Präsident des Migrantenrats fordert Stopp des Waffenverkaufs

Kardinal Antonio Maria Veglio„Migranten und Flüchtlinge sind eine Herausforderung – Antwort gibt das Evangelium der Barmherzigkeit“ – so lautet das von Papst Franziskus gewählte Motto für den 102. Weltflüchtlingstag, welcher am 17. Januar 2016 stattfinden wird. Das Drama der ankommenden Flüchtlinge, die an unseren Türen klopfen wird von Tag zu Tag lauter und die Schreie der Verzweiflung sind kaum zu überhören. Die verschlossenen Türen öffnen, das ist die Aufgabe der Welt und der Kirchen – vor allem im Zusammenhang mit dem ausgerufenen Jahr der Barmherzigkeit, welches am 8. Dezember 2015 startet. Daran erinnert eine aktuelle Aussendung des päpstlichen Migrantenrates, mit einem äußerst passenden Zitat der päpstlichen Bulle „Misercordiae Vultus“:

„Verfallen wir nicht in die Gleichgültigkeit, die erniedrigt, in die Gewohnheit, die das Gemüt betäubt und die verhindert etwas Neues zu entdecken, in den Zynismus, der zerstört. Öffnen wir unsere Augen, um das Elend dieser Welt zu sehen, die Wunden so vieler Brüder und Schwestern, die ihrer Würde beraubt sind.“

Papst Franziskus lädt dazu ein im Heiligen Jahr die Barmherzigkeit sprechen zu lassen und alle lokalen Kirchen sollen in Anbetracht des kommenden Weltflüchtlingstags Aufmerksamkeit generieren, Zeichen setzen und mit Initiativen die Nähe und Solidarität der Menschen demonstrieren. Der Präsident des Päpstlichen Rates Antonio Maria Vegliò warnt davor, dass wir Menschen uns an zu viel gewöhnen, auch an solche Extremsituationen mit den sterbenden Flüchtlingen vor unseren Füßen. Derzeit sei jedoch die Angst der Menschen spürbar – sie führt unweigerlich zu extremen Lösungen, die nur noch mehr Schaden anrichten:

„Diese Angst ist normal. Es ist ein reales Problem für jede Nation, nicht nur Italien. Und das ist normal, liegt in der menschlichen Natur, jeder lebt sein Leben, jeder in seinem goldenen Schloss, und dann kommen Menschen, die unsere Freiheit einschränken. Man fürchtet das Zusammenleben, aber Mauern bauen, das kann man nicht. Das will die Kirche nicht. Extreme Lösungen sind nie die Richtigen.“

Extreme Lösungen wie die Mauern in Ungarn, die scharfen Polizeikontrollen zwischen England und Frankreich. Die Kirche sieht den Handlungsbedarf und fordert ihn von internationalen Organisationen. Kardinal Vegliò‘ sieht hier Parallelen zu der Untätigkeit von Europa noch zu Zeiten von Muammar al-Gaddafi:

„Ich habe das Gefühl, dass man zu Laufen anfängt, wenn der Notfall bereits da ist, aber ohne vorher einen Plan gemacht zu haben. Diese Phänomen existierte schon zu Zeiten von Muammar al-Gaddafi. Er drohte damit zwei Millionen Migranten nach Europa zu ‚werfen‘, wenn er nicht die notwendige finanzielle Unterstützung von Europa erhielt. Aber Europa hat nicht viel getan und jetzt leben wir genau dieses Problem. Wir brauchen Politik und nicht nur Meinungen, die sagen –‚wir schmeißen alle raus‘ oder ‚wir nehmen alle auf‘.“

Lösungen müssen dort angesetzt werden, wo die Probleme starten, so der Kardinal. In den armen Länder müsse man gegen die Armut ankämpfen und wenn es um die Flüchtlinge geht, so muss man dem Krieg ein Ende setzen.

„Kriege macht man mit Waffen. Haben wir jemals an eine Kontrolle des Waffenverkaufs gedacht? Wir protestieren gegen die vielen Flüchtlinge, aber wer verkauft denn die Waffen? Das sind meistens die reichen Länder. Die Kirche muss nun alles tun was sie kann – sie kann auch nicht alles – aber zumindest ein Bewusstsein dafür erzeugen, dass die Situation noch lange nicht beruhigt ist.“ (rv)

Kardinal Vegliò: Migranten sind Menschen, keine Paket

Kardinal Antonio Maria VeglioDie Aufteilung der Bootsflüchtlinge per Quote zeigt, dass Europa gegenüber den Migranten nicht gleichgültig ist. Davon ist der für Migrationsfragen zuständige Kurienkardinal Antonio Maria Vegliò überzeugt. Im Gespräch mit Radio Vatikan äußerte der Präsident des Päpstlichen Migrantenrates aber auch deutliche Kritik: Es sei „unglaublich“, wie die Politiker in der Europäischen Union mit dem Thema umgingen. „Es ist klar, dass die genannten Zahlen, die die entsprechenden Ländern bereit wären, aufzunehmen, lächerlich sind, wenn man sie mit den realen Zahlen der Flüchtlinge vergleicht. Deshalb sind die bisherigen Beschlüsse aus unserer Sicht ungenügend.“

Die politische Diskussion in Brüssel dürfe sich nicht auf Zahlen beschränken, fuhr Vegliò fort. Es gehe um die Würde von „konkreten Menschen“.

„Wir müssen in Europa unsere Egoismen überwinden. Der Andere wird uns immer irgendwie stören, weil er da ist und ein bisschen von unserem Reichtum nimmt. Egoismus gehört leider zur menschlichen Natur. Doch wir müssen ihn überwinden und vor allem eines beachten: Flüchtlinge sind Menschen und keine Zahlen oder Pakete!“

Wer dem Flüchtlingsproblem begegnen wolle, müsse allerdings nicht nur das Thema Migration anpacken, sondern auch etwas gegen die derzeit 52 Kriege unternehmen, die es weltweit gibt. Denn überall, wo Konflikte und Gewalt herrschten, gebe es Menschen, die bereit sind, zu fliehen, erinnert Vegliò. (rv)

Kardinal bestürzt über das Aus von ‚Mare Nostrum’

Kardinal Antonio Maria VeglioWachwechsel auf dem Mittelmeer: Ab dem 1. November kümmert sich die Europäische Union um die Flüchtlinge aus Afrika, die über das Meer nach Italien kommen. Die ‚Triton’ genannte Aktion hat im Gegensatz zu ihrem Vorgänger, der Aktion ‚Mare Nostrum’ der italienischen Marine, aber nicht die Rettung der Menschen zum primären Ziel. Das sei Grund zur Sorge, sagt gegenüber Radio Vatikan Kardinal Antonio Maria Vegliò, im Vatikan zuständig für Flüchtlinge und Migranten.

„Bei ‚Mare Nostrum’ ging es um die Hilfe für die Migranten, bei Triton geht es um den Schutz der Grenzen, das ist ein großer Unterschied. Das Problem der Migration ist nicht einfach; Tausende von Menschen verlassen ihr Land – oder besser, müssen ihr Land verlassen -, um Gefahren zu entkommen. Wir wissen sehr wohl, was zur Zeit in Syrien, im Irak, in Äthiopien passiert, und die Liste dieser Länder hat ja kein Ende! Wenn ich mich richtig erinnere, ist ‚Mare Nostrum’ nach dem 3. Oktober vor zwei Jahren entstanden – nach der Katastrophe im Mittelmeer, bei der 368 Menschen ums Leben kamen.“

Seitdem wird in Italien und Europa gestritten: Einige Politiker behaupten, die Hilfs- und Rettungsaktion der Marine ermutige geradezu zur Flucht und erreiche darum das Gegenteil ihrer Absicht. Doch der Kardinal meint:

„Das ist bösartig und gefühllos, so zu denken! Diese Menschen sind in Nordafrika, meistens nachdem sie die Wüste durchquert haben. Wer weiß schon, wie viele ums Leben kamen, bevor sie Libyen erreichten? Dort werden sie dann in Lager gesteckt, im Vergleich mit denen unsere Viehställe komfortabler und hygienischer sind. Wie können wir da den Menschen in Todesgefahr nicht helfen? Diejenigen, die gegen ‚Mare Nostrum’ sind, sagen, dass doch auch wir Probleme haben. Aber diese Menschen sind meistens Flüchtlinge, es sind Menschen, die vor Lebensgefahr fliehen! Es ist schlimm, sehr schlimm zu sagen ‚Was geht mich das an?’. Das ist nicht nur nicht christlich, das ist, denke ich, noch nicht einmal menschlich.“

Das Phänomen der Migration habe niemals ein Ende, so Vegliò, zumal die Hilfe auch auf sich warten lasse. 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes hätten die Länder Europas als Hilfe versprochen, doch bisher würden nur zwei skandinavische Länder das auch tatsächlich erfüllen. (rv)

Migranten-Kardinal: „Europa soll sich an sein Versprechen halten“

Kardinal Antonio Maria Veglio Während die Weltgemeinschaft auf die Entwicklungen im Gazastreifen oder in der Ostukraine schaut, ist die Aufmerksamkeit auf das Flüchtlingsdrama auf dem Mittelmeer aus dem Blick geraten. Täglich versuchen hunderte von Hilfesuchenden aus Nordafrika nach Europa zu reisen, meist unter sehr prekären und unmenschlichen Bedingungen. Europa soll sein Versprechen gegenüber den Migranten halten und seine Grenze so öffnen, dass Bedürftige aufgenommen werden können. Daran erinnert im Gespräch mit Radio Vatikan der Präsident des Päpstlichen Rates für die Migrantenseelsorge, Kardinal Antonio Maria Vegliò.

„Ich denke, dass es ein großes Problem ist, dass täglich so viele Migranten ankommen und viele von ihnen dabei ums Leben kommen. Jeder von uns kann jetzt denken, wir sind unschuldig, weil wir nichts dafürkönnen, aber ein Gefühl von Scham und Unruhe sollte dies schon in uns auslösen. Deshalb ist jeder dazu aufgerufen, sich um Migranten zu kümmern, so wie es Papst Franziskus immer wieder betont. Von den Behörden ist vor allem eines zu wünschen: eine bessere Koordinierungsarbeit, damit wir alle eine bessere, solidarische und brüderliche Welt aufbauen können.“

Insbesondere die Europäische Union müsse mehr für die Migranten tun, so Kardinal Vegliò.

„Zwar unternimmt Europa viel für die Flüchtlinge, das dürfen wir nicht verkennen, aber mir scheint, dass das Bewusstsein fehlt, wo die Grenzen der EU sind. Jeder denkt nämlich, die seinen bei sich Zuhause, dem ist aber nicht so. Europa müsste die Möglichkeit bieten, dass ein Migrant überall hingehen darf, wo er es für richtig hält.“

Dies sei im Übrigen auch etwas, was die Europäische Union den südländischen Staaten versprochen habe, fügt Vegliò an.

„Vonseiten der europäischen Staaten gab es immer wieder das Versprechen, dass die Migranten in ihren Ursprungsländern eine Unterstützung erhalten sollten. Bisher haben wir aber wenig davon gesehen. Eigentlich müssten wir doch daran arbeiten, dass niemand gezwungen wird, auszuwandern. Ein zweites Versprechen war, dass die Sicherheit der Überfahrten gewährleistet sein sollte. Dazu bedarf es humanitäre Korridore, aber davon fehlt jegliche Spur. Und ein drittes nicht gehaltenes Versprechen betrifft die Integration der Migranten in den Aufnahmeländern. Auch da gibt es noch viel zu tun.“ (rv)

Kardinal Vegliò: Gegen eine Politik der Abschottung

In Flüchtlingen und gewaltsam Vertriebenen Christus aufnehmen", das ist der Titel der fast 70 Seiten umfassenden neuen Richtlinien für die Migranten-Seelsorge, die an diesem Donnerstag im Vatikan präsentiert wurden. Der Päpstliche Rat Cor Unum und der Päpstliche Rat der Seelsorge für Migranten und Menschen unterwegs erarbeiteten das Dokument gemeinsam. Im Zentrum steht die Seelsorge für Flüchtlinge und gewaltsam Vertriebene: Asylsuchende, Evakuierte, Opfer des Menschenhandels oder der Zwangsarbeit, sowie Kindersoldaten. Im Gespräch mit Radio Vatikan erklärte der Vorsitzende des Päpstlichen Rates für die Migrantenseelsorge, Kardinal Antonio Maria Vegliò:

„In der Welt von heute hat sich die Migration geändert. In der Vergangenheit war es sehr viel einfacher, zwischen freiwilliger und erzwungener Migration zu unterscheiden, zwischen denen, die fortgingen, um eine bessere Arbeit oder eine bessere Ausbildung zu finden und denen, deren Leben von Verfolgung bedroht war. Mittlerweile sind einige Formen der gewaltsamen Vertreibung offensichtlicher geworden, zum Beispiel die Flucht innerhalb des eigenen Landes, oder die Probleme der Heimatlosen. Wir achten mittlerweile auch mehr auf die Folgen des Klimawandels oder auf das beklagenswerte Phänomen des Menschenhandels. All das kann sogar noch zu einem Anstieg der Migrationsströme führen."

Nach aktuellen Schätzungen verlassen etwa 100 Millionen Menschen ihre Heimat gegen ihren Willen. Sie alle seien besonders schutzbedürftig, so Kardinal Vegliò. Das Verhalten einiger Regierungen und auch der Öffentlichkeit gegenüber diesen Menschen stehe dazu oft in krassem Gegensatz:

„Tatsächlich wird der Versuch, diejenigen, die um Asyl bitten, aufzuhalten, immer stärker. Das scheint mit der Knackpunkt der Flüchtlingsfrage zu sein, viel mehr noch als die Gründe für ihre Flucht."

Allen Menschen unterwegs, den Asylbewerbern und Flüchtlingen, müssten ein angemessenes Verfahren, ein fairer Prozess und die grundlegenden Rechte zugestanden werden. So dass sie ein freies, menschenwürdiges, selbständiges Leben führen können und in der Lage sind, sich dieses neue Leben in einer anderen Gesellschaft aufzubauen, heißt es in den neuen Richtlinien für die Migrantenseelsorge. Vegliò sieht hier nicht nur die Kirche, sondern auch die Regierungen in der Pflicht:

„Der Heilige Stuhl betont, neben anderen, die folgenden Aspekte: Die Armen sollten ins Zentrum der Politik gerückt werden, als Personen, die genauso viel Würde haben wie alle anderen auch; deshalb sollten sie genauso wie alle anderen an wichtigen Entscheidungen beteiligt werden. Die öffentlichen Hilfen für Arme sollten gesteigert werden, und die Schulden der stark verschuldeten und weniger entwickelten Länder erlassen werden – und zwar unter solchen Bedingungen, dass sie sich nicht gleich wieder verschulden. Außerdem muss eine Reform des Finanzmarktes auf den Weg gebracht werden, so dass die Märkte sich auch in Entwicklungsländern entwickeln können. […] Der Kampf gegen die Korruption muss verstärkt werden. Die Rüstungskosten sollten sinken, und stattdessen müsste mehr in die Forschung für Medikamente gegen AIDS, gegen Tuberkulose, Malaria oder andere Tropenkrankheiten investiert werden."

Obwohl alle Menschen die nötigen Mittel bekommen sollten, um die Grundbedürfnisse des Lebens zu stillen, existierten fundamentale Ungleichgewichte im Weltwirtschaftssystem, die korrigiert werden müssten, so Vegliò. Die Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahr 1951 garantiere die Menschenrechte ausreichend, allerdings werde die Konvention nicht von allen Regierungen beachtet oder umgesetzt, so der Vorsitzende des Päpstlichen Rates für die Migrantenseelsorge.

Hintergrund:
Das aktuelle Dokument „In Flüchtlingen und gewaltsam Vertriebenen Christus aufnehmen" ist eine Aktualisierung der Veröffentlichung von 1992 „Flüchtlinge, eine Herausforderung an die Solidarität". Es soll Seelsorgern in der Kirche, katholischen Organisationen, die sich mit den verschiedenen Hilfs- und Förderungsprogrammen für Flüchtlinge und Vertriebene befassen, sowie allen Gläubigen und allen Männern und Frauen guten Willens als Richtschnur dienen. (rv)