Papst sagt, er bete für jene, die ihn „Häretiker“ nennen

 

VATIKANSTADT – Papst Franziskus hat im vergangenen Monat gegenüber Jesuiten in Chile gesagt, dass er bereit sei, mit Leuten zu diskutieren, die nicht seiner Meinung sind – aber nicht mit Menschen, die ihm Häresie vorwerfen, auch wenn er für diese bete.

„Wenn ich Widerstand wahrnehme, versuche ich Dialog zu führen, wenn Dialog möglich ist“,

so Franziskus laut einem nun veröffentlichten Bericht des Jesuiten-Magazins „La Civiltà Cattolica“ über sein privates Treffen mit 90 jesuitischen Ordensbrüdern am 16. Januar – dem ersten Tag seiner Reise nach Chile und Peru.

Der Papst sagte demzufolge weiter, dass „ein gewisser Widerstand von Leuten“ komme, „die glauben, dass sie die wahre Lehre haben, und Dir vorwerfen, Häretiker zu sein.“

„Wenn ich in dem, was diese Leuten sagen oder schreiben, nichts geistlich Gutes finde, bete ich einfach für sie. Ich bedaure das, aber verharre nicht in diesem Gefühl… „, so Franziskus.

Bei dem Treffen beantwortete der Papst die Frage, welchen Widerstand er während seines Pontifikats erlebt, und wie er darauf reagiert habe.

„Im Angesicht von Schwierigkeiten sage ich niemals, dass es ein ‚Widerstand‘ ist, denn das würde bedeuten, den Prozess der Unterscheidung aufzugeben“, sagte Franziskus. Damit würde man aber „das Quentchen Wahrheit“, welches oft den Kern des Konflikts ausmache, verwerfen.

Deshalb, so der Pontifex weiter, frage er oft, was die andere Person denke. Dies helfe ihm dabei, Dinge in Zusammenhang zu bringen, die auf den ersten Blick „wie Widerstand erscheinen, aber in Wirklichkeit eine Reaktion darstellen, die aus einem Missverständnis heraus entsteht, aus der Tatsache, dass einige Dinge wiederholt, besser erklärt werden müssen…“.

Franziskus stellte weiter fest, dass Missverständnisse oder Konflikte manchmal seine eigene Schuld seien, zum Beispiel wenn er etwas für offensichtlich halte oder einen gedanklichen Sprung mache, ohne den Gedankengang gut zu erklären in der Annahme, dass der andere seine Argumentation verstanden habe.

„Ich realisiere, dass mein Gegenüber, wenn ich zurückgehe und es besser erkläre, dann sagt: ‚Ah, ja, alles klar …‘ Kurz gesagt, es ist sehr hilfreich, den Sinn des Konflikts gut zu untersuchen“.

Franziskus erklärte, dass er, wenn es echten Widerstand gibt, Bedauern empfinde. Die Versuchung, sich dem Wandel zu widersetzen, sei etwas, was ein jeder irgendwann schon mal erlebt habe.

Dazu gehöre für ihn auch Widerstand gegen das Zweite Vatikanische Konzil und Versuche, dieses „zu relativieren“ oder „zu verwässern“, so Franziskus zu den Jesuiten.

Er sei sich bewusst, dass es „Kampagnen“ gegen das II. Vatikanische Konzil gebe, lese aber nicht die Webseiten „dieses sogenannten Widerstandes“.

„Ich weiß, wer ich bin, ich kenne die Gruppen, aber ich lese sie nicht, meiner geistigen Gesundheit zuliebe. Wenn es etwas sehr Ernstes gibt, werde ich darüber informiert, damit ich es weiß“, so Franziskus. „Das ist eine Enttäuschung, aber wir müssen weitermachen.“


(CNA Deutsch)

Jesuitentreffen: Papst Franziskus besucht seine Ordensbrüder in Peru

LIMA – Auf praktisch allen seinen internationalen Apostolischen Reisen hat Papst Franziskus die Jesuiten des Landes getroffen, das ihn bewirtete. So auch bei dieser Gelegenheit: Der Papst – wie zuvor in Chile – wollte vergangene Nacht privat mit seinen peruanischen Ordensbrüdern sprechen.

Papst Franziskus ist bekanntlich selber Mitglied der Societas Jesu: Er trat 1958 in das Noviziat „Villa Devoto“ ein und legte 1973 seine ewigen Gelübde ab. Sechs Jahre lang war er Provinzoberer in Argentinien.

Gestern Abend traf der Papst in der Kirche San Pedro in Lima eine Gruppe peruanischer Jesuiten. Der Papst gab ihnen ein Silberkreuz, das 1981 vom italienischen Goldschmied Antonio Vedele angefertigt wurde und die verschiedenen Stationen der Via Crucis darstellt, des Kreuzwegs. Der Goldschmied entwarf auch das Brustkreuz, das Papst Franziskus seit 1998 trägt.

Vor kurzem hatte der Papst informelle Gespräche mit seinen Mitbrüdern in Bangladesch und Burma anlässlich seines Apostolischen Besuchs im vergangenen November. Ein privates Treffen mit den Jesuiten fehlte auch während der Reise nach Kolumbien im September 2017 nicht.

Die Gespräche des Papstes werden pünktlich am Ende des Apostolischen Besuchs vom Jesuitenpater und engen Vertrauten von Franziskus, Pater Antonio Spadaro SJ berichtet, der als Redaktionsleiter des Jesuiten-Magazins „La Civiltà Cattolica“ fungiert.

In seinen Gesprächen mit den Mitbrüdern spricht der Papst auf sehr direkte, persönliche Art und Weise. So sagte er in Burma seinen Ordensbrüdern: „Das Volk Gottes lehrt uns heroische Tugenden: Ich schämte mich, Hirte eines Volkes zu sein, das mich kraft seines Durstes nach Gott an Tugend überwältigt, aus einem Zugehörigkeitsgefühl zur Kirche heraus, weil sie zu Petrus kamen. Ich habe es gewagt, und ich danke Gott, dass ich es ausprobieren darf.“ (CNA Deutsch)

Sind Priester und Bischöfe das „größte Hindernis“ für Franziskus‘ Vision der Kirche?

VATIKANSTADT – Noch schlagen die Wellen hoch über den Artikel aus „Civilta Cattolica“, der eine „Ökumene des Hasses“ zwischen konservativen Protestanten und Katholiken in den USA beschreibt. Nun ist ein neuer Artikel erschienen, der vermutlich die eine oder andere Stirn in Falten wirft: In der Wochenend-Ausgabe des „Osservatore Romano“ stellt ein Text die These auf, dass das größte Hindernis für die Umsetzung der Vision von Papst Franziskus für die Kirche „ein großer Teil des Klerus ist, auf den oberen wie unteren Ebenen“.

Die Wortwahl deutet an, dass der Autor sowohl führende Bischöfe als auch einfache Dorfpfarrer meint.

„Der Klerus hält die Menschen zurück, die vielmehr in diesem außergewöhnlichen Augenblick begleitet werden sollten“, schreibt der Autor, ein italienischer Priester namens Giulio Cirignano. Der aus Florenz stammende Geistliche ist langjähriger Bibelwissenschaftler.

Sein Beitrag, der in der Wochenend-Ausgabe der offiziellen Zeitung des Vatikan erschienen ist, trägt die Überschrift „Die Bekehrung, um die Papst Franziskus bittet: Gewohnheit ist nicht Treue“.

Reaktionen auf Artikel in „La Civilta Cattolica“

Vor einer guten Woche veröffentlichten „zwei enge Freunde des Papstes“ – wie sie etwa Crux beschreibt – einen Essay, dessen Behauptungen für Aufruhr sorgen. Die Autoren sind der Jesuitenpater Antonio Spadaro und der Chefredakteur der argentinischen Ausgabe des „Osservatore Romano“, der protestantische Pastor Marcelo Figuero.

Erschienen ist der Artikel im Jesuitenmagazin „La Civilta Cattolica“, dessen Chefredakteur Spadaro ist. Das Magazin wird vor Veröffentlichung durch das vatikanische Staatssekretariat geprüft.

Wie CNA Deutsch berichtete, stellten Experten mehrere schwerwiegende Mängel und Fehler in dem Artikel fest. Auch der Erzbischof von Philadelphia, Charles Chaput, meldete mehrere Bedenken an und warf dem Essay vor, „die katholisch-evangelikale Zusammenarbeit zu Fragen der Religionsfreiheit und anderer Schlüsselthemen“ inadäquat, ja, als verdummend (wörtlich: „dumbing down“) darzustellen.

Der Chefredakteur der prominenten Publikation „First Things“, R.R. Reno, wurde noch deutlicher: In einem Kommentar für den „National Catholic Register“ fasste er Spadaro und Figueroas Artikel als „eine Sammlung uninformierter Behauptungen, gespickt mit Böswilligkeit“ zusammen.

Als Antwort auf diese – und zahlreiche weitere – Kritiken haben Pater Spadaro und andere, etwa die Redaktion, vor allem aber Michael Sean Winters im „National Catholic Reporter“, mit Repliken reagiert. Eine Debatte ist dabei freilich (noch?) nicht entstanden. Was mit zur Folge hat, dass der Aufruhr, nach einer guten Woche, noch nicht zur Ruhe gekommen ist.

Selbst weltliche Medien wie der „Economist“ berichteten mittlerweile darüber. Das Wirtschaftsmagazin beschreibt die Situation als „eskalierendes Patt zwischen christlichen Liberalen und christlichen Konservativen“. Was die Frage aufwirft: Ist das auch das Thema oder der Kontext des neuen Aufschlags im „Osservatore Romano“?

Priester und Bischöfe als Hindernisse

Vor diesem Hintergrund zumindest steht der am gestrigen Samstag veröffentlichte Artikel; Giulio Cirignano greift darin nicht speziell konservative Christen in den USA an. Sein Text ist allgemeiner gehalten, und aus italienischer Perspektive geschrieben, oder vielleicht noch vatikanischer:

„Das größte Hindernis, dass der Bekehrung im Weg steht, die Papst Franziskus der Kirche bringen will, besteht, zu einem gewissen Grad, in der Haltung eines großen Teils des Klerus, auf den oberen wie unteren Ebenen … eine Haltung, bisweilen, von Sperrung wenn nicht gar Feindseligkeit“, schreibt der Autor, der selber Geistlicher ist.

„Die meisten Gläubigen haben trotz alledem den Kairos erkannt, den günstigen Moment, den der Herr seiner Gemeinschaft gibt“, so Cirignano weiter. „Die meisten feiern“.

Doch der Teil der Gemeinschaft, „der wenig erleuchteten Pastoren am Nächsten ist, wird hinter einem alten Horizont aufrechterhalten, dem Horizont alter Gewohnheiten, einer altmodischen Sprache, repetitiven Denkens ohne Vitalität“, steht im Artikel zu lesen.

Mangelnde Bildung und rigide Mentalität

Cirignano beschreibt mehrere Gründe für die „Feindseligkeit“ des Klerus gegenüber Papst Franziskus. So wirft er den Priestern und Bischöfen ein überholtes Verständnis des Priestertums vor, eine „alte“ Theologie und mangelnde theologische und biblische Bildung.

„Wenn der Priester gezeichnet ist von einer religiösen Mentalität, und zu wenig von einem klaren Glauben, dann wird alles komplizierter“, so Cirignano. „Er riskiert, das Opfer vieler Dinge zu bleiben, die der Mensch über Gott und seinen Willen erfunden hat“.

Gott, so Cirignano wörtlich, „toleriert nicht, in die rigiden Schemata eingesperrt zu sein, die typisch für den menschlichen Geist sind“.

Als Gegenbild beschreibt der Autor dass Gott die Liebe sei. „Gott ist die Liebe, und das ist alles, Liebe als Geschenk seiner selbst. So korrigiert er, auf einfache Weise, die Millionen Rückbildungen, die wir gewohnt sind, der Liebe in den Weg zu stellen“.

Cirignano ist Autor mehrere Bücher auf Italienisch, darunter das Werk: „Franziskus: Schönheit und Mut“ (Francesco, bellezza e coraggio).

Es gebe keinen Hinweis darauf, schreibt „Crux„, dass Cirignanos Artikel von Papst Franziskus persönlich angeregt worden sei, oder dass der Papst überhaupt von diesem wisse. Doch habe Franziskus immer wieder unbequeme Bischöfe und Priester getadelt. Das bekannteste Beispiel dafür: Die Weihnachtsansprache 2014. Darin warf der argentinische Pontifex der Kurie vor, an 15 „geistlichen Krankheiten“ zu leiden, darunter „Geistliches Alzheimer“, „Rivalität und Prahlerei“, Geschwätz und einen Mangel an „Freude“. (CNA Deutsch)

Der Jesuit Spadaro über den „offenen Stil“ des Papstes

La Civilta CattolicaSie sind das „schlagende Herz“ des päpstlichen Lehramtes – so beschreibt der italienische Jesuit und Chefredakteur der Zeitschrift „la Civiltà Cattolica“ Antonio Spadaro die Morgenpredigten von Papst Franziskus. Er hat die Meditationen des Papstes gesammelt und daraus ein Buch gemacht, das in dieser Woche in Italien erscheint. Pater Spadaro sagte dazu gegenüber Radio Vatikan:

„Was mich fasziniert hat, ist die Tatsache, dass diese Predigten dem ursprünglichen Denken des Papstes entsprechen und keiner Theorie. Ich habe also eine thematische Gestaltung dieser Predigten von vornherein verworfen und mich dafür entschieden, sie in der Reihenfolge zu bringen, wie sie gehalten wurden, chronologisch. Die Santa Marta-Predigten sind wirklich das schlagende Herz des päpstlichen Dienstes. Das sind Schlüsselthemen und Schlüsselworte, die dann auch in die offizielleren Reden einfließen und die aus einem Gespräch mit dem Volk Gottes in eben diesen Predigten hervorkommen.“

Erst vor wenigen Tagen hat der Papst zu einer „Theologie des unabgeschlossenen Denkens“ aufgerufen. Laut Spadaro ist der offene Stil der päpstlichen Morgenpredigten auch der besonderen Situation geschuldet, in der Franziskus diese Meditationen hält: Er lege bei diesen Meditationen Wert auf die Begegnung und eine familiäre Atmosphäre.

„Das ist ein sehr frischer, unmittelbarer Stil, an die Menschen angepasst. Wir haben es da ohne Zweifel mit starken Inhalten zu tun, die aber mit einer großen Aufmerksamkeit gegenüber den Menschen, die der Papst vor sich hat, vorgebracht werden. Seine Sprache ist eine einfache, doch sehr einschneidende Sprache, die reich an Bildern und poetisch ist; eine Sprache, die dazu fähig ist, auf authentische Weise Bilder entstehen zu lassen, die Menschen berühren und die das Wort Gottes lebendig machen.“

Der diskursive Stil des Papstes in den Morgenpredigten sei auch der Grund dafür, warum die Meditationen nicht in einer vollständigen Text- und Audioversion publiziert werden, so der Jesuit weiter. „Wahrheit ist eine Begegnung. Die Santa Marta-Predigten“ heißt das Buch von Antonio Spadaro, das in dieser Woche auf Italienisch erscheint. Zugleich erscheinen die Predigten auch auf deutsch, im Freiburger Herder Verlag. (rv)

Papstbotschaft an Medienschaffende: „Köpfe und Herzen berühren“

SIGNIS2014Die kommunikative Macht der Bilder prägt durch die Massenmedien die Erfahrungen, Hoffnungen und die Sorgen der kommenden Generationen. Das schreibt Papst Franziskus in einer Botschaft für den SIGNIS-Weltkongress katholischer Medien, der an diesem Dienstag in Rom beginnt. Die Botschaft ist von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin unterzeichnet.

„In einer globalisierten Welt, in der ständig neue Kulturen und neue Sprachen und Symbole geboren werden, entsteht eine neue Vorstellungswelt“, so der Papst. „Katholische Medienschaffende sind ständig herausgefordert, die Weisheit, Wahrheit und Schönheit des Evangeliums in einer Sprache zu vermitteln, welche die Köpfe und Herzen der vielen Menschen berührt, die nach Sinn und Richtung in ihrem Leben suchen.“ Der Papst erhoffe sich von dem Kongress Inspiration, Ermutigung und neue Ideen für diese „aufregende und anspruchsvolle Aufgabe.“

Thema des Kongresses ist „Medien für eine Kultur des Friedens“. Mehr als 300 katholische Medienschaffende werden sich in Workshops, Konferenzen und Podien über Herausforderungen und Entwicklungen austauschen. Es wird unter anderem um Kino und Spiritualität, um „social marketing“ und um Ausbildungsfragen gehen. Die Eröffnungsansprache wird der Leiter der Zeitschrift „La Civiltà Cattolica“ Pater Antonio Spadaro halten.

Am Donnerstag wird der Papst die Teilnehmer des Kongresses in Audienz empfangen.

SIGNIS ist der weltweite katholische Medienverband, er entstand 2001 aus dem Zusammenschluss verschiedener Organisationen, die ihrerseits bis in das Jahr 1928 zurück gehen. Er wird vom Vatikan als der offizielle katholische Medienverband anerkannt und hat Beobachterstatus unter anderem bei der UNESCO. Der letzte Weltkongress fand 2009 statt. (rv)

Jesuit: Franziskus‘ Kommunikationsstil ist „offener Dialog“

La Civilta Cattolica„Der Dialog muss offen bleiben, wie das Herz des Menschen.“ Das ist für den italienischen Jesuiten Antonio Spadaro Franziskus‘ Kommunikationsanliegen. Ausgehend vom jüngsten Gespräch des Papstes mit Ordensoberen Ende November in Rom, das Spadaro für seine Zeitschrift „La Civiltà Cattolica“ dokumentierte, analysiert er den Ansatz des Papstes, Fragen zu stellen statt Antworten zu geben.
Ein Beispiel des Papstes im Gespräch mit den Ordensoberen hatte in der italienischen Presse für Verwirrung gesorgt. Der Papst hatte dazu aufgerufen, die Herausforderung einer wachsenden Zahl schwieriger familiärer Situationen in den Blick zu nehmen. Als Beispiel hatte er auf ein Mädchen in Argentinien verwiesen: „Ich erinnere mich an den Fall eines sehr traurigen Mädchens, das seiner Lehrerin den Grund seines Gemütszustandes verriet: ,Die Partnerin meiner Mutter mag mich nicht‘, sagte es. Der Anteil von Schulkindern mit geschiedenen Eltern ist äußerst groß.“ Diese Äußerung des Papstes wurde von einigen italienischen Medien fälschlicherweise so interpretiert, als ob der Papst damit homosexuelle Partnerschaften befürworte. Spadaro plädiert dafür, die Worte des Papstes nicht vorschnell einzuordnen:
„Der Papst hat (mit diesem Beispiel, Anm.) auf eine sehr große Herausforderung verwiesen. In solchen Fällen besteht immer die Gefahr des Missverständnisses, man muss vorsichtig sein.“
Dass der Papst hier selbst kein Urteil über die Situation des Mädchens gegeben, sondern diese nur beschrieben hat, wertet Spadaro als Ansatz einer offenen Kommunikation:
„Franziskus regt auf diese Weise unsere Intelligenz an, er gibt uns nicht direkt die Lösung. Hier ist sein Hauptanliegen – wie in Evangelii gaudium – Fragen zu stellen, Herausforderungen zu benennen, eine Debatte anzuregen. Das ist ein dialogischer Stil, der darauf abzielt, das Gewissen des Menschen einzubeziehen, und das kann auch zu Missverständnissen führen. Doch wenn man versucht, den vom Papst begonnenen Diskurs sofort abzuschließen, indem man seine Worten starr interpretiert, sie es von rechts oder links, irrt man. Das Gespräch muss offen bleiben, wie das Herz des Menschen.“
In der Tat hatte Franziskus in seinem Gespräch mit den Ordensoberen darauf bestanden, dass es im Wirken der Kirche auch einer neuen Sprache bedarf – vor allem im Umgang mit der Jugend. Das Verständnis des Menschen sei heute ein anderes als früher, erinnert Spadaro. Das hat Papst Franziskus verstanden. Spadaro:

„Die große Tradition und das große Wissen der Kirche müssen dem Menschen von heute in einer Sprache und Form vermittelt werden, die den Menschen und sein Leben betreffen. Eine Botschaft zu verkünden, die nur über große Prinzipien spricht, riskiert, den Menschen mit all seinen Problemen nicht einzubeziehen. Das ist für die Kirche also eine positive Herausforderung: Wie das Evangelium heute verkünden?“

Mit seiner Vision von einer Evangelisierung, die bis an die Ränder der Gesellschaften und der menschlichen Existenz vordringen muss, stehe Franziskus in einer Linie mit Papst Paul VI., führt Spadaro aus:

„Es ist eine dynamische, komplexe Vision. Wer nur wenige klare Prinzipien braucht, den wird sie enttäuschen. Doch die Herausforderungen, dem Menschen von Heute das Evangelium zu verkünden, sind wirklich groß. Und der Papst lädt uns dazu ein, die gesamte Menschheit zu umarmen. Er sagt uns, dass wir uns anstrengen müssen, unsere Mitmenschen zu verstehen, weil das Evangelium wirklich etwas Kostbares ist. Franziskus legt darauf Wert, zu unterstreichen, dass seine Botschaft der Liebe alle betrifft, niemand ist davon ausgeschlossen. Erstarrungen nützen hier nicht, ebenso wenig wie Prinzipien anzuhängen, die den Geist, aber nicht das Herz berühren. Es braucht Gesten der Öffnung gegenüber dem Leben.“

Die Rede des Papstes von heilsamer Dezentralisierung, Perspektivenvielfalt und Inklusion dürfte also in besonderer Weise auf die Situation der Gegenwart reagieren. Als Benedikt XVI. zurücktrat, sprach er von einer „Welt, die sich so schnell verändert“ und die „von Fragen, die für das Leben des Glaubens von großer Bedeutung sind, hin- und hergeworfen“ wird. Eine komplexe Wirklichkeit braucht keine schnellen Antworten, sondern vielleicht zunächst einmal die richtigen Fragen, könnte man auch sagen. (rv)

Acht Millionen Follower: Der Papst und die Netzpräsenz

Acht Millionen „Follower" und mehr: Damit ist Papst Franziskus in der Welt von Twitter eine der wichtigsten Persönlichkeiten. Seitdem Papst Benedikt diese Kommunikationsform begonnen hat, ist die Anzahl derer, die vom Papst direkt lesen wollen, stetig gestiegen, während des Weltjugendtages in Rio hat die Zahl dann den Sprung über die Achtmillionengrenze gemacht. Das ist aber nicht nur ein Zahlenspiel, wie Pater Antonio Spadaro meint. Er ist Leiter der italienischen kirchlichen Zeitschrift „" und selber eifriger Twitterer:

„Der Papst ist zu einer echten Persönlichkeit im Internet geworden, der Leitungsfigur, deren Nachrichten und Botschaften die meisten Menschen verfolgen und der deswegen der einflussreichste ist, nicht nur der Anzahl der Follower bei Twitter wegen, sondern auch weil er viele Retweets hat, wie es heißt, also dass seine Botschaften im Internet weitergeschickt werden. Er hat eine sehr physische Präsenz, wie wir in Brasilien gesehen haben: Er hatte sehr körperliche, sehr physische Begegnungen mit den Jugendlichen. Aber genau dieses Anfassbare hat den Jugendlichen erlaubt, ihre Erfahrungen mit seiner Präsenz auch in den sozialen Netzwerken zu verbreiten, und dieses Teilen setzt Integration voraus."

Pater Spadaro war selber beim WJT in Rio dabei, als Beobachter und als eifriger Twitterer. Ihm ist vor allem eines bei den vielen Begegnungen zwischen Papst und Jugendlichen aufgefallen: Die große Energie, welche die Jugendlichen ausgedrückt haben. Das zeige sich in der ‚realen’ genauso wie in der ‚virtuellen’ Welt.

Pater Spadaros eigene Tweets vom WJT sind jetzt in e-Book-Form erschienen und auf seiner Seite cyberteologia.it herunterladbar: Es sei eine Art Tagebuch geworden und das habe er in Zusammenhang veröffentlichen wollen, so der Internetfachmann. (rv)