Das Aufweichen des US-Embargos gegen Kuba zwei Tage vor der Papstreise ist ein außerordentliches Zeichen. So bewertet der Erzbischof von Havanna, Kardinal Jaime Ortega, die Entscheidung Präsident Barack Obamas, Reise- und Geldverkehr zwischen den beiden Nachbarländern in gewissem Maß zu erlauben. „Angekündigt hat er es ja schon bei der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen, es fehlte aber bislang noch an den konkreten Entscheidungen.“ Die seien aber wichtig dafür, dass das Versprochene auch wirklich Realität werde. Kardinal Ortega äußerte sich in einem ausführlichen Interview mit Radio Vatikan kurz vor Ankunft von Papst Franziskus in seinem Bistum. Er glaube, damit sende Obama ein Signal, so Ortega, dass er die Absichten von Papst Franziskus verstanden habe. „Es stimmt, der Papst war kein Vermittler, er hat auch selber gesagt, dass er kein Vermittler gewesen sei, er war aber vielleicht etwas Wichtigeres als ein Vermittler, er war ein Initiator.“ Die Fähigkeit des Papstes, die Herzen der Menschen zu bewegen, sei außergewöhnlich.
So sei auch die Videobotschaft des Papstes von diesem Donnerstag mit „stillem Respekt“ im Land entgegen genommen worden, es sei deutlich geworden, dass hier der Hirte der universalen Kirche spreche und zwar über Liebe, Vergebung und Glauben. Man habe sich daran gewöhnt, dass der Papst empfangen werde wie ein Staatschef und wie der „Heilige Vater“, „aber dieser Papst hat mit der Sprache eines Priesters gesprochen, der mit Menschen spricht, um mit ihnen über das zu sprechen, was das Wichtigste ist.“ Man spreche über den Papst oft als über jemanden, der Einfluss habe in der Welt und dessen Botschaften gewichtig seien. „Das alles ist wahr“, sagt der Kardinal. „Seine moralische Autorität ist außergewöhnlich. Aber der Papst kommt, um unseren Glauben zu stärken an die Liebe Jesu, er kommt als Missionar der Barmherzigkeit, und diese Barmherzigkeit besteht darin, den Nächsten in dessen Realität zu begegnen.“
Volksglauben: Eine lebendige Kirche
Kardinal Ortega wehrt sich gegen die Aussage, die Kirche in Kuba sei eine Minderheit, das stimme nicht. Auch wenn die aktiven Katholiken nicht viele seien, man lasse weiter Taufen, die Menschen kennen Vater Unser und Ave Maria und es gebe einen weit verbreiteten Volksglauben, den man nicht vernachlässigen dürfe. Die soziologische Sicht Westeuropas, Messbesucher zu zählen, komme nicht weit beim Verstehen des Glaubens auf der Insel. Viel Messbesuch gebe es auch in Europa nicht, „in Lateinamerika ist das viel weniger, in Kuba noch viel weniger. Das heißt aber nicht, dass die Leute nicht für Verstorbene beten, Heiligenfeste feiern, in die Kirche kommen oder Wallfahrten zu den verschiedenen Heiligtümern machen. Es gibt eine Religiosität, die vielleicht nicht aufgeklärt ist oder ausgebildet, sie braucht Verkündigung. Aber es ist diese Religiosität, weswegen die Kirche lebendig ist.“ Papst Franziskus kenne diesen Volksglauben und wisse um die Wichtigkeit für das Leben der Kirche. Er kenne die Probleme des Synkretismus, der leider auch immer dabei sei. Deswegen habe er eine Videobotschaft gehabt, welche die Menschen anspreche.
Dialog ist der neue Name für Liebe
Kardinal Ortega empfängt mit Papst Franziskus bereits seinen dritten Papst, seit 1991 ist er Erzbischof von Havanna. Trotzdem sei es ein vierter Papst, welcher der Kirche Kubas quasi ihr Motto gegeben habe, Paul VI. „Er hat gesagt, dass der Dialog der neue Name für die Liebe sei, damit hat er uns einen unvergesslichen Satz hinterlassen. Auch Johannes Paul II. war ein Mann des Dialogs, er ist um die Welt gereist und hat die Kirche der Welt geöffnet. Sein Satz an uns, Kuba möge sich der Welt öffnen und die Welt Kuba, war ein Aufruf an uns zum Dialog.“
Als sich die beiden Präsidenten Kubas und der Vereinigten Staaten vor zehn Monaten die Hände schüttelten, hätten beide Papst Franziskus angesprochen, „er steht am Beginn dieses Dialogs. Papst Franziskus hat dabei eine wichtige und entscheidende Rolle gespielt.“ Das sei in den Augen der meisten Menschen auf Kuba der Neuanfang der Prophezeiung Papst Johannes Pauls II. gewesen. Papst Benedikt hingegen habe eher einen theologischen Weg genommen, um über den Dialog mit der Welt zu sprechen. „Er hat uns damit ein theologisches Monument hinterlassen, das in der Zukunft wichtig sein wird, wenn auch nicht so beliebt wie die Sätze von Johannes Paul II. und Paul VI. Seine Gedanken haben auch tiefen Einfluss auf Papst Franziskus. Er hat aber eine andere Persönlichkeit, er ist Lateinamerikaner, jemand, der unsere Sprache spricht, hier wird er einfach verstanden und das weiß er. Er setzt fort, was die Päpste vor ihm begonnen haben, aber in einem neuen Stil.“
Erst Kuba und dann die Welt
Aber das Ganze geht nicht nur Kuba an. Eindrücklich erinnere er sich an die Rede von Papst Franziskus an das diplomatische Corps im Vatikan. Dort habe er Kuba und die USA zu ihren sich wandelnden Beziehungen beglückwünscht. „Er sagte damals auch, dass er das als Modell für die Welt vorstellen wolle. Deswegen ist diese Reise nicht nur für Kuba und die USA, nicht nur für Lateinamerika. Wir haben das auch bei den Atom-Verhandlungen mit dem Iran gesehen: auch das hat funktioniert. Der US-Außenminister John Kerry hat mir das direkt gesagt, als er praktisch aus Wien von diesen Verhandlungen zu uns kam: Der Papst hat auch da seinen Einfluss gehabt. Der Papst kann noch viel in diesem Sinn in der Welt bewirken und die Welt hat noch viel Kapazität für mehr Menschlichkeit. Diese Reise wird das alles fördern.“
Aus Kuba Pater Bernd Hagenkord (rv)
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