Wir sagen es gleich: 2013 war das einfacher mit dem Jahresrückblick. Es war das Jahr der zwei Päpste. Benedikt XVI. hatte auf sein Amt verzichtet, ein in dieser Art einmaliger Moment in der Kirchengeschichte, und mit Franziskus trat der erste Papst aus der Neuen Welt an. Äonenwandel, wohin man blickte. 2014 war anders: Franziskus ist in sein zweites Amtsjahr getreten, vieles, was 2013 noch Ankündigung, Vorahnung, Vorwegnahme war, ist jetzt in den Kreislauf des Geschehens getreten – und Benedikt ist immer noch da, doch zurückgezogen in den Vatikanischen Gärten und „so still wie möglich“, so hat er es selbst einem deutschen Besucher gegenüber formuliert.
Das Konzil wird heilig gesprochen
Was hat Franziskus alles bewegt und angestoßen im Jahr 2014? Er hat – und das ist die erste Station in unserem Gang durch das Jahr – drei Päpste in den römischen Heiligenkalender aufgenommen. Im April sprach er seine Vorgänger Johannes Paul II. und Johannes XXIII. heilig; im Oktober schrieb er Paul VI. ins Buch der Seligen. Für alle drei Päpste hegt das Kirchenoberhaupt aus Argentinien große Verehrung. Johannes XXIII. ließ mit dem II. Vatikanischen Konzil jenen frischen Wind aus allen Erdteilen in die Kirche, auf den auch Franziskus setzt. Paul VI. lenkte das Reformwerk des Konzils umsichtig ans Ziel. Und Johannes Paul II. schlug mit seinem Pontifikat einen neuen Ton zwischen Mystik, Politik, klarer Ansage und Charisma an.
Alle drei Päpste zusammen stehen für das Zweite Vatikanische Konzil. Mit den Heilig- und Seligsprechungen bekannte sich der erste Papst, der am Konzil nicht mehr teilgenommen hat, zum selbigen. Doch wie häufig lag auch bei der Heiligsprechung von Johannes und Johannes Paul ein schräger Schatten der Kirchenpolitik über dem frommen Tun: Johannes XXIII. hatte es einst sozusagen im Doppelpack mit Pius IX., dem Papst des Unfehlbarkeitsdogmas, über die Schwelle zur Seligsprechung geschafft. Und jetzt wurde Johannes` Heiligsprechung (ohne den eigentlich nötigen neuen Nachweis eines Wunders) an die von Johannes Paul gekoppelt.
Neue Kardinäle
Ein großes Kirchenfest im Vatikan hatte schon vorher, Ende Februar, stattgefunden: Papst Franziskus erhob 19 Kirchenmänner zu Kardinälen, darunter den Deutschen Gerhard Ludwig Müller, vor allem aber Ortsbischöfe aus der Weltkirche. Auch dazu war der emeritierte Papst Benedikt als Zuschauer in den Petersdom gekommen.
Anders, als wir bis jetzt den Eindruck erweckt haben, wurde 2014 im Vatikan nicht nur gefeiert. Mit dem Präfekten der Glaubenskongregation Müller hatte Franziskus gerade den Mann im Amt bestätigt und zum Kardinal erhoben, den viele als eine Art Antipoden zum argentinischen Papst wahrnahmen. Hier deutsche Ernsthaftigkeit und profunde Theologie, dort der mehr pastoral ausgerichtete, leichtfüßige Papst vom Ende der Welt. An Müllers Kardinalsfeier nahm auch der glücklose Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst teil, vom Boulevard verknappend „Protzbischof“ getauft, er wurde von Papst Franziskus 2014 als Bischof von Limburg abgesetzt.
Reformen laufen an
Unattraktiv, aber reißfest zieht sich ein roter Faden durch das Pontifikatsjahr 2014. Er heißt: Vatikan-Reform. Zum einen wünscht Franziskus finanzielle Transparenz, zum anderen eine straffere Behördenstruktur. Im Februar schuf er eine zentrale Aufsichtsbehörde für alle Geld-Angelegenheiten im Vatikan, das Wirtschaftssekretariat. Damit endet eine Zeit, in der die linke Hand im Papststaat nicht wusste, was die Rechte tat: ein Ansatz, der beim Almosengeben der einzig richtige ist, beim Wirtschaften aber falsch. Die Zusammenlegung von Päpstlichen Räten oder vatikanischen Medien ist noch im Stadium der Untersuchung. Neun Kardinäle beraten den Papst bei der Reform, die Franziskus eher wohlüberlegt als schnell ins Werk setzen möchte.
Kurz vor Jahresende sollte Kardinal Pell in einem Interview auf einmal erklären, der Vatikan stehe finanziell viel besser da als erwartet, beim Durchgang durch die Bücher hätten sich noch einige hundert Millionen Euro hier und da gefunden. Zur Jahresbilanz gehört auch, dass das vatikanische Finanzinstitut IOR bestehen bleibt – aber teilweise entmachtet und mit neuem Chef, einem französischen Adeligen.
Wegen der nötigen Finanz- und Wirtschaftsreformen im Vatikan kommt eine Neufassung der vatikanischen Strukturen erst allmählich in Gang. Die Erwartungen von außen sind groß. Nicht allen fällt auf, dass es dem Papst nach eigener Aussage in erster Linie um eine spirituelle Reform geht.
Machtlos gegenüber dem Terror
Die erste Sorge des Papstes – ganz wörtlich, Sorge – galt im Jahr 2014 den verfolgten Christen. Vor allem in Syrien und im Irak, wo die Terrorgruppe Islamischer Staat unfassbaren Schrecken verbreitet, Menschen vor laufender Kamera köpft. Steinzeit-Islam mit dem Säbel in der Hand. Manche Beobachter beschleicht der Gedanke, dass die Gretchenfrage an den Islam, wie Benedikt XVI. sie einmal in seiner Regensburger Rede gestellt hat – Wie hast du`s mit der Gewalt? – nachgerade prophetisch war.
Franziskus weiß nicht, was er angesichts des Isis-Terrors tun soll. In den Irak reisen? Zu gefährlich, sagen ihm seine Berater. Er schickt also einen Sondergesandten, den italienischen Kardinal Filoni, der früher Nuntius in Bagdad war. Dialog anbieten? Schwierig, aber die Tür bleibt theoretisch offen, sagt der Papst in einem Interview. Einen Brandbrief schreiben? Das wird die Schlächter im Namen Allahs nicht beeindrucken. Immerhin, der vatikanische Dialograt veröffentlicht eine Liste der Isis-Gräueltaten, eine Art „J`accuse“ aus Rom, in dieser Deutlichkeit bisher einmalig in der katholisch-islamischen Gemengelage. (rv)