Kardinal Müller: Deutschland braucht moralische Orientierung

SYDNEY – Deutschland hat zwar das Potential, eine führende Rolle in Europa zu spielen, doch dazu bedarf es einer Kirche im Land, die eine klare moralische Orientierung leistet: Das hat Kardinal Gerhard Ludwig Müller in einem Interview gesagt.

Der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation sprach im Rahmen einer Reise nach Australien mit „Catholic Outlook“, der Bistumszeitung von Parramatta, einer Diözese im geographischen Zentrum der Metropole Sydney. Deutschland sei wirtschaftlich ein führendes Land, brauche aber auch eine moralisch-ethische Ausrichtung, so Müller.

Er warnte davor, dass die meisten europäischen Entscheidungsträger und Autoritäten zu sehr bestimmten Ideologien anhingen, etwa der Unterstützung von Abtreibung, Euthanasie und Homo-Ehe.

„Sie denken, das ist der Fortschritt der Menschheit, aber es ist ein Rückschritt.“

In dem am 23. Juli veröffentlichten Interview antwortete Kardinal Müller auf eine Frage zur Deutschen Bischofskonferenz, die darauf drängte, dass evangelische Ehegatten von Katholiken in „Einzelfällen“ die Eucharistie empfangen können.

„Leider denken unsere Bischöfe mehr in Kategorien von Politik und Macht und nicht auf der Linie der Neuevangelisierung“, sagte Müller im englisch geführten Exklusiv-Interview. Interkommunion sei „nicht möglich, absolut, objektiv unmöglich“, so der Kardinal und erinnerte an den sakramentalen Glauben, welcher der heiligen Kommunion im Katholizismus zugrunde liegt.

Besonders in der Eucharistie sei es nur möglich, diese zu empfangen, wenn man der vollen Gemeinschaft des kirchlichen Glaubens angehöre. Es reiche nicht, das Gefühl zu haben, dass man zusammengehöre, unterstricht der ehemalige Bischof von Regensburg gegenüber Jordan Grantham.

Kardinal Müller sprach auch über das Verhältnis von Kirche und Staat. „Die Macht des Staates muss dem Transzendenten, dem höheren Gesetz und der Realität gegenüber verantwortlich sein“, sagte er.

Die Macht der Regierung sei daher nicht absolut, sondern müsse sich an das natürliche moralische Gesetz halten, das universell ist, so Müller. Bemühungen, dieses natürliche moralische Gesetz zu verletzen – zum Beispiel durch Legalisierung der Abtreibung oder den Versuch, Priester zur Verletzung des Siegels der Beichte zu verpflichten – seien ungerecht.

Die Kirche könne der Gesellschaft helfen, das Fundament für einen demokratischen, pluralistischen Staat zu verstehen, sagte Müller:

„Der Staat muss tolerant sein und verschiedene Religionen akzeptieren, aber auf der Grundlage der Menschenrechte und des natürlichen moralischen Gesetzes.“

„Wir als katholische Kirche sind die Förderer der Religionsfreiheit und fordern sie nicht nur für uns selbst. Wir sind keine Lobby für uns selbst, wir sind die Förderer dieses natürlichen Rechts, das jeder verdient: Religionsfreiheit, die sich aus dem natürlichen Moralgesetz und der Gewissensfreiheit ableitet“. Die Kirche trage auch durch die Entwicklung und Förderung der katholischen Soziallehre, der Bildung und der Arbeitnehmerrechte zur Gesellschaft bei, fuhr Kardinal Müller fort. Bei der Auseinandersetzung mit modernen Herausforderungen sollten Katholiken darauf achten, nicht mit der falschen Unterscheidung politischer Etiketten wie „Konservative“ und „Progressive“ zu arbeiten, sagte der Kardinal.

„Es ist absolut notwendig, dass wir diese Unterscheidung, diese Spaltung in der Kirche, aber auch in den anderen christlichen Gemeinschaften, in denen wir dieses Problem haben, überwinden“, betonte er. „Das Wort Gottes ist diese Realität, die alle vereint. Wir sind nicht in Parteien geteilt…. wir sind alle vereint in dem einen Leib Christi, wir sind Glieder des Leibes Christi, Christus ist das Haupt Seines Leibes, der die Kirche selbst ist.“ Der Führung des Heiligen Geistes in Demut zu folgen ist entscheidend, fuhr er fort.

„Niemand, auch nicht der Papst und ein Konzil, hat eine direkte Verbindung zum Heiligen Geist, weil sie keine neue Offenbarung empfangen. Es gibt eine Offenbarung, die in Jesus Christus für immer gegeben ist, und deshalb ist unsere Grundlage die Heilige Schrift.“ (CNA Deutsch)

Kommunionstreit: Was ausländische Bischöfe über den deutschen Vorschlag sagen

PHILADELPHIA – Mit Verweis auf die Folgen für ihre eigenen Ortskirchen haben mehrere Bischöfe im Ausland den Vorschlag kritisiert, in deutschen Diözesen protestantischen Ehepartnern von Katholiken unter „bestimmten Umständen“ den Empfang der Kommunion zu ermöglichen.

Kardinal Reinhard Marx hatte am 22. Februar bekanntgegeben, die Deutsche Bischofskonferenz werde eine „pastorale Handreichung“ herausbringen, die evangelischen Christen, die mit Katholiken verheiratet sind, „unter bestimmten Umständen“ und „in Einzelfällen“ ermögliche, die heilige Kommunion zu empfangen, sofern sie auch „den katholischen Eucharistieglauben“ bejahten.

Auch wenn die Mehrheit der deutschen Bischöfe bei ihrer Vollversammlung dem Vorstoß – dessen endgültige Form sie noch nicht gesehen hatten – zustimmte: Das Thema hatte bereits im Vorfeld zu Spannungen unter den deutschen Bischöfen geführt.

Der Streit trat offen zutage, nachdem bekannt wurde, dass sich sieben deutsche Hirten – darunter Kardinal Rainer Maria Woelki sowie fünf bayerische Bischöfe – mit einem direkten Brief an Rom wandten. Der Brief ging an Kardinal Kurt Koch, Präsident des Rates der Einheit der Christen, und an Kurienerzbischof Luis Ladaria, Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre.

Es gehe um eine Klarstellung, ob die Frage des Kommunionempfangs konfessionsverschiedener Ehepartner im Rahmen einer nationalen Bischofskonferenz entschieden werden kann, oder ob eine Entscheidung der Universalkirche notwendig ist, so das Erzbistum Köln gegenüber CNA Deutsch in einer Stellungnahme.

Jedoch auch das Treffen im Vatikan, das am 3. Mai stattfand, brachte keine Klarheit. Stattdessen teilte der Präfekt der Glaubenskongregation mit, Papst Franziskus würdige „das ökumenische Engagement der deutschen Bischöfe“ und ersuche sie, „im Geist kirchlicher Gemeinschaft eine möglichst einmütige Regelung zu finden“.

Ein „Kommunion-Brexit“ aus der Weltkirche?

Seitdem haben mehrere Kardinäle Klarheit in der Kommunionsfrage gefordert, darunter der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Weitere Stimmen warnen vor einem deutschen Sonderweg, und vor den Folgen eines „Kommunion-Brexit“ aus der Weltkirche.

Nun hat Erzbischof Charles Chaput von Philadelphia in einem Essay für das Magazin „First Things“, der am 23. Mai veröffentlicht wurde, schwere doktrinäre Bedenken über den Vorschlag angemeldet.

Chaput erklärt in seinem Aufsatz, dass Bischöfe zwar überall einmal Meinungsverschiedenheiten hätten – seines Erachtens sei jedoch die Situation in Deutschland wegen der „globalen Bedeutung der Kontroverse“ und der Lehrfragen eine andere. Er schreibt weiter: „Was in Deutschland passiert, wird nicht in Deutschland bleiben. Die Geschichte hat uns diese Lektion schon einmal gelehrt“, und verweist auf die Auswirkungen des Schismas durch Martin Luther.

Im Kern sage der deutsche Vorschlag, so Chaput, „dass es eine Teilnahme an der heiligen Kommunion geben kann, selbst wenn es keine wahre kirchliche Einheit gibt“. Der Erzbischof erinnert in diesem Zusammenhang an gravierende Unterschiede zwischen protestantischer und katholischer Theologie.

Chaput erklärt weiter, er sei mit dem Vorschlag nicht einverstanden, da er grundlegend neu definieren würde, „was die Kirche ist und wer sie ist“, da die Eucharistie „das Zeichen und Instrument der kirchlichen Einheit ist“.

Der deutsche Vorschlag würde – „ob nun absichtlich oder nicht“ – somit „der erste Schritt hin zu einer Öffnung der Kommunion für alle Protestanten oder alle Getauften“ sein, warnt Erzbischof Chaput, auch weil eine Ehe an sich keine besondere Begründung dafür leiste, Nichtkatholiken zur Kommunion zuzulassen.

Protestantischen Ehepartnern von Katholiken den Empfang der heiligen Kommunion auf diese Weise zu gewähren hätte zur Folge, dass die katholische Kirche sich „eine protestantische Vorstellung von kirchlicher Identität“ zu eigen machen würde, in der für den Empfang allein schon die Taufe und ein Glaube an Christus ausreichten, warnt der Oberhirte von Philadelphia.

„Protestantisierung der Sakramententheologie“

Chaput fragt weiter: Würde ein evangelischer Ehepartner sich auch zu den anderen Sakramenten bekennen müssen – etwa zur Priesterweihe? Wenn nicht, dann werfe das die Frage auf, ob die deutschen Bischöfe vielleicht nicht daran glauben, dass dieses Sakrament der Apostolischen Sukzession bedarf – was ein „weitaus gravierenderer Irrtum“ wäre, warnt Chaput.

Zudem kappe der deutsche Vorschlag auch „den entscheidenden Zusammenhang von Kommunion und sakramentaler Beichte“, so der Erzbischof in seinem Essay.

Vermutlich werde nicht erwartet, dass evangelische Eheleute vor dem Empfang der Kommunion auch ihre schweren Sünden beichteten.

„Dies steht jedoch im Widerspruch zu der immerwährenden Praxis und der ausdrücklichen dogmatischen Lehre der katholischen Kirche, des Konzils von Trient und des modernen Katechismus der katholischen Kirche sowie des gewöhnlichen Lehramtes. Es bedeutet, in seiner Auswirkung, eine Protestantisierung der katholischen Sakramententheologie.“

In der Praxis, kritisiert Erzbischof Chaput, würde so eine Lüge eingeführt – ausgerechnet dort, wo es um eine tiefgreifende Begegnung mit Christus gehe.

„Eine Lüge in den feierlichsten Moment der Begegnung mit Jesus in der Eucharistie einzuführen, und durch seine Handlungen zu sagen: ‚Ich bin in Kommunion mit dieser Gemeinschaft‘, wenn man nachweislich nicht in Kommunion mit dieser Gemeinschaft ist – stellt eine Lüge dar, und somit ein schweres Vergehen vor Gott.“

Mangelndes Verständnis des Sakraments

Mit deutlichem Unverständnis und einer scharfen Warnung hat Kardinal Willem Jacobus Eijk auf die Entscheidung des Papstes reagiert, die deutschen Bischöfe anzuweisen, eine Regelung zu finden.

In einem Kommentar für den „National Catholic Register“ schrieb der Erzbischof von Utrecht am 7. Mai, die auf ihrem Glauben basierende Praxis der Katholischen Kirche werde nicht dadurch bestimmt, und ändere sich auch nicht statistisch, wenn die Mehrheit einer Bischofskonferenz für so etwas stimme, selbst wenn dies einstimmig geschehe.

Aus seiner Sicht hätte Papst Franziskus deshalb direkter auf die Deutsche Bischofskonferenz reagieren müssen, und „klare Anweisungen geben, die auf der klaren Lehre und Praxis der Kirche basieren“.

Ähnlich wie der niederländische Kardinal äußerte sich Erzbischof Terrence Prendergast aus Ottawa, der am 23. Mai im kanadischen „Catholic Register“ sagte, es sei „rätselhaft“, dass Papst Franziskus die deutschen Bischöfe anwies, zu einer einstimmigen Entscheidung in dieser Angelegenheit zu kommen.

„Diese Art offener Kommunion verstößt gegen die katholische Lehre und nach all dem, was ich in nichtkatholischen Gemeinden so sehe, die einer Disziplin der ‚offenen Gemeinschaft‘ folgen, ist es auch spirituell und pastoral unfruchtbar“, so der kanadische Erzbischof.

Prendergast weist darauf hin, dass Gläubige in seiner eigenen Ortskirche sich bereits nach dem deutschen Vorschlag erkundigt haben. Der Erzbischof von Ottawa betont, es sei wichtig, den Menschen besser zu erklären, dass ein Besuch der heiligen Messe ohne Kommunion-Empfang gut ist – was auch der Regensburger Bischof Voderholzer betont hatte.

Der kanadische Würdenträger warnt, dass auch viele Katholiken nicht mehr gelernt hätten, was die Voraussetzungen für den rechten Empfang der Kommunion sind, einschließlich des Standes der Gnade.

„Wir müssen uns viel mehr darum bemühen, die Sakramente würdig und fruchtbar zu empfangen. Das gilt für die Eucharistie, aber auch für Taufe und Firmung“, fügte Prendergast hinzu.

„In der heiligen Kommunion empfangen wir den Herrn, und deshalb müssen wir, um ihn würdig zu empfangen, ganz offen für Ihn sein und mit Seiner Kirche sichtbar und unsichtbar, institutionell und innerlich verbunden sein. Das – und nichts anderes – ist katholische Lehre.“

Als Ordensbruder von Papst Franziskus – Prendergast ist Jesuitenpater – wendet sich der kanadische Erzbischof auch an den Pontifex und dankt ihm dafür, „dass er uns daran erinnert, dass die Begleitung von Menschen durch ihr Leben, besonders in dunklen Zeiten, wesentlich ist, um Priester zu sein“.

„Wir Jesuiten müssen immer daran denken, dass die meisten Katholiken keine Jesuiten sind – eine Tatsache, die wir manchmal übersehen“, fügt er hinzu.

„Unsere Spiritualität ist nicht jedermanns Sache. Für mich war es eine echte Veränderung, Bischof zu werden, denn dann musste ich das ganze Spektrum der Theologien, Spiritualität, Dienste und Charismen in der mir anvertrauten Diözese anerkennen. Dadurch wurde mir klar, was für ein großartiges Geschenk die Glaubenslehre für die Kirche ist, damit sie eins ist, heilig und katholisch.“

Ausnahme im Kirchenrecht

Generell ist aus katholischer Sicht nur Katholiken, die im Stand der Gnade sind, der Empfang der heiligen Kommunion erlaubt. Allerdings kennt das Kirchenrecht bereits eine Ausnahme:

„Wenn Todesgefahr besteht oder wenn nach dem Urteil des Diözesanbischofs bzw. der Bischofskonferenz eine andere schwere Notlage dazu drängt, spenden katholische Spender diese Sakramente erlaubt auch den übrigen nicht in der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehenden Christen, die einen Spender der eigenen Gemeinschaft nicht aufsuchen können und von sich aus darum bitten, sofern sie bezüglich dieser Sakramente den katholischen Glauben bekunden und in rechter Weise disponiert sind“ (c. 844, § 4 CIC).

Richtig „disponiert“ sei ein nichtkatholischer Christ aber nur, so das Bistum Augsburg auf seiner Webseite weiter, „wenn er die katholischen Glaubenslehren über diese Sakramente annimmt, also z.B. dass ausschließlich ein gültig geweihter Priester Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi verwandeln kann. Darauf hat der Papst eigens in seiner Enzyklika Ecclesia de Eucharistia aufmerksam gemacht: ‚Die Ablehnung einer oder mehrerer Glaubenswahrheiten über diese Sakramente, etwa die Leugnung der Wahrheit bezüglich der Notwendigkeit des Weihepriestertums zur gültigen Spendung dieser Sakramente, hat zur Folge, dass der Bittsteller nicht für ihren rechtmäßigen Empfang disponiert ist.‘ (Nr. 46).“

Übersetzt und redigiert aus dem englischen Original. (CNA Deutsch)

Kardinäle plädieren für Dialog zur Klärung offener Fragen um Amoris Laetitia

Kardinal Parolin: „Wege finden, einander zu verstehen“ – Kardinal Gerhard Ludwig Müller: Theologisch profunde Disputation statt Polemik und Einschüchterungsversuche.

VATIKANSTADT- Einer der ranghöchsten Vertreter der Kurie, Kardinal Pietro Parolin, hat diese Woche einen Dialog zur Klärung offener Fragen um Amoris Laetitia gefordert.

Vor dem Hintergrund des Erscheinens einer „Correctio Filialis“, die Papst Franziskus vorwirft, Irrlehren zu verbreiten, sagte Kardinal Parolin am Donnerstag, wer nicht die Meinung des Papstes teile, dem stehe frei, dies zu äußern, „doch über diese Dinge muss man nachdenken und Wege finden, einander zu verstehen“, zitierte der britische „Catholic Herald“ den Kardinalstaatssekretär.

Einen Dialog forderte auch Kardinal Gerhard Ludwig Müller in einem neuen Interview mit dem „National Catholic Register“ (NCR). In der aktuellen Situation könne nicht Polemik und Rhetorik helfen, sondern „nur eine profunde theologische Diskussion“, so der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation gegenüber dem Vatikanisten Edward Pentin.

Kardinal Müller warnte vor einem Klima der Angst, vor Polemik und Einschüchterungen und plädierte für eine klärende Debatte:

„Eine mögliche Lösung könnte eine Gruppe von Kardinälen sein, die der Heilige Vater bestellt um eine theologische Disputation zu führen mit einigen prominenten Vertretern der Dubia und der ‚Zurechtweisungen‘ über die verschiedenen und manchmal umstrittenen Interpretationen mancher Aussagen im achten Kapitel von Amoris Laetitia.“

Die als Dubia im September 2016 mit der Bitte um Klärung von vier Kardinälen formulierten Fragen wurden im November – zwei Monate später – veröffentlicht, nachdem der Papst den Brief nicht beantwortet hatte. Auch eine spätere Bitte um eine Audienz der Kardinäle blieb ohne Antwort. Im neuen Interview mit dem NCR sagt Kardinal Müller:

„Am besten wäre es gewesen, wenn der Heilige Vater vor einer Veröffentlichung eine Audienz abgehalten hätte“.

Die von den Dubia völlig unabhängige Correctio Filialis wurde mit damals 40 Unterschriften am 11. August 2017 zugestellt, und dann im September im Internet in mehreren Sprachen veröffentlicht, darunter auch auf Deutsch.

Zu den Unterzeichnern gehören der Schriftsteller Martin Mosebach, der ehemalige Präsident der Vatikanbank, Ettore Gotti Tedeschi, der Generalobere der Piusbruderschaft, Bischof Bernard Fellay, sowie laut Herald mittlerweile auch der emeritierte Bischof René Henry Gracida und der Forschungsdirektor des Ian Ramsey Zentrums für Wissenschaft und Religion der Oxford University, der Priester Andrew Pinsent.

Hintergrund: Was bisher geschah

Am 8. Oktober 2013, ein gutes halbes Jahr nach seiner Wahl, kündigte Papst Franziskus an, er werde im Oktober 2014 eine Außergewöhnliche Synode über Familie und Evangelisierung abhalten, gefolgt von einer Bischofssynode zum gleichen Thema im Oktober 2015.

Im September 2015, kurz vor der zweiten Synode, drückten 800.000 Individuen und Verbände aus 178 Nationen in einer Petition an den Papst ihre Sorge aus, dass nach der ersten Synode – deren Handhabung ins Kreuzfeuer scharfer Kritik gekommen war – „weitverbreitete Verwirrung“ herrsche.

Am 8. April 2016 veröffentlichte Franziskus als Abschlussdokument das fast 300 Seiten umfassende Lehrschreiben Amoris Laetitia.

Am 28. April 2016 warnte der renommierte Philosoph Robert Spaemann gegenüber CNA Deutsch, das Schreiben stelle möglicherweise einen Bruch mit der kirchlichen Lehrtradition dar. In einem zweiten Kommentar für CNA Deutsch präzisierte er seine Äußerungen dazu weiter.

Im Juli 2016 schrieben 45 katholische Gelehrte, Würdenträger und Geistliche einen Bittbrief an alle Kardinäle und Patriarchen der Kirche. Darin ersuchten sie die Kardinäle, Papst Franziskus aufzufordern, einige Passagen in Amoris Laetitia richtig zu stellen.

Am 19. September 2016 übermittelten vier Kardinäle – Joachim Meisner, Walter Brandmüller, Carlo Caffara und Raymond Burke – dem Papst einen Bittbrief, in dem sie um die Klärung von fünf „Dubia“ – also Zweifel – in der Form von Fragen baten.

Am 18. November warf Papst Franziskus in einem Interview mit „Avvenire“ (der Zeitung der italienischen Bischofskonferenz) Kritikern vor, Amoris Laetitia „nicht verstanden zu haben“. Das liege daran, dass diese Personen nach dem Schema „schwarz oder weiß“ dächten, „selbst wenn wir im Fluss des Lebens unterscheiden müssen“, so Franziskus.

Am 4. Dezember sagte der enge Papst-Vertraute und Jesuitenpater Antonio Spadaro in einem Interview mit „Crux„, dass die Fragen der Dubia eigentlich schon bei der Synode beantwortet worden seien. Absolution in der Beichte und Kommunion für geschiedene Wiederverheiratete sei nun, dank Amoris Laetitia, möglich.

Am 7. Dezember 2016 warnte der Freiburger Theologieprofessor Helmut Hoping in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, dass eine „Revision der katholischen Sexualmoral insgesamt“ auf dem Spiel stehe, nicht nur die Frage des Kommunionempfangs.

Am 14. Januar 2017 veröffentlichten die Bischöfe Maltas Leitlinien, die geschiedenen Wiederverheirateten ermöglichten, nach „ehrlicher Prüfung“ ihres Gewissens selber zu entscheiden, ob sie zur Kommunion gehen – auch wenn sie weiterhin nicht enthaltsam lebten. Die Änderung begründeten die Bischöfe mit Amoris Laetitia.

Am 1. Februar 2017 veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz Leitlinien zu Amoris Laetitia, die eine Kommunion für geschiedene Wiederverheiratete unter bestimmten Umständen einführten. Auch wenn es Einzelfälle seien, gebe es grundsätzlich die „Möglichkeit des Sakramentenempfangs in diesen Situationen“.

Dagegen erklärte am gleichen Tag der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerald Ludwig Müller, dass aus seiner Sicht Amoris Laetitia im Licht der gesamten Lehre der Kirche interpretiert werden müsse und diese nicht ändere, ja nicht ändern könne. Ihm „gefalle nicht“, wenn Bischöfe dies anders interpretierten, so der ehemalige Bischof von Regensburg.

Am 3. Februar 2017 veröffentlichte Bischof Vitus Huonder von Chur Leitlinien, in denen die Heiligkeit des Ehebandes betont und eine geduldige Begleitung und Eingliederung von Gläubigen unterstrichen wurde. Eine Kommunion oder Absolution für geschiedene Wiederverheiratete machten die Leitlinien jedoch abhängig von der Frage der Enthaltsamkeit der Betroffenen, so der Schweizer Oberhirte.

Ebenfalls im Februar 2017 veröffentlichten die International Confraternities of Catholic Clergy, ein Zusammenschluss von über 1.000 Priestern aus den USA, Irland, Australien und anderen Ländern, ein Statement zu Amoris Laetitia. Darin plädierten sie für eine Klärung der offenen Fragen angesichts unterschiedlicher Auslegungen und „wachsender Unterschiede in der Praxis“.

Am 14. März 2017 wandte sich Regensburgs Bischof Rudolf Voderholzer mit einer „Handreichung für die Seelsorge mit wiederverheirateten Geschiedenen“ an Betroffene und Seelsorger seiner Diözese. Darin betont er, dass niemand ausgeschlossen werde und jeder Katholik die Messe besuchen solle. Wer jedoch als geschiedener Wiederverheirateter zur Kommunion zugelassen werden wolle, der müsse in seinem Bistum zumindest weiterhin enthaltsam „wie Bruder und Schwester“ leben. (© CNA Deutsch)

Amoris Laetitia: So interpretiert der Präsident der Gesetzestexte das Schreiben

VATIKANSTADT – Keine Antworten, aber weitere Fragen: Für den heutigen Dienstag war angekündigt, dass Kardinal Francesco Coccopalmerio mit einem Buch über das umstrittene achte Kapitel von Amoris Laetitia (AL) Antworten auf die offenen Fragen von AL liefern werde. Doch der Kardinal erschien nicht zum Termin – und seine Sprecher erklärten, das Buch liefere keine Antworten auf die Dubia.

Offizieller geht es kaum: Es war eine vorab angekündigte Presse-Konferenz bei Radio Vatikan, bei der das Werk vorgestellt werden sollte; geschrieben hat es der Präsident des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte; und verlegt wird es beim Verlag des Vatikans, der Libreria Editrice Vaticana. Das Buch trägt zudem den Titel: „Das Achte Kapitel der Post-Synodalen Apostolischen Exhortation Amoris Laetitia“.

Im Vorfeld hieß es daher bereits seitens vieler Beobachter: Damit würden die Fragen zu AL nun endlich beantwortet. Zumal die Sprecher des Autors, darunter der Vatikanist Orazio La Rocca, das Buch als Antworten auf die fünf „Ja/Nein“-Fragen der vier Kardinäle bezeichnet hatten.

Doch dann kam alles anders.

Wegen einer „Terminkollision“ sei der Autor verhindert: So erklärten die Veranstalter die Abwesenheit von Kardinal Coccopalmerio bei der Vorstellung seines Buches am heutigen Dienstag. Und die Moderatoren des Events erklärten, es liefere keine Antworten auf die Dubia.

„Nur Pastorale Überlegungen“

Tatsächlich liefere das kurze Büchlein mit dem langen Titel nur pastorale Überlegungen zum Thema, so die anwesenden Sprecher der Pressekonferenz. Auf keinen Fall schreibe der Präsident des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte hier als Kirchenrechtler, wurde betont.

Das Fazit der Überlegungen ähnelt den Interpretationen der Maltesischen und Deutschen Bischofskonferenzen: Dank AL sollen geschiedene Wiederverheiratete zur Kommunion gehen können. Die Entscheidung liege beim einzelnen; dieser kann das für sich entscheiden, deutet der Autor die Exhortation.

Gleichzeitig betont der Kurienkardinal, dass trotzdem die Lehre der Kirche weiter bestehe und auch kein Eindruck aufkommen sollte, die Änderungen von AL bedeuteten nun, „dass diese Verbindung regulär sei und daher die Ehe nicht nötig oder nicht unauflöslich“ sei.

Damit widerspricht der Präfekt der Gesetztestexte freilich dem Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Dieser hat erst jüngst erklärt, dass eine Kommunion für geschiedene und Wiederverheiratete gegen die Lehre der Kirche verstoße; und dass niemand, auch der Papst, dies ändern könne.

Offene Fragen

Vor diesem Hintergrund stellen die nun vorgelegten Reflektionen von Kardinal Coccopalmerio einen neuen Diskussionbeitrag dar, der nun anderen Beiträgen (nicht weniger renommierter Würdenträger und Experten) widerspricht und somit die Debatte über die „Freude der Liebe“ und deren Auslegung weiter beschleunigt. Eine Klärung des „faktischen Schismas“ (der Vatikanist Guido Horst), dass diese Situation hervorgerufen hat, findet nicht statt; und die offene Fragen zu Amoris Laetitia harren weiter einer Beantwortung. (CNA Deutsch)

Vatikan: Brief über Kleriker und Laien

VatikanNeues aus dem Vatikan zum Zusammenwirken von Klerikern und Laien in der Kirche: die Glaubenskongregation hat zu diesem Thema einen Brief an die Bischöfe in aller Welt aufgesetzt. Nächste Woche am 14. Juni wird das Schreiben mit dem Titel „Iuvenescit Ecclesia” („die Kirche wird jünger“) im Vatikan der Öffentlichkeit vorgestellt. In theologischer Sprache geht es um das Verhältnis zwischen „hierarchischen und charismatischen Gaben für Leben und Sendung der Kirche“. Zwei Kurienkardinäle präsentieren das Dokument: der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, sowie Kardinal Marc Ouellet als Präfekt der Bischofskongregation. Für Übersetzungen in die wichtigsten Sprachen der Kirche, darunter Deutsch, ist gesorgt. (rv)

Vatikan und Piusbruderschaft: Ziel ist „die volle Aussöhnung“

FSSPX_logoZum ersten Mal im Pontifikat von Franziskus sind Vertreter der Priesterbruderschaft St. Pius X. wieder zu offiziellen Gesprächen im Vatikan empfangen worden. Der Obere der traditionalistischen Bruderschaft, Bischof Bernard Fellay, war an diesem Dienstag mit zwei Assistenten an der Glaubenskongregation. Bei dem Gespräch mit Kardinal Gerhard Ludwig Müller, dem Präfekten der Kongregation, ging es „um einige Probleme lehrmäßiger und kirchenrechtlicher Natur“, heißt es in einer Mitteilung des vatikanischen Pressesaales. Ziel sei „die Überwindung der Schwierigkeiten“ und „das Erreichen der vollen Aussöhnung“. Beide Seiten seien übereingekommen, „in einzelnen Etappen und vernünftigem Zeitraum“ vorzugehen, um dieses Ziel zu erreichen.

Die Gespräche an der Glaubenskongregation dauerten zwei Stunden und verliefen „in herzlichem Klima“, heißt es in der Mitteilung weiter. Ein Zeitplan wurde nicht genannt. Die versuchte Aussöhnung der schismatisch orientierten Piusbruderschaft mit der Weltkirche hatte unter Benedikt XVI. begonnen, war aber nicht zum Abschluss gekommen. Unter Franziskus schien der Annäherungsprozess zunächst ins Stocken geraten. Die Priesterbruderschaft St. Pius X. lehnt bisher gewisse Fortentwicklungen der katholischen Glaubenslehre nach dem II. Vatikanischen Konzil ab, beispielsweise zu Religionsfreiheit und Ökumene.

Von Seiten des Heiligen Stuhles nahmen an dem Treffen von diesem Dienstag vier Verantwortliche teil: neben Kardinal Müller der Sekretär und der Beigeordnete Sekretär der Glaubenskongregation, die Erzbischöfe Luis Ladaria und Augustine Di Noia, sowie Erzbischof Guido Pozzo, Sekretär der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei. Diese ist für die Belange aller traditionsverbundenen Gruppen in- und außerhalb der katholischen Kirche zuständig. Bischof Fellay wurde von zwei Geistlichen der Bruderschaft begleitet, Nikolas Pfluger und Alain-Marc Nely. (rv)