WASHINGTON – Ein Mitglied der Internationalen Theologischen Kommission des Vatikans hat seinen Posten als Berater der US-Bischofskonferenz (USCCB) gekündigt, nachdem der Kapuziner Papst Franziskus in einem Brief gebeten hatte, die „chronische Verwirrung“ seines Pontifikates zu korrigieren.
Pater Thomas Weinandy, OFM.Cap., ehemaliger Executive Director des Sekretariats für Glaubenslehre der USCCB, schrieb am 31. Juli 2017, Gedenktag des heiligen Ignatius von Loyola, einen fünfseitigen Brief.
Pater Weinandys Schreiben, welches am gestrigen Mittwoch von der Website „Crux“ veröffentlicht wurde, konzentriert sich auf fünf Anliegen:
1. Das Pontifikat von Papst Franziskus sorge für Verwirrung – etwa durch offenbar absichtlich mehrdeutige Passagen in Amoris Laetitia,
2. schmälere die Wichtigkeit der Glaubenslehre im Leben der Kirche,
3. ernenne Bischöfe, die Schädliches lehren und schädlich handeln,
4. schaffe eine Kultur der Angst unter Bischöfen, und
5. habe zur Folge, dass einfache Gläubige Vertrauen in die Kirche verlieren.
In seinem Brief unterstreicht Weinandy, er schreibe aus „Liebe zur Kirche und aufrichtiger Achtung“. Er hoffe, so der Kapuzinerpater weiter, dass die Kirche die derzeit aufkommende „Dunkelheit“ erkenne, wie auch die Notwendigkeit, sich demütig zu erneuern, und so „weiterhin in Heiligkeit wachsen“ werde.
Gegenüber „Crux“ erklärt der Theologe, wie er nach langem Gebet und einer sorgfältigen Unterscheidung der Geister zu dem Schluß gekommen sei, dass Jesus Christus ihn bitte, den Brief zu schreiben, um dem Papst, der Kirche und den Gläubigen zu helfen.
Kurz nach Veröffentlichung des mehrere Monate alten Schreibens teilte der Presse-Sprecher der USCCB mit, Pater Weinandy habe mit sofortiger Wirkung seinen Job als Berater des Komitees für die Glaubenslehre gekündigt.
„Die Arbeit des Komitees geschieht in Unterstützung für und affektiver Kollegialität mit dem Heiligen Vater und der Kirche in den Vereinigten Staaten. Unser Gebet begleitet Pater Weinandy zum Ende seines Dienstes für das Komittee“.
Pater Thomas Petri, OP, akademischer Dekan der Päpstlichen Fakultät der Unbefleckten Empfängnis des Studienhauses der Dominikaner in Washington, DC, sagte CNA gegenüber, dass Weinandy „ein Theologe höchten Kalibers“ sei, und sein Brief „ganz offensichtlich in tiefer, kindlicher Frömmigkeit und Treue sowohl zum Heiligen Vater Papst Franziskus wie auch zur Kirche“ geschrieben wurde. Pater Petri weiter:
„Es ist nicht notwendig, weiterhin theologische Punkte in der Öffentlichkeit zu verhandeln, und das sagt Pater Weinandy direkt, aber, ich denke, freundlich gesagt, was er glaubt haben viele Menschen auf dem Herzen. Viele Priester sind tagtäglich konfrontiert mit gläubigen Laien, die ihrer Verwirrung und Sorge über Berichte Ausdruck verleihen, die sie über Papst Franziskus und seine Berater lesen oder hören“.
Theologie-Professor Chad Pecknold von der Catholic University of America stimmt zu. Weinandy sei einer der führenden Franziskanischen Theologen der englischsprachigen Welt. „Er ist ein Theologe, der in der Mitte der Kirche steht, und keineswegs an ihrem äußersten Rand. Deshalb hat sein Brief auch das Gewicht der Mitte“, so Professor Pecknold gegenüber CNA.
„Statt sich anzumassen, eine Korrektur auszuüben, beschreibt Pater Weinandy die aktuelle Situation und informiert den Heiligen Vater, dass das, was vielen wie ‚absichtlich mehrdeutige‘ Lehre erscheint, Verwirrung gestiftet hat, die dazu führte, dass einige seiner eigenen Berater öffentlich Irrlehren vertreten.“
„Es ist etwas Bewundernswerte, wenn ein Sohn des heiligen Franziskus an Papst Franziskus eine leidenschaftliche Bitte richtet, in Wahrheit und Liebe, als ein Sohn an einen Vater. Seine Liebe zum Papst ist im ganzen Bittschreiben evident“, so Professor Pecknold.
Doch auch wenn das Schreiben ehrerbietig sei, so der Theologe zu CNA weiter, „ist die Frage, ob es in den Medien veröffentlicht hätte werden sollen sicherlich berechtigt“.
Ähnliche Bedenken meldete auch Professor Jacob Wood der Franziskanischen Universität von Steubenville an. „Wenn Pater Weinandy eine brüderliche Zurechtweisung beabsichtigte, dann ist eine Veröffentlichung des Briefes nicht die beste Herangehensweise“, so Wood gegenüber CNA.
Es bestehe die Gefahr der Skandalisierung dadurch, dass gute Absichten durch die Darstellung in den Massenmedien möglicherweise von Menschen, die nicht die gleiche Glaubenssicht haben, verdreht werden.
Pater Weinand sagte gegenüber Crux, er habe den Brief veröffnetlicht, weil er nicht nur seiner Sorge Ausdruck verlehe, sondern die Sorgen von „viel mehr Menschen, einfachen Menschen, die zu mir gekommen sind mit ihren Fragen und Sorgen“. Und er fügte hinzu: „Ich wollte sie wissen lassen, dass ich ihnen zugehört habe“.
R.R. Reno, Chefredakteur von „First Things“ und ehemaliger Theologie-Professor, sagte gegenüber CNA, dass die Veröffentlichung von Briefen wie Weinandys Katholiken helfen könne.
„Weinandys Brief versucht, die Probleme, vor denen wir stehen, klar zu formulieren“, so Reno.
„In der Kirche hat jeder eine Rolle – Priester, Laien und Bischöfe – und jeder von uns muss entscheiden, wie der Kirche in diesem Klima am besten gedient werden kann. Wir müssen diskutieren, wie wir als treue Mitglieder der Kirche in diesem Pontifikat vorwärts gehen“.
Pater Weinandys Brief sei ein hilfreicher Katalysator für eine solche Diskussion, so Reno weiter.
Außerdem helfe die Veröffentlichung solcher Briefe den Verantwortungsträgern in der Kirche, denn „er unterstützt jene, die sich den Herausforderungen stellen wollen, vor denen die Kirche steht“.
Als Reaktion auf die Veröffentlichung des Briefs und die Kündigung veröffentlichte der Vorsitzende der USCCB, Kardinal Daniel DiNardo, am gestrigen Mittwoch Nachmittag (Ortszeit) eine Stellungnahme „über das Wesen des Dialogs in der Kirche„. Darin schreibt der DiNardo, dass theologische Debatten oft Gegenstand medialer Aufmerksamkeit seien, „was zu erwarten und oft gut“ sei.
Theologen und Bischöfe sollten sich bemühen, die Aussagen des Papstes möglichst freundlich – in guter Absicht – auszulegen. Zudem sollten Katholiken auch die legitimen Unterschiede anerkennen, die es unter Katholiken gebe, so der Kardinal weiter. Es sei die Arbeit der Kirche, des gesamten Leibes Christi, sich um ein stetig wachsendes Verständnis der Wahrheit Gottes zu bemühen.
Der Kapuzinerpater Charles L. Sammons lebte 2015 in der gleichen Unterkunft wie Pater Weinandy.
„Ich habe Pater Thomas als unkomplizieren und ernsten Menschen erlebt, der einfach den Herrn und seine Kirche liebte, und darüberhinaus sich um wenig anderes sorgte. Mehr als einmal habe ich mir gesagt, dass dies eine selige Art zu leben ist“.
Seine Zeit mit Pater Weinandy, so der Ordensmann gegenüber CNA, habe ihm die Gnade des guten Beispiels geschenkt, „für mein religiöses Leben als Kapuzinerpater“. (CNA Deutsch)