Vatikan: Wer und was zur Amazonassynode bekanntgegeben

Papst Franziskus hat über den Titel der Amazonassynode für 2019 entschieden. Wie der vatikanische Pressesaal an diesem Donnerstag mitteilte, wird das große Bischofstreffen im Oktober 2019 den Namen tragen:

„Amazonas: neue Wege für die Kirche und für eine integrale Ökologie“.

Wie es in der Vatikannote weiter heißt, hat der Papst auch entschieden, wer dem Mitgliederrat der Vorsynode zu diesem Thema angehören wird. Unter den Ernannten finden sich prominente brasilianische Bischöfe, wie beispielsweise der emeritierte Erzbischof von Sao Paolo, Kardinal Claudio Hummes, der dem kirchlichen Amazonasnetzwerk REPAM vorsteht, oder der aus Österreich stammende ehemalige Amazonas-Bischof Erwin Kräutler. Den Vatikan vertreten Kardinal Peter Turkson vom vatikanischen Entwicklungsdikasterium sowie der für Außenbeziehungen zuständige Erzbischof Paul Gallagher. Auch Vertreter aus Kolumbien, Peru, Ecuador, Paraguay, Mexiko und Venezuela wurden bestimmt. Der Mitgliederrat wird bei der Vorbereitung des weltweiten Bischofstreffens eng mit dem Synodensekretariat zusammenarbeiten. (vatican news)

Amazonasbischof Kräutler: Indios verdanken ihr Überleben auch der Kirche

Ein schreckliches Jahr liegt hinter den Indigenen des Amazonasgebietes – Kardinal Claudio Hummes und Amazonasbischof Erwin Kräutler, ihres Zeichens Präsident des kirchlichen Amazonas-Netzwerkes REPAM und Präsident von REPAM-Brasilien, schlugen zu Neujahr mit einem Brandbrief Alarm. Christine Seuss hat im Vorfeld der Begegnung des Papstes mit Indios in Peru Bischof Kräutler telefonisch erreicht.

VN:

Sie haben in ihrer Funktion als Repam-Brasilien-Präsident gemeinsam mit Kardinal Hummes, Präsident von Repam, einen Brief geschrieben, in dem sie von 2017 als einem ,annus horribilis´ für die Indigenen sprechen. Was macht das zurück liegende Jahr so besonders schlimm für die Ureinwohner des Amazonas-Gebietes?

Bischof Kräutler:

In der Brasilianischen Verfassung von 1988 sind die Rechte der Indigenen Völker auf Ihr angestammtes Land, ihre kulturellen Ausdrucksformen und ihr soziales Gefüge festgeschrieben. Wir haben bei der Verfassungsgebenden Versammlung 1987/88 aktiv mitgewirkt und damals die Abgeordneten überzeugen können, dass die Rechte der Indigenen Völker in die Verfassung gehören. Die Promulgation der Verfassung am 5. Oktober 1988 bedeutete deshalb eine kopernikanische Wende für die Indios und für Brasilien. Damit sollte die brasilianische Apartheid Geschichte sein. Leider ist aber bis heute der qualitative Sprung vom Papier in die Realität der Indigenen Völker nicht gelungen und verantwortlich dafür ist der mangelnde politische Willen der folgenden Regierungen, die Verfassungsbestimmungen zu respektieren.

Inzwischen hat die „Bancada Ruralista“, also die Vertretung des Agrobusiness, das Sagen im Nationalkongress und für diese Abgeordneten sind die Indios ein Hemmschuh für den Fortschritt. So wird alles und jedes unternommen, um die längst fälligen Demarkierungen indigener Gebiete zu unterbinden. Mehr noch, es wird an einer Verfassungsänderung gebastelt, die die entsprechenden Artikel der Carta Magna (231 und 232) abändern soll. Also ein Zurück zu den Verfassungen von 1934, 1946 und 1967 (Militärdiktatur), in denen es hieß: „Die Waldbewohner sollen in die Nationale Gesellschaft eingegliedert werden“. Im Klartext: „Die Indios haben ihre indigene Identität aufzugeben“.

Eine brasilienweite anti-indigene Kampagne hat sich in letzter Zeit immer mehr zugespitzt. Mord und Todschlag und unmissverständliche Verfolgung der Indigenen in allen Breitengraden Brasiliens sind die Folge.

VN:

Was sind die Faktoren, die die bereits prekäre Situation nochmals verschlimmert haben?

Bischof Kräutler:

An allererster Stelle steht die Nichtbeachtung der in der Verfassung grundgelegten indigenen Rechte auf ihr angestammtes Gebiet. Alle indigenen Gebiete hätten innerhalb von fünf Jahren nach der Promulgation der Verfassung (also bis 1993) identifiziert, abgegrenzt und als Indigenes Gebiet ins Grundbuch eingetragen gehört. Nur bei etwa der Hälfte der Indiogebiete ist dieser Prozess bis zum Ende durchgeführt worden. Bei anderen Gebieten wird das wohl kaum mehr geschehen und damit stehen Tür und Tor für alle möglichen Invasionen in indigene Gebiete offen. Dazu kommen bundesstaatliche Entscheide, die Großgrundbesitzern Indioland zugestanden haben. Die Indios wollen ihr Land zurück und damit sind Konflikte an der Tagesordnung, bei denen die Indios immer die Verlierer sind. Im südlichen Bundesstaat Mato Grosso do Sul sind die Indios in winzige Reservate eingepfercht. Es ist ihnen so unmöglich, kulturell und teils sogar physisch zu überleben. Die Selbstmordrate ist alarmierend hoch, insbesondere bei Jugendlichen, die plötzlich absolut keine Perspektive mehr für ihre Zukunft erblicken und den Suizid wählen, weil sie glauben, im Jenseits als Guarani-Kaiowá in Frieden und glücklich leben zu können.

VN:

Wie kann die katholische Kirche den Indios helfen?

Bischof Kräutler:

Die Katholische Kirche hat sich immer wieder für die Rechte der Indios eingesetzt. Im Jahre 1972 wurde der Rat für Indigene Völker CIMI gegründet. Er ist der Bischofskonferenz CNBB angegliedert und widmet sich seither mit viel Engagement diesen Völkern. Die Missionarinnen und Missionare des CIMI sind vor Ort, kennen die indigenen Gemeinschaften und leben zum großen Teil in ihren Dörfern. Die andere Aufgabe dieses Rates ist die Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung der Gesellschaft für die Indios. Ich wage zu behaupten, dass die indigenen Völker Brasiliens ihr kulturelles und auch physisches Überleben zu einem Gutteil dem mutigen Einsatz der Katholischen Kirche verdanken. Unsere Kirche hat nicht geschwiegen, sondern sich dezidiert auf die Seite der Indios gestellt und sich nie gescheut, Verbrechen an den Indigenen Völkern zu denunzieren. Viele Missionarinnen und Missionare haben ihren Einsatz sogar mit dem Leben bezahlt. Es sind die Märtyrer der Causa Indígena.

VN:

Auch Papst Franziskus persönlich liegt das Schicksal der Ureinwohner besonders am Herzen, bei seiner Reise nach Peru wird er auch mit Völkern aus dem Amazonas-Gebiet zusammen treffen. Was erhoffen Sie sich von dieser Begegnung?

Bischof Kräutler:

Seit Anfang seines Pontifikats hat Papst Franziskus mit einer ganz besonderen Liebe und Aufmerksamkeit die Indigenen Völker Lateinamerikas in sein Herz geschlossen. Ich habe das selbst bei der Privataudienz erfahren, die er mir im April 2014 gewährte. In der Enzyklika Laudato Sì erwähnt er diese Völker und ihre Rechte wörtlich: „Denn für sie ist das Land nicht ein Wirtschaftsgut, sondern eine Gabe Gottes und der Vorfahren, die in ihm ruhen; ein heiliger Raum, mit dem sie in Wechselbeziehung stehen müssen, um ihre Identität und ihre Werte zu erhalten. Wenn sie in ihren Territorien bleiben, sind es gerade sie, die am besten für sie sorgen“ (LS 146). Ich bin der Überzeugung, dass die Begegnung mit den Indios in Porto Maldonado genau diese Dimension unterstreichen wird und ihnen noch einmal beweist, dass der Papst aus Lateinamerika die Ureinwohner dieses Kontinents besonders schätzt und für ihre Rechte (auch gegen Bergwerksgesellschaften) eintritt.

VN:

Im Oktober 2019 werden die Bischöfe in Rom auf Einladung von Papst Franziskus in einer außerordentlichen Synode über das Amazonas-Gebiet beraten. Was sind Ihrer Ansicht nach die Punkte, die in einer solchen Synode bevorzugt behandelt werden sollten?

Bischof Kräutler:

Papst Franziskus hat nach der Heiligsprechung der Protomärtyrer Brasiliens am 15. Oktober 2017 die Synode für Panamazonien mit einer ganz klaren Zielsetzung einberufen: Neue Wege und Formen der Evangelisierung sollen gesucht werden, besonders in Hinsicht auf die Indigenen Völker. Außerdem ist die Rettung Amazoniens für die ganze Menschheit von Bedeutung und somit auch eine besondere Aufgabe für die Kirche nicht nur vor Ort, sondern für die gesamte katholische Kirche. Darum eine Synode mit weltweitem Charakter.

Unsere bisherige pastorale Praxis in Amazonien mit allen Höhen und Tiefen, Sorgen und Nöten, Leiden und Freuden wird sicher die Hintergrundszenerie der Synode bilden, von der aus sich der Blick in die Zukunft für die Völker Amazoniens und ihre Mitwelt richten wird.

Wir müssen endlich Abschied nehmen von einer „Evangelisierung der Kulturen“ und stattdessen eine Evangelisierung intensivieren, die von den Kulturen der Indigenen Völkern ausgeht und sie berücksichtigt, so wie wir uns das schon in der Kommission 26 der 4. lateinamerikanischen Bischofskonferenz (CELAM) in Santo Domingo 1992 gewünscht haben. Ich war damals Delegierter der Brasilianischen Bischofskonferenz und als Präsident des CIMI zusammen mit Dom José Maria Pires (für die Afroamerikaner) Mitglied dieser Kommission. Leider wurde damals unser Vorschlag brutal abgewürgt. Ich denke, die Synode wird nun diese Angelegenheit wieder aufs Tapet bringen. Ein weiteres Thema werden wohl sicher die Zulassungsbedingungen zum Weihepriestertum sein. Insbesondere bei den Indigenen Völkern ist größtenteils ein zölibatäres Priestertum sehr problematisch und praktisch unverständlich.

Und im Zusammenhang mit der Bewahrung der Schöpfung in Amazonien wird es sich sicher um die Weiterführung und Applikation der Aussagen des Papstes in Laudato Sì (insbesondre N. (37/38 und 145/146) gehen. (vatican news)

Brasilien: Amazonassynode untersucht „Evangelisierung und ökosoziale Frage“

Mit großer Freude und Dankbarkeit hat der brasilianische Kardinal Claudio Hummes die Nachricht von der Sondersynode zum Amazonas aufgenommen. „Ich glaube, der Papst will wirklich die Bischöfe der Region hören, um neue Wege der Präsenz und der Nähe mit den Indigenen vorzuschlagen“, sagte uns der Kardinal. „Es geht um Evangelisierung – aber es geht auch um die ganze ökosoziale Frage.“

Franziskus hatte beim Angelus am Sonntag bekannt gegeben, er plane im Herbst 2019 eine Bischofsversammlung über die Seelsorge und die ökologische Frage in dem südamerikanischen Urwaldgebiet. Hummes befand sich auf dem Petersplatz, als der Papst die Amazonas-Synode ankündigte, und Radio Vatikan sprach mit ihm.

„Wir danken alle Gott, weil das ein hoch bedeutendes kirchliches Ereignis ist für die Sendung der Kirche in Amazonien. Eine große Gnade für uns alle. Wir freuen uns. Und wir wissen ja, dass die ganze Welt ein spezielles Interesse für das Amazonasgebiet hat, auch wegen der globalen Umwelt- und Klimakrise. Wir Katholiken denken natürlich hauptsächlich an die Evangelisierung in diesen Regionen. Die Indigenen im Amazonas erwarten immer noch mit Hoffnung die Präsenz der Kirche und das Wort Gottes.“ (rv)

Vatikan: Die Größte der Geschichte

Kardinal Claudio Hummes ist tief beeindruckt vom Abschluss des Priesterjahres. Er hätte nie mit so vielen Teilnehmern an der Papstmesse von Freitag gerechnet, meinte der aus Brasilien stammende Präfekt der vatikanischen Kleruskongregation im Gespräch mit uns. „15.000 Priester aus aller Welt – das ist doch wirklich etwas Außerordentliches! Das war eine schöne und deutliche Antwort von seiten der Priester. Mich hat auch der Geist, in dem sie mitgemacht haben, berührt – aber bestimmt war das die zahlenmäßig größte Konzelebration in der Geschichte: 15.000 Priester mit dem Papst!“
Er sehe das Priesterjahr – auch wenn es von kirchlichen Missbrauchsskandalen überschattet wurde – als einen großen Erfolg, so Hummes. „Es ist ja auch in den einzelnen Gemeinschaften vor Ort gefeiert worden. Von Anfang an gab es viel Einsatz, damit das Priesterjahr vor Ort bei den Leuten ankommt… und das ist weltweit gelungen.“ (rv)