Die Kirche sollte nicht nur „um eigene Strukturprobleme“ kreisen. Das sagte der Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, in einem Vortrag an der Katholischen Universität von Valencia in Spanien. Eine „Neujustierung von … bischöflicher Kollegialität und dem Primat des Papstes darf die epochale Herausforderung der Gottesfrage nie aus den Augen lassen“, so der designierte Kardinal. Sein Text erschien in Kurzfassung auch in der Vatikanzeitung „L'Osservatore Romano“ von diesem Freitag, zeitgleich zur Papstaudienz für die Glaubenskongregation also. Deutlich stellt sich der deutsche Kurienerzbischof in dem Vortrag hinter das Projekt von Papst Franziskus, die Kirche zu dezentralisieren: „Der Papst kann und muss nicht die vielfältigen Lebensbedingungen, die für die Kirche in den einzelnen Nationen und Kulturen sich zeigen, zentral von Rom aus erfassen und jedes Problem vor Ort selbst lösen“.
„Kein Signal für Richtungswechsel oder Revolution“
Zur Neuevangelisierung gehöre durchaus „auch eine reformierte Primatsausübung“, fuhr der Leiter des wichtigsten Vatikan-Ministeriums fort. Er bestätigte, dass „auch die Bischöfe, die Synoden und Bischofskonferenzen eine größere Verantwortung wahrnehmen (sollten) inklusive einer gewissen lehramtlichen Kompetenz“. Aber, so Müller wörtlich: „Im Gegensatz zu oberflächlichen Interpretationen ist damit nicht das Signal für einen Richtungswechsel oder eine ,Revolution im Vatikan‘ gegeben.“ Die Kirche solle sich keine „Machtkämpfe und Kompetenzstreitigkeiten“ leisten, sonst bliebe am Ende „eine säkularisierte und politisierte Kirche zurück, die sich von einer Nichtregierungsorganisation nur noch graduell unterschiede“. Die Einheit der Bischöfe mit und unter Petrus hänge mit dem sakramentalen Charakter der Kirche zusammen. Darum gelte: „Nur um den Preis einer Entsakramentalisierung der Kirche könnte ein Machtkampf zwischen zentralistischen und partikularistischen Kräften geführt werden.“
Erzbischof Müller erwähnte, dass das Apostolische Schreiben Evangelii Gaudium von Papst Franziskus vom 24. November letzten Jahres „kein dogmatischer“ Text sei. Es gehe Franziskus mit dem Schreiben „um eine Überwindung der Lethargie und Resignation angesichts der extremen Säkularisierung und um ein Ende der lähmenden innerkirchlichen Auseinandersetzungen“. Mit einer Prise Spott wies der künftige Kardinal darauf hin, dass die Kirche nicht eine „rein menschliche Organisation“ sei; darum „ist die Frage nach ihrer vereinsrechtlichen Gründung durch den ,historischen‘ Jesus sachlich verfehlt“.
„Kirche ist kein Weltbund, Papst ist kein Ehrenvorsitzender“
Zum Thema Kollegialität der Bischöfe bemerkte er, es gehe dabei „nicht um eine schwebende geistliche Vollmacht, die nach Erwägungen politischer und strategischer Zweckmäßigkeit zwischen dem Papst und den Bischöfen, der Universalkirche und den Ortskirchen aufgeteilt würde“. Vielmehr habe Christus die Apostel „als Kollegium“ berufen und „ihnen den Apostel Petrus vorangestellt als Grundlage und Prinzip der Einheit … für die gesamte Kirche“. Beim richtigen Austarieren „der Beziehung zwischen Universalität und Partikularität“ der Kirche helfe der Blick auf andere „Organisationsformen von menschlichen Gesellschaften und Unternehmen“ nicht weiter.
Skeptisch äußerte sich der designierte Kardinal über eine mögliche Aufwertung von Bischofskonferenzen: „Da das Bischofskollegium der Einheit der Kirche dient, muss es selbst das Prinzip seiner Einheit in sich tragen. Dies kann nur der Bischof einer Ortskirche sein und nicht der Präsident einer Föderation von regionalen und kontinentalen Kirchenbünden.“ Eine Bischofskonferenz könne „niemals separate verbindliche dogmatische Erklärung abgeben oder gar definierte Dogmen und konstitutive sakramentale Strukturen relativieren“. Die katholische Kirche sei „nicht eine Föderation von Landeskirchen oder ein Weltbund von konfessionsverwandten kirchlichen Gemeinschaften, die aus menschlicher Tradition den römischen Bischof als Ehrenvorsitzenden respektieren“.
„Bischofsamt ist sakramental“
Dass Bischöfe Nachfolger der Apostel sind und in „Einheit mit dem Nachfolger Petri als dem sichtbaren Haupt der ganzen Kirche und des Bischofskollegiums“ stehen, ist nach Erzbischof Müllers Überzeugung grundlegend „für den katholischen Begriff von Kirche“. Ohne einen Primat des Bischofs von Rom sei die katholische Kirche darum nicht vorstellbar. Die Glaubenskongregation habe den Primat 1998 mit Recht als „Befugnis“ des Papstes bezeichnet, „der Einheit aller Bischöfe und aller Gläubigen wirksam zu dienen“. Der Präfekt der Kongregation betonte aber gleichzeitig, es sei „wichtig, den bischöflichen Dienst selber als sakramentale Wirklichkeit in der sakramentalen Kirche aufzufassen und ihn nicht mit dem eines Moderators von rein menschlichen Vereinigungen zu verwechseln“. (rv)