Thron und Altar, Politik und Religion können durchaus eine heilvolle Allianz bilden – das zeigte sich an diesem Montag in Brüssel, als Vertreter der europäischen Religionsgemeinschaften mit Spitzen der europäischen Staatengemeinschaft zusammenkamen. Zum sechsten Mal trafen christliche, muslimische, jüdische und noch viele weitere Religionsvertreter das Triumvirat der EU, d.h. den Präsidenten der Kommission, des Parlaments und des Rates. Damit das Treffen sich nicht zu einem der zahlreichen Pflichttermine für die EU-Bürokratie entwickelt, hatten Kirchenvertreter dieses Jahr ein konkretes Thema gesetzt: Im europäischen Jahr gegen Armut und Ausgrenzung lag es auf der Hand, den Kampf gegen die Armut auf die Tagesordnung zu setzen. Johanna Touzel ist Sprecherin der Kommission der europäischen Bischofskonferenzen (COMECE). Im Gespräch mit Radio Vatikan erzählt sie:
„Die EU hat sich in diesem Jahr selbst verpflichtet, die Zahl der Armen in der EU um 20 Millionen zu senken. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Und für die Politiker ist es natürlich sehr schwer, es konkret zu erreichen. Das ist der Punkt, wo Kirchen und ihre Organisationen eine wichtige Rolle spielen, da sie große Expertise in der Armutsbekämpfung haben. Wir kennen alle die extrem wichtige Arbeit, die z.B. Caritas Europa und andere christliche Sozialinitiativen leisten. Es war ein sehr interessanter Austausch mit allen drei Präsidenten, wo Religionsvertreter auf sehr theoretischem Niveau Armut definiert haben, aber auch konkrete Vorschläge an die Politik gemacht haben, wie Armut bekämpft werden kann."
Armut meint nicht nur materielle Armut, sondern hängt auch von sozialen Bindungen und Beziehungen ab. Das hatte der Vorsitzende des Rats der EU-Bischofskonferenzen, Kardinal Peter Erdö, unterstrichen. Dem schloss sich EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso an. Er sagte:
„Der Kampf gegen Armut darf nicht nur der Kampf für Beschäftigung sein. Arbeit ist ungemein wichtig und das beste Werkzeug, um Armut zu bekämpfen. Aber wir müssen darüber hinausgehen. Die gegenwärtige Situation in vielen Teilen Europas ist dramatisch und inakzeptabel."
„Armut ist eine Herausforderung, der sich die EU und die Kirchen gemeinsam stellen müssen." Diesen eindringlichen Appell richtete der Präsident der COMECE, Adrianus van Luyn, an die Konferenzteilnehmer. Doch nicht nur in Europa leiden viel zu viele Menschen unter Hunger und Entbehrungen, so van Luyn. Zwar sei es ein EU-Treffen, doch die globale Perspektive dürfe man nicht aus dem Blickfeld verlieren; Maßstab und Ziel seien nach wie vor die von der UNO ausgegebenen Millenniumsziele. Seine Sprecherin erzählt:
„Wir müssen diese Millenniumsziele erreichen, und Bischof van Luyn unterstrich, dass wir Armut nicht nur innerhalb der EU, sondern auch auf globaler Ebene betrachten und bekämpfen müssen. Das betrifft sowohl Afrika als auch die Migranten, die nach Europa kommen. Er sagte auch, dass die Ärmsten unter uns nicht zu den Opfern dieser Krise werden dürfen. Künftige Generationen dürfen nicht unsere Fehler ausbügeln, während wir es nicht schaffen, es selbst zu tun."
Mit im Bunde der katholischen Vertreter auf der Konferenz war auch Flaminia Giovanelli vom Päpstlichen Rat Justitia et Pax. Sie erinnerte daran, dass die Kirche mit ihren Projekten schon länger das tut, was Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika „Caritas in veritate" einforderte, dass sie nämlich „das Private und das Öffentliche einbezieht und den Gewinn nicht ausschließt, ihn aber als Mittel für die Verwirklichung humaner und sozialer Ziele betrachtet." Caritas, Liebe, betonte auch EU-Ratspräsident Herman van Rompuy:
„Das Herz einer jeden Religion ist Liebe. Deswegen sind Initiativen aus der Zivilgesellschaft und von Religionsgemeinschaften so wichtig. Jemanden richtig zu lieben, heißt, alles dafür zu tun, dass es letzten Endes keine Armen mehr gibt." (rv)