Papst Franziskus lässt sich beraten in der Frage, wie die katholische Kirche in Zukunft mit wiederverheirateten Geschiedenen umgeht. Die nächste Weltbischofssynode im Vatikan werde diesem Thema gelten, sagte Franziskus am Montag vor Priestern seiner Diözese Rom. Auch die neuartige Kardinalskommission, die sich Anfang Oktober erstmals im Vatikan trifft, werde das Thema behandeln, bekräftigte der Papst; dies hatte er bereits Ende Juli auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Rio angekündigt. Das Treffen mit dem römischen Klerus war thematisch allerdings sehr viel breiter aufgestellt. Es dauerte volle zwei Stunden und war von Herzlichkeit, viel Applaus und einem Hin und Her von Frage und Antwort geprägt. Eine Zusammenfassung von Gudrun Sailer.
Mühsam ist es, wahrhaft mühsam, ein Priester zu ein. Franziskus unterschied zwei Arten von Müdigkeit: eine, die abends von der täglichen Arbeit herrührt, die andere, die am Ende des Priesterlebens auftritt, eine „Müdigkeit des Herzens", die dann aufkomme, wenn sich der Priester Fragen stelle über seine Existenz und zurückblicke auf den Weg und an all den Verzicht denke, an die Kinder, die er nicht hatte – und sich frage, ob er etwas falsch gemacht hat, ob sein Leben „gescheitert" ist. Franziskus sprach als Bischof, als IHR Bischof zu den Priestern:
„Wir Bischöfe müssen den Priestern nah sein, wir müssen Nächstenliebe üben, und die Nächsten sind für den Bischof die Priester. Das gilt auch umgekehrt, nicht wahr? … Er ist schön, dieser Austausch, nicht? Und das, denke ich, ist der wichtigste Moment der Nähe zwischen Bischof und Priestern: dieser Augenblick ohne Worte, denn für diese Mühe gibt es keine Worte."
Nach dieser Eröffnung lud der Papst die Priester ein, ihm ihre Fragen zu stellen. In seiner ersten Antwort ermunterte der Papst zu Kreativität im seelsorgerlichen Dienst. Kreativität bedeute „nicht einfach, Dinge zu ändern". Sie komme vom Heiligen Geist und verwirkliche sich im Gebet und im Gespräch „mit den Gläubigen, mit den Leuten". Franziskus mit einem Beispiel aus seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires:
„Nun, wenn da so viele Leute vorbeikommen, wäre es vielleicht schön, die Kirche stünde den ganzen Tag offen … gute Idee! Es wäre auch schön, wenn da immer eine Beichtgelegenheit wäre… Gute Idee! Und so haben wir es gemacht."
Anderes Beispiel: die Elternkurse zur Vorbereitung auf die Taufe ihrer Kinder. Der Papst brachte Verständnis auf für die Väter und Mütter, die von Montag bis Samstag arbeiten und sich am Sonntag gerne mit ihren Kindern ausruhen. Da könne man neue Wege suchen wie eine von Laien getragene „Stadtteilmission". Die Kirche, „auch das Kirchenrecht gibt uns so viele Möglichkeiten, so viel Freiheit, um diese Dinge zu suchen." Die Priester sollten im richtigen Moment bereitstehen und für eine gute Aufnahme sorgen, wenn die Gläubigen aus irgendeinem Grund in die Pfarrei kämen. Franziskus kritisierte jene Priseter, die sich mehr um die Gebühr für ein auszustellendes Dokument als um das Sakrament sorgten, denn das „lässt die Leute wieder weggehen". Stattdessen sei, wer immer hereinkomme, herzlich aufzunehmen: „Wer in die Kirche kommt, soll sich zu Hause fühlen. Er soll sich nicht ausgenommen fühlen."
Über die Barmherzigkeit des Priesters befragt, wartne der Papst vor „rigoristischen" und vor „laxen" Geistlichen gleichermaßen. Der barmherzige Priester sei jener, der die Wahrheit sage, aber hinzufüge: „Erschrick nicht, der gute Gott wartet auf uns. Wir gehen gemeinsam." Dieses gemeinsame Gehen müsse der Priester überhaupt immer im Blick haben: „Begleiten. Weggefährten sein." Bekehrung erfolge „immer auf diese Weise: unterwegs, nicht im Labor".
„Die Wahrheit Gottes ist diese Wahrheit, nennen wir sie „dogmatisch" … oder "moralisch", aber immer begleitet von der Liebe und der Geduld Gottes. Immer auf diese Weise."
Ein hohes Lob für die Arbeit in der Familie flocht der Papst in seine Ausführungen vor den Priestern ein. In der Kirche gebe es zwar viele Skandale, aber auch viel Heiligkeit, und die sei größer als die Skandale. Und dann gebe es da noch eine versteckte „Alltagsheiligkeit", „die Heiligkeit so vieler Mütter und so vieler Frauen und Männer, die den ganzen Tag für die Familie arbeiten".
Überhaupt, die Familie: Die Frage der Ehe-Annullierung und der wiederverheirateten Geschiedenen sei heikel, sagte der Papst seinen Seelsorgern. Ein Problem, das schon Benedikt XVI. sehr am Herzen lag, erinnerte Franziskus. „Das Problem lässt sich nicht einengen auf die Frage, ob man zur Kommunion darf oder nicht, denn wer das Problem nur in dieser Optik sieht, versteht das wahre Problem nicht." Es sei ein „schwieriges Problem" der „Verantwortung der Kirche in bezug auf die Familien, die in dieser Situation leben". Die Kirche „muss in diesem Moment etwas tun, um das Problem der Ehenichtigkeit zu lösen". Der Papst bestätigte, er werde darüber mit den acht Kardinälen sprechen, jener Beratungskommission, die Franziskus für die dringendsten anstehenden Probleme der Kirche ins Leben gerufen hat; die erste Sitzung wird Anfang Oktober im Vatikan stattfinden, und das Anliegen der wiederverheirateten Geschiedenen werde unter den erörterten Fragen sein. Auch die nächste Bischofssynode über die „anthropologische Beziehung" des Evangeliums mit der Person und der Familie werde die Frage in den Blick nehmen.
Den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen empfinden viele Priester und Laien heute als Nagelprobe einer „Seelsorge der Barmherzigkeit". Wer nach einer kirchlich geschlossenen und zivil geschiedenen Ehe eine neue Verbindung eingeht, ist nach dem derzeit geltenden Kirchenrecht vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen. Seit längerem gibt es innerhalb der katholischen Kirche Stimmen, die ein Überdenken dieser Praxis fordern. Eine gültig geschlossene Ehe ist nach katholischer Lehre unauflöslich; anders als im zivilen Recht gibt es für die Kirche keine Scheidung. Allerdings können Kirchengerichte eine Ehe aus einer Reihe von Gründen für nichtig erklären. Das bedeutet, die betreffende Ehe hat nie bestanden. (rv)