Italien: Kardinal Scola geht in den Ruhestand

Das größte Bistum Europas hat einen neuen Bischof: Wie der Vatikan an diesem Freitag mitteilt, hat Papst Franziskus den altersbedingten Rücktritt von Kardinal Angelo Scola angenommen und Weihbischof Mario Enrico Delpini zu seinem Nachfolger bestimmt. Delpini war bislang Generalvikar des Erzbistums.

Kardinal Scola gehört zu den profiliertesten kirchlichen Persönlichkeiten Italiens, bei vielen Journalisten wurde er bei der Papstwahl 2013 als einer der Favoriten für die Nachfolge Papst Benedikt XVI. gehandelt. Scola, der unter anderem auch in München und Freiburg (Schweiz) studierte, war in Rom Rektor der Lateranuniversität, bevor er zum Bischof und Patriarchen von Venedig berufen wurde. 2011 ernannte Papst Benedikt ihn zum Erzbischof von Mailand. (rv)

Papstbesuch in Mailand im Zeichen von „Evangelii Gaudium“

Eigentlich lautet das Motto der Papst-Visite in Mailand von diesem Samstag: „Viel Volk nämlich gehört mir in dieser Stadt“, ein Zitat aus der Apostelgeschichte. Doch viel besser würde wohl der Titel des Apostolischen Schreibens „Evangelii Gaudium“ passen, wie gegenüber Radio Vatikan der Gastgeber des Besuchs, der Mailänder Kardinal Angelo Scola, sagt. „Wenn wir auf die Gesten schauen, die der Papst hier bei uns vollbringen will, dann würde ich sagen, dass ,Evangelii Gaudium´ der rote Faden ist“, so Kardinal Scola. „Der Papst wird die Stadt von der Peripherie her betreten, also zu jenen Menschen hingehen, die unter schweren Bedingungen leben.“ Damit wolle Franziskus das aufzeigen, was Jesus gelebt habe: den Randständigen nahe sein und den Bedürftigen helfen.

Mailand sei zwar weltweit als Wirtschaftsmetropole bekannt. Die italienische Börse hat hier ihren Sitz, alle Großbanken jeweils ihre Zentrale für Italien oder Südeuropa. Dennoch werde der Papst nicht die Banker und Wirtschaftsleute in den Fokus seines Besuches stellen, so Kardinal Scola.

„Er will natürlich alle einladen, auch die Wirtschafts- und Finanzleute. Er hat sie ja auch in ,Evangelii Gaudium´ direkt angesprochen und mehrere Fragen an sie gerichtet. Da ging es um die Frage, wie sie die Arbeit betrachten. … Das ist auch eine Einladung an uns alle, eine Provokation: es geht um das Verhältnis vom Ich gegenüber der Gemeinschaft und Gesellschaft.“

Case Bianche: Peripherie der Stadt und des Lebens

Am Samstagvormittag will Franziskus einige Familien in den sogenannten Case Bianche besuchen. Die „weißen Häuser“ befinden sich im Osten Mailands: in Beton gegossenes urbanes Elend, wie Giorgio Sarto von Caritas Mailand im Gespräch mit Radio Vatikan sagt.

„Es wird bestimmt die Freude rüberkommen, den Papst zu treffen. Wir als Kirche haben uns mit Gebetsmomenten darauf vorbereitet. Eine Theatergruppe hat den bisherigen Lebenslauf von Papst Franziskus aufgeführt. Und am Samstagmorgen, kurz bevor der Papst zu uns kommt, wird es ein Programm für die Anwesenden geben, damit sie sich auf die Begegnung vorbereiten können.“

Wie der Caritas-Mitarbeiter betont, seien die „Case Bianche“ nicht nur die geographische Peripherie der Stadt, sondern auch die „Lebensperipherie“ vieler Menschen.

„Das ist der Ort, wo die Schwächen und Probleme der Menschen auf sehr konzentrierte Weise versammelt ist. Das sind die Quartiere der einfachen Leute. Wir als Caritas unterstützen hier vor allem ältere Menschen und stehen allen Bedürftigen zur Verfügung. Unsere Zentrale befindet sich mitten im Quartier.“

An diesem Samstag wird Papst Francesco das erste Mal Mailand besuchen und am Vormittag im Dom eine Andacht halten. Nach seiner Ankunft auf dem Mailänder Flughafen wird der Papst um 8.30 Uhr im Wohnviertel Forlanini zwei Familien in den Wohnblöcken „Case Bianche“ und die Pfarrei San Galdino besuchen. Das Mittagessen nimmt er mit 100 Strafgefangenen ein, nachdem er zuvor einige Häftlinge in ihren Zellen besucht hat. Die zentrale Messfeier am Nachmittag findet nicht in Mailand, sondern um 15 Uhr im nahe gelegenen Autodromo-Park von Monza statt. Mehr als 400.000 Gläubige werden erwartet. Der letzte Termin auf dem Programm ist um 17.30 Uhr eine Begegnung mit den Firmlingen der Erzdiözese und deren Familien im Fussballstadion „Giuseppe Meazza“ (auch „San Siro“ genannt). Der Rückflug nach Rom erfolgt gegen 19 Uhr. (rv)

Testlauf für einen Papstbesuch im Irak

Kardinal ScolaKardinal Angelo Scola ist im Nahen Osten. Der Erzbischof von Mailand, also von Europas größtem Bistum, ist von zwei Patriarchen eingeladen worden: zum einen Kardinal Béchara Boutros Raï, dem maronitischen Patriarchen von Antiochien, der in der Nähe der libanesischen Hauptstadt Beirut residiert; und zweitens Erzbischof Raphaël I. Sako, dem chaldäischen Patriarchen von Babylon, Irak. Hochkarätige Gastgeber sind das; Scola ist eine bekannte Größe im christlich-islamischen Dialog, er vertritt Europas – jedenfalls wie sie sich selbst sieht – wichtigste Ortskirche, nämlich die italienische; und da ist noch etwas. Irgendwie ist diese Reise auch ein Testlauf für einen Papstbesuch, falls Franziskus seine wiederholten Bemerkungen wahrmacht und wirklich einmal in den Irak reist.

Wir sprachen mit Kardinal Scola über seine Eindrücke, zunächst aus dem Libanon, der einmal als Modell-Land für das Zusammenleben religiöser Gruppen galt und, von der Prozentzahl her, die größte katholische Gemeinschaft in ganz Nahost aufweist. „Die Lage ist sehr beunruhigend, vor allem wegen der politischen Spaltung.“ Immer noch haben sich die politischen Lager nicht auf einen neuen Staatspräsidenten einigen können; das Amt steht nach dem Proporz, der am Ende des libanesischen Bürgerkriegs entwickelt wurde, einem maronitischen Christen zu.

„Der Patriarch drängt sehr darauf, dass endlich eine Straße für die Einigung gefunden wird. Diese ganze Frage ist eindeutig vom allgemeinen Kontext der Lage in Nahost beeinflusst; die auswärtigen Bezugspunkte haben zum einen mit der Hisbollah und ihrem Draht nach Syrien zu tun, zum anderen mit Saudi-Arabien. Die Lage ist deswegen so beunruhigend, weil sie nicht nur die Politik komplett lahmlegt, sondern auch die Wirtschaft runterzieht. Ich habe allerdings die Bischöfe sehr, sehr entschlossen erlebt, dieser Herausforderung die Stirn zu bieten und zumindest als katholische Riten geschlossen aufzutreten. Es geht um ein starkes ökumenisches Zusammenhalten, um dem Land ein klares christliches Angebot zu machen und um diese Spaltung unter den Christen zu überwinden, die eindeutig ein Skandal ist.“ Denn es sind ja nicht nur die muslimischen Gruppen im Libanon, die sich untereinander nicht einigen können; auch eine wichtige christliche Fraktion hält, aus einem ganzen Knäuel von Gründen und taktischem Kalkül heraus, zur schiitischen Hisbollah. Und das setzt auch die christlichen Kräfte in der Politik schachmatt.

Wie ein neues Sarajewo

„Syrien ist in einer ausgesprochen ernsten Situation“, fährt Kardinal Scola im Interview mit Radio Vatikan fort. „Vor allem das Leiden von Aleppo ist nicht akzeptabel: Das ist wie ein neues Sarajewo! Man sollte zumindest einen humanitären Korridor zustande bekommen, um wenigstens dieser Stadt etwas Erleichterung zu verschaffen. Das Problem ist, dass sich Europa darum kümmern müsste – es müsste wenigstens versuchen, die Lage etwas besser zu verstehen. Ich schließe wie auch Papst Franziskus eine humanitäre Intervention nicht aus, als Chance zur Befreiung.“

Der Kardinal von Mailand hat als Gast an der Synode der maronitischen Bischöfe des Libanon teilgenommen. Wir fragten ihn: Was sagen eigentlich die libanesischen Bischöfe dazu, dass Europa solche Bauchschmerzen mit Mittelmeer-Flüchtlingen hat? „Der Libanon ist ein Land, das zusätzlich zu den anderthalb Millionen palästinensischen Flüchtlingen, die es schon seit Jahrzehnten beherbergt, weitere anderthalb Millionen Syrien-Flüchtlinge aufgenommen hat! Darum ist es vom Libanon aus schwer zu verstehen, welche Mühe wir damit haben, Immigranten aufzunehmen. Ich selbst nehme für mich mit, dass wir als Kirche wirklich die erste Anlaufstelle sein sollten. Aber dann braucht es natürlich auch eine Einwanderungspolitik, die der Staat auf die Beine stellen muss; und da sieht man, dass die europäische Einigung eher noch ein Ziel ist, das es erst zu erreichen gilt. Ich glaube: Als erster muss der, der Schwierigkeiten hat, umarmt werden!” (rv)

Italien: Mailands Erzbischof geschockt von Attentat im Justizpalast

Kardinal ScolaDer Mailänder Erzbischof Kardinal Angelo Scola ist schockiert und bedrückt über das Attentat im Mailänder Justizpalast, das am Donnerstagabend drei Menschenleben forderte. Ein italienischer Angeklagter hat in dem Gericht im Zentrum Mailands drei Menschen erschossen, darunter einen Richter und einen Anwalt. Kardinal Scola schreibt von einem „verrückten Tötungsakt“. Die Gewalttat sorge für Angst und Verwirrung. Der Erzbischof der norditalienischen Metropole schreibt, er teile den Schmerz der zurückgebliebenen Familienangehörigen und des ganzen Landes und sicherte sein Gebet zu.

Die nun vorhandene „Unsicherheit und Angst“ in Mailand möge nicht in fruchtlose Polemiken münden, riet Kardinal Scola. Vielmehr solle der tragische Tod der Opfer das Engagement aller für ein gutes Leben bestärken, das auch der Entwicklung Mailands helfe. Jede Institution einschließlich der katholischen Kirche solle keine Anstrengung scheuen, für das Gemeinwohl und die Sicherheit der Bürger zu sorgen.

Der italienischen Nachrichtenagentur ANSA zufolge wurde der mutmaßliche Täter nach einem Fluchtversuch festgenommen. Der Mann musste sich wegen betrügerischen Bankrotts vor Gericht verteidigen. Er erschoss zuerst seinen Anwalt und den Mitangeklagten, danach den Konkursrichter. Eigenen Aussagen zufolge handelte der 57 Jahre alte Unternehmer aus Rache.

In Mailand öffnet in wenigen Tagen zusätzlich die Weltausstellung EXPO ihre Pforten. Rund 20 Millionen Besucher werden von Mai bis Oktober erwartet. (rv

Papst besucht Gemelli-Klinik in Rom

Kardinal ScolaDer Papst besucht am 27. Juni die Universitätsklinik „Agostino Gemelli“ in Rom. Anlass ist das 90-Jahr-Jubiläum der katholischen Lehreinrichtung. Das gab der vatikanische Staatssekretär Pietro Parolin in einem Brief an Kardinal Angelo Scola, den Direktor des zur Universität gehörigen Toniolo-Institutes bekannt. Der Papst rufe alle Mitarbeiter der Universität zu verstärkten Anstrengungen auf, um den kostbaren Dienst der Klinik weiter zu garantieren, referierte Parolin. Kardinal Scola ermutigte die Studenten anlässlich des Jubiläums, ihren professionellen Weg mit Entschiedenheit weiterzugehen und sich nicht von der schwierigen Situation auf dem Arbeitsmarkt entmutigen zu lassen. Die Gemelli-Klinik ist Teil der Medizinischen und Chirurgischen Fakultät der „Katholischen Universität vom Heiligen Herzen“. So findet der Papstbesuch auch am Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu statt. Papst Paul VI. hatte die Einrichtung 1964 eröffnet. Die Gemelli-Klinik ist nach dem Franziskaner und Universitätsmitbegründer Agostino Gemelli benannt. (rv)

Mailänder Kardinal lädt Papst zu Expo 2015 ein

Kardinal ScolaFranziskus hat eine Einladung nach Mailand erhalten. Kardinal Angelo Scola hat den Papst zur Weltausstellung Expo 2015 in seine Bischofsstadt eingeladen. Das teilte Vatikansprecher Federico Lombardi mit. Scola war mit einer Delegation aus seiner Erzdiözese an diesem Freitag im Vatikan und traf den Papst zur Privataudienz. Vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 2015 wird in der norditalienischen Metropole die nächste große Weltausstellung stattfinden. An der Audienz nahm auch der vatikanische Kulturverantwortliche und Kurienkardinal Gianfranco Ravasi teil, der bei der letzten Biennale in Venedig erstmals einen vatikanischen Pavillon ins Rennen schickte. Die Expo 2015 in Mailand widmet sich dem Thema Ernährung, Energie und Nachhaltigkeit.  (rv)
 

Serbische Christen feiern Mailänder Edikt: „Ein Schritt nach dem anderen“

1.700 Jahre Religionsfreiheit: Das wird in diesen Tagen in Serbien gefeiert. Warum gerade dort? Weil Kaiser Konstantin aus Nis im heutigen Serbien stammt. Konstantin I., Kaiser der westlichen Hälfte des Römischen Reichs, erließ im Jahr 313 zusammen mit seinem östlichen Kollegen Licinius das Mailänder Toleranzedikt.

Statt „Edikt" müsste man genauer „Vereinbarung" sagen. Der Inhalt:Jeder darf sich frei zu der Religion seiner Wahl bekennen, auch die Christen. „Die Feiern in Serbien könnten eine Gelegenheit sein, um im ökumenischen Dialog Schritte nach vorn zu machen", urteilt der Päpstliche Nuntius Orlando Antonini im Gespräch mit Radio Vatikan.

„Als ich 2009 in Serbien anfing,war eine großartige Idee im Gespräch: nämlich 2013 in Nis alle Führer von christlichen Kirchen zusammenzubringen. Den Papst, die orthodoxen Patriarchen, die Leiter der historischen protestantischen Konfessionen. Man dachte damals, der Anlass und der Ort könnten ein angemessen ,neutraler’ Raum sein für ein solches historisches Zusammentreffen."

Eine „Großartige Idee" – nur wurde nichts daraus. Erst recht nicht aus dem Plan, auf serbischem Boden einmal eine Begegnung zwischen dem Papst und dem orthodoxen Patriarchen von Moskau zu organisieren. Ein solches Treffen hat es in der Geschichte noch nicht gegeben.

„Als man auf das Kleingedruckte sah, stellte sich heraus, dass verschiedene Teile der serbisch-orthodoxen Gesellschaft sich einem Kommen des Papstes widersetzten. Das hängt mit noch ungelösten historischen Problemen zwischen Serben und Kroaten wegen der Verbrechen des Ustasha-Regimes während des Zweiten Weltkrieges zusammen. Erst solle der Papst um Verzeihung bitten, forderten sie, weil in ihren Augen die katholische Kirche allgemein für diese Verbrechen verantwortlich war, und dann könne er kommen. Andere sahen das allerdings nicht so; man kann sogar sagen, dass ein guter Teil der serbischen Kirche einem Papstbesuch durchaus freundlich gegenübergestanden wäre."

Das galt auch für den serbisch-orthodoxen Patriarchen Irinej von Belgrad. Als er im Januar 2010 an die Kirchenspitze gewählt wurde, sprach er zunächst offen von der Möglichkeit einer Papstreise zu den 1.700-Jahrfeiern des Mailänder Edikts. Wenig später allerdings kamen dann Bedenken aus dem Heiligen Synod der Kirche.

„Aus Gründen der Vorsicht, um ein mögliches Schisma in ihrem Innern zu vermeiden, aber auch um keine Schwierigkeiten mit anderen orthodoxen Kirchen zu bekommen, hat die serbisch-orthodoxe Kirche nicht den nötigen Konsens erreicht, der eine für beide Seiten fruchtbare Papstreise möglich gemacht hätte. Das führt dazu, dass nun jede Kirche mit eigenen Initiativen das Jubiläum des Edikts feiert – allerdings werden dazu jeweils Vertreter der anderen Kirchen eingeladen. Zu den zentralen orthodoxen Feiern im kommenden Oktober zum Beispiel werden ausdrücklich höchste Vatikanvertreter eingeladen, wenn auch nicht spezifisch der Papst."

Immerhin sei es dem derzeitigen serbischen Präsidenten Tomislav Nikolic gelungen, die Kirchen „enger zusammenzubringen": Er habe nämlich ein nationales Komitee für die Feiern gegründet, das der Präsident selbst leite. Co-Präsident sei Patriarch Irinej, zu den Mitgliedern gehörten die katholische Kirche und die örtlichen protestantischen Gemeinschafen. Den Nuntius erinnert das daran, wie einst Kaiser Konstantin 325 Kirchenvertreter zum Konzil von Nicäa zusammenbrachte.

„Ich weiß nicht, wie das 1.600-Jahr-Jubiläum des Edikts im Jahr 1913 gefeiert wurde, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht so ökumenisch war wie jetzt, im Jahr 2013. Einen Schritt nach dem anderen… Vielleicht werden wir im Jahr 2113, dank dem Heiligen Geist und dank Konstantin und Helena endlich alle zusammen feiern können, in einer endlich wieder ungeteilten Kirche, wenn der 1.800. Geburtstag des Mailänder Edikts ins Haus steht!"

Vatikan-Erzbischof Orlando Antonini bringt die bleibende Bedeutung des Mailänder Edikts so auf den Punkt: Es gebe nicht nur den Christen Religionsfreiheit, sondern betone auch die Gewissensfreiheit überhaupt aller Menschen. Das sei die wichtigste Botschaft des Textes für heute, hier hätten viele Staaten noch Nachholbedarf.

„In den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung brachte das von Christen vergossene Blut die politisch Verantwortlichen dazu, die Gesetze zur Religionsfreiheit zu ändern – auch weil die Christen geeint waren. Darum müssten die Christen heute, um endlich das Mailänder Edikt auch für die Gewissensfreiheit aller durchzusetzen, ihre Spaltungen überwinden und sich angesichts der Herausforderungen der modernen Gesellschaft untereinander verbünden."

Doch der Alltag, den der Vatikan-Botschafter auf dem Balkan erlebt, ist heute ein ganz anderer. Der Konflikt zwischen orthodoxen Serben und katholischen Kroaten scheint ihm „einer der kompliziertesten des Planeten".

„Ein Knäuel, das schwer zu entwirren ist – viel älter als die serbischen Gemetzel im Zweiten Weltkrieg, es geht auf die Jahrzehnte, ja vielleicht sogar auf die Jahrhunderte zuvor zurück. Ich fürchte, keine historische Forschung wird je mit Bestimmtheit sagen können, welche Seite einmal mit den Feindseligkeiten angefangen hat! Die geistliche Einheit der Christen ist also nicht nur etwas Wichtiges, sondern etwas Essentielles, um weitere Dramen zu verhindern."

Der Nuntius hält es „für sehr wichtig, dass die Balkanländer in die Europäische Union kommen".

„In einem politischen Rahmen, der größer als ihr eigener ist, könnte man das Entstehen einer pluri-ethnischen Gesellschaft fördern, in der die einzelnen kulturellen Komponenten friedlich zusammenleben und ihr jeweiliges Potential fürs Allgemeinwohl fruchtbar machen."

Zurück zu den Feiern des Mailänder Edikts: Alle katholischen Bistümer haben dazu eigene Feiern, Veranstaltungen, Gebetsinitiativen.

„Die zentrale Feier der Katholiken findet am 20. und 21. September in Nis statt. Der Mailänder Kardinal Angelo Scola wird einen Kreuzweg durch die Stadt führen, zur Erinnerung an das von Konstantins Mutter in Jerusalem aufgefundene Kreuz, und auch zur Erinnerung an die Kreuzvision des heiligen Konstantin vor der Schlacht an der Milvischen Brücke in Rom 312. Die Schlussfeier findet im örtlichen Stadion statt."

Die Katholiken machen in Serbien allerdings nur etwa fünf Prozent der Bevölkerung aus; die meisten davon leben im Norden, in der Vojvodina, nicht auf dem Territorium des Erzbistums Belgrad. Darum ermuntern die katholischen Bischöfe Christen aus dem Ausland zu Pilgerreisen nach Nis. (rv)

Der Kardinal hält nichts vom Wörtchen „neutral“

Der Mailänder Kardinal Angelo Scola gilt als einer der scharfsinnigsten Denker in Italiens Kirche. Seine Predigt gegen einen in Religionsdingen angeblich „neutralen Staat" vor ein paar Tagen hat einige Beachtung gefunden. Scola hatte mit der Anti-Laizitäts-Predigt in Mailand die Feiern zu 1.700 Jahren Mailänder Edikt eröffnet; mit dem Text hatte Kaiser Konstantin den Christen Religionsfreiheit zugestanden. Radio-Vatikan fragte Kardinal Scola: Darf ein Staat in Religionsfragen neutral sein?

„Das Wort neutral ist in diesem Zusammenhang problematisch, weil eine Gesellschaft gar nicht neutral sein kann. Jeder tritt immer automatisch für eine bestimmte Sicht des Lebens ein. Auch wenn ich sage: ,Mir ist alles gleichgültig, ich bin Agnostiker‘, stehe ich damit auch für eine bestimmte Sicht des Lebens. Ich würde eher sagen, der Staat sollte ,akonfessionell‘ sein. Das heißt: Er darf selbst nicht für eine bestimmte Sicht des Lebens stehen, darf aber auch die religiöse bzw. ethische Präsenz, wo es sie im Leben der Gesellschaft gibt, nicht neutralisieren, sondern muss ihre Ausdrucksmöglichkeit fördern. Ich will nicht sagen, der Staat dürfe gar nichts tun, im Gegenteil: Ich sage, der Staat darf intervenieren, regulieren und lenken. Aber er darf dabei noch nicht einmal indirekt eine bestimmte Sicht des Lebens vor anderen bevorzugen: Er darf nur den Wettbewerb zwischen allen Kräften auf dem Platz fördern."

Wir fragten Kardinal Scola auch, ob aus seiner Sicht die Religionsfreiheit in Europa derzeit eingeschränkt oder bedroht ist. Seine Antwort:

„Man muss sehr klar zwei Dinge auseinanderhalten. Die seriösesten Berichte in diesem Bereich sprechen von Einschränkungen der Religionsfreiheit bzw. von Verfolgungen in etwa 123 Ländern weltweit. Doch der Fall Europas liegt etwas anders. Hier gibt es einige Signale, die es aus meiner Sicht nahelegen, an dem Thema noch energischer dranzubleiben als bisher. Das letzte Signal, das mich wirklich sprachlos gemacht hat, war die Initiative einer Vertreterin der französischen Regierung, welche ernstlich erwägt, alle leerstehenden Räumlichkeiten von religiösen Einrichtungen zu beschlagnahmen, um hier Obdachlose unterzubringen."

Es war die Pariser Wohnungsbauministerin Cécile Duflot, die letzte Woche im „Parisien" mit Zwangsmaßnahmen drohte, sollte die Kirche nicht von sich aus Schlaforte für Clochards angesichts der Kältewelle in Frankreich bereitstellen. Kardinal Scola dazu:

„Als ob die französische Kirche nicht schon längst unglaublich viel in diesem Bereich tun würde! Wenn die Kirche leerstehende Räumlichkeiten hat, dann doch sicher aus bestimmten Gründen und weil für diese Räume etwas vorgesehen ist; die stehen ja nicht zufällig leer. Also, da sehe ich die Gefahr von einschränkenden Gesetzen. Und dann heißt es ja auch, man wolle auf europäischer Ebene den sogenannten Gewissensvorbehalt abschaffen. Welche Opposition der Kirche das hervorrufen kann, haben wir in Amerika gesehen; dort wollten einige ausführende Bestimmungen der Gesundheitsreform Obamas alle katholischen Einrichtungen, auch Krankenhäuser und Schulen, verpflichten, ihre Angestellten auch in Bezug auf Verhütung und Abtreibung zu versichern. Das bedeutet, an eine Dimension der Gewissensfreiheit der Christen zu rühren!" (rv)

Benedikt XVI. in Mailand: Kirche und Stadt für das Gemeinwohl

Papst Benedikt XVI. ist auf dem VII. Welttreffen der Familien im italienischen Mailand eingetroffen. Am Flughafen wurde er vom Mailänder Kardinal Angelo Scola und dem italienischen Integrationsminister Andrea Riccardi begrüßt. Höhepunkt des dreitägigen Besuches ist eine große Abschlussmesse zum Familientreffen mit dem Papst am Sonntag. Rund 50.000 Dauergäste sind laut ersten Schätzungen in diesen Tagen in Mailand, zur Papstmesse am Sonntag werden eine Million Teilnehmer erwartet.
In einer Ansprache am Mailänder Dom, der ersten Papstansprache auf dem VII. Weltfamilientreffen, grüßte Benedikt XVI. am frühen Freitagabend die versammelten Kirchenvertreter und Familien aus aller Welt. In seiner Rede vor rund 60.000 Menschen gedachte der Papst der Bedürftigen, besonders der vom Erdbeben getroffenen Bürger in der Region Emilia Romagna:

„Einen zuneigungsvollen Gruß richte ich an Menschen, die Hilfe und Trost brauchen: Menschen, die allein oder in Schwierigkeiten sind, Arbeitslose, Kranke, Häftlinge, Obdachlose und Personen, denen das Notwendigste für ein Leben in Würde fehlt. Möge keinem dieser unser Brüder und Schwestern das solidarische und beständige Interesse der Gemeinschaft fehlen. In diesem Kontext begrüße ich den Einsatz, mit dem die Diözese Mailand konkret der Bedürftigkeit der durch die Wirtschafts- und Finanzkrise am stärksten getroffenen Familien begegnet ist und dies weiter tut. Das Gleiche trifft für die Nothilfe der Diözese Mailand und der ganzen Kirche für die vom Erdbeben getroffenen Menschen der Region Emilia-Romagna zu: Diese Menschen sind in unserem Herzen und Gebet. Ich bitte nochmals für sie um Solidarität."

Unter dem Applaus seiner Zuhörer ging der Papst weiter auf die besondere Rolle der norditalienischen Metropole ein: Die Stadt Mailand sei bis heute für ganz Italien ein Zentrum des Fortschritts und Friedens, so der Papst mit einer Würdigung der berühmten Söhne und Töchter der Stadt. Mehrere Erzbischöfe Mailands wurden in der Vergangenheit Papst; mit Blick auf das Zweite Vatikanische Konzil, dessen Eröffnung sich im Jahr 2012 zum 50. Mal jährt, würdigte Benedikt XVI. an dieser Stelle Papst Paul VI..

Aufruf zur Neuevangelisierung
Das Familientreffen biete Gelegenheit, die tiefe Verbindung zwischen Mailands Kirche und dem Stuhl Petri aufs Neue zu bekräftigen, so Benedikt XVI., der weiter zum Einsatz für eine Erneuerung des Glaubens aufrief:

„Ihr wisst gut, wie dringend im aktuellen kulturellen Kontext der ,Sauerteig' des Evangeliums vonnöten ist. Der Glaube an Jesus Christus, der für uns gestorben und auferstanden ist, lebendig unter uns ist, muss alle Lebensbereiche entfachen, persönliche und gemeinschaftliche, damit ein stabiles und authentisches Wohlsein – Gemeinwohl – , angefangen bei der Familie, möglich wird."

Die Familie müsse hier als grundlegendes Erbe der Menschheit wiederentdeckt werden, so der Papst, als Zeichen einer echten und starken Kultur, die dem Menschen zuträglich sei. Mailands Kirche und die politischen Autoritäten der Stadt sollten hier gemeinsam für das Gemeinwohl ihrer Bürger arbeiten, appellierte der Papst. (rv)

Vatikan: Neuer Erzbischof von Mailand

Kardinal Angelo Scola wird neuer Erzbischof von Mailand. Papst Benedikt XVI. hat Scola, der bisher Patriarch von Venedig war, an diesem Dienstag in das Amt berufen. Damit ist der Patriarchenstuhl für Venedig frei geworden. Zugleich nahm der Papst an diesem Dienstag den Rücktritt des bisherigen Erzbischofs von Mailand, Kardinal Dionigi Tettamanzi, an. Nach Rom gilt die lombardische Metropole als wichtigster Diözesansitz Italiens. Der ehemalige Erzbischof von Mailand, Kardinal Tettamanzi, würdigte seinen Nachfolger in einem Schreiben als „Mann von großer Kultur, vielfältigen Erfahrungen und einer starken kirchlichen Passion". Scola werde mit „großer Weisheit und Effizienz" die kommenden internationalen Ereignisse im Bistum angehen, so Tettamanzi . Er verwies in dem Zusammenhang auf das 7. Weltfamilientreffen im kommenden Jahr, das 1.700-jährige Jubiläum des Verdiktes von Mailand und die Expo im Jahr 2015.

Scola, geboren 1941, wurde 1970 zum Priester geweiht und 2003 Kardinal. 1995 wurde er zum Rektor der Päpstlichen Lateran-Universität und zum Dekan des Institutes „Johannes Paul II" ernannt, das sich mit Studien zu Ehe und Familie befasst. Er dozierte auch an der Schweizer Universität Fribourg. Der Präsident der Bischofskonferenz der drei Venetien ist im Heiligen Stuhl Mitglied in der Kongregation für Gottesdienst und die Sakramentenordnung, der Kleruskongregation, dem Päpstlichen Kulturrat, dem Rat für Neuevangelisierung und dem Päpstlichen Familienrat. Papst Benedikt XVI. war im Rahmen eines Pastoralbesuches Anfang Mai in Venedig von Kardinal Scola empfangen worden. (rv)