Jetzt hat auch der Vatikan seine Bankenkrise: Der Aufsichtsrat der sogenannten „Vatikanbank" IOR hat dem Präsidenten der Einrichtung, Ettore Gotti Tedeschi, das Misstrauen ausgesprochen. Der Banker, der seit 2009 an der Spitze des IOR stand, habe „trotz wiederholter Mahnungen … bestimmte Aufgaben von vordringlicher Wichtigkeit nicht ausgeführt". Das steht in einer Erklärung, die der Vatikanische Pressesaal am Donnerstagabend veröffentlichte. Worum es da genau ging, wird nicht gesagt.
„Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind bedrückt über das Vorgefallene, das zu diesem Misstrauensvotum geführt hat. Aber sie halten diese Aktion für wichtig, um das Institut arbeitsfähig zu erhalten." Mehr sagt das Statement aus dem IOR nicht. Der Rat wolle jetzt „nach vorne schauen" und hoffe auf einen „exzellenten neuen Präsidenten, der dem Institut helfen wird, effektive und starke Beziehungen zwischen dem Institut und der Finanzwelt wiederherzustellen – auf der Basis gegenseitigen Respekts vor den international gängigen Bankenstandards". Das Vatikanstatement macht deutlich, dass der Aufsichtsrat bei seiner ordentlichen Sitzung vom Donnerstag „einstimmig" so entschieden hat. Das bedeutet: Auch der Spanier Manuel Soto Serrano hat gegen Gotti Tedeschi gestimmt. Soto Serrano gehört auch zum Aufsichtsrat des „Banco de Santander", für die Gotti Tedeschi ebenfalls arbeitet.
Noch am Abend erklärte Gotti Tedeschi seinen Rücktritt von der IOR-Spitze, gab aber keine weiteren Erklärungen ab. An diesem Freitag nun wird die Kardinalskommission zusammentreten, die für das IOR zuständig ist. Sie muss unter der Leitung von Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone entscheiden, wie es jetzt generell weitergehen soll. Die Führung des Instituts liegt derzeit vorübergehend bei seinem Vizepräsidenten, dem Deutschen Hermann Schmitz. Der international renommierte Banker Ettore Gotti Tedeschi hatte sich in den zurückliegenden Jahren vor allem darum bemüht, dass das IOR auf die sogenannte „Weiße Liste" kommt. Diese Liste führt Länder auf, die internationale Standards gegen Geldwäsche, dubiose Finanzgeschäfte und Terrorfinanzierung einhalten. Die Experten der internationalen Einrichtung Moneyval werden im Juli ihren Prüfbericht vorlegen. Auf dessen Grundlage wird dann entschieden, ob der Vatikan den Sprung auf die Liste schafft.
Gotti Tedeschi ist Professor für Ethik und Finanzwesen an der Katholischen Universität Mailand, Autor mehrerer Bücher und häufiger Kolumnist in der Vatikanzeitung „Osservatore Romano". Er war Berater des früheren italienischen Wirtschafts- und Finanzminister Giulio Tremonti.
Das Kürzel IOR steht für „Istituto per le Opere Religiose", Institut für religiöse Werke; es wurde 1942 von Papst Pius XII. gegründet, um die Gelder kirchlicher Stiftungen zu verwalten. Weitere Gelder kommen von Ordensgemeinschaften, Bischofskonferenzen, Päpstlichen Universitäten oder Klöstern. Eine eigentliche Staatsbank ist es nicht – eher ein weltweit operierendes Werk mit Sitz im Vatikan. Es untersteht nicht dem Heiligen Stuhl, sondern direkt dem Papst als Alleineigentümer. Dem Aufsichtsrat gehören fünf Laien an, die von der Kardinalskommission ausgesucht werden. Ein Konto können dort Ordensleute, Vatikanangestellte und Diplomaten beim Heiligen Stuhl eröffnen.
Immer wieder war das IOR in den letzten Jahrzehnten in Finanzskandale verwickelt; Papst Benedikt bemüht sich darum, es auf Transparenz und das Einhalten internationaler Standards zu verpflichten. Ende 2010 paßte der Papst die Regeln für Finanzgeschäfte im Vatikan per Dekret den EU-Normen an. Außerdem richtete er ein Kontrollgremium namens AIF ein, um allgemein die Finanz- und Vermögensangelegenheiten im Vatikan zu kontrollieren. (rv)