Solidarität per Mausklick ist nichts Neues oder Außergewöhnliches in unserer modernen und digitalisierten Welt. Neu im Social-Network ist jedoch das Zeichen „Nun“. Es verbreitet sich mit einer enormen Schnelligkeit und ist von einem tödlichen gefährlichen Zeichen zu einem Zeichen der gemeinsamen Kultur geworden – nämlich dem „Christsein“ und der Solidarität mit den verfolgten Christen im Irak. Das Zeichen sieht aus wie ein halbes offenes O und darüber wird ein Punkt gezeichnet.
Im Irak wurde dieses Zeichen von der Terrorgruppe IS genützt um die Häuser der Christen zu kennzeichnen. Der deutsche Theologe, Islamwissenschaftler und Jesuitenpater Christian W. Troll hat Radio Vatikan die Bedeutung dieses „N“ erklärt:
„Das ist das arabische N, Nun, das steht für den ersten Buchstaben des Wortes Nazara und es ist die arabische und auch die koranische Bezeichnung für Christen. Somit soll das Haus gekennzeichnet werden als Haus der Christen. Diese sind jedoch enteignet worden und das bedeutet dann, dass das Haus dem Kalifat gehört und nicht mehr den Christen.“
Natürlich, derzeit sei vor allem Israel und Palästina in den Medien und ebenso sehr stark in den sozialen Netzwerken vertreten. Aber dennoch, auch Irak bleibe in den Schlagzeilen. Schuld daran sei auch die große Auswanderung der Jesiden, einer anderen Minderheit im Irak, sagt Pater Troll. Die Christen konnten nicht mehr in Mosul bleiben, denn sie wurden vor die Wahl gestellt entweder einen Jizya, eine Religionssteuer, zu bezahlen, zu konvertieren oder ihr Leben auf das Spiel zu setzen.
„Immerhin waren es einst 50.000 christliche Bewohner in Mosul. Eine kleine Zahl scheinen dem Druck nachgegeben zu haben. Ein Großteil ist vertrieben worden oder auch dem Islam übergetreten zu sein.“
Laut assyrischer Nachrichtenagentur Aina, soll es derzeit keine Christen in Mosul mehr geben, denn die, die konnten, seien in den Norden des Landes geflüchtet. Alle christlichen Institutionen in Mosul (Kirchen, Klöster und Friedhöfe), es waren ursprünglich 45, wurden entweder zerstört, besetzt oder in eine Moschee oder in ein IS-Lager umgewandelt. Anfangs waren es vor allem arabische Christen, die sich den verfolgten Menschen angenommen hatten. Das Symbol „Nun“, der Nazarener, den Christen wurde in der viralen Welt zu einem Zeichen der Gefahr zu einem Zeichen der Solidarität. Immer mehr Menschen auf Twitter und Facebook haben ihr eigenes Profilbild getauscht mit dem Bild des arabischen Buchstabens oder Fotos verbreitet, wo sie selbst mit dem Zeichen zu sehen sind.
Ein Zeichen, dass für Unheil steht, eine Kategorisierung, die in roter und schwarzer Farbe auch auf den Häusern in Mosul zurückgeblieben ist und dieses Zeichen hatten die christliche Minderheit des Landes zur Flucht gezwungen. Ein Zeichen, dass für eine Religion steht, ein Erkennungsmerkmal. Im weltweiten Netz findet man auch Vergleiche mit dem „Nun“ und dem Davidstern, der zu Zeiten des zweiten Weltkrieges missbraucht wurde.
„Das erinnert auch an Behandlung der Minderheiten im christlichen Mittelalter. Minderheiten sind markiert worden, Regelungen sind aufgestellt worden, wenn nicht auch Gesetze, um ‚klare Verhältnisse‘ sozusagen zu schaffen, und das ruft Betroffenheit hervor. Man merkt, dass hier eigentlich Mentalitäten verschiedener Epochen, Jahrhunderten angehören, zeitgleich zusammenkommen in einem Land wie im Irak oder überhaupt in unserer modernen Welt. Das macht sehr betroffen.“
Unter dem Hashtag #Wearen – wir sind N – also Christen, werden täglich weltweit Solidaritätsmeldungen für die vertriebenen Christen auch von Muslimen verbreitet. Erzbischof von Canterbury, Justin Welby ist einer von Ihnen. Menschen schließen sich zusammen um gemeinsam gegen die Verfolgung und Vertreibung der Christen zu protestieren. Beispielsweise Schweden, Deutschland, England oder Kanada haben sich dieser globalen Kampagne angeschlossen. Das Zeichen N wurde mehr als 55.000 mal als Hahstag genutzt, 4% davon im Libanon, 18% davon in Saudi Arabien und 39% in Frankreich, muslimische Journalisten setzen sich im Internet für die Verbreitung der Nachricht ein.
Dass IS auch alle anderen religiösen Minderheiten zur Flucht treibt, ist kein Geheimnis mehr. Auch alle anderen Minderheiten (Schabak, Jesiden und Turkmene) wurden von IS angegriffen und die meisten seien geflüchtet. Indes gehen die Kämpfe weiter. Die Regierung versucht gegen IS militärisch vorzugehen, aber laut Nachrichtenagentur Fides und Aina gab es wieder Angriffe bzw. Übergriffe auf die Christen auch in anderen Regionen von Irak, da IS immer weiter in den Norden vordringt. Für Marion Sendkern aus Berlin ist es wichtig sich solidarisch mit den Menschen zu zeigen und ihr Profilbild mit dem Zeichen N zu tauschen:
„Zum Christsein gehört, dass ich Zeugnis ablege. Das ist neben der Liturgie, der Diakonie und der Gemeinschaft einer der vier Grundvollzüge der Kirche. Was da im Irak passiert, geht mich als deutsche Christin etwas an, das sind ja meine Glaubensbrüder und –Schwestern, die da verfolgt werden. Ich glaube zwar nicht, dass sich die Situation vor Ort verbessert, nur weil ich mein Facebook-Profilbild geändert hab, aber darum geht es auch nicht. Es geht darum, dass ich mich solidarisch zeige mit meinen Glaubensbrüdern und – Schwestern. Und es geht darum, dass ich in Deutschland darauf hinweisen, was gerade im Irak passiert. Ich kann mir nicht vorstellen, verfolgt und bedroht zu werden, nur weil ich Christin bin. Religionsfreiheit ist für uns in weiten Teilen Europa schon so normal geworden, dass wir sie gar nicht mehr wahrnehmen. So gesehen ist mein Facebook-Profilbild auch ein Statement für die Religionsfreiheit.“ (rv)