Papst Franziskus betrübt über Gewalt im Heiligen Land: „Gott möge Erbarmen mit uns haben!“

VATIKANSTADT – Betrübt und besorgt hat sich Papst Franziskus angesichts der Gewalt im Heiligen Land und im Nahen Osten gezeigt.

Am Ende der Generalaudienz vom Mittwoch, den 15. Mai, sagte der Heilige Vater in seiner Botschaft: „Ich bin sehr besorgt und betrübt wegen der Zunahme der Spannungen im Heiligen Land und im Nahen Osten und wegen der Spirale der Gewalt, die uns immer mehr vom Weg des Friedens, des Dialogs und der Verhandlungen entfernt.“

„Ich drücke meine große Trauer um die Toten und Verwundeten aus und bleibe allen, die leiden, durch Gebet und Zuneigung nahe. Ich wiederhole, dass der Einsatz von Gewalt niemals zu Frieden führen wird. Krieg ruft Krieg herbei, Gewalt ruft Gewalt herbei.“

Er forderte auch „alle beteiligten Parteien und die internationale Gemeinschaft auf, ihren Einsatz zu erneuern, damit Dialog, Gerechtigkeit und Frieden die Überhand gewinnen.“

Nach einem Ave Maria rief der Papst: „Gott möge Erbarmen mit uns haben!“

Der Heilige Vater hat seine Solidarität mit den Toten und Verwundeten der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen palästinensischen Demonstranten und israelischen Soldaten im Gazastreifen (Palästina) zum Ausdruck gebracht.

Am vergangenen Montag, dem 14. Mai wurden mindestens 60 Palästinenser getötet und weitere 2000 verletzt, nachdem die israelische Armee das Feuer gegen Aktivisten und Demonstranten eröffnet hatte, die gewaltsam gegen die Verlegung der amerikanischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem protestierten.

Die Entscheidung der US-Regierung provozierte palästinensische Betroffene, die Jerusalem als Hauptstadt eines zukünftigen palästinensischen Staates fordern. Der Schritt wurde gleichzeitig mit den Feiern zum 70. Jahrestag der Gründung des Staates Israel vollzogen.

Obwohl Israel im Jahre 1967 alle seine politischen Institutionen in die Stadt Jerusalem verlegte – dem Jahr, in dem es die bis dahin unter jordanischer Souveränität stehende Stadt annektierte – erkennt die internationale Gemeinschaft nur Tel Aviv als Hauptstadt an.

In der Tat befanden sich bis zur Verlegung der amerikanischen Botschaft alle internationale Botschaften in Tel Aviv. (CNA Deutsch)

Gebetsinitiative für Frieden: „Gebet ermöglicht mutige Entscheidungen“

EB Pietro ParolinMit der Einladung zum Friedensgebet im Vatikan und dem Gang zur Trennmauer in Bethlehem hat Papst Franziskus abweichend vom Programm deutliche Signale für den Frieden gesetzt. Dabei hat er aber nicht den Charakter der Pilgerreise in einen politischen Besuch geändert. Das betont Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin am Ende des zweiten Tages der Papstreise. Im Gespräch mit Radio Vatikan zieht er die Verbindung zwischen dem spirituellen Gehalt und dem Frieden zwischen Israelis und Palästinensern, wie der Papst sie auch ziehe. „Wir unterstreichen hier noch einmal die Macht des Gebetes, das will auch der Papst unterstreichen. Bei so vielen Sackgassen, politischen und diplomatischen, dem ganzen Knäul von Schwierigkeiten und Problemen, vor denen wir stehen und die wir auch in den zwei Tagen, in denen wir nun hier sind, schon erlebt haben, will der Papst einmal mehr diese Kraft des Gebetes aufzeigen, das die Herzen zusammen bringen kann und allen die Fähigkeit gibt, mutige Entscheidungen zu treffen. Ich möchte das noch einmal unterstreichen: Mutige Entscheidungen. Alle brauchen die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, die uns wirklich zum Frieden führen.“ Auf diesen Wandel, bei Abbas und Peres wie bei allen, die im Nahen Osten leben, hofft Kardinal Parolin. Nur so käme man zum Frieden. Die geistliche Dimension bedeute aber auch, dass der so langsam entstehende Frieden nicht rein menschliches Tun sei. „Der Frieden ist ein Geschenk Gottes. Aber wenn man das sagt, dann füge ich immer hinzu, dass das Geschenk die Umformung unserer Herzen ist. So interpretiere ich das. Es kommt nicht fertig vom Himmel herab, sondern verwandelt uns, so dass wir Handelnde für den Frieden werden können, Tag für Tag. Das ist das Geschenk Gottes. Wir wissen, dass wir dieses Geschenk annehmen, wenn wir uns vom Heiligen Geist verwandeln lassen.“ (rv)

Das wichtigste Ziel erreichen sie immer

Bischof Stephan AckermannSie wollen auch in den Gazastreifen reisen: Bischöfe aus Europa und Nordamerika treffen sich ab diesem Samstag im Heiligen Land. Zum 13. Mal findet dieser Solidaritätsbesuch schon statt, Hauptort ist dieses Jahr Betlehem. 1998 hatte die Bischofskonferenz von England und Wales die Sache ins Rollen gebracht; der Weihbischof von Birmingham William Kenney gehört heute zu den Organisatoren. „Zu den wichtigsten Punkten im Besuchsprogramm gehört diesmal das Treffen mit Flüchtlingen, in Jordanien und in mehreren Gebieten Palästinas“, erklärt Kenney uns von Radio Vatikan. „Bei unserer Visite im Gazastreifen werden wir versuchen zu verstehen, was bei dem Krieg neulich dort geschehen ist und inwiefern das die kleine christliche Minderheit betrifft. Ansonsten werden wir über die anhaltende Besetzung des Westjordanlandes sprechen und über die Lage der Christen.“

Die Bischofsreise findet kurz vor den israelischen Parlamentswahlen statt, bei denen allgemein mit einer Stärkung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gerechnet wird. Dazu kommen, als gar nicht mal so fernes Donnergrollen, der Konflikt in Syrien und der Atomstreit mit dem Iran. „Das alles schafft viel Unbehagen – vor allem die Lage in Syrien. Da ist die Lage ausgesprochen ernst, weil niemand weiß, was passieren wird, wenn ein solches Schlüsselland außer Kontrolle gerät. Und ich fürchte, dass auch hier wieder einmal die Flüchtlinge und die Armen den höchsten Preis zahlen werden.“

Bischof Kenney tut nicht so, als rechne er mit spürbaren politischen Auswirkungen der Bischofsreise auf das komplexe Geschehen in Nahost. „Trotzdem glaube ich, dass diese Besuche immer ihr Ziel erreichen – in dem Sinn nämlich, dass sie den Christen dort signalisieren, dass wir uns auch weiterhin um sie kümmern und sie nicht vergessen haben. Also, dieses Ziel erreichen wir immer. Und wenn wir dann in unsere Länder zurückkehren, versuchen wir jedesmal, auch unsere Regierungen für die Lage der Christen im Nahen Osten hellhörig zu machen.“

Die Solidaritätsreise wird am 10. Januar mit einer Messfeier in der Grabeskirche von Jerusalem und einer Pressekonferenz enden. Auf der Liste der angereisten Bischöfe stehen u.a. die Erzbischöfe Joan-Enric Vives (Spanien) und Richard Smith (Kanada) sowie die Bischöfe William Kenney und Declan Lang (beide Großbritannien), Gerald Kicanas (USA) und Michel Dubost (Frankreich). Deutschsprachig sind die Bischöfe Stephan Ackermann (Deutschland) und Peter Bürcher (Island). (rv)

Bechara Boutros Rai: Ein neuer Kardinal für alle Libanesen

„Die Kirche ermutigt alle Anstrengungen, die für den Frieden im Nahen Osten unternommen worden sind": Der Frieden sei jedoch nur dann von Dauer, „wenn er auf dem authentischen Respekt des einen für den anderen basiere". Diese Worte des Papstes anlässlich der Audienz an die neuen Kardinäle und ihre Begleitungen, die an diesem Montag stattgefunden hatte, trafen insbesondere einen der neuen Kardinäle persönlich: Der Libanese Bechara Boutros Rai lebt in einem Land, das täglich unter den Spannungen, die den Nahen Osten umtreiben, leidet und das auf der anderen Seite als Vorbild für das friedliche Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen gilt. Im Interview mit Radio Vatikan erzählte der neue Kardinal, dass seine Erhebung zum Kardinal im ganzen Land, ohne Ansehen politischer und konfessioneller Unterschiede, Freude ausgelöst habe:

„Alle Libanesen, Christen und Muslime aller politischen Lager und aller Glaubensrichtungen, haben diese Geste des Papstes als eine Anerkennung für die Kirche im Land, aber auch für die Libanesen gewürdigt. Und alle haben verstanden, dass sie durch die Ehre des Kardinalsamtes aufgerufen worden sind, auch weiterhin ihr Zeugnis des friedlichen Zusammenlebens abzulegen, und auch die Apostolische Exhortation zu verbreiten. Ich selbst bin dem Papst sehr dankbar. Gleichzeitig fühle ich mich ermutigt, meine Mission trotz der Herausforderungen, die uns im Libanon und im Nahen Osten erwarten, weiterzuführen.

Insbesondere die Tatsache, dass seine Wahl von allen Libanesen so positiv aufgenommen worden sei, sei ihm eine große Ermunterung, so der frischgebackene Kardinal weiter. Erstes Ziel seiner Rückkehr in den Libanon sei es, die in der apostolischen Exhortation festgelegte Marschroute zu verwirklichen. Diese Marschroute, so der Kardinal, werde von Papst Benedikt selbst immer wieder vorgegeben, was auch bedeute, dass er aus den Worten des Papstes immer wieder Mut schöpfen könne – zuletzt bei eben jener Audienz, bei dem sich der Papst mit seinem Appell persönlich und auf Französisch an ihn gewandt hatte. Insbesondere die Situation in Syrien, aber auch der wieder aufgeflammte Konflikt zwischen Hamas und Israel gäben Grund zur Sorge, so der Kardinal:

„Wir sind ein Teil des Ganzen: das ist wie ein System von miteinander verbundenen Becken. Im Nahen Osten sind wir eine Einheit, und deshalb hat alles Schlimme, was in einem Land passiert, Konsequenzen für uns. Das gilt natürlich auch für die positiven Dinge, die passieren. Wir sind besorgt um das Heilige Land, um Syrien, um den Irak und um Ägypten. Aber auch um den Libanon, denn leider nimmt der Radikalismus zu, Wir müssen eine starke Botschaft des Evangeliums überbringen, die wir dem Integralismus und Fundamentalismus, die leider überall Unterstützer finden, entgegen setzen müssen."

Die Ernennung zum Kardinal in einem solchen Klima der Unsicherheit bringe eine große Verantwortung mit sich. Doch der Kardinal ist zuversichtlich:

„Diese Verantwortung wird leichter zu ertragen, weniger drückend, wenn diese eine gemeinsame Vision von Christen und Muslimen wird." (rv)