Der Fall Limburg braucht eine rasche Klärung. Das hat der Mainzer Kardinal Karl Lehmann an diesem Samstag bei einer Audienz Papst Franziskus anvertraut. Ende des Monats sei mit dem Abschlussbericht der Kommission zu rechnen, die von der Bischofskonferenz eingesetzt worden war, um zu den Fakten des Limburger Bauvorhabens und anderer Vorgänge im Bistum an der Lahn vorzudringen. Radio Vatikan bat den Kardinal nach der Unterredung mit dem Papst zu einem Interview. Dabei ging es auch um die Frage der Familienseelsorge. Gudrun Sailer führte das Gespräch.
„Zunächst habe ich mich einmal sehr herzlich bedankt für den großen Aufbruch, den er nach der Wahl geschaffen hat. Es sind schon zehn Monate vergangen. Wir sind beide gleich alt – also im selben Jahr geboren. Wir sind miteinander 2001 Kardinäle geworden. Ich habe dann ihm ein paar Sätze gesagt zur Kurienreform, weil ich ja während der 30 Jahren, die ich als Bischof verbracht habe und davon 21 Jahre als Vorsitzender der Bischofskonferenz, das Funktionieren und Nicht-Funktionieren der Kurie kenne. Die Auswahl der Leute ist sehr viel wichtiger als manche Strukturfragen oder rechtlichen Änderungen der Zuständigkeiten. Das ist ihm sehr bewusst.“
Sie haben mit dem Papst auch über Limburg gesprochen. Was hatten Sie dem Heiligen Vater mitzuteilen?
„Ich bin ja sozusagen seit 30 Jahren ein Nachbar Limburgs. Ich habe Franz-Peter Tebartz-van Elst schon vorher als Theologen gekannt und in den beiden Male, in denen ich mich öffentlich über ihn geäußert habe, habe ich gesagt, dass er ein hochintelligenter, höflicher und kommunikativer Mensch sei. Ich kann also nicht feststellen von Protz und Verschwenderischem. Da war doch eine üble Kampagne in Medien festzustellen. Aber es hatte seine Gründe gehabt: ich glaube, es ist nicht nur das viele Geld, das verbraucht wurde, das Problem sondern auch diese Geheimhaltungspolitik, die gemacht worden ist. Dazu kommt noch, dass er selber nie eine Zahl der Kosten genannt hat. Das ist schon sehr problematisch.“
Hat sich denn Papst Franziskus selbst geäußert zum Fall Limburg? Wie gut meinen Sie war er darüber informiert?
„Ich habe den Eindruck, dass er sehr authentisch informiert ist und auch verschiedene Quellen hat. Da habe ich den Eindruck, dass er sich ein eigenes Urteil bildet. Ich habe ihm gesagt, dass wir abwarten sollten bis die entsprechende Kommission den Bericht abliefert. Das sollte angeblich Ende des Monats der Fall sein. Auf jeden Fall darf es nicht mehr solange gehen, weil es die Limburger auch physisch und nervlich schon sehr verwundet sind. Ich habe auf jeden Fall den Eindruck, dass der Papst gut informiert und behutsam, schonungsvoll gegenüber den beteiligten Menschen wissend umgeht. Er betrachtet das Ganze mit relativer Gelassenheit. Ich habe dem Papst auch klar gesagt, dass ich Sorge habe, wenn wir das nicht bald klären. Dass die Aufbruchsstimmung, die der Papst hervorgerufen hat, so auch wieder in Spannung und Widerspruch zurückversetzt werden kann. Ich habe den Eindruck, dass er das sehr klar sieht.“
Was braucht denn die deutsche Kirche vor diesem Hintergrund besonders an Input vom Papst? Welche Stellungnahmen und Wortmeldungen sind da gefragt?
„Ich denke, dass der Papst durch die Umfrage zur Familienpastoral und die Ergebnisse auch weiß, was die Themen sind, die er mit Ernsthaftigkeit angeht. Da setzt er sehr auf die Bischofssynoden – sei es außerordentlichen als auch die ordentlichen Synoden.“
Erwarten Sie, dass es inhaltliche Änderungen in dem Thema geben wird wie beispielsweise die Sakramente für wiederverheiratete Geschiedene?
„Die Frage kann man nicht umgehen, aber die darf man nicht zuerst angehen. Ich kämpfe seit 1971 zu dem Thema und es war mir immer klar, dass die Sache wiederkommen wird. Das ist nicht etwas, das mit einem schnellen Verbot regelt. Ich habe dem Papst auch gesagt, dass es äußerste Zeit ist, darüber zu befinden. Die Praxis in den Gemeinden ist sehr unterschiedlich. Ich denke, dass das Erste, was gesagt werden muss, lautet: Menschen aus zerstörten oder gestörten Beziehungen und wiederverheiratete Geschiedene haben in der Kirche einen Platz. Das sagt ja schon ,Familiaris consortio´ sehr deutlich. Das ist aber längst nicht überall bekannt. Die Leute meinen immer noch, jeder sei automatisch exkommuniziert. Es ist aber auch klar, dass die Situationen klar unterschieden werden müssen. Ich kann nicht einfach grundsätzlich von Barmherzigkeit überall predigen, es gibt auch Situationen, wo Leute böswillig verlassen werden. Zur Barmherzigkeit gehört auch die Gerechtigkeit. Ich kann nicht von Barmherzigkeit reden, ohne das Verhältnis zur Gerechtigkeit zu klären. Deswegen ist vieles im Augenblick weniger tief reflektiert als das eigentlich schon der Fall gewesen ist. Ich denke, die Chance liegt darin und das habe ich dem Papst auch gesagt. Wir werden ein Jahr lang Zeit haben, um darüber nachzudenken. Mir scheint, der Papst ist sehr fest entschlossen, weil er weiß, dass dies auch ein Stück weit ein Test ist.“
Papst Franziskus hat in seinem Schreiben „Evangelii gaudium“ unter vielen anderen Dingen davon gesprochen, dass er sich vorstellen kann, den Bischofskonferenzen eine wirkliche Teilhabe an dem ordentlichen Lehramt einzuräumen. Was bedeutet das?
„Man sieht in ,Evangelii gaudium´, wie viel ortskirchliche und kontinentale Aussagen von Bischofskonferenzen zitiert werden. Er realisiert bereits eine Ernstnahme der relativ existierenden Lehrautoritäten der Bischofskonferenzen. Wenn aber bis vor einiger Zeit noch gesagt wurde, dass Bischofskonferenzen überhaupt keine Lehrautorität ausüben und nur der Papst und der Bischof sind göttlichen Rechts und alles was dazwischen ist, ist im Grunde genommen auch entbehrlich, dann ist das jetzt schon eine wichtige Aussage. Da muss man sehr klug und vorsichtig damit umgehen. Bischofskonferenzen sind genauso wenig unfehlbar wie jedes andere Organ in der Kirche.“ (rv)