„Ein Diplomat, der lügt, kommt selten ans Ziel". Das hat der Präsident des päpstlichen Rates für Interreligiösen Dialog, Kardinal Jean-Louis Tauran, am Dienstagnachmittag im Rahmen einer Vatikanveranstaltung zum Thema „Diplomatie und Wahrheit" in Rom betont. Eine Diplomatie, bei der es um Dialog und Vertrauen geht, müsse dagegen im Dienste der Wahrheit stehen, unterstrich Tauran. Dann diene sie Frieden und gesellschaftlicher Harmonie und entwickle die Kraft, zwischen scheinbar unvereinbaren Positionen zu vermitteln und bis zu den Ursachen der Vorgänge vorzudringen, so der Vatikanvertreter, der selbst eine langjährige Erfahrung als Diplomat vorzuweisen hat.
Herausforderungen heutiger Diplomaten
In seinem Vortrag ging Tauran auch auf die neuen Herausforderungen ein, denen Diplomaten heute begegnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe sich mit dem Völkerbund und den Vereinten Nationen das Bewusstsein einer „globalen Ethik" herausgebildet. Für Menschen mit diplomatischer Verantwortung bedeute dies eine doppelte Verpflichtung: Sie seien ihren eigenen nationalen Regierungen verpflichtet, zugleich aber dem globalem Frieden und der Gerechtigkeit in der Welt. Das habe eine neue Autonomie beziehungsweise eine neue Verantwortung in das Berufsbild eingeführt, folgerte Tauran: ein Diplomat könne heute nicht mehr darauf verzichten, sich auch über „die Moralität der Politik seiner eigenen Regierung" ein Urteil zu bilden.
Sinn des Geheimnisses in der Diplomatie
Im Dunstkreis der Vatileaks-Affäre dürfte so mancher Besucher der Veranstaltung in Rom Anknüpfungspunkte zu den Vorgängen im Vatikan gesehen haben. Kardinal Gianfranco Ravasi, Präsident des päpstlichen Kulturrates, der den „Vorhof der Völker" ins Leben rief, nahm im Interview mit Radio Vatikan ein wichtiges Element der Diplomatie in Schutz: das Geheimnis.
„Das Geheimnis hat immer zwei Gesichter. Einerseits ist es sicher Synonym für Diskretion, das heißt also, es geht darum, in bestimmter Hinsicht Elemente zu hüten, die Provokationen und sogar eine Explosion auslösen können. Andererseits hat das Geheimnis eine negative Seite: es kann in einigen Fällen auch heißen, den Völkern eine Wahrheit zu vorzuenthalten, die aber notwendig ist, die zur Gewissensprüfung führt, zur Kritik und möglicherweise zur Veränderung einer Gesellschaft. Deshalb wandeln Diplomaten und Politiker immer auf einem extrem dünnen Grat." (rv)