Olympische Spiele: Brasilianische Sorgen über das Danach

Rio 2016Rio de Janeiro liefert sich einen Wettlauf mit der Zeit. Am 5. August fällt der Startschuss für die Olympischen Spiele, bis dahin muss noch gebaut werden. Und weil das unter Druck passiert, kostet es mehr als vorgesehen. Das Ergebnis: Die Gesellschaft ist gespalten darüber, ob sie sich über den Sportevent freuen soll oder klagen. Pater Leandro Lenin Tavares ist Olympiapfarrer von Rio de Janeiro und er zeichnet ein eher düsteres Bild von der Situation im Land heute.

„Einerseits freuen sich die Menschen über die Spiele, andererseits sind sie besorgt, was die Ausgaben angeht“, sagt Pater Leandro. „Die Bevölkerung ist auch besorgt, dass sie selber nach den Spielen nicht viel davon hat. Natürlich ist es gut, dass investiert wird, andererseits muss die Bevölkerung aber auch davon etwas haben. Und was die Menschen ganz besonders beschäftigt, über die Spiele hinaus, ist natürlich die politische Krise in Brasilien.“

Mitte Mai hatte der Senat des Landes Präsidentin Dilma Rousseff suspendiert, aus dem Folgekabinett mussten aber bereits ebenfalls Minister wegen Korruption zurücktreten, das Land kommt nicht zur Ruhe. Hinzu kamen vor einigen Tagen Massenproteste gegen Gewalt an Frauen. Anlass war die Vergewaltigung eines jungen Mädchens durch wahrscheinlich mehr als zehn Männer. Drittes Problemfeld ist die Gesundheitsfrage, zum Zika-Virus gehen derzeit sich widersprechende Meldungen über Ansteckungsgefahr und Gefährlichkeit um die Welt.

„Das sind beides sehr brasilianische Themen“, sagt Pater Leandro, sie würden nur unterschiedlich angegangen. Zum Virus etwa sei die Bevölkerung gut informiert, es gab Kampagnen gegen den Virus, alles sei unter Kontrolle. Was die Gewalt in den Städten angehe, sei die Situation anders. Während der Olympischen und Para-Olympischen Spiele sei die Stadt sicher, davon könne man ausgehen. „Was uns als Brasilianer und als Bewohner von Rio de Janeiro aber mehr interessiert und Sorge macht ist die Frage, was nach den Spielen ist. Wird es diese Sicherheit weiter geben? Wir wissen ja nun, dass wir es können, und wir brauchen Sicherheit in der Stadt.“

Von außen sehe es so aus, dass nach Weltjugendtag und Fußballweltmeisterschaft Brasilien mittlerweile Routine habe bei der Ausrichtung solcher Events. Dabei werde gern übersehem, wie komplex das alles sei und vor allem wie viele Ressourcen das benötige. Das Land habe gelernt, bewertet der Olympiapfarrer den Fortschritt, die Organisation liefe besser und man übernehme von den Vorgängerevents viel Know-How. „Die Touristen und die Athleten werden ein Rio de Janeiro sehen, das sie begeistert, aber sie sollen auch Hause fahren und unsere Probleme gesehen haben. Wir möchten ihnen eine wundervolle Stadt zeigen, aber wir werden unsere Probleme nicht verstecken. Wir möchten, dass sie hinter die Kulisse schauen.“

Hintergrund

Pater Leandro Lenin Tavares ist als Olympia-Kaplan Teil der offiziellen Organisation. Zu seinen Aufgaben gehört der interreligiöse Dialog vor Ort, im Olympiapark wird es ein Zentrum zu diesem Thema geben, beteiligt sind Christen, Juden, Muslime, Buddhisten und Hinduisten. (rv)

Kommentar: Der Krieg als Chance

BelgienBRÜSSEL – „Wir befinden uns im Krieg“. Damit hat Frankreichs Premier Manuel Valls gestern auf den Punkt gebracht, was nicht erst seit Brüssel bitterste Wahrheit ist. Es herrscht Krieg. Auch wenn viele unter uns — auch ich — es eigentlich nicht wahrhaben wollen. Und nun? Die Frage ist, wie wir ehrlich, sachlich und differenziert damit umgehen, und dann vor allem handeln. Ohne selbst-verordnete Scheuklappen oder emotionale Hysterie. Als Christen, als Bürger, als Gesellschaft. Was also tun? Drei Dinge würde ich vorschlagen:

  1. Die Opfer beim Namen nennen, für sie beten — und ihren Hinterbliebenen beistehen. Christen, aber auch Jesiden, Atheisten, Juden, Muslime; alle, die den Terroristen zum Opfer fallen, egal ob in Brüssel, auf dem Sinai oder in Istanbul. Gedenken wir ihrer, und helfen wir den Überlebenden; auch mit Asyl.
  2. Den Gegner beim Namen nennen, für ihn beten — und sich seiner wehren. Wie wir uns vor andere stellen würden, welche uns und unserer Freiheit an die Kehle wollen. Das ist auch Christenpflicht. Der selbst-ernannte Islamische Staat lebt eine mörderische Ideologie, die weder uns respektiert noch unsere Demokratie und Werte, noch die meisten anderen, inklusive dem übrigen Islam. Völlig egal, ob er sich IS nennt, oder als Takfirismus, Salafismus etikettiert wird: Diese Ideologie hat keinen Platz in unserer Gesellschaft. Nicht in unseren Flüchtlingsheimen, nicht an unseren Schulen, in unseren Fußgängerzonen, den sozialen Medien — und schon gar nicht in unseren Moscheen und Kulturvereinen. Ein Islamgesetz, robuster Schutz sowie eine rationelle Migrationspolitik wären ein Anfang.
  3. Diese Bedrohung, dieser Krieg, ist auch eine Gelegenheit, die „doppelte tiefgreifende Krise“ des Glaubens in Europa zu überwinden, die Papst emeritus Benedikt XVI. unlängst diagnostiziert hat und auch Franziskus tadelt. Auch der – endlich anerkannte – Völkermord des IS und sein Terror sind ein Aufruf zur Umkehr und zum Zeugnis seiner Liebe. (CNA Deutsch)

Vatikan-Diplomat sieht langsames Erwachen des Westens in der Causa Irak

UNO-Fahne Einen militärischen Eingriff im Nordirak, sofortige humanitäre Hilfe und einen Stopp für Waffenlieferungen an Islamisten: das hält Erzbischof Silvano Maria Tomasi für die geeignete Strategie, um die blutige Krise des „Islamischen Staates“ einzudämmen. Erzbischof Tomasi ist ständiger Beobachter des Heiligen Stuhles bei der UNO in Genf. Er sagte uns:

„Die Notwendigkeit, die Christen im Nordirak auch physisch zu schützen, ist evident. Man muss humanitäre Hilfe leisten, Wasser und Nahrung liefern, denn Kinder und Alte sterben dort bereits aus Mangel an Nahrung. Sie mussten gehen ohne irgendetwas, nur in ihrer Kleidung. Man muss sofort helfen, ehe es zu spät ist. Eine Militäraktion ist vielleicht in diesem Moment nötig, es scheint mir aber auch dringend, dass alle jene, die Fundamentalisten mit Geld und Waffen versorgen – einschließlich der Länder, die sie stillschweigend unterstützen – aus der Deckung kommen und diese Unterstützung einstellen, denn sie ist weder für Christen noch für Muslime gut.“

Tomasi sprach von einer „neuen Tragödie im Mittleren Osten“: die grundlegendsten Menschenrechte Zehntausender Menschen und ganzer Gemeinschaften seien verletzt. Die Tatsache, dass es sich bei vielen Opfern um Christen handle, mache die Sache in der westlichen Öffentlichkeit ambivalent.

„Wir stehen vor einer komplizierten Lage. Einerseits sind da die Fundamentalisten, die im Namen eines Kalifates, das sie errichten wollen, zerstören und erbarmungslos morden. Auf der anderen Seite sehen wir eine gewisse Gleichgültigkeit der westlichen Welt. Wenn es Christen sind, deren Rechte es zu verteidigen gilt, gibt es da eine falsche Scham. Es ist ein Moment, in dem die Stimme des Gewissens klar und laut sprechen muss.“

Tomasi beobachtet aber auch eine langsam einsetzende Haltungsänderung bei der internationalen Gemeinschaft. Der Generalsekretär der UNO habe endlich von „inakzeptablen Verbrechen“ durch den „Islamischen Staat“ gesprochen und ausdrücklich als Opfer die Christen benannt. Auch der UN-Sicherheitsrat habe über die Minderheiten im Mittleren Osten gesprochen, besonders die christlichen.

„Neu scheint mir zu sein, dass einige Muslime – etwa der Generalsekretär der Organisation für Islamische Zusammenarbeit – sich ziemlich deutlich ausgedrückt haben, als sie die Christenverfolgung im Irak verurteilten. So wurde von islamischer Seite nicht nur das Recht der Christen auf Leben verteidigt, sondern auch ihr Recht, zu Hause zu leben wie alle anderen Bürger des Irak oder etwa Syriens. Ein Mittlerer Osten ohne Christen wäre eine Verarmung nicht nur für die Kirche, sondern auch für den Islam, dem dann ein Antrieb für Demokratie und ein Sinn für den Dialog mit dem Rest der Welt fehlen würde.“ (rv)

Irak: „Christen und Muslime wurden getäuscht“

IrakDie letzten noch verbliebenen Christen in Mossul sind den Kämpfern des „Islamischen Staates“ regelrecht in die Falle gegangen. Das berichtete gegenüber Radio Vatikan der syrisch-katholische Erzbischof der irakischen Stadt, Yohanna Petros Mouché auf Anfrage. Am Donnerstagabend seien den Christen bei einer Versammlung die Bedingungen mitgeteilt worden, zu denen sie in der Stadt bleiben dürften: Entweder sie treten zum Islam über, oder sie bezahlen eine besondere, im islamischen Recht vorgesehene Steuer für Nichtmuslime. Als dritte Option wurde den Christen das Verlassen der Stadt unter Zurücklassung jedes Eigentums genannt, so der Erzbischof. Die wenigen verbliebenen Familien rüsteten sich jetzt zum Aufbruch. Erzbischof Mouché zufolge haben die Islamisten ihre Taktik gegenüber der Bevölkerung im Vergleich zur Anfangsphase radikal verändert. Sie hätten inzwischen damit begonnen, das Eigentum der Christen zu plündern. In den vergangenen Tagen wurden die Häuser der Christen – und der sunnitischen Muslime – mit Zeichen markiert. „Die Muslime ebenso wie die Christen haben sich geirrt und sind den Terroristen in die Falle gegangen“, schrieb Erzbischof Mouché in seiner Mitteilung. „Was in diesen Tagen geschieht, haben wir noch nie erlebt.“  (rv)
 

Kardinal Tauran: „Papst hat großen Respekt vor Muslimen“

Kardinal TauranDie diesjährige Botschaft des Vatikans zum Ende des Ramadan hat Papst Franziskus persönlich verfasst. Das betonte der Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, Kardinal Jean-Louis Tauran, im Gespräch mit Radio Vatikan. In den vergangenen Jahren hatte jeweils der Päpstliche Rat die Botschaft im Auftrag des Papstes geschrieben. Diesmal wollte Franziskus zeigen, dass er „großen Respekt vor Muslimen" habe, so Tauran.

„Ich kann mich gut erinnern, dass der jetzige Papst als er noch Erzbischof von Buenos Aires war, einen Priester seiner Erzdiözese nach Kairo schickte, damit dieser arabisch lerne und auch um sich für den Dialog mit Muslimen auszubilden. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass jetzt der Papst am Anfang seines Pontifikates diese Botschaft auch selber schreiben wollte. Der Dialog mit dem Islam zählt ohne Zweifel zu den Prioritäten seines Pontifikates."

In dem Text des Papstes wird auf den gegenseitigen Respekt hingewiesen, der vor allem durch die Bildung gefördert werden könne. Auch fügt Franziskus an, dass die Achtung der Religionsführer und der Kultstätten gewährleistet werden sollen. Dazu Kurienkardinal Tauran:

„Der Papst betont, dass wir uns – also Christen und Muslime – gegenseitig noch nicht gut kennen. Es wurde zwar bisher sehr viel unternommen, aber es braucht weiterhin sehr viel, damit beide Seiten die Tiefe des anderen Glaubens und den gegenseitigen vollen Respekt verstehen. Was ich schade finde ist, dass es nach den schönen Worten, die es in den letzten Jahren immer wieder gab, keine konkreten Schritte gab. Wir haben in unseren Gesprächen durchaus konkrete Resultate erreicht, die aber bisher nicht zum Beispiel durch staatliche Gesetze umgesetzt wurde."

Die betrifft vor allem islamischgeprägte Länder im Nahen Osten. Doch auch in Europa besteht Nachholbedarf, so Kardinal Tauran.

„Leider verwechseln viele Europäer den islamistischen Fundamentalismus mit dem eigentlichen Islam. Wir müssen aber ganz klar sehen, dass der Fundamentalismus für beide – also für das Christentum und für den Islam – ein gemeinsamer Feind ist. Deshalb betont ja der Papst in seiner diesjährigen Botschaft, dass die Bildung so wichtig ist. Denn nur Menschen mit Bildung verstehen, dass der Fundamentalismus nichts mit Glauben und mit der Barmherzigkeit Gottes zu tun haben kann." (rv)

Deutschland: DBK-Vorsitzender fordert von Muslimen klare Distanzierung

Angesichts der gewalttätigen Proteste in der islamischen Welt hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, eine klare Distanzierung der Muslime gefordert. „Der Islam muss sich von jeder Form des Fundamentalismus lossagen. Töten im Namen Gottes ist eine Sünde gegen Gott", sagte der Konferenzvorsitzende und Freiburger Erzbischof der Zeitung „Bild". Zur Meinungsfreiheit gehöre auch, die Freiheit des anderen einschließlich seines religiösen Bekenntnisses zu respektieren, so der Erzbischof. „Zu häufig – auch bei uns in Deutschland – wird die Schmerzgrenze überschritten." Kritisch zur Diskussion äußerte sich der italienische Kardinal Camillo Ruini in einem Radiointerview: „Wenn wir die Beleidigungen des Islams nur deshalb beklagen, weil sie zu Tötungen und Unruhen führen, dann zeigen wir damit, dass uns der Respekt vor Religion nicht wirklich interessiert, sondern nur der Schutz unserer praktischen Interessen." Der frühere Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz erklärte weiter: „Die Ereignisse dieser Tage sollten uns nicht nur dem Islam gegenüber sensibler machen, sondern allen Religionen gegenüber." (rv)

Nigeria: Wachsender Islam und christliche Laxheit

Die politischen und die religiösen Probleme in Nigeria sind nicht voneinander zu trennen, sie überkreuzen sich. Das sagt Bischof Ignatius Kaigama von Jos im Interview mit Radio Vatikan. Der Bürgerkrieg mit den Boko Haram schaffe ein riesiges Problem für das Land, aber man dürfe die Krise nicht zu vereinfacht betrachten.

„Es ist ein Fehler, jede Krise in Nigeria auf Religion zu reduzieren. Es gibt soziale, politische und ökonomische Fragen, es gibt die Probleme der nachwachsenden Generation; all das löst Krisen aus. Irgendwie wird daraus dann eine Krise zwischen Muslimen und Christen. Ich bestehe darauf, dass es eine Trennung gibt: Ja, es gibt religiöse Interessen, aber die sind nicht für die gesamte Krise verantwortlich. Manchmal gehen wir nicht weit genug in unserer Suche nach den wirklichen Wurzeln des Problems. Ich gebe zu, es gibt religiöse Probleme. Es gibt religiöse Spannung, aber wir befinden uns nicht im Krieg zwischen Christen und Muslimen."

Diesen Krieg führe allein die Boko Haram, sie wolle einen islamistischen Staat, aber diese Gruppe dürfe man auf keinen Fall mit dem gesamten Islam identifizieren, so Kaigama, dessen Bistum im Zentrum des Landes und damit an der Grenze zwischen dem relativ ruhigen Süden und den Unruhegebieten im Norden liegt. Die Regierung und die Sicherheitsbehörden scheinen der Gewalt hilflos gegenüber zu stehen. Und da Sicherheit nicht gewährleistet werden könne, gebe es Angst.

„Es könnte entweder zu einem offenen religiösen Konflikt oder zu einem Bürgerkrieg des Nordens gegen den Süden bzw. des Südens gegen den Norden kommen. Wenn das geschieht, dann werden unvermeidlich auch andere Teile Westafrikas in Mitleidenschaft gezogen, schließlich ganz Afrika. Wir wollen also keinen Krieg in Nigeria!"

Man hoffe auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft, um die Situation friedlich lösen zu können. Und im Augenblick seien es gerade die Christen, die unter der Krise besonders litten.

„Es ist ein Kampf ums Überleben für die Christen. Denken Sie nur an Nordafrika, das einmal sehr christlich war. Jetzt wachen wir auf und sehen die Christen in der Minderheit. Die islamischen Gemeinschaften haben Energie und tun alles, um ihren Glauben zu verbreiten und ihre eigene Religion zu beschützen. Wir Christen hingegen – sowohl in Afrika wie auch im Westen – halten uns zurück und sind manchmal sogar die schärfsten Kritiker des Christentums. Ehemals christliche Länder können Sie sagen hören, dass man jetzt in einer nach-christlichen Ära lebe. Der Islam weitet sich aus, und zwar in den verschiedensten Ländern Europas. Und auch in Afrika: In dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, gab es keine Muslime – und jetzt steht dort eine Moschee. Es gibt eine phänomenale Ausdehnung auf Kosten der Christen, die dem nur Laxheit in der Praxis des Glaubens entgegenzusetzen haben." (rv)

CCEE: „Kirche-Staat, und der Islam?“

Welche Rolle spielt der Islam im Verhältnis zwischen Staat und Kirche in Europa? Über diese heikle Frage berät ab Dienstag der Rat der europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) in Turin. Als Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) ist Helmuth Wiesmann dabei, der Geschäftsführer der Unterkommission für den interreligiösen Dialog der DBK. Es ist zwar nicht das erste Mal, dass Vertreter der europäischen Bischofskonferenzen über den Islam sprechen, dafür ist aber die Gästeliste länger, so Wiesmann:

„Muslimische Vertreter sind aber diesmal eingeladen. Denn es geht ja primär darum, dass wir uns verständigen und darüber austauschen, was die Erfahrungen in den jeweiligen Ländern im Bezug auf das Verhältnis Staat-Kirche betrifft. Und wir suchen nach Positionen und diese sollen auf den Prüfstand gestellt werden. Eine Begegnung mit Muslimen ist eine andere Ebene. Wir hatten eine solche Begegnung mit Muslimen vor zwei Jahren in Brüssel durchgeführt. Da gab es eine gemeinsame Tagung."

In Turin wird auch der Kurienkardinal Jean-Louis Tauran sprechen. Er ist im Vatikan für den interreligiösen Dialog zuständig. Weiters wird ein nordafrikanischer Bischof die aktuelle Situation im arabischen Raum erklären. Wiesmann dazu:

„Wir freuen uns, dass der Erzbischof von Tunis, Mahoun Laham, dabei sein wird. Wir hoffen, dass er nicht nur über das Leben dort sprechen wird, sondern uns auch Hinweise geben kann, was ihm besonders wichtig erscheint, wenn europäische Kirchen zum Thema Islam sprechen. In so fern verspreche ich mir eine Bereicherung von dieser Tagung. (rv)

Ägypten: Hoffnung nach neuen Zusammenstößen

Nach den schweren Zusammenstößen zwischen Kopten und Muslimen in Kairo in der Nacht auf Sonntag hat das Oberhaupt der orthodoxen Kopten die Christen dazu aufgefordert, ihren Sitzstreik im Zentrum der Hauptstadt zu beenden. Papst Shenouda III. sagte, der Protest lade die ohnehin schon gespannte Situation zwischen Kopten und Muslimen noch weiter auf. Er warnte zudem davor, dass die ägyptische Interimsregierung unter Führung der Streitkräfte dabei sei, die Geduld mit den Demonstranten zu verlieren. Zuvor hatte eine wütende Menge in Kairo die christlichen Demonstranten mit Steinen und Brandsätzen angegriffen, zwei Menschen starben. Jetzt nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen, ist auch das Anliegen der koptischen Katholiken. (rv)

D: „Deutschlands Muslime müssen sich als Religionsgemeinschaft beweisen“

Deutschlands Muslime brauchen eine verfassungsrechtliche Vertretung als Religionsgemeinschaft. Und sie müssen das Grundgesetz, wie etwa die Trennung von Staat und Religion, geschlossen akzeptieren. Daran erinnert der Islamwissenschaftler Ralph Ghadban mit Blick auf die Deutsche Islamkonferenz (DIK). Der Migrationsforscher sagte im Gespräch mit Radio Vatikan: „Die Muslime müssen dem Gesetzgeber, den Gerichten, der Bevölkerung in Deutschland beweisen, dass sie religiöse Institutionen sind und keine politischen. Das ist bis heute nicht passiert. Und wenn sie wirklich religiöse Organisationen werden, setzt das voraus, dass ein Prozess der Säkularisierung bei ihnen stattgefunden hat, auch eine theologische Arbeit. Davon sind sie aber sehr weit entfernt."

Ein zweites Problem der Muslime in Deutschland sei organisatorischer Natur, so Ghadban. Die deutsche Politik müsse sich mit Verbänden auseinandersetzen, die jeweils unterschiedliche Richtungen des Islam verträten und untereinander uneinig seien. Darüber hinaus seien weit nicht alle Muslime in Verbänden organisiert. Die auf der aktuellen Islamkonferenz anwesenden Vereine könnten also nicht als Vertretung der 4 Millionen Muslime in Deutschland gelten, auch wenn sie Entscheidungsmacht hätten:

„Diese Organisationen vertreten im besten Fall 15 Prozent der Muslime. Wenn zwei Dachorganisationen ausfallen, ist das ein geringer, aber bedeutender Teil, weil diese Organisationen das Religiöse verwalten, das heißt, sie besitzen die Moscheen. Ich gehe davon aus, dass mit diesen beiden Dachverbänden 450 Moscheegemeinden ausgeschlossen werden." (rv)