Die Rücktrittschreiben von Papst Paul VI.

Papst Paul VI.VATIKANSTADT – Nachdem bekannt geworden ist, dass der selige Papst Paul VI. zwei Rücktrittschreiben verfasste für den Fall, dass er langfristig sein Amt nicht ausüben kann, ist eine Debatte darüber entbrannt, ob dies überhaupt kirchenrechtlich gültig wäre.

Der italienische Kardinal Giovanni Battista Re (83) bestätigte, dass der heilige Papst Johannes Paul II. ihm zwei Rücktrittschreiben von Paul VI. zeigte. Diese sollten verhindern, dass die Kirche durch einen amtsunfähigen Papst gelähmt würde.

Re ist unter anderem emeritierter Präfekt der Kongregation für die Bischöfe.

„Paul VI. war besorgt, dass eine zukünftige Behinderung ihn daran hindern könnte, sein Amt auszuüben“, bestätigte der Kardinal.

Im Gespräch mit der Zeitung La Stampa erklärte der italienische Kardinal, dass „beide Briefe mit der Hand geschrieben waren. Ich erinnere mich nicht mehr mit welchem Datum, aber es handelte sich um die letzte Lebensjahre Papst . Ich glaube, sie waren vom Ende der 60er Jahre oder von 1970.“

Paul VI., mit bürgerlichem Namen Giovanni Battista Enrico Antonio Maria Montini, war Papst von 1963 bis 1978, dem Jahr seines Todes.

Der Vatikanist Andrea Tornielli erinnert daran, dass Paul VI. auf die Möglichkeit eines Verlustes seiner geistigen Fähigkeiten vorbereitet sein wollte vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Papst im November 1967 unter Vollnarkose in einem improvisierten Operationssaal in den päpstlichen Gemächern an der Prostata operiert worden war.

„Was wäre passiert, wenn er zum Beispiel nicht mehr aufgewacht oder längere Zeit im Koma geblieben wäre? Um dieses Dilemma angesichts der größeren Langlebigkeit der Menschen aufgrund der medizinischen Entdeckungen lösen zu können, entschied der Papst durch zwei handschriftliche Erklärungen vorzusorgen“, kommentierte Tornielli.

„Wir befinden uns hier vor einem historisch gesehen sehr verschiedenen Fall als dem des Verzichts aufgrund von Alter oder Kräftemangel, wie es in der Kirchengeschichte erstmals im Februar 2013 mit der Geste Benedikts XVI. geschehen war“.

Der Rücktritt des römischen Papstes wurde 1917 in den Codex des Kanonischen Rechts aufgenommen und besteht im aktuell gültigen von 1983 weiter.

Der erste Briefe Pauls VI. hatte den Zweck, seinen Verzicht zu erklären, während er im zweiten den Kardinalstaatssekretär „pro tempore“ – seinen vorrangigen Mitarbeiter – bat, die Kardinäle zu drängen, den ersten zu akzeptieren.

Beide Schreiben sollten im Archiv des Staatssekretariats aufbewahrt werden, aber der Privatsekretär Pauls VI., Pasquale Macchi, der 2006 starb, hatte eine Kopie.

Tatsächlich enthüllte Bischof Macchi bereits 2001 in seinem Buch „Paul VI. in seinem eigenen Worten“, dass der Papst eine solches Dokument in seinem Schreibtisch aufbewahre.

Monsignore Ettore Malnati, ein Freund Don Macchis, bestätigte ebenfalls die Existenz der Dokumente und sagte, der damalige Kardinal Joseph Ratzinger wusste um sie.

Monsignore Malnati berichtete, dass sich dies im Oktober 2003 zugetragen hatte und teilte die Reaktion dessen mit, der im Jahr 2005 Papst Benedikt XVI werden würde.

„Ich erinnere mich, dass Kardinal Ratzinger in etwa sagte: „Das ist eine sehr weise Sache, die jeder Papst tun sollte.“

Die Überlegungen anderer Päpste

Vor Papst Paul VI. hatten bereits andere Päpste die Option eines Rücktritts in Betracht gezogen: „Pius XI. dachte über die Möglichkeit nach, seinen Dienst im Krankheitsfall aufzugeben, während Pius XII. für den Fall einer Deportation durch die Nazis etwas Ähnliches prädisponierte: ´Sollten sie mich entführen, dann werden sie den Kardinal Pacelli haben, nicht den Papst´“ schrieb Tornielli.

Auch ist bedeutsam, betonte der Vatikanist, „dass Johannes Paul II. diese Dokumente Kardinal Re gezeigt hat, weil der polnische Papst an Parkinson litt und aufgrund der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes die Möglichkeit eines Rücktritts ebenfalls erwogen hatte.“

Papst Franziskus verwies ebenso mehrfach auf die Möglichkeit, auf das Papstamt zu verzichten und dankte sogar Benedikt XVI. dafür, diesen Weg der emeritierten Päpste geöffnet zu haben.“

Franziskus sagte im Juni diesen Jahres beim Ad-limina-Besuch der Bischöfen Panamas, mit denen er über verschiedene Themen – wie den Weltjugendtag im Januar 2019 – sprach, dass „der Papst kommen wird. Ich werde kommen oder ein anderer, aber der Papst wird kommen.“ (CNA Deutsch)

Der Leiter des Konklaves: Kardinal Giovanni Battista Re

Kardinal ReWenn die Kardinäle in strenger Abgeschiedenheit in der Sixtinischen Kapelle einen neuen Papst wählen, dann hat Kardinal Giovanni Battista Re die Leitung der Versammlung inne. Eigentlich wäre es der der ranghöchste Kardinal, der so genannte Kardinaldekan, dem diese Aufgabe zufiele, aber Kardinal Angelo Sodano darf wegen seines Alters – er ist 85 Jahre alt und deswegen über das Wahlalter von 80 Jahren hinaus – nicht am Konklave selbst teilnehmen. Deswegen fällt diese Aufgabe nun an den ältesten der Kardinalbischöfe, eben Kardinal Re.

Er gilt unter Vatikan-Journalisten als erfahrener Diplomat, aber auch als Kenner der inneren Abläufe im Vatikan, als fleißig und intelligent. Er hat den Ruf eines unermüdlichen Arbeiters. Man schätzt im Vatikan auch seine Konsequenz, hat er doch 2004 dafür gesorgt, dass der Bischof von Sankt Pölten, Kurt Krenn, im Zusammenhang mit mangelhafter Aufklärung zweifelhafter Verhaltensweisen von Klerusmitgliedern in seinem Bistum seinen Rücktritt einreichte, der dann auch angenommen wurde.

Im deutschen Sprachraum weitläufiger bekannt wurde Re, als er 2009 in seiner Eigenschaft als Präfekt der Kongregation das Dekret unterzeichnete, das die Exkommunikation der Bischöfe schismatisch orientierten Piusbruderschaft aufhob. Nach Bekanntwerden des Dekretes und vor allem der Holocaustleugnung durch einen dieser Bischöfe zeigte sich Re irritiert über die mangelnde Recherche im Fall Williamson.

Biographie

Geboren 1934 in Norditalien hat er wie viele andere Kardinäle auch einen Doktorgrad an der Päpstlichen Universität Gregoriana erworben, und zwar in Kirchenrecht. Nach einigen pastoralen Jahren ist er in den diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhles eingetreten und wurde nach Stationen in Panama und Iran persönlicher Sekretär von Erzbischof Giovanni Benelli, zu dieser Zeit Substitut und enger Mitarbeiter von Papst Paul VI.. Nach zwei Jahren als Sekretär in der Bischofskongregation wechselte er zurück ins Staatssekretariat, wo er nun selbst für elf Jahre den Posten des Substituten bekleidete. Er leitet die Abteilung für allgemeine Angelegenheiten, die am ehesten mit einem Kanzleramt oder dem britischen Cabinet-Office vergleichbar ist: Die Aufgabe liegt vor allem darin, die Entscheidungen des Papstes in die Praxis umzusetzen und umgekehrt den Papst über alles Wesentliche auf dem Laufen zu halten. 2000 wechselte Re zurück in die Bischofskongregation, nun als Präfekt und als Präsident der Päpstlichen Lateinamerikakommission. 2001 wurde er zum Kardinal erhoben.

2010 wurde Re aus Altersgründen emeritiert. (rv)