weil er ganz Güte ist. Wir haben symbolische Figuren geschaffen, wie den Teufel, um das Böse auszudrücken. Die sozialen Zwänge drücken auch diese Figur aus, da es Menschen gibt, die so handeln, weil sie sich in einer Umgebung befinden, in der es schwierig ist, das Gegenteil zu tun.“

Einige Monate zuvor, im Februar 2017, sprach der Generalobere der Jesuiten in einem Interview mit dem italienischen Portal Rossoporpora.org. Dabei sagte er, dass es – da „zur Zeit Jesu niemand ein Aufnahmegerät besessen habe“, – gut sei, darüber nachzudenken, was „Jesus wirklich gesagt hat.“

„Eine gute Betrachtung darüber, was Jesus wirklich gesagt hat, wäre notwendig. In dieser Epoche hatte niemand einen Rekorder, um seine Worte aufzunehmen. Was wir wissen ist, dass wir die Worte Jesu in den Kontext einbetten müssen. Sie sind in einer bestimmten Sprache, in einer konkreten Umgebung artikuliert und an jemand Bestimmten gerichtet“, sagte er bei dieser Gelegenheit. (CNA Deutsch)

Nach Chile-Besuch: „Es war eine schwierige Reise

Unser Redakteur Stefan von Kempis hat für Vatican News die Papstreise durch Chile von der Hauptstadt Santiago aus mit verfolgt. Im Gespräch mit uns zog er am Donnerstagabend Bilanz.

Mario Galgano – Vatikanstadt und Stefan von Kempis – Santiago de Chile.

VN:

Wie war dieser erste Teil der Lateinamerikareise von Papst Franziskus?

Von Kempis:

Es war eine schwierige Papstreise – vielleicht sogar die schwierigste von Franziskus bisher. Nicht nur, weil Chiles Gesellschaft gespalten und immer stärker säkularisiert ist; oder weil Anarchisten oder Aktivisten immer wieder Kirchen in Brand setzen. Oder weil in Chile gerade ein Machtwechsel im Gang ist. Schwierig war die Reise vor allem, weil sich das Ansehen der Kirche, das einstmals zur Zeit der Pinochet-Diktatur sehr hoch war, inzwischen im freien Fall befindet. Und das hat vor allem mit Skandalen rund um sexuellen Missbrauch im kirchlichen Ambiente zu tun.

“ ‚Also, unglaublich, wie dieser Papst Menschen anfasst ”

Wie tief diese Skandale das Vertrauen in die Kirche erschüttert haben, wurde mir klar, als ein chilenischer Priester mir am Mittwoch gesprächsweise sagte: ‚Also, unglaublich, wie dieser Papst Menschen anfasst. Der hat gar keine Angst, der umarmt die Leute, küsst die Babys.‘ Und dann erklärte er mir: ‚Wissen Sie, das mag Ihnen normal vorkommen. Aber die Menschen hier in Chile überrascht es total, es schockiert sie fast. Denn hier fassen schon seit längerem keine Priester mehr andere Menschen an. Die Priester trauen sich auch nicht mehr in Priesterkleidung raus auf die Straße. Alles wegen der Missbrauchsskandale. Und jetzt kommt der Papst und läuft einfach auf die Menschen zu und umarmt sie.‘

Man kann daran ermessen, wie stark die Skandale das Ansehen der Kirche in Chile ramponiert haben. Ich fragte den Priester daraufhin: ‚Aber glauben Sie denn, die Kirche in Chile traut sich jetzt, das aufzunehmen, was der Papst da in Gang gebracht hat?‘ Da meinte er ganz offen: ‚Das weiß ich nicht. Das wird auf jeden Fall sehr, sehr schwierig.‘ Und er sagte auch, die chilenische Kirche habe zwar schon einiges für die künftige Prävention von Missbrauch getan, aber das reiche noch lange nicht.

VN:

Aber Franziskus hat doch schon in seiner ersten Rede auf chilenischem Boden im Namen der Kirche um Verzeihung für die Missbrauchsskandale gebeten…

Von Kempis:

Ja, das war eine kraftvolle Vorwärts-Verteidigung, und im ersten Moment hat das auch großen Eindruck gemacht. Aber dann erschien noch am selben Abend auf einmal Bischof Juan Barros bei einem Treffen mit dem Papst, und am nächsten Morgen auch zur Papstmesse in Temuco im Süden, und am Tag darauf auch noch in Iquique ganz oben im Norden – und auf einmal stand sogar der Papst selbst in der Öffentlichkeit als unglaubwürdig da. Barros wird nämlich von vielen vorgeworfen, er habe von den Missbrauchs-Untaten eines Priesters namens Karadima gewusst, aber nichts dagegen unternommen. Franziskus hingegen steht auf dem Standpunkt: Es gibt keinerlei Beweise gegen Barros, das sind alles „Verleumdungen“, er habe das Dossier geprüft und sei von Barros‘ Unschuld überzeugt. Solange es also keine Beweise gegen den Bischof gebe, bleibe dieser auf seinem Posten.

“ Der Eindruck, den das bei vielen – und zwar auch gutwilligen – Chilenen hervorruft, ist einfach nur verheerend ”

Nun ist es zwar eine ehrenwerte Haltung, dass sich der Papst hinter einen angefeindeten Bischof stellt; aber man muss schon sagen, der Eindruck, den das bei vielen – und zwar auch gutwilligen – Chilenen hervorruft, ist einfach nur verheerend. So als würde der Papst nur verbal gegen Missbrauch eintreten, dem aber keine Taten folgen lassen. Dieser Fall Barros hat sicher einen sehr dunklen Schatten über die Papstreise nach Chile geworfen. Es steht zu befürchten, dass dadurch vieles von dem zunichte gemacht wird, was Franziskus hier aufzubauen versucht hat.

VN:

Das hört sich ja nach einer eher durchwachsenen Bilanz dieser Papstreise an.

Von Kempis:

Ehrlich gesagt: Ja. Hinzu kam ja auch, dass bei weitem nicht so viele Menschen zu den Papstmessen kamen wie vorgesehen. Statt 400.000 waren es bei den drei großen Messen nur jeweils 200.000, oder 100.000, oder sogar noch weniger in Iquique. Dabei hatten die Zeitungen tagelang von einem Massenaufbruch von Argentiniern geschrieben, die angeblich über die Grenzen nach Chile strömten, um ihren großen Landsmann zu sehen. Also, von dieser ‚Invasion‘ war dann de facto überhaupt nichts zu bemerken…

Aber ich will jetzt auch nicht über Gebühr schwarzmalen. Der Papst war gelassen, zugewandt, spritzig; seine Auftritte waren bewegend, die Menschen gingen mit, da war echte Begeisterung und echte Glaubensfreude zu spüren. Er hat wichtige Themen gesetzt: etwa dass Chile sich mehr um seine Ureinwohner, die Mapuche, kümmern soll. Oder dass die Kirche nicht alten Zeiten nachtrauern sollte, sondern die Ärmel hochkrempeln und auf die Menschen von heute zugehen sollte – die Menschen, so wie sie eben heute sind, nicht wie man sie gerne hätte.

Es kommt eben darauf an, was Chile – und auch, was die Kirche aus diesem Papstbesuch macht. Ein Chilene hat mir gesagt: ‚Also, hier im Land hat im Prinzip eine Handvoll Familien die Macht. Denen gehören die großen Zeitungen, und die haben ihre Abgeordneten im Parlament. Und an diese Familien muss sich die Kirche halten, wenn sie auf einen grünen Zweig kommen will. Wenn sie aber auf einmal sozialpolitisch unbequem wird, dann kann man sie erpressen, indem man einfach die alten Missbrauchs-Geschichten wieder aufkocht.‘

VN:

Hört sich nicht sehr optimistisch an.

Von Kempis:

Naja – inwieweit diese Analyse so stimmt oder noch weiter nuanciert werden müsste, kann ich nicht beurteilen nach ein paar Tagen im Land. Aber auch ein anderer Chilene, ein Priester, hat mir gesagt: ‚Jetzt wird erst einmal gar nichts passieren. Es ist ja Hochsommer; und außerdem kommt im März eine neue Regierung ans Ruder.‘ Das klang für mich auch nicht gerade nach Dynamik und Neuaufbruch.

“ Die Jesuiten hier in Chile aber – und sie bilden eine Art sozialpolitische Speerspitze der Kirche – wollen sogar eine Atempause für die Kirche ”

Die Jesuiten hier in Chile aber – und sie bilden eine Art sozialpolitische Speerspitze der Kirche – wollen sogar eine Atempause für die Kirche: einen Zeitraum des Innehaltens, um zu ‚unterscheiden‘, die klassische Jesuiten-Vokabel für scharfes Nachdenken. Die Ortskirche sollte in sich gehen und – auf dem aufbauend, was der Papst hier gesagt und getan hat – einen Schlachtplan entwickeln.

Übrigens hatten die Jesuiten auch Bischof Barros vor dem Beginn der Papstreise öffentlich aufgefordert, doch bitte zurückzutreten. Oder wenigstens den Papst-Auftritten fernzubleiben…

(vatican news)

Der Jesuit Spadaro über den „offenen Stil“ des Papstes

La Civilta CattolicaSie sind das „schlagende Herz“ des päpstlichen Lehramtes – so beschreibt der italienische Jesuit und Chefredakteur der Zeitschrift „la Civiltà Cattolica“ Antonio Spadaro die Morgenpredigten von Papst Franziskus. Er hat die Meditationen des Papstes gesammelt und daraus ein Buch gemacht, das in dieser Woche in Italien erscheint. Pater Spadaro sagte dazu gegenüber Radio Vatikan:

„Was mich fasziniert hat, ist die Tatsache, dass diese Predigten dem ursprünglichen Denken des Papstes entsprechen und keiner Theorie. Ich habe also eine thematische Gestaltung dieser Predigten von vornherein verworfen und mich dafür entschieden, sie in der Reihenfolge zu bringen, wie sie gehalten wurden, chronologisch. Die Santa Marta-Predigten sind wirklich das schlagende Herz des päpstlichen Dienstes. Das sind Schlüsselthemen und Schlüsselworte, die dann auch in die offizielleren Reden einfließen und die aus einem Gespräch mit dem Volk Gottes in eben diesen Predigten hervorkommen.“

Erst vor wenigen Tagen hat der Papst zu einer „Theologie des unabgeschlossenen Denkens“ aufgerufen. Laut Spadaro ist der offene Stil der päpstlichen Morgenpredigten auch der besonderen Situation geschuldet, in der Franziskus diese Meditationen hält: Er lege bei diesen Meditationen Wert auf die Begegnung und eine familiäre Atmosphäre.

„Das ist ein sehr frischer, unmittelbarer Stil, an die Menschen angepasst. Wir haben es da ohne Zweifel mit starken Inhalten zu tun, die aber mit einer großen Aufmerksamkeit gegenüber den Menschen, die der Papst vor sich hat, vorgebracht werden. Seine Sprache ist eine einfache, doch sehr einschneidende Sprache, die reich an Bildern und poetisch ist; eine Sprache, die dazu fähig ist, auf authentische Weise Bilder entstehen zu lassen, die Menschen berühren und die das Wort Gottes lebendig machen.“

Der diskursive Stil des Papstes in den Morgenpredigten sei auch der Grund dafür, warum die Meditationen nicht in einer vollständigen Text- und Audioversion publiziert werden, so der Jesuit weiter. „Wahrheit ist eine Begegnung. Die Santa Marta-Predigten“ heißt das Buch von Antonio Spadaro, das in dieser Woche auf Italienisch erscheint. Zugleich erscheinen die Predigten auch auf deutsch, im Freiburger Herder Verlag. (rv)

Papst: Theologie braucht unabgeschlossenes Denken

JesuitenTheologie braucht offenes, unabgeschlossenes Denken, keine Selbstverliebtheit. Das hat Papst Franziskus vor Mitgliedern des Zusammenschlusses der jesuitischen Hochschulen und Institute in Rom betont. Dazu gehören die päpstliche Universität Gregoriana, das Päpstliche Bibelinstitut, das Päpstliche Institut Orientale und die Stiftung „Fondazione La Gregoriana“. Der Papst empfing sie an diesem Donnerstag in Audienz. Mit dabei war der Generalobere des Jesuitenordens, dem auch der Papst angehört: Pater Adolfo Nicolás. Franziskus sagte bei der Audienz:

„Der gute Theologe und Philosoph hat ein offenes und damit unabgeschlossenes Denken, das immer offen ist gegenüber dem ,Mehr’ Gottes und der Wahrheit, es ist immer in Entwicklung, entsprechend dem Gesetz, das Vinzenz von Lérins so beschreibt: ,Auch das Dogma der christlichen Religion muss diesen Gesetzen folgen. Es schreitet voran, festigt sich mit den Jahren, entwickelt sich mit der Zeit und vertieft sich mit dem Alter’ (Commonitorium Primum, 23: PL 50, 668). Das ist der Theologe mit einem offenen Geist. Der Theologe, der nicht betet und nicht Gott huldigt, endet im verabscheuungswürdigsten Narzissmus. Das ist eine Krankheit der Kirche. Der Narzissmus der Theologen, der Denker und ,Gerechten’ tut sehr weh.“

Der Papst erneuerte bei der Audienz sein Plädoyer für eine „Theologie auf Knien“. Diesen Ansatz hatte er jüngst auch am Werk von Kardinal Walter Kasper lobend hervorgehoben. Eine Herausforderung der Gegenwart sei doch, Wissen zu vermitteln und eine „lebendige Lesart“ desselben anzubieten.

„Es braucht eine wahre Hermeneutik des Evangeliums, um das Leben, die Welt, die Menschen besser zu verstehen, keine Synthese, sondern eine spirituelle Atmosphäre der Forschung und der Sicherheit, die auf den Wahrheiten des Verstandes und des Glaubens gründet. Philosophie und Theologie erlauben es, Überzeugungen zu gewinnen, die die Intelligenz strukturieren und sie stärken und den Willen erleuchten… Doch all das ist nur fruchtbar, wenn man es mit einem offenen Geist und auf Knien vollzieht. Mit offenem Geist und auf Knien. Der Theologe, der sich am eigenen abgeschlossenen Denken ergötzt, ist mittelmäßig.“

Franziskus erinnerte daran, dass das Konsortium der jesuitischen Hochschulen und Institute in Rom in jesuitischer Hand ist und im Zeichen des Gehorsams gegenüber dem Papst und der katholischen Kirche steht. Der Zusammenschluss war im Jahr 1928 auf Anregung von Papst Pius XI. gebildet worden. Franziskus rief die verschiedenen Institutionen dazu auf, ihre Zusammenarbeit zu verstärken. Ihre Aufgabe sei die Bewahrung der Geschichte ebenso wie ein „globaler“, konstruktiver und mutiger Blick auf Herausforderungen der Moderne.

Der Horizont des Katholischen ist weit

Ein besonderes Merkmal des Konsortiums sei sein internationaler Charakter, unterstrich der Papst, ein „unschätzbarer Reichtum der römischen Institutionen“. Die in den verschiedenen Hochschulen und Instituten arbeitenden Fachkräfte und Studenten bildeten eine enorme Vielfalt unterschiedlicher Herkunftskirchen und Kulturen ab, so Franziskus:

„Das bietet eine kostbare Gelegenheit für das Wachstum des Glaubens und eine Öffnung des Geistes und des Herzens gegenüber dem Horizont der Katholizität. Innerhalb dieses Horizontes hat die Dialektik zwischen ,Zentrum’ und ,Peripherie’ eine eigene Form, eine Form des Evangeliums, der Logik eines Gottes entsprechend, der das Zentrum erreicht, indem er vom Rand her kommt und zu diesem wieder zurückkehrt.“

Darüber hinaus sei der Standort Rom als Ort der Wurzeln des Glaubens ein besonderer, fuhr der Papst: Die Erinnerung an die Apostel und Märtyrer der katholischen Kirche sei hier ebenso präsent wie das aktuelle Leben einer Weltkirche, die im Dienste der Bedürftigen, der Einheit und der Universalität stehe. Wesentlich für Studium und Forschung seien das Gebet und ein enges Verhältnis zu Gott:

Das ist keine antike Sache

„Euer geistiger Einsatz, in der Lehre und bei der Recherche, beim Studium und der weiterreichenden Bildung, wird umso fruchtbarer und effizienter, als er durch die Liebe zu Christus und zur Kirche belebt ist und umso enger die Beziehung zwischen Studium und Gebet ist. Dies ist keine antike Sache, sondern das Zentrum, hört ihr?“
Zugleich müsse das Studium mit dem persönlichen und gemeinschaftlichen Leben eine Einheit bilden, fuhr der Papst fort, ebenso mit einem Lebensstil, der durch „brüderliche Barmherzigkeit“ und das „Teilen mit den Armen“ gekennzeichnet sei.
„Eure Institute sind keine Automaten, die Theologen und Philosophen produzieren; es sind Gemeinschaften, in denen man wächst, und dieses Wachstum passiert innerhalb einer Familie.“
(rv)

Jesuitenorden in Europa will sich neu ordnen

JesuitenDer Jesuitenorden in Europa hat im neuen Jahr vor allem eine große Herausforderung vor sich: seine Restrukturierung. Das sagt im Gespräch mit Radio Vatikan der Präsident der Konferenz europäischer Jesuiten, P. John Dardis. Er nennt auch konkrete Beispiele:

„Wenn ich beispielsweise an das große Land Frankreich denke, so gibt es dort eine Jesuitenprovinz für Frankreich, aber es gibt dann europäische Provinzen, die mehrere Länder einschließen. Es bestehen also bisher große Unterschiede in der Aufteilung der Provinzen in Europa. Meiner Meinung nach muss unser Orden in diesem Kontinent seine Arbeit in dieser Hinsicht verbessern, also sich besser organisieren und weniger bürokratisch sein. Auf der anderen Seite ist mir bewusst, dass Europa ein Kontinent vieler Kulturen und Sprachen ist, und auch dies muss mitberücksichtigt werden.“

P. Dardis wolle aber nicht, dass sich der Jesuitenorden zu einem Großkonzern umgewandelt wird.

„In Spanien gibt es bisher fünf Jesuitenprovinzen mit ungefähr 1.200 Jesuiten. Sie werden sich Ende Juni vereinen und das wird sicherlich ihre künftige Arbeit verbessern. Wenn man nämlich die großen Perspektiven außer Acht lässt, dann verliert man sehr viel und bleibt in der eigenen Kultur hängen. Das ist jedoch nicht der Sinn unseres Ordens und auch nicht der Kirche.“

Es sei nicht einfach, „alte Strukturen“ neu umzugestalten, so P. Dardis. Provinzen wie jene der Slowakei oder den Niederlanden müssen beispielsweise neu überdacht werden.

„Was wir immer vor Augen haben müssen ist, wie wir die Frohe Botschaft in der heutigen säkularisierten Gesellschaft in Europa verbreiten können. Die Schwierigkeit besteht darin, kreative Möglichkeiten zu finden. Aber das ist andererseits auch sehr spannend und bereichernd. Auch muss man beachten, dass die Säkularisation in Frankreich beispielsweise anders ist als in den Niederlanden. Deshalb wird es sicherlich nicht eine einzige Lösung geben, um unseren Orden in Europa neu zu gestalten.“ (rv)

Syrien: Jesuiten stemmen sich gegen das Flüchtlingsdrama

Eine halbe Million Menschen sind in Syrien derzeit auf der Flucht, zwischen 90.000 und 100.000 Syrer, darunter zahlreiche Familien mit kleinen Kindern, sind in das benachbarte Jordanien geflohen. Das geht aus Schätzungen des UNHCR und Berichten des Internationalen Jesuitenflüchtlingsdienstes hervor.

„Ein großes Problem ist, dass die Hilfsorganisationen keine ausländischen Mitarbeiter ins Land bringen können, weil sie keine Visa bekommen. Das heißt, dass ihre Bewegungsfreiheit extrem eingeschränkt ist. Es gibt im Land ein Paar Hilfsorganisationen, doch sind zivilgesellschaftliche Strukturen, zu denen ja auch Nichtregierungsorganisationen und Hilfsorganisationen gehören, aufgrund des politischen Systems nicht stark ausgeprägt."

Judith Behnen von der deutschen Jesuitenmission ist in den vergangenen Tagen mit dem Leiter des Internationalen Jesuitenflüchtlingsdienstes, Pater Peter Balleis SJ, durch Syrien und Jordanien gereist. Während große internationale Hilfsorganisationen immer noch enorme Schwierigkeiten haben, in Syrien humanitäre Hilfe zu leisten, setzt der Jesuitenflüchtlingsdienst auf lokale Netzwerke und Nachbarschaftshilfe, die von Jesuiten vor Ort koordiniert werden, erzählt sie im Interview mit Radio Vatikan:

„Die Jesuiten können in Homs, Aleppo und Damaskus zusammen mit der Caritas und der lokalen Kirche auf einem bestimmten Level Hilfe leisten, zum einen weil die Strukturen für die irakischen Flüchtlinge schon bestehen und zum anderen, weil es viele freiwillige junge Leute gibt, Christen und Muslime, die Nachbarschaftshilfe leisten. Das Ganze funktioniert aber nur über persönliche Kontakte und die lokale Kirche vor Ort, es gibt keine großangelegten Hilfsapparate. Das ist im Moment wirklich nicht möglich."

Der Internationale Jesuitenflüchtlingsdienst kümmert sich seit 2008 in Syrien und Jordanien um irakische Flüchtlinge. Diese bestehenden Hilfsstrukturen würden jetzt für die syrischen Flüchtlinge genutzt, darunter Christen wie Muslime. Ob Lebensmittel, Kochutensilien, Matratzen oder Miethilfen, mit schon ein Paar Euro könne den Menschen geholfen werden, berichtet Behnen. Dabei profitierten die Flüchtlinge auch von der Unterstützung der irakischen Flüchtlinge, die bisher nicht in ihr Land zurückkehren konnten. Ein Prinzip jesuitischer Hilfsarbeit: die Mobilisierung von Flüchtlingen für Flüchtlinge. Dazu Behnen:

„Dieses Prinzip hat große Solidarität zur Folge und schafft Vertrauen. Ich war mit einer älteren Frau aus dem Irak in Jordanien unterwegs, die sagte: ,Das ist genau das, was wir damals erlebten, als wir 2003 oder 2007 aus dem Irak gekommen sind. Seht zu, dass ihr nicht zu lange im Provisorium lebt, schickt eure Kinder sofort in dies Schule, gebt den Traum auf, nach zwei Wochen sofort wieder nach Hause zu kommen, das ist nicht realistisch.’"

Viele der Flüchtlinge haben schon eine regelrechte Odyssee quer durch das Land hinter sich. Neben Unsicherheit, Obdachlosigkeit und Verarmung hätten zahlreiche Menschen, vor allem Kinder, mit psychischen Folgen der Gewalt zu kämpfen.

„Die kommen aus Städten wie Homs, also Orten, die bombardiert werden und wo Familie fliehen vor der Gewalt. Wir haben viele getroffen, die schon mehrfach weitergezogen sind. Eine Familie aus Homs war erst in einem Dorf in Zelten untergebracht, sie hatten nur noch ihr Auto, sind dann weiter nach Damaskus gezogen. Es gibt Flüchtlinge, die schon die zweite, dritte Station hinter sich haben, weil sie Schutz gesucht haben an Orten, die dann zu Schauplätzen kämpferischer Handlungen wurden. Viele der Kinder sind traumatisiert und haben Alpträume, die Eltern lassen sie nicht mehr aus dem Haus."
Was wünscht sich die syrische Bevölkerung mit Blick auf die politische Zukunft ihres Landes? Der Friedensplan der Vereinten Nationen steht auf wackeligen Füßen, ebenso scheint die vereinbarte Waffenruhe immer wieder gebrochen zu werden. Nach zahlreichen Gesprächen mit Kirchenleuten, Christen und Muslimen in Syrien – Behnen war in Aleppo, in Damaskus und in den jordanischen Grenzgebieten unterwegs – kommt sie zu folgendem Schluss:

„Also es ist ganz klar: Es gibt auf christlicher Seite beide politische Positionen und es ist eindeutig kein Religionskonflikt, das geht quer durch. Ich glaube, dass es in dem Konflikt ganz unterschiedliche Interessen gibt, auch politische, dass es eigentlich schon ein regionaler Konflikt ist, weil die Nachbarländer und die Internationale Gemeinschaft mit unterschiedlichen Interessen darauf einwirken. Für die Jesuiten vor Ort ist völlig klar, dass es ihnen selbst nicht um Politik, sondern um humanitäre Hilfe geht. Das Leiden jedes Einzelnen zählt, egal auf welcher Seite er steht."

Das Problem sei freilich, dass die Grenze der Gewalt „von beiden Seiten" überschritten worden sei:

„Beide Seiten haben Grenzen überschritten, wenn man sich anhört, welche Gräueltaten verübt wurden. Dadurch ist eine politische und friedliche Lösung zu finden, man hat das Gefühl, so viele Erinnerungen, so viel Wut, Frustration und Anspannung ist aufgeladen, an der Oberfläche – vor allem in den Zentren der großen Städte – scheint das Leben normal weiterzugehen, doch es droht immer die Gefahr, dass es doch eskaliert. Viele haben uns gesagt: ,Wir glauben nicht, dass Kofi Annans Friedensplan aufgeht, sondern denken, es wird weiter eskalieren." (rv)

Australien: Jesuiten-Lehrzentrum für junge Aborigines

Die Jesuiten haben ein neues Lehrzentrum für junge Aborigines eröffnet. Mit dem Projekt will das Jesuitenkolleg „St. Ignatius" in Riverview sich stärker für die Ausbildung Jugendlicher indigener Abstammung einsetzen. Zudem soll ihnen geholfen werden, ihre Kultur zu fördern. In dem neuen Lehrzentrum sollen 11- bis 12-Jährige unterrichtet werden. Die Aborigines machen rund 1,8 Prozent aller Schüler in Australien aus. Die Jesuiten setzen sich bereits seit 21 Jahren in Australien mit verschiedenen Projekten für die Ausbildung der Aborigines ein. (rv)

Indien: Jesuiten gründen Medienzentrum

Eine neue Schule für Medien haben Jesuiten im Bundesstaat Jharkhand gegründet. Das „Lieven’s Institute of Film and Electronic Media" (LIFE) soll Jugendliche dazu befähigen, professionell im Medienbereich arbeiten zu können. Angeboten werden Kurse in Film- und Fernsehproduktion. In Zukunft sollen auch Kurse in digitaler Kommunikation angeboten werden. Laut einer Presseaussendung der Jesuiten wird bei allen Kursen ein Schwerpunkt auf die ethische Verantwortung der Medienarbeit gelegt. Zum Abschluss der Schule bekommen die Studenten ein anerkanntes Diplom der Kommunikationswissenschaften. Während der Einweihung hat der Provinzial von Hazaribagh, Pater Francis Kurien, die wichtige Rolle der Schule für diese Region fest gehalten. Denn bisher habe es für Interessierte nur wenige Möglichkeiten gegeben, zu erfahren, was in Jharkhand geschieht. (rv)

Benedikt verurteilt jede Form von Kindesmissbrauch

„Jesus nannte die Kinder als Vorbild, um in das Reich Gottes zu gelangen. Seine Lehre über die Kinder und seine Zärtlichkeit im Umgang mit ihnen sind uns heute Appell zu Sorge und Respekt ihnen gegenüber.“ Das sagte Papst Benedikt XVI. an diesem Montag bei einer Ansprache vor der Vollversammlung des päpstlichen Familienrates in Rom. Christus folgend habe die Kirche im Laufe der Jahrhunderte den Schutz der Würde und der Rechte Minderjähriger gefördert und sich selbst ihrer angenommen, so Benedikt. Leider gebe es einige Glieder der Kirche, die diese Rechte verletzt hätten, so der Papst mit Blick auf die jüngsten Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Sie verhielten sich damit gegen ihren Auftrag. Ein solches Verhalten habe die Kirche zu jeder Zeit missbilligt und verurteilt. Und genau das werde sie auch weiter tun, so Benedikt. Jesus habe harte Worte benutzt gegen die, die „einen dieser Kleinen zum Bösen verführt“ hätten.
Es sei vor allem die Familie, basierend auf der Ehe von Mann und Frau, die Kinderrechte gewährleiste, so der Papst weiter. Insbesondere verwies er dabei auf die UN-Kinderrechtskonvention, die in diesem Jahr 20 Jahre alt wird und Thema bei der Versammlung des päpstlichen Familienrates ist. Der Heilige Stuhl begrüße diese Konvention, da sie positive Aussagen zu Adoption, Gesundheitsversorgung, Erziehung, Behindertenschutz enthalte. Auch sei in ihr der Schutz von Kindern vor Verwahrlosung, sexuellem Missbrauch und Ausbeutung durch Kinderarbeit enthalten, so Benedikt.
Auch der Präsident des Rates, Kardinal Ennio Antonelli, betonte, Kinder bräuchten einen Vater und eine Mutter, damit sie in einer ausgeglichenen Umgebung aufwachsen könnten. Von diesem Befund ausgehend sei es wichtig, bei allen familienpolitischen Erwägungen immer das Kindeswohl in den Mittelpunkt zu stellen. Gleichzeitig kündigte Antonelli ein Schreiben des Rates an, dass sich mit den Grundlagen einer ernsthaften Vorbereitung auf die Ehe befassen soll. Die beiden Themen Ehe und Kinder gehörten untrennbar zusammen, so der Kardinal. Deshalb dürfe die Vorbereitung auf die Ehe nicht zu einer Pflichtübung verkommen. (rv)

Missbrauch in Deutschland: „Professionelle Prävention“

Nach den Missbrauchsfällen am Berliner Canisius-Kolleg hat sich der deutsche Chef des Jesuitenordens bei Opfern, Lehrern und Eltern entschuldigt. „Ich bitte um Entschuldigung für das, was von Verantwortlichen des Ordens damals am notwendigen und genauen Hinschauen und angemessenen Reagieren unterlassen wurde“, sagte Provinzial Stefan Dartmann am Montag in einer Pressekonferenz. Pädophile Neigungen könne man zwar nicht aberziehen, aber in Schach halten. Darauf verweist Prof. Dr. Klaus M. Beier von der Berliner Charité. Er ist Sexualpsychologe und leitet das Hilfsprojekt „Kein Täter werden“ für pädophile Männer. Privatpersonen wie Institutionen könnten sich durch professionelle Prävention vor Missbrauchsfällen schützen. Beier:

„Das muss man sich so vorstellen, dass Betroffene eine speziell qualifizierte Gruppe von Diagnostikern und Therapeuten zur Verfügung haben, die eben in adäquater Weise mit diesen Präferenzstörungen umzugehen verstehen und auch in der Lage sind, gegebenenfalls Medikamente einzusetzen, um in Gefahrensituationen die sexuellen Impulse noch zu dämpfen, das geht und ist sehr hilfreich und dies in einem Milieu, wo diese Form der Auseinandersetzung gefördert und gewünscht wird. Manche Menschen ereilt eben dieses Schicksal, aber wir haben dafür einen speziellen Ansatz, um ihnen zu helfen und es ist das Interesse aller, dass es nicht zu Übergriffen kommt, die aus dieser Neigung resultieren.“ (rv)