Die Lage in der Stadt Mossul hat sich „in den letzten Monaten leicht verbessert". Das sagt der chaldäische Erzbischof der Millionenstadt im Norden des Irak, Amil Shamaaoun Nona. Im Gespräch mit „Kirche in Not" räumte er allerdings ein, dass es für Christen in Mossul weiterhin lebensgefährlich sei, das Haus zu verlassen.
„In den vergangenen Jahren war Mossul eine sehr gefährliche Stadt – ganz besonders für uns Christen. Mein Vorgänger, Erzbischof Faraj Raho, wurde entführt und ermordet. Ebenso wurden viele unserer Gläubigen getötet, darunter auch ein Priester. Darum haben die meisten Christen Mossul inzwischen verlassen. Im Zentrum der Stadt hatten wir früher acht Pfarreien, jetzt sind es nur noch drei. Die meisten Pfarreien sind heutzutage außerhalb Mossuls angesiedelt, in den Dörfern Karamess, Karakosh und Telkef. In den letzten Monaten hat sich die allgemeine Situation in Mossul aber leicht verbessert und wir hoffen, dass es so weiter geht."
Seit dem Einmarsch der US-Truppen im Jahr 2003 war Mossul immer ein Brennpunkt des Terrors. Sunnitische und schiitische Milizen kämpfen hier um die Vorherrschaft; die Stadt am Tigris ist strategisch wichtig, weil sie gleich an der Grenze zum autonomen Kurdengebiet liegt.
„Die Lage hat sich ein bisschen verbessert, aber nicht sehr. 2008, 2009 und auch noch im vergangenen Jahr wurden viele Christen getötet. Ihre Häuser wurden von Terroristen gestürmt, ganze Familien wurden ermordet oder gezwungen, die Stadt zu verlassen. Das war noch bis vor einem halben Jahr so. Jetzt ist es ruhiger, aber es ist schwer zu sagen, ob es so bleibt. Denn in der Vergangenheit hat es immer wieder Zeiten gegeben, in denen die Lage sich beruhigte. Doch dann haben die Angriffe wieder begonnen."
In Mossul geblieben sind nur noch die Christen, die sich keine Flucht leisten können: arme Leute vor allem aus der Altstadt. Große Probleme in und um Mossul bereiten die Arbeitslosigkeit und eine schlecht funktionierende Stadtverwaltung. Ob sich da mal etwas bessern wird, weiß Erzbischof Nona nicht:
„Das hängt von der Entwicklung der politischen Lage im Irak ab. Denn alle unsere Probleme sind politischer Natur. Wenn die politische Lage so bleibt, werden Mossul und die ganze Region nie zur Ruhe kommen. Wenn allerdings die politischen Gruppen untereinander Frieden finden, sieht die Sache anders aus. Ich bete darum, dass das geschieht, denn dann würde sich Vieles zum Guten wenden."
Nonas Vorgänger, Erzbischof Faraj Raho, war von Terroristen entführt und getötet worden. Kein Wunder, dass er „ein wenig besorgt" war, als der Papst dann ihn, Nona, zum neuen chaldäischen Erzbischof von Mossul ernannte. Angst habe er aber nicht gehabt:
„Denn irgendjemand musste schließlich kommen und den Menschen hier dienen. Ich habe viele Gläubige in meiner Diözese. Und selbst wenn nur noch wenige in der Stadt Mossul übrig geblieben sind, brauchen sie dennoch einen Hirten, der ihnen dient. Dieser Ruf, diese Pflicht, die mir Gott auferlegt hat, wischte meine Besorgnis weg."
Seine Gläubigen in der Stadt könne er allerdings nur sehr selten besuchen, sagt Erzbischof Nona: Vor allem innerhalb Mossuls sei sein „Bewegungsradius sehr begrenzt".
„Es ist dort immer noch lebensgefährlich für uns Christen, und auch ich muss sehr vorsichtig sein, wenn ich mich auf den Straßen bewege. Wenn es also nichts Unaufschiebbares gibt, bleibe ich außerhalb der Stadt."
Einen Leibwächter hat Nona nicht. Sparsamkeit ist nicht der Grund dafür:
„Es ist besser für die Sicherheit, sich ohne Leibwächter zu bewegen. Wenn mich immer jemand begleiten würde, zöge das nur Aufmerksamkeit auf sich. Ohne Leibwächter kann ich mich unauffälliger bewegen. Ich wechsle oft meine Autos und nehme immer unterschiedliche Wege. Im Grunde bewege ich mich wie ein Geheimagent."
Ein Geheimagent, der immerhin häufig Messe mit den Gläubigen feiert. Wenn sie sich dann um den Altar versammeln, lassen sie ihre Sorgen einmal draußen:
„Wir reden über den Glauben. Wir wollen gläubig bleiben gemäß unserer christlichen Prinzipien und Wurzeln. Es ist sehr schwierig über die Zukunft zu reden, weil niemand weiß, was passieren wird. Wir reden über die Gegenwart. Wir fragen uns, wie wir heute als Christen in Mossul leben können, wie wir in einer derartigen Situation zu unserem Recht kommen. Darüber reden wir mehr als über alles andere."
Er lerne „viel von unseren Gläubigen", sagt der Erzbischof: „Vor allem, dass der Glaube umso stärker wird, je schwieriger die Situation ist." Wahrscheinlich lerne er sogar mehr von ihnen als sie von ihm. Denn sie seien es, „die wahrhaft ihren christlichen Glauben leben" und die zum Beispiel trotz Ausgangssperre den lebensgefährlichen Weg zur Kirche zurücklegen. „Das nenne ich lebendigen Glauben!"
„Das Wichtigste ist, das Leben selbst zu kennen. Als ich nach Mossul kam, war für mich nicht die Frage wichtig, wie ich mich verteidigen oder mein Leben retten kann. Ich wollte vielmehr herausfinden, wie ich unter diesen Umständen überhaupt leben kann. Die ständige Angst vor dem Tod und der Verfolgung führt dazu, dass der Mensch seine Menschlichkeit verliert. Es ist darum besser, an das Leben heute in diesem Moment zu denken. Ich führe die Menschen zu einem innerlichen, christlichen Leben, damit sie die christlichen Prinzipien und Werte in sich bewahren. Das ist das einzige Heilmittel für unsere Angst vor der Zukunft und dem Tod." (rv)
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