Der Präfekt der Ostkirchenkongregation, Kardinal Leonardo Sandri, hat die letzten Tage im Heiligen Land verbracht, genauer: in Jordanien und im Libanon. Dabei wurde er immer wieder mit Anzeichen und Auswirkungen des Kriegs in Syrien konfrontiert. Hier unser „Interview der Woche" mit Kardinal Sandri.
„Ganz nahe bei der Gebirgskette, die Syrien vom Libanon trennt, gibt es ein Flüchtlingscamp, dort wohnen so zwischen zwei- und dreihundert Menschen in Zelten. Ich war mit der Caritas Libanon dort und habe mit den Menschen dort geredet. Ich habe mir auch die Krankenstation angesehen, die sie auf die Beine zu stellen versuchen, die ist aber noch nicht fertig, weil noch vieles fehlt, sie haben da keine Küche und keine Medikamente. Die Caritas hat meinen Besuch genutzt, um Matratzen ins Lager mitzubringen, denn die haben in den Zelten bisher auf dem Boden geschlafen. Das ist alles sehr elend, es ist herzzerreißend, das zu sehen. Kleine Kinder und Frauen – das ist die Mehrheit der Menschen, die dort leben, und viele haben in Syrien alles verloren. Ich habe nach der Messe dort mit einer katholischen Familie gesprochen: Die kam ganz aus der Nähe, gerade einmal von der anderen Seite der Berge, und hatte dort auf syrischer Seite alles verloren. Die griechisch-melkitische Diözese von Zahle hat ihnen Platz in diesem Lager besorgt. Aber es bricht einem das Herz, das zu sehen und nicht viel für sie tun zu können…"
Vor seinem Aufbruch Richtung Nahost hatte Kardinal Sandri mit seinem argentinischen Landsmann, Papst Franziskus, gesprochen. So konnte er den Syrien-Flüchtlingen Grüße des Papstes ausrichten.
„Es ist bewegend zu sehen, wie sehr diese Flüchtlinge die Caritas lieben. Die Caritas Libanon versucht alles für sie zu tun, dabei darf sie aber natürlich auch die notleidenden Libanesen nicht vernachlässigen. Ich habe eine kleine Geldspende des Papstes für die Flüchtlinge mitgebracht, 15.000 Dollar, und ich habe gesagt: Nehmt das als eine Liebkosung von Papst Franziskus, der an euch denkt und mit euch leidet und hofft, dass ihr eines Tages nach Hause zurückkehren könnt. Sie haben mich umarmt und überall herumgeführt, sie sprechen mit großer Hochachtung von der katholischen Kirche, dabei sind sie praktisch alle Muslime, in diesem Lager."
Diplomatisch herrscht an der Syrien-Front derzeit wieder etwas Bewegung; eine Konferenz soll im Juni Syriens Regime und seine Gegner an einen Tisch bringen. Kardinal Sandri sagt dazu:
„Wir sehen jetzt mit einem Fünkchen Hoffnung die Versuche der USA und Russlands, eine Formel für einen Frieden in Syrien zu finden. Aber das sind schwache Hoffnungen angesichts von all dem, was in den letzten Jahren passiert ist. Ich erinnere mich, wie ich im Januar 2011 in Aleppo in Syrien war; kurz danach brach dieser Krieg aus, und seitdem ist alles immer schlimmer geworden. Leider gibt es noch keine politische Lösung, und der Krieg droht auf den Libanon und den ganzen Nahen Osten überzugreifen. Das ist das Verstörende: Wie kann man all das Leiden zulassen und nichts tun? Die internationale Gemeinschaft hätte doch die Macht, etwas zu tun…"
Waffenembargos aufheben meint der Vatikan-Kardinal damit nicht. Aus seiner Sicht sei Waffenhandel in einer solchen Region ein „Todeshandel", so Sandri. (rv)