Die Tage für Papst Franziskus auf den Philippinen neigen sich dem Ende zu. Wie läuft die Reise, von Manila aus gesehen? Das fragen wir unseren Korrespondenten Stefan Kempis. Hält der Papst-Hype immer noch an?
„Ja, das tut er. Wobei jetzt in der Presse allmählich auch inhaltliche Botschaften durchdringen und nicht mehr nur dieses ständige ‚Wahnsinn, der Papst ist da‘. Vor allem Franziskus` Nein zur Korruption scheint in Manila angekommen zu sein, denn zwei der drei großen Tageszeitungen haben das als Schlagzeile auf die Seite eins gehoben. Das Titelbild der dritten Tageszeitung, des ‚Philippine Daily Inquirer‘, gefällt mir allerdings noch besser: Da prangt in großen Buchstaben, neben einem herzlich lachenden Papst, sein Zitat aus der Ansprache bei der Begegnung mit Familien am Freitag: ‚Verliert nicht die Fähigkeit zu träumen‘. Dieses Zitat transportiert viel von der Art dieses Papstes, finde ich.“
Wie kommen denn die Worte des Papstes gegen Korruption an?
„Die Menschen hier haben darauf gewartet, viele sagen, sie seien erleichtert, dass das von Anfang an angesprochen worden sei. Mit Ärger vermerken die Filipinos und auch die Medien übrigens, dass viele wichtige Politiker Franziskus gleich zweimal getroffen und gesprochen haben, nämlich beim Empfang am Flughafen am Donnerstagabend und dann gleich noch einmal im Präsidentenpalast am darauffolgenden Morgen. Man muss sich einmal vorstellen, wie das auf Menschen wirkt, die stundenlang bei Sturm und Regen ausharren, um Franziskus einmal von weitem, in einem Pulk von Polizisten, vorüberrasen zu sehen.“
Was ist das beeindruckendste Bild, der beeindruckendste Moment von diesem Samstag?
„Ganz eindeutig: Franziskus, wie er bei der Messe in Tacloban wie alle anderen auch ein gelbes Regencape über dem Messgewand trägt, an dem der Sturm zerrt. Da fühlte sich auch der Papstsprecher, Pater Lombardi, an Johannes Paul II. erinnert, speziell an einen Schneesturm während eines Gottesdienstes des ‚Eiligen Vaters‘ im zerstörten Sarajewo in Bosnien. Vielen Messteilnehmern in Tacloban liefen die Tränen über das Gesicht, als Franziskus in seinem Regencape mit einfachen, spontanen Worten predigte, ohne vorbereiteten Text.“
Hinterher hat der Papst ja, wenigstens kurz, mit Überlebenden des Taifuns von 2013 zu Mittag gegessen. Wissen Sie darüber ein paar Einzelheiten?
„Kardinal Tagle von Manila hat hinterher uns Journalisten ein wenig davon erzählt, es war nach seiner Darstellung zwar kurz, aber offenbar tief bewegend. Tagle selbst kämpfte mit den Tränen, als er davon berichtete, er sagte, er sei ‚emotional erschöpft‘. Die Überlebenden hätten Franziskus gebeten: ‚Können Sie bitte für die Seelen unserer Verwandten beten, die bei dem Taifun getötet wurden?‘ Denn jeder von ihnen hatte einen Bruder, seine Kinder, die Eltern, Angehörige bei dem Desaster verloren. Und der Papst habe entgegnet: ‚Ich habe gleich, als ich vom Taifun erfuhr, damals die Messe für alle Todesopfer gefeiert. Und die Messe morgen im Rizal-Park werde ich ebenfalls in diesem Anliegen feiern.‘ Da seien, so Tagle, die Überlebenden in Beifall ausgebrochen. Ansonsten hätten sie immer wieder auf den Papst gestarrt, und der habe gesagt: ‚Esst doch etwas!‘ Übrigens – das geht jetzt ins Anekdotische – hat Kardinal Tagle offenbar zum Papst gesagt: ‚Ihre Suppe ist ja schon kalt.‘ Und der Papst antwortete: ‚Nein, hier ist es warm‘, und zeigte dabei in den Raum. Was sich natürlich nicht auf die Suppe bezog, sondern auf die anrührende Atmosphäre.“
Das war also offenbar anrührend auch für den Papst selbst…
„Ja, genau. Beim Abflug von Tacloban, der wirklich stürmisch verlief (das nachfolgende Flugzeug konnte ja, wie wir wissen, wegen des Windes schon nicht mehr abheben) hat Franziskus zu Kardinal Tagle gesagt: ‚Diese Reise ist wirklich etwas für mich. Eine Erfahrung. Ich lerne hier etwas.‘ Franziskus ist hier in seinem Seelsorger-Element.“
Gab es auch Momente und Bilder auf dieser Reise, die weniger geglückt waren?
„Ja, leider, das gab es auch. Als Franziskus am Freitag in der ‚Mall of Asia‘ Familien traf, da wurde ihm zu Beginn die Familie des Besitzers vorgestellt, der zu den reichsten Männern Südostasiens gehört und dem Vernehmen nach seinen Arbeitern ungerechte Verträge aufzwingt. Dieser superreiche Geschäftsmann konnte also zusammen mit seinen Angehörigen dem ‚Papst der Armen‘ eine Blumengirlande umhängen – der Preis dafür, dass er der Kirche dieses hypermoderne Shopping-Center überließ. Für mich war das ein ausgesprochen peinlicher Moment. Seltsamerweise habe ich aber in der philippinischen Presse kein Foto davon gesehen. Übrigens: Auch von Franziskus` spontanem Besuch bei Straßenkindern am Freitag in Manila habe ich in der Presse nur ein einziges Foto entdeckt.“
Woran könnte das liegen?
„Gute Frage. Es ist nicht so, als ob man das Thema Straßenkinder oder Armut absichtlich, massiv verstecken würde, jedenfalls meinem Eindruck nach; aber es scheint den Leuten, auch den einheimischen Journalisten, einfach nicht so wichtig zu sein wie uns Beobachtern von draußen. Mein Verdacht: Vielleicht haben sich die Filipinos einfach an die täglichen Szenen der Armut gewöhnt?
Denn ansonsten kommen Kinder und junge Leute in Wort und Bild durchaus häufig vor in der Presse. Zum Beispiel eine Gruppe von kleinen Jungen, die als Schweizergardisten verkleidet rechts und links vom Eingang der Kathedrale stehen durften, als Franziskus dort einzog. Das war sehr malerisch – diese Kinder durften dann hinterher in einer Zeitung ausführlich und mit Fotos erzählen, wie dieses Erlebnis für sie war. Ein Interview mit den Mädchen aus dem Straßenkinder-Heim habe ich dagegen in der Presse nirgendwo gesehen.“ (rv)
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