Gibt es gute und schlechte Bettler? In Österreich schwillt seit einiger Zeit eine Debatte um das Betteln an. So ist in Wien seit rund zwei Wochen das gewerbsmäßige Bitten um Geld verboten und kann mit einer Strafe von bis zu 700 Euro geahndet werden. Jede österreichische Region oder Stadt hat ihre eigene Regelung. In manchen Gegenden dürfen sich Bettler etwa nicht auf potentielle Spender zubewegen, sondern nur im Sitzen bitten. An diesem Wochenende hat es am Institut für Moraltheologie an der Universität in Wien zum Thema Betteln einen Kongress gegeben. Hier diskutierten Juristen, Soziologen, Historiker und Theologen unter anderem über die Ursachen der starken Ablehnung von Bettlern. Für den Dekan der Universität, Martin Jäggle, steht fest:
„Betteln gehört zu den Grundrechten. Die kirchlichen Bettelorden signalisieren ja auch, dass Betteln nicht etwas Unschickliches ist, sondern einfach auch ein Recht."
Bettelmönche, der Name spricht Bände. Gerade für Ordensmitglieder gehört das Betteln zur Lebensphilosophie, die von Bescheidenheit und der Annahme von Spenden bestimmt ist. Im Alten Testament sei die Rede von der „Sünde, dass es Bettler unter euch gibt". Mit einem Bettelei-Verbot werde „auch die Wahrnehmung realer Armut ausgesperrt", mahnt Jäggle.
„Alle Gesellschaften, soweit ich das überblicke, kennen Betteln, und nur bestimmte Gesellschaften versuchen es aus dem Bereich der Öffentlichkeit zurückzudrängen; das Kennzeichen dieser Gesellschaft ist, dass die sozialen Gegensätze zunehmen, dass sogenannte Wohlstandsregionen „bettelfrei" sein wollen, also sich im Konsum nicht behindern lassen wollen."
Scharfe Kritik übt der Grazer „Obdachlosenpfarrer" Wolfgang Pucher an rechtspopulistischen Politikern. Sie gingen oft gegen besseres Wissen – mit Unterstellungen gegenüber den Roma – auf Stimmenfang. Der Pfarrer berichtete an der Universität von Untersuchungen in Graz. Dort habe eine sechsmonatige Recherche der Polizei, ob es vor Ort „organisierte Bettelei" mit dahinter stehenden kriminellen Ausbeutern gibt, keine Hinweise erbracht, so Pucher. Vorurteile gegen Roma hätten sich jedoch über Jahrzehnte hinweg verfestigt, berichtet Pucher aus eigener Erfahrung.
„Ich muss zugeben, dieses Vorurteil habe ich selbst als Kind noch mitbekommen. In meiner Heimat hieß es, wenn die Roma durch mein Dorf gekommen sind: ´Sperrt die Hühner ein, nehmt die Wäsche ab, tut die Kinder ins Haus, denn die Roma stehlen alles.´ Ich gebe zu, dass ich das selber geglaubt habe. Und jetzt ist in Graz seit dem Jahre 1996 diese Gruppe in einer großen Zahl vertreten, und bis vor kurzem hat es nicht eine einzige Anzeige bei der Polizei wegen Diebstahls gegeben."
Bei dem Workshop „Betteln in Wien" waren weitere Themen die grundrechtlichen Bedenken gegenüber Bettelverboten und rassistische Ressentiments gegenüber bettelnden Roma. Die Teilnehmer planen ein längerfristiges interdisziplinäres Forschungsprojekt. (rv)