Mit Ärger nehmen im Vatikan viele die Nachricht vom Dokumentendiebstahl, vom sogenannten Vatileaks II, auf. Aber mit einer Palastrevolte habe das alles nichts zu tun, Franziskus könne sich des Rückhalts seiner Mitarbeiter sicher sein, sagt Erzbischof Angelo Becciu, Substitut im Staatssekretariat – wenn man so will, der Innenminister des Heiligen Stuhls.
Das italienische katholische Fernsehen TV2000 fragte Becciu, wie der Papst und sein engster Stab auf die Veröffentlichung sensibler Dokumente aus dem Finanz- und Wirtschaftsbereich reagieren. Seine Antwort: „Ganz eindeutig mit Schmerz, mit Bitterkeit und Befremden. Es ist vor allem schwer zu ertragen, dass ausgerechnet ein Priester sich eines solchen Delikts schuldig machen kann. Der Papst hat darunter gelitten, das kann ich nicht leugnen. Aber der Papst ist auch robust, er hat moralische Ressourcen, die für uns wirklich beispielhaft sind. Wir dürfen uns jetzt nicht blockieren lassen, sondern müssen weitergehen.“
Er sei einigermaßen zuversichtlich, dass sich der Kreis der Verdächtigen nicht erweitern werde, sondern es bei „den zwei Verdächtigen“ bleibe, einem spanischen Monsignore also und einer italienischen PR-Fachfrau. „Wir haben hart reagiert, auch als Lektion für diejenigen, denen es mal in den Sinn kommen könnte, eine ähnliche Dummheit zu begehen!“ Schwer zu verstehen sei, dass die Täter behaupteten, sie wollten mit ihrem Geheimnisverrat dem Papst helfen. „Danke, aber der Papst hat gesagt: So eine Hilfe kann ich nicht gebrauchen! Ich brauche Mitarbeiter, die loyal sind und auch mal ein Geheimnis für sich behalten können. Die beiden Täter hatten eine Erklärung unterzeichnet, dass sie die Dokumente und den Inhalt der Besprechungen in ihrer Kommission vertraulich behandeln würden. Das ist also auch in rechtlicher Hinsicht ein schwerwiegender Fall von Illoyalität. Unsere Anwälte prüfen die rechtlichen Schritte auch außerhalb des Heiligen Stuhls.“
Nun ergeben sich aus den bekanntgewordenen Dokumenten tatsächlich einige Punkte, wo an der Kurie Geld verschwendet wurde oder jedenfalls nicht korrekt damit umgegangen worden ist. Fehlverhalten muss korrigiert werden, sagt Erzbischof Becciu dazu, und daran arbeite Papst Franziskus ja schon seit seinem Amtsantritt. „Das, was in den zwei neuen Büchern steht, belegt eigentlich die auf Wunsch des Papstes hin geleistete Arbeit, um die ganze Verwaltung des Heiligen Stuhls funktioneller – wenn Sie so wollen, transparenter – zu machen. Das sind also Dinge, die wir schon wussten. Sie belegen den Willen des Papstes, das ganze Finanzsystem des Heiligen Stuhls neu zu organisieren. Es ist doch klar, dass beim Erstellen der Analyse des Status quo verschiedene Fehlfunktionen herauskommen – das ist es, was die beiden Bücher publiziert haben. Aber das alles war ja schon bekannt! Zwar nur intern – aber jede Familie, jeder Staat hat doch auch seine vertraulichen Dinge. Ich finde es richtig, dass man einiges geheim hält – nicht, damit die Leute das nicht erfahren, sondern weil sich der Papst ausdrücklich einen Überblick über alles, was nicht funktionierte, verschaffen wollte, um da dann mit Änderungen anzusetzen.“
Und wie steht es mit dem großen Immobilienvermögen, über das der Heilige Stuhl nach Angaben der bekanntgewordenen Dokumente verfügt? Das sind wertvolle Gebäude nicht nur in Rom, sondern z.B. auch in London und Paris. Becciu weist darauf hin, dass sie sozusagen ein Erbe vergangener Jahrhunderte darstellen: „Wir sollten da nicht populistisch sein. Das sind häufig Dienstwohnungen, in denen ein Kurienmitarbeiter so lange wohnt, wie er sein Amt an der Kurie hat; danach gehen sie in der Regel auf einen anderen über. Was sollen wir denn mit ihnen machen – sie zerstören? Oder uns ganz aus Rom zurückziehen? Das wäre aber das Gegenteil von Armut, dann würden wir noch mehr Geld ausgeben müssen!“
Was den Peterspfennig betrifft, also die jährliche Kollekte in der Weltkirche für die Arbeit des Papstes und seine Caritas, bekräftigt der Kurienerzbischof, dass hier keineswegs Spendengelder zweckentfremdet würden. „Diese Gelder sind für die Caritas des Papstes eingesetzt worden, und andere wurden für die Organisation des päpstlichen Dienstes verwendet. All das ist längst veröffentlicht worden: Die haben offenbar das warme Wasser wiederentdeckt. Jedes Jahr wird doch der Haushalt des Heiligen Stuhls publiziert, und da heißt es klar: für den Unterhalt der Kurie, für den Osservatore Romano, für Radio Vatikan, für die Nuntiaturen. Ich will darauf bestehen: Die Gläubigen geben ihre Spende im Wissen darum, dass diese Gelder eingesetzt werden, um dem Papst zu helfen. Ich erlebe übrigens immer wieder, wie unsere einfachen Leute uns etwas Geld geben – dann sagen sie: Hier, mach damit, was du willst! Wer gibt, der hat auch Vertrauen zu dem, dem er spendet; es sind die, die nichts geben, die dann Spekulationen machen und Urteile abgeben!“
Nein, Intrigen sehe er keine im Vatikan, versichert der Kurienerzbischof: „Diese Zeiten sind vorbei. Es wird diskutiert, das schon. Reformen werden besprochen, und viele geben ihre Einschätzung dazu ab. Das ist kein Widerstand, sondern der Wille, die Dinge richtig zu machen. Der eine sieht diesen Aspekt, der andere jenen – und dann will man Klarheit über den einzuschlagenden Weg bei den Reformen. Denn wenn man in diesen Bereichen improvisiert, dann bricht natürlich alles zusammen. Aber das hat doch mit Intrigen und Seilschaften nichts zu tun! Es gibt verschiedene Meinungen, und die werden offen ausgetauscht – der Papst hat zu dieser Offenheit ausdrücklich eingeladen. Man wirft der Kurie manchmal vor, hier gebe es nur ältere Leute, „Mumien“; aber wir sind alle in der Lage, unsere Meinung offen zu sagen, und das ist dann gleich eine Intrige? Das ist doch Unsinn.“ Papst Franziskus habe keineswegs die Kurie gegen sich: „Es berührt mich oft, zu sehen, wie ältere Menschen, die bisher nach einem bestimmten Stil gelebt haben, sich umorientieren und der Entscheidung des Papstes beugen. Wenn der Papst entscheidet, nehmen sie das sofort an.“ (rv)