Der Heilige Stuhl gibt neuerdings eine Frauenzeitschrift heraus. Genauer gesagt, handelt es sich um eine Beilage zur italienischen Ausgabe der Vatikanzeitung „L´Osservatore Romano" mit dem Titel „donna, chiesa, mondo", also: Frau, Kirche, Welt. Nächste Woche erscheint die Beilage zum dritten Mal und wird unter anderem ein längeres Interview mit Brigitta Klieber enthalten, der langjährigen Finanz-Chefin der Erzdiözese Wien. Verantwortlich für die Frauenbeilage zeichnet Lucetta Scaraffia, Jahrgang 1948, Journalistin und Dozentin für Zeitgeschichte an der staatlichen römischen Universität „Sapienza". Den Frauen der Kirche eine Stimme zu geben: das ist erklärtes Ziel der neuen Medien-Initiative. Denn innerhalb wie außerhalb wird die weibliche Seite der Kirche immer noch viel zu oft übersehen, sagt Lucetta Scaraffia.
„Beim geweihten Leben zum Beispiel setzt sich die Kirche zu zwei Dritteln aus Ordensfrauen zusammen. Dann gibt es zahllose weibliche Laien, die mit der Kirche in vielfältiger Form zusammenarbeiten. Alle diese Frauen sind oft unbekannt, nicht nur für jene, die außerhalb der Kirche leben und sich die Kirche als männliche Welt vorstellen, als Welt von Priestern. Sondern oft sind sie nicht einmal in der Kirche selbst bekannt. Und das ist schwerwiegend! Die Frauen in der Kirche sind wie ein versteckter Schatz, und wir möchten helfen, ihn zu heben und zu nutzen.
Die mangelnde Wahrnehmung des Wirkens von Frauen in der Kirche hat aus Sicht von Lucetta Scaraffia mehrere Gründe. Sie nennt zwei davon:
„Erstens, dass nur die Männer Karriere machen können. Ich befürworte nicht das Priestertum der Frau und diese Art der Karriere; aber ich denke, es gibt beispielsweise Ordensfrauen, die einmal Generaloberinnen waren und genug Erfahrung und Kompetenz haben, die sie dazu befähigen würden, ein Dikasterium der römischen Kurie zu leiten. Es gäbe Frauen, die dazu in der Lage wären, eine wichtige Rolle in vatikanischen Ämtern zu spielen. Und das, ohne den Aspekt Priestertum zu berühren. Ich glaube, wir würden andere Standpunkte einbringen. Ich denke auch, dass die Frauen gewissermaßen freier wären, denn Karriere können sie ohnehin nicht machen, sie können ja nicht Papst werden…! Das gibt viel Freiheit, auch Freiheit im Denken und Reden."
Der zweite Grund für die Unsichtbarkeit der Frauen in der Kirche: Gerade Ordensschwestern nehmen das Gelübde der Demut oft sehr ernst.
„Sie stellen niemals zur Schau, was sie tun, sie schreiben wenig, sind nicht gewohnt, von ihrem Wirken zu erzählen. Ihre Arbeit ist ein immenses verborgenes Werk, das nur diejenigen kennen, die sie zufälligerweise im Leben treffen. Ich glaube, das man die Arbeit dieser Ordensfrauen bekannt machen muss – weil sie wichtig ist, weil sich die Kirche ja auch darauf gründet, dass ganze Lebensentwürfe ihr gewidmet sind, wenn wir etwa an die Nächstenliebe oder das Gebet der Frauen denken. Und sie selbst sagen das nicht! Im Gegenteil, sie sehen es als Teil ihrer Sendung, sich nicht selbst für ihr Wirken zu loben. Aber andere können das für sie tun. Das ist ein wichtiger Auftrag, den wir uns mit dieser Beilage stellen."
So gesehen, stellt sich die Frage, warum die vatikanische Frauen-Beilage eigentlich erst jetzt kommt – quasi nach Jahrhunderten stillen, allzustillen Wirkens von Frauen in der Kirche. Lucetta Scaraffia erklärt:
„Benedikt XVI. hat den Direktor des Osservatore Romano, Giovanni Maria Vian, ausdrücklich darum gebeten, Frauen im Blatt schreiben zu lassen. Vian hat also zwei Journalistinnen angestellt, und er hat beispielsweise auch mir Platz gegeben, die ich unter anderem Leiteartikel schreibe. Das gab es nie zuvor! und wenn man einmal einer Frau die Feder in die Hand gibt… dann öffnet sie Räume für andere Frauen. Das tun wir, und wir verdanken es Benedikt XVI."
Die Deutsche Bischofskonferenz hat bereits Interesse an einer Übersetzung und Verbreitung der Frauenbeilage des Osservatore in Deutschland angemeldet. Vorerst erscheint sie auf Italienisch einmal monatlich. Gedruckt ist die Beilage auf solidem weißem Papier, darauf hat Scaraffia gepocht, weil das Blatt vier Wochen lang halten muss. Es finanziert sich auch über Werbung, und es ist – das im Gegensatz zu fast allen konventionellen Frauenzeitschriften – extrem international ausgerichtet.
„Wir wollen unbedingt, dass andere Frauen von der ganzen Welt mitarbeiten, indem sie uns Nachrichten und Hinweise schicken, Frauen benennen, die wir interviewen können und Themen anregen, denen wir nachgehen sollen. Ein anderer Schwerpunkt sind Ökumene und andere Religionen. Auch hier wünschen wir uns Kontakte und Vorschläge, denn wir sind ein wenig in diesem italienischen Kontext befangen. Glücklicherweise hat der Osservatore Romano Redaktionen in mehreren Sprachen, und hier arbeiten viele Frauen, die sich sofort für die Beilage begeistert haben und uns viel helfen."
Reaktionen auf die vatikanische Frauen-Beilage kamen viele, erzählt die Journalistin. Ganz besonders aus dem Ausland. Nur die Rückmeldungen aus dem Vatikan seien noch etwas lau.
„Nein, Widerstände gab es nicht. Aber sagen wir, vielleicht ein wenig Gleichgültigkeit. Wir hoffen aber, wenn wir einmal etabliert und besser bekannt sind, denn schwindet vielleicht auch dieser Vorbehalt gegen eine Sache, die von Frauen gemacht ist. Ich vertraue darauf, wenn man unsere Beiträge liest, sieht man das Gute dieser Initiative, und dass es wirklich Zeit war dafür! Dann wird es auch Anerkennung geben von solchen, die jetzt weniger begeistert sind."
Lucetta Scaraffia war bereits in den vergangenen Jahren Mitarbeiterin des „Osservatore Romano". In der Zeit des Öffentlichwerdens zahlreicher Missbrauchsfälle durch Kleriker schrieb sie dort einen vielbeachteten Leitartikel, in dem sie die These aufstellte, dass Frauen in den Entscheidungsebenen der Kirche das „männliche Schweigen" über Missbrauch möglicherweise verhindert hätten. (rv)
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