„Instrumentum laboris kommt wohl im Juli“

Kardinal SchererDas Arbeitspapier für die kommende Bischofssynode über Ehe und Familie wird voraussichtlich im Juli veröffentlicht. Das sogenannte „Instrumentum laboris“ sei „auf einem guten Weg“, sagte der Erzbischof von Sao Paolo, Kardinal Odilo Pedro Scherer, nach zwei Tagen der Beratungen des Synodensekretariats. „Ich würde sagen: Neuigkeiten gibt es nicht (in dem Text). Die Themen sind die, die schon die außerordentliche Versammlung der Bischofssynode im letzten Jahr behandelt hat. Nur dass sie jetzt angereichert sind durch Beiträge aus den Bischofskonferenzen, Bistümern, Pfarreien und auch vieler Einzelner. Die eigentliche Neuigkeit wird der Blick auf diese Themen: Es geht nicht mehr darum, den Ist-Stand festzustellen, sondern es geht jetzt darum, zu Bewertungen zu kommen und Aktionspläne aufzustellen. Wir sind also in der zweiten oder dritten Phase unseres Nachdenkens über die Familie, ihre Berufung und ihre Mission in der Kirche und der heutigen Welt.“

Die nächste Bischofssynode zu diesem Thema tritt im kommenden Oktober zusammen. Scherer sagt, er sei sehr zufrieden damit, dass am Montag und Dienstag auch der Papst an den Beratungen der Synoden-Vorbereiter teilgenommen habe. Das gebe den Planern ein Gefühl der Sicherheit. Der brasilianische Kurienkardinal ist in Rom geblieben, um ab diesem Mittwoch auch an der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für Neuevangelisierung teilzunehmen. „Diese Versammlung will vor allem ein kurzes Dokument zum Thema Katechese und Neuevangelisierung entwerfen. Es soll so schnell wie möglich fertig werden. Natürlich wird auch über das Außerordentliche Heilige Jahr der Barmherzigkeit gesprochen, seine Vorbereitung liegt ja in Händen des Rates für Neuevangelisierung.“ (rv)

Brasilien: Bischöfe für Verfassungsreform

Kardinal SchererDie Bischöfe unterstützen eine Reform der Verfassung. Das sagt im Gespräch mit Radio Vatikan der Erzbischof von Sao Paolo, Kardinal Odilo Scherer. Ziel der Reform sei es, „mehr demokratische Mittel für die Bürger zu gewährleisten“, so der Erzbischof. Die bisherige Verfassung sei sehr stark „parlamentarisch orientiert“, die Änderungen sehen die Einführung von Volksbefragungen und Referendumsrecht vor. „Dies wären sehr positive und begrüßenswerte Schritte“, sagte Scherer.

Brasiliens Demokratie steckt in einer Krise; ein Korruptionsskandal erschüttert die sozialistische Partei von Präsidentin Dilma Rousseff, und Straßendemonstrationen fordern seit etwa zwei Jahren immer wieder Änderungen im System. Derzeit treffen sich Brasiliens Bischöfe in Aparecida zu ihrer Vollversammlung. (rv)

Frage an Kardinal Scherer: Wie politisch wird die Kirche mit Papst Franziskus?

Kardinal SchererPapst Franziskus weckt große Hoffnungen in Lateinamerika. Auch bei Befreiungstheologen wie Leonardo Boff, der jetzt in einem Interview zum Papstbesuch in Rio enthusiastisch von „einem neuen Frühling in der Kirche" sprach. Einen „reifen Ansatz" zur Umsetzung der „Option für die Armen" in der katholischen Kirche Lateinamerikas hat laut Jorge Mario Bergoglio die Bischofskonferenz von Aparecida 2007 angeboten: Das Abschlussdokument der Bischofsvollversammlung habe das Apostolische Schreiben „Evangelii Nuntiandi" von Papst Paul VI. „in seinen schönsten Passagen wiederholt", sagte Bergoglio in seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires gegenüber Journalisten (vgl. Gesprächsband „El Jesuita"). In der Befreiungstheologie habe es „Abwegiges", doch auch „unzählige Helfer" gegeben, die sich so engagiert hätten, „wie die Kirche es verlangt", sagte Bergoglio. Wie politisch wird die katholische Kirche mit Franziskus? Das wollte Anne Preckel von Kardinal Odilo Scherer, dem Erzbischof der brasilianischen Mega-Diözese Sao Paolo, auf dem Weltjugendtag in Rio wissen.

„Das werden wir noch sehen. Natürlich – seine Einstellung der Kultur, der Gesellschaft, der Werte gegenüber wird auch eine Einstellung der Politik weitergeben und der Position der Kirche der verschiedenen Arten der Politik gegenüber in den verschiedenen Ländern. Aber eines sind die Prinzipien, die Papst Franziskus irgendwie klarmacht – Prinzipien, die gültig sein sollen überall: Also erstens – der Mensch steht in der Mitte, nicht die Wirtschaft, nicht irgendwie der Gewinn. Zweitens – die Armen stehen in der Mitte, die Armen, die Kranken, die Vernachlässigten. Auf sie müssen wir schauen, auf sie müssen auch die Regierungen schauen. Und das sind nicht nur Personen, das sind ganze Länder, die als arme Länder in der Welt vernachlässigt sind. Franziskus hat schon mehrmals darauf gezeigt: Wir sollten eine bessere Welt für alle schaffen, wir sollten nicht den Egoismus globalisieren, sondern vielmehr sollten wir die Zuneigung zu den anderen stärken, uns um die Vernachlässigten kümmern – da sollten wir handeln und die Regierungen auch."

Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist „die Option für die Armen" laut Bergoglio mit Nachdruck gefordert worden. Diese Sorge habe auch einen Nährboden für Ideologien abgegeben. Gegen eine „ideologische Infiltration" empfahl der zukünftige Papst eine feste Verwurzelung im Glauben: „In dem Maß, in dem die pastoral Engagierten mehr und mehr die Bedeutung der Frömmigkeit des Volkes entdecken fällt die Ideologie in sich zusammen", sagte damals der argentinische Kardinal. Auch Kardinal Odilo Scherer blickt für das heutige Brasilien in diese Richtung.

„Die Einstellung zu Kirche und Glaube muss viel tiefer verarbeitet werden, das ist nicht irgendwie oberflächlich und Sympathie oder Antipathie – das hat mit dem Glauben zu tun, und da stehen wir fest im Jahr des Glaubens. Und die Kirche – mit Benedikt und jetzt mit Papst Franziskus –ruft dazu auf: Schauen wir auf Jesus Christus, auf das Evangelium, auf den Weg Jesu Christi, auf die tiefen und wirklichen Werte des Lebens zu schauen: Bleiben wir nicht in der Peripherie der Werte oder bei dem stehen, was uns irgendwie in diesem Leben etwas bringen könnte, sondern wir sollten vielmehr auf festen Boden stehen und bauen. Und das wird Papst Franziskus sicher auch den jungen Leuten hier sagen." (rv)

Vatikan schreibt schwarze Zahlen: Kardinal Scherer im Interview

Kardinal SchererDie finanzielle Situation des Vatikan hat sich geändert: während in der Vergangenheit die Zahlen immer rot waren, werden nun schwarze Zahlen geschrieben. So beschreibt Kardinal Odilo Pedro Scherer, Erzbischof von Sao Paolo, die Sitzung der Kardinalsgruppe, die jährlich den Haushalt des Vatikan kontrolliert. Scherer ist einer von 15 Kardinälen der Kommission.

„Wir haben uns versammelt, um von den verantwortlichen Leitern der Behörden und der Verwaltung ihre Rechenschaftsberichte zu hören, und auch um unsere Analyse zu erstellen und Vorschläge zu machen, wie die Dinge vielleicht in eine andere Richtung gehen könnten," so Scherer im Interview mit Radio Vatikan.

Trotz der „leicht positiven" Lage bedürfe es weiterhin einer Neustrukturierung der Verwaltung, die Ressourcen des Vatikan seien begrenzt.

„Wir müssen die Art und Weise der Verwendung der Mittel neu ausrichten, denn sie sollen dem Wohl der Kirche, der Verkündigung dienen. Der Heilige Stuhl hat keine Güter um sie zu sammeln, um sozusagen einen Schatz zu bilden, sondern es geht darum, den Auftrag zu erfüllen. Aber auch jetzt kann man bereits sagen, das vieles von dem, was wir gehört haben, schon sehr positiv ist."

Einer der größten Ausgabeposten sind die Medien des Vatikan, darunter Radio Vatikan – die Angestellten und die Technik sind eine finanzielle Belastung.

„Auf der anderen Seite steht Radio Vatikan im Dienst an der Sendung der Kirche, vor allem dort, wo ihre Stimme sonst nicht zu hören ist, in abgeschotteten Ländern. Der Sender hat eine ganz besonders wichtige Rolle. Man sollte Radio Vatikan vielleicht ein „multimediales Zentrum" nennen, denn auch heute schon arbeitet der Sender mit vielen verschiedenen Kommunikationswegen. Das sehen wir sehr positiv." (rv)

Kardinal Scherer: „Auch die Kurie wünscht sich Änderungen“

schererDer brasilianische Kardinal Odilo Scherer erwartet sich vom neuen Papst Änderungen an der Kurie. „Es ist ja auch in der Kurie gewünscht, dass sich vieles ändert“, sagte der deutschstämmige Kardinal, der vielen Beobachtern vor dem Konklave als papabel gegolten hatte, am Freitag bei einem Besuch in Radio Vatikan. Er hoffe auf „neue Ausdrucksformen der Kollegialität in der Kirche“ schon „in den nächsten Monaten“.

Stefan v. Kempis fragte den Erzbischof von Sao Paolo, wie er über den neuen Papst Franziskus denke.

„Ich denke, wir haben wirklich einen neuen Papst vor uns – das merkt man sofort, wenn er sich präsentiert. Er hat schon Hinweise gegeben, dass er auch Neues in der Kirche tun wird, wir freuen uns sehr auf ihn! Er hat sich uns Kardinälen heute Morgen mit einer Ansprache zugewendet, und da hat man merken können, dass er wirklich von Herzen spricht. Es liegt ihm wirklich am Herzen, die Kirche vorwärtszubringen, Neues in der Kirche einzulassen und auch der Kirche ein neues Gesicht zu geben, damit die Kirche auch das Licht des Evangeliums in neuer Weise der Welt weitergeben kann.“

Was ist das Neue an ihm? Was ist das Lateinamerikanische, was das Jesuitische an ihm?

„Das ist nicht so einfach zu sagen, das wird man merken, allmählich. Da muss man ein bisschen warten, das ist noch etwas zu früh. Aber er ist ein sehr, sehr einfacher Mann, ein kluger Mann, ein Mystiker ist er auch, ein wirklicher Kirchenhirte, sehr beliebt bei seinen Leuten. Er wird auch von den Leuten hier in Rom sofort geliebt werden, von allen, die ihn bei Audienzen usw. treffen werden. Was das Neue betrifft: Hinweise sind ja schon gegeben von seinem Namen her. Neu wird irgendwie sein, dass wir uns auf das Wichtige, auf das einzig Wichtige der Kirche wieder konzentrieren sollen. Das ist die Bekehrung, von der schon länger in Lateinamerika die Rede ist; man hat es klar ausgesprochen in Aparecida, in der großen Versammlung der Bischöfe Lateinamerikas im Jahr 2007. Also, eine Bekehrung der Kirche zu Christus und zum Evangelium: Von dem einen, wirklichen Wahren, was gilt in der Kirche, davon soll man sich wieder leiten lassen!

Und da hat der heilige Franziskus uns ein Vorbild gegeben; er hat sich ganz Gott zugewandt, seine Bekehrung war vor allem eine völlige Bekehrung zu Gott. „Mio Dio è mio tutto“, Mein Gott ist mein Alles, das war sein Wort. Und von da an hat er ganz anders auf die Welt und auf die Menschen geschaut: die Würde des Menschen, der Armen, der Kranken, derer, die nichts gelten vor der Welt… Ich denke, das ist der Hinweis, von dem wir jetzt auch schon etwas merken können von Papst Franziskus.“

Muss jetzt die Kurie zittern vor einem Papst, der jetzt mal richtig aufräumt nach dem ganzen Durcheinander der letzten Jahre?

„Ich würde nicht sagen: zittern. Nein, die Kurie soll sich ja freuen! Es ist ja auch in der Kurie gewünscht, dass sich vieles ändert, damit die Kurie selbst dem Papst besser dient als ein Instrument, damit wiederum der Papst besser der Weltkirche dienen kann – mithilfe der Kurie. Ich sage: Dies wird auch in der Kurie gewünscht! Da wird sich schon etwas ändern, und es ist auch möglich, dass neue Ausdrucksformen dieser Kollegialität in der Kirche gebildet werden können in den nächsten Monaten oder Jahren! Wir hoffen: in den nächsten Monaten. Es geht darum, dass diese Art der wichtigen Zusammenarbeit der Bischöfe, die mitverantwortlich sind für die ganze Kirche, mit dem Papst, der vor der ganzen Kirche steht, besser ausgedrückt und wahrgenommen wird.“ (rv)

Kardinal von Sao Paolo: „Menschliche Werte gehen über Bord“

Mehr als zweihundert Mordopfer seit Oktober im Bundesstaat Sao Paolo: Das ist selbst für das an Gewalt gewöhnte Brasilien beunruhigend. Ende November trat wegen der Mordwelle der regionale Minister für öffentliche Sicherheit zurück. Eine kriminelle Gruppe scheint viele der Anschläge aus dem Gefängnis heraus zu koordinieren, viele der Opfer sind Polizisten, aber die meisten sind Passanten, die sozusagen zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Kardinal Odilo Scherer ist Erzbischof von Sao Paolo. Er sagte im Interview mit Radio Vatikan:

„Das ist ein ziemlich neues Phänomen. Zwar hatten wir immer schon Gewalt, aber dieses Jahr kommt dazu auch ein Kampf gegen die Polizei, und es ist herausgekommen, dass eine Gruppe Morde an Politikern geplant hat. Andererseits fällt der Einsatz der Polizei beim Kampf gegen die Gewalt zuweilen ebenfalls gewalttätig aus. Leider haben wir jetzt jeden Tag in den Zeitungen eine Statistik, wie viele Menschen am Tag zuvor umgebracht worden sind; der Durchschnitt liegt bei acht bis zehn Personen in der ganzen Sao-Paolo-Metropolenregion, in der mehr als zwanzig Millionen Menschen leben. Offensichtlich hat sich die organisierte Kriminalität in den letzten Jahren bestimmter Räume – geographisch gesprochen – und bestimmter Stadtviertel bemächtigen können, wo mittlerweile die Sicherheitskräfte nicht mehr hingehen können. Ihnen kommt die Korruption zugute und das Geld aus Drogengeschäften und Schmuggel."

Er könne nicht behaupten, dass die Regierung angesichts des Vordringens der organisierten Kriminalität untätig geblieben sei, so der aus einer deutschbrasilianischen Familie stammende Kardinal. Sie habe unter anderem auch bei der Polizei einige Umbesetzungen vorgenommen und Grenzkontrollen verstärkt.

„Aber auf der anderen Seite gibt es hier auch einen kulturellen Faktor, den man erkennen muss – und genau auf diesem Feld versuchen auch wir als Kirche unseren Beitrag zu leisten. Wir stehen hier vor einem ganz und gar nicht banalen Absturz im Wertesystem: Es geht um moralische, um Lebens-, um Personenwerte, um Menschenwürde, Ehrlichkeit… Mit der organisierten Kriminalität schreitet ja auch die Korruption in mehreren sozialen Schichten voran, und gleichzeitig erscheint vielen der Konsumismus das große Ziel, der einzige Bezugspunkt fürs Handeln zu sein. Hier gehen elementar menschliche Werte über Bord! Und auch das gibt der Gewalt einen Raum, den sie okkupieren kann. Wir brauchen also eine neue Erziehung, die aus den Menschen wirklich Personen macht und nicht Wirtschaftsobjekte, Produzenten oder Konsumenten."

Scherer träumt von einer „kulturellen Wende", einer „neuen Mentalität". Die Kirche stehe auf der Seite der Gewaltopfer und bemühe sich, an den Voraussetzungen für die Gewalt etwas zu ändern. Doch anders als manche Agenturmeldungen das in den letzten Wochen suggerierten, werde das kirchliche Bild in Sao Paolo nicht von abgesagten Gottesdiensten und verbarrikadierten Kirchentüren bestimmt: So weit gehe die Angst vor der Gewalt dann doch wieder nicht. Die Christen bereiteten sich auf Weihnachten vor, so der Kardinal, überall würden Novenen gebetet und Gottesdienste gefeiert.

„Zum Glück haben wir es dieses Jahr auch geschafft, den Behörden wieder etwas klarer zu machen, dass Weihnachten etwas mit Jesus zu tun hat! Denn vor einiger Zeit – und das hatte mich sehr getroffen – war auf Weihnachtsplakaten und –glückwünschen noch nicht einmal der Name Jesus erwähnt worden. Und manchmal wurde sogar das Wort ,Weihnachten‘ vermieden – unter dem Motto ,Frohes Fest‘ oder so. Dieses Jahr hingegen wird Jesus wieder erwähnt, und man sieht Krippen an öffentlichen Plätzen und spricht von ,Weihnachten‘. Da ist eine Wiederaneignung des christlichen Elements im Gang." (rv)

Kardinal Scherer sieht Ergebnisse von Rio+20 „eher positiv“

Der Umweltgipfel Rio+20 ist vorüber, und im Gegensatz zu manch anderen Beobachtern ist der Delegationsleiter des Heiligen Stuhles mit den Ergebnissen einigermaßen zufrieden. „Rio+20 bringt sicher auch positive Resultate", sagt Kardinal Odilo Scherer, der Erzbischof von Sao Paolo, in unserem Radio Vatikan-Interview der Woche.

„Es kam Kritik von einigen, die gerne mehr Konkretes und mehr Entscheidungen gesehen hätten. Aber hinter der Schlussverhandlung steckten acht Monate harter Arbeit, die sich in den letzten Tagen noch intensivierten. So ist man immerhin zu einem Dokument gelangt. Man konnte sich zwar nicht zu bestimmten Entschlüssen durchringen wie einer Quote für die Industrienationen zur Finanzierung des nachhaltigen Wirtschaftens, oder Ziele beim Konsum von fossilen Energiequellen wie Kohle oder Erdöl – das wäre sicher ein weiterer Schritt gewesen. Dennoch halte ich das Ergebnis von Rio+20 für eher positiv, vor allem weil man ein gemeinsames Dokument verabschieden konnte."

Welche Punkte des Abschlusspapiers halten Sie für geglückt?

„Zum Beispiel die Bekräftigung, dass der Mensch das Zentrum des Wirtschaftens ist. Aber auch die Definition von ,nachhaltigem Wirtschaften‘ mit den drei Bezugspunkten, die da sind: wirtschaftliche Entwicklung, soziale Entwicklung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, also die Überwindung der Armut, Gesundheit und Bildung postuliert; und der dritte Punkt: dass die wirtschaftliche Entwicklung auch ökologisch nachhaltig sein muss. Dass sie also immer auch das Ökosystem bedenkt, und dass man der Umwelt nicht mehr entnimmt, als sie uns geben kann."

Und sonst?

„Das schätzenswerteste Ergebnis dieser Konferenz ist aus meiner Sicht die Anwesenheit so vieler Vertreter von Ländern, rund 190 Staats- oder Regierungschefs oder ihre Vertreter. Und da sehe ich das Entstehen eines neuen Bewusstseins um die Probleme, die man jetzt angehen muss in Sachen Klima, Nachhaltigkeit und Umwelt. Dieses neue Bewusstsein ist sehr wichtig, weil es an der Basis von Entscheidungen steht. Mir scheint, alle sind jetzt davon überzeugt, dass etwas zu tun ist und dass man die Entscheidungen nicht auf die lange Bank schieben darf. Diese Bewusstseinsbildung führt auch dazu, Kontrollinstanzen zu schaffen. Wenn ein Land fortfahren will, die Umwelt zu ruinieren, werden andere einschreiten und an die hier vereinbarten Ziele erinnern."

Allerdings sind natürlich auch wichtige Akteure nicht nach Rio gereist…

„Das war bedauerlich aus Sicht aller Teilnehmenden, das Fehlen der Staats- oder Regierungschefs einiger wichtiger Länder wie Italien, USA, Japan. Die Großen sind nicht persönlich gekommen, außer Frankreich, England und China. Aber die anderen Länder der G20 beispielsweise waren alle hier und sehr aktiv. Man sah überdies eine hohe Beteiligung von Entwicklungsländern, in denen ein neues Leadership entsteht. Das hat die Konferenz auch ausgezeichnet und auf gewisse Weise gelenkt."

Was konnte die Delegation des Heiligen Stuhles in der Konferenz Rio+20 einbringen?

„Unser Part als Delegation des Heiligen Stuhles war es, aufmerksam zu beobachten. Während der Verhandlungen war unser permanenter Beobachter beim Heiligen Stuhl in New York, Erzbischof Chullikat, sehr aktiv. Wir haben die Einwürfe und Anmerkungen der Kirche dargelegt in Anlehnung an die Punkte, die der Heilige Stuhl ja schon formuliert hatte." (rv)

Kardinal Scherer: „Neuevangelisierung geht die ganze Kirche an“

Neuevangelisierung heißt nicht, dass das, was bisher auf dem Feld der Evangelisierung geschah, falsch und ungenügend war. Neuevangelisierung ist aber auf einen neuen Kontext angelegt. Zu diesem Ergebnis kamen die Mitglieder des päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung bei ihrer ersten Arbeitssitzung im Vatikan. Odilo Scherer, Erzbischof von Sao Paolo, sagte uns:

„Vieles wurde getan, die vergangenen Generationen haben das ihre getan für das kirchliche Leben, das Evangelium, die Mission. Neuevangelisierung bedeutet, dass auch wir tun sollen, was uns angeht in dieser Zeit, in dieser Generation, und in dieser Gegenwart mit ihren neuen Problemen der Gesellschaft, die neue Umgebung, kulturelle und religiöse Umgebung, die wir erleben."

Und noch einen Punkt hebt der brasilianische Kardinal hervor: Der päpstliche Rat zur Förderung der Neuevangelisierung ist zwar vor kurzem erst errichtet, aber die Neuevangelisierung selbst muss ein missionarisches Tun der ganzen Kirche sein.

„Neuevangelisierung bedeutet nicht, dass manche Organisationen etwas tun sollen, sondern die ganze Kirche. Deshalb ist die sie eine Bewegung, die die ganze Kirche irgendwie bewegen muss, damit die ganze Kirche sich neu vornimmt, das Evangelium zu verkünden. Wie der Papst gesagt hat: das Evangelium ist immer dasselbe, aber wir wollen dies neu der Welt weitergeben. Wir haben es als Geschenk bekommen von der vorhergegangenen Generation und wollen es weitergeben, es ist ein Gut, nicht nur für uns, sondern für die ganze Menschheit." (rv)

Vatikan: Wirtschaftsberatungen

 Ob unter der vatikanischen Haushaltsbilanz für das Jahr 2011 unter dem Strich rote oder schwarze Zahlen stehen werden, ist noch nicht klar. Es gebe zwar „klare Zeichen der Erholung", dennoch litte die vorläufige Haushaltsbilanz für 2011 immer noch unter den Unwägbarkeiten der Weltwirtschaft. Das steht in einer Mitteilung des Pressesaales von diesem Donnerstag. Auch die steigenden Verwaltungskosten machten dem Vatikan zu schaffen. In den vergangenen zwei Tagen traf sich der Kardinalsrat, der die organisatorischen und wirtschaftlichen Fragen des Vatikanstaates und des Heiligen Stuhles untersucht, zu einer beratenden Sitzung. Einer der beteiligten Kardinäle ist der Brasilianer Odilo Scherer. Er erklärte uns:
„Der Heilige Stuhl und der Vatikan sind nicht wie ein normaler Staat, der Reichtum aus sich selber schöpft. Wir sind immer abhängig von der Großzügigkeit der Katholiken, den Spenden, die aus der ganzen Welt kommen, aus den Diözesen, den kirchlichen Organisationen. Das ist bisher immer gut gegangen und wird auch weiter gut gehen, obwohl wir nie damit werden rechnen können, dass die Kirche den Reichtum hat, sich selbst unterhalten zu können."
Eingeladen zur Sitzung waren laut Vatikan-Mitteilung die Leiter von Radio Vatikan, Pater Federico Lombardi als Generaldirektor sowie der Verwaltungsdirektor Alberto Gasbarri (der gleichzeitig Reisemarschall des Papstes ist). Radio Vatikan ist regelmäßig einer der größten Kostenpunkte im Vatikan-Haushalt, weil rund jeder zehnte Papst-Angestellte für den Sender arbeitet und das Radio, anders als öffentlich-rechtliche Sender im deutschen Sprachraum, ohne Gebühren auskommen muss. Außerdem ist das Programm in 47 Sprachen so gut wie werbefrei. Vor wenigen Tagen feierte Radio Vatikan seinen 80. Geburtstag. Kardinal Scherer:
„Die Kirche hat schon früh verstanden, dass Radio ein großes Mittel ist, um die Frohe Botschaft zu verbreiten. Ich wünsche mir langes Leben für Radio Vatikan und mehr Hörer für die Frohe Botschaft und die Botschaft des Heiligen Vaters, nicht nur hier in Rom, sondern auch in den einzelnen Ländern, wo diese Sprachen gesprochen werden. Etwa über Internet. Das muss aber organisiert werden, dass Radio Vatikan auch dort immer mehr gehört wird, und dass die Sendungen aus Rom dort auch ankommen." (rv)

„Mission mit neuer Tapferkeit“ – Kardinal Scherer zum Rat für Neuevangelierung

Papst Benedikt XVI. hat in der vergangenen Woche die Gründung eines neuen Päpstlichen Rates angekündigt: Es geht dabei um „Neuevangelisierung", eine „neue" oder „andere" Art der Mission, und zwar in Ländern wie Deutschland, Österreich und der Schweiz, in denen das Christentum breit vertreten ist. Mit dem neuen Rat reagiere man auf die veränderten Bedingungen der Kirche in der modernen Gesellschaft, in der es mit der Glaubensweitergabe oft hapere. Das erklärt Kardinal Odilo Scherer im Interview mit Radio Vatikan:
„Viele Familien wissen zum Beispiel schon nicht mehr, wie sie den Glauben an die neuen Generationen weitergeben können. Oft sind die Kirchen auch nicht mehr voll. Die Anteilnahme an dem, was die Kirche tut, lässt nach. Das ist ein Signal dafür, dass man das Leben der Kirche wieder aufwecken muss. Und auch ganz besonders das Evangelium und die christliche Botschaft wieder neu in die Kultur und in die Gesellschaft tragen muss. Es ist manchmal nicht so einfach, und das braucht Überlegung, das braucht eine neue Tapferkeit, ganz besonders einen neuen Glauben. So dass wir uns bewusst werden, dass der christliche Glauben noch etwas zu sagen hat in der Kultur und in der Welt."
Warum aber legt der Papst den Schwerpunkt auf die „Neuevangelisierung"? Die Weitergabe des christlichen Glaubens müsse heute anders stattfinden als in der Vergangenheit, so Scherer, es brauche mehr Überzeugungskraft:
„Es muss neu sein, also eine neue Evangelisierung mit neuen Methoden und auch mit einer neuen Tapferkeit. Genau so, wie uns der Apostel Paulus sagt: Wir sollen wagen! Nicht meinen, wir haben nichts mehr zu sagen oder zu tun. Nein, wir sollen es auch heute noch wagen. Und der Geist Gottes wird schon das Neue wieder aufwecken und erscheinen lassen."
Auch wenn das für die krisengeschüttelte Kirche nicht einfach sei, könne man aber zumindest auf ein reiches Erbe des Christentums zurückgreifen, so der Kardinal.
„Hier zum Beispiel in Europa sind so viele Zeichen der christlichen Kultur und Geschichte – sei es in der Kunst oder anderen Lebensbereichen der Gesellschaft. Also wir sollten wahrnehmen, dass wir noch viel zu tun haben, dass das Evangelium auch heute für den Menschen noch wichtig ist. Ich bin überzeugt davon, dass eine Neuevangelisierung viel Gutes bringen kann für die Kirche in den kommenden Jahren." (rv)