Kardinal Martini wird heute beigesetzt

Der frühere Erzbischof von Mailand, Kardinal Carlo Maria Martini, wird an diesem Montag Nachmittag feierlich im Mailänder Dom beigesetzt. Über 200.000 Menschen haben seit Samstag von den sterblichen Überresten Martinis Abschied genommen, die im Dom feierlich aufgebahrt waren. Mit dem Jesuiten und Bibelwissenschaftler war am Freitagnachmittag einer der Großen der Kirche gestorben: Martini war bahnbrechend für das Gespräch mit Nichtglaubenden, mit anderen Religionen und mit der modernen Welt. Das Requiem für ihn wird per Videoleinwand auch auf den Vorplatz der Mailänder Kathedrale übertragen. Papst Benedikt schickt den italienischen Kurienkardinal Angelo Comastri als seinen Vertreter zur Beisetzung nach Mailand. Comastri sagte uns per Telefon:

„Ich werde eine Botschaft des Heiligen Vaters verlesen. Papst Benedikt würdigt den Verstorbenen darin als Mann des Wortes, als Mann, der das Wort Gottes verkündet hat, als Mann, der dem Wort Gottes gedient hat. Kardinal Martini liebte die Kirche und hat seine Gläubigen und alle, denen er begegnete, immer wieder dazu aufgerufen, im Glauben zu wachsen und den Glauben immer radikaler zu leben. Als Martini einmal sagte: In jedem von uns steckt ein Nichtglaubender, dann wollte er nicht mit dem Glauben sozusagen spielen, sondern er wollte in allem Ernst darauf deuten, dass der Glaube immer wieder gereinigt und wie eine Pflanze gegossen werden muss. Glaube muss gelebt werden, und zwar innerhalb der Kirche!"

Denn Martini sei, so betont Comastri, ein treuer Sohn der Kirche gewesen; man dürfe seine Stellungnahmen jetzt nicht gegen die Kirche wenden. 23 Jahre lang war Martini Erzbischof in Europas größtem Bistum: von 1979 bis 2002. Am Requiem wird auch Italiens Ministerpräsident Mario Monti teilnehmen, der aus der Lombardei stammt. In Mailand ist an diesem Montag Staatstrauer. Martini war im Alter von 85 Jahren an Parkinson gestorben. Auch Mailands jüdische Gemeinde hat ihn in diesen Tagen gewürdigt, mit einem Gebet in der Residenz des Erzbischofs. Zwei Rabbiner rezitierten Psalmen zur Erinnerung an den „geliebten Freund" des Judentums; der Kardinal brachte nach seiner Pensionierung mehrere Jahre in Jerusalem zu. Was von Martini bleibt, bringt Kardinal Comastri auf folgende Formel:

„Die Liebe zum Wort Gottes, weil dieses Wort Gottes wirklich eine Lampe ist, die unseren Schritten Richtung gibt. Das war der Punkt, mit dem sich die ganze Arbeit von Kardinal Martini zusammenfassen lässt. Der Papst erinnert daran in der Botschaft, die ich während des Requiems verlesen werde. Martini hielt diese Lampe des Gotteswortes hoch, und sie macht unseren Weg hell." (rv)

Papst Benedikt kondoliert

Papst Benedikt XVI. trauert um den früheren Erzbischof von Mailand, Kardinal Carlo Maria Martini. Er nehme Anteil am Schmerz der Angehörigen und der Gläubigen von Mailand, schrieb der Papst in einem am Freitagabend veröffentlichten Telegramm an den gegenwärtigen Kardinal der norditalienischen Stadt, Erzbischof Angelo Scola. Benedikt bezeichnete den im Alter von 85 Jahren verstorbenen populären Kardinal als „lieben Bruder"; Martini habe der Kirche und dem Evangelium „großzügig gedient".

Benedikt XVI. würdigte Martini darüber hinaus als „pflichtbewussten und weisen" Erzbischof, bedeutenden Bibelwissenschaftler und geschätzten Leiter der Päpstlichen Universität Gregoriana. Mit seinen kompetenten und leidenschaftlichen Predigten und Ansprachen habe Martini der Kirche die christlichen Schriften immer mehr eröffnet, besonders durch die Förderung der Meditation über Bibeltexte. Auch habe der Kardinal seine lange Krankheit gelassen und vertrauensvoll dem Willen Gottes anvertraut, so der Papst.

Martini starb am Freitagnachmittag in einem Heim des Jesuitenordens im norditalienischen Gallarate nach einer langen Parkinson-Krankheit. Der Ordensmann war eine der prägenden Figuren der italienischen Kirche; zeitweise galt er als aussichtsreicher Kandidat für das Papstamt. Martini leitete das Mailänder Erzbistum von 1979 bis 2002. (rv)

Italien: „Zölibat überdenken“ – „Nein, doch nicht“

Die Zölibatspflicht sollte überdacht werden. Das schlägt der italienische Kardinal Carlo Maria Martini in einem Beitrag für die österreichische Tageszeitung „Die Presse" vor. „Die Grundfragen der Sexualität müssen im Dialog mit den neuen Generationen neu überdacht werden", schreibt der ehemalige Erzbischof von Mailand. Diese Grundfragen müssten gestellt werden, um das verlorene Vertrauen wiederzugewinnen, so Martini mit Blick auf die Missbrauchs-Skandale. Der Turiner Kardinal Severino Poletto hat Martini am Montag widersprochen: Er sei gegen eine Revision des Zölibatsversprechens. Priester sollten nicht zu „Funktionären" werden, sondern weiterhin „24 Stunden am Tag im Dienst der Kirche sein". Auch Vatikan-Kardinal Walter Kasper hat sich in einem Zeitungsinterview, das an diesem Montag veröffentlicht wurde, dagegen gewandt, unter dem Eindruck der Missbrauchsfälle jetzt eine Zölibatsdebatte zu beginnen.

Das Thema Missbrauch ist inzwischen auch in Italien in den Mittelpunkt des Medieninteresses gerückt. So hatte die Zeitschrift „L`Espresso" zuletzt mehr als vierzig Vergehen von Geistlichen zwischen der Toskana und Südtirol recherchiert. – Kardinal Carlo Maria Martini stand von 1980 bis 2002 an der Spitze des Erzbistums Mailand und war eine der herausragenden Gestalten der italienischen Kirche. Für eine monatliche Rubrik mit Antworten auf Leserfragen zu kirchlichen und religiösen Themen in der Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera" wurde der über 80-jährige Kardinal im Februar mit dem renommierten italienischen Journalistenpreis „Premiolino 2010" geehrt. (rv)