Papst definiert neuen Horizont seiner Lebensschutz-Akademie

Mit einer Grundsatzrede empfing Papst Franziskus an diesem Donnerstag die Mitglieder der neu aufgestellten Päpstlichen Akademie für das Leben in Audienz. Schon in seinen ersten Worten wurde deutlich, worauf die Neuausrichtung der Akademie zielt, die seinerzeit Papst Johannes Paul II. gegründet hatte: Franziskus will einen größeren Rahmen abstecken, in dem die Schwergewichte aus Forschung und Lehre, die Mitglieder der Akademie sind, in Zukunft tätig werden sollen.

Da gehe es, erklärte der Papst, sowohl um die Vertiefung heutiger wissenschaftlicher, anthropologischer und ethischer Erkenntnisse als auch um den „Dienst für das Leben, insbesondere bei der Sorge um das menschliche Wesen und der Schöpfung, unser gemeinsames Haus.“ Die päpstlichen Lebensschützer sollten also nicht bloß über bestimmte Lebenslagen mit ethischen oder sozialen Konflikte befinden, etwa: Abtreibung oder Euthanasie, sondern sich mit der Würde des Menschen auf breiterer Ebene beschäftigen: dort, wo es um Theorie und Praxis von Wissenschaft und Technik mit Bezug auf das menschliche Leben, seinen Sinn und seinen Wert gehe.

„Heute schon“, so warnte der Papst, seien „Manipulationen des Lebens möglich, die bis gestern undenkbar waren.“ Dabei geht die technologische Entwicklung Hand in Hand mit einer immer stärkeren Zentrierung des Menschen auf sich selbst, der Papst sprach von einer „Vergötterung des Egos“. Männer, Frauen und Kinder auf der ganzen Welt seien die Leidtragenden eines „skrupellosen Materialismus, der die Allianz zwischen Wirtschaft und Technik kennzeichnet, und der das Leben als Rohstoff betrachtet, den man ausbeuten oder entsorgen kann.“ In einer solchen Lage sei es der christliche Glaube, der dazu antreibe, die Gräben zwischen den Generationen wieder zu schließen, ermunterte der Papst die Audienzteilnehmer.

Die Inspirationsquelle dabei sei stets das Wort Gottes, so der Papst, das in moderner Lesart den Weg der Kirche in der heutigen Welt begleiten müsse. Unerlässlich bei der Sorge um die Schöpfung sei das liebende Zusammenwirken von Mann und Frau, das aber weit über Gleichberechtigung hinausgehe. Und Franziskus kam auf Fehlentwicklungen des Genderdenkens zu sprechen.

Ein Nein zu Fehlentwicklungen des Genderdenkens

Zwar sei es nötig, Fehler der Vergangenheit zu korrigieren, die das Zusammenleben der Geschlechter und die „Formen der Unterordnung, die die Geschichte der Frauen traurig geprägt haben“ beträfen, doch dies sei keinesfalls mit einer Leugnung der natürlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu erreichen, betonte Franziskus.

„Die in jüngerer Zeit vorgetragene Annahme, den Weg für die Würde der Person wieder zu eröffnen, indem man radikal die Geschlechtsunterschiede neutralisiert und somit auch das Einvernehmen zwischen Mann und Frau, ist nicht richtig. Anstatt den negativen Interpretationen der Unterschiede zwischen den Geschlechtern […] entgegenzuwirken, will man de facto diesen Unterschied auslöschen, indem man Techniken und Praktiken vorschlägt, die diesen irrelevant für die Entwicklung der Person und für die menschlichen Beziehungen machen.“

Doch die Utopie eines „Neutrums“ entferne mit einem Streich sowohl die menschliche Würde einer geschlechtsspezifischen Verfassung als auch die „persönliche Eigenschaft der generativen Weitergabe des Lebens“, mahnte der Papst. Die „biologische und psychische Manipulation“ des Geschlechterunterschieds, den die technischen Entwicklungen geradezu als „Wunschsache“ erscheinen ließen, riskiere, die dem Bündnis zwischen Mann und Frau zugrundeliegende Energiequelle abzugraben, betonte Franziskus.

„Wir müssen die Herausforderung annehmen, die durch die Einschüchterung gegenüber der Zeugung menschlichen Lebens gestellt wird, fast als ob diese eine Kasteiung der Frau und eine Bedrohung für das Gemeinwohl wäre,“ so die Analyse des Papstes. „Das generative Bündnis zwischen Mann und Frau ist ein Bollwerk für den planetaren Humanismus der Männer und Frauen, nicht eine Behinderung. Unsere Geschichte wird nicht erneuert werden, wenn wir diese Wahrheit ablehnen.”

Sensibilität für die verschiedenen Lebensphasen

Man müsse auch die Sensibilität für die verschiedenen Lebensphasen wiederfinden, mahnte der Papst. Dies betreffe gerade Kinder und alte Menschen, die als Menschen mit ihren Bedürfnissen ernst genommen werden müssten, ohne die Sorge um sie allein der Medizin oder der Bürokratie zu überlassen. „Eine Gesellschaft, in der all dies ausschließlich gekauft oder verkauft, bürokratisch geregelt und technisch zur Verfügung gestellt werden kann, ist eine Gesellschaft, die den Sinn des Lebens verloren hat“. Das Zeugnis des Glaubens an die Barmherzigkeit Gottes sei unabdingbar für das wahre Mitgefühl zwischen den Generationen, betonte der Papst vor den Mitgliedern seiner Akademie, unter denen mit der Umstrukturierung nun auch Nicht-Katholiken sind.

Ausdrücklich würdigte Franziskus die Vielfalt in der erneuerten Akademie. Viele Gelehrte verschiedener Richtungen und Bekenntnisse teilten die Ansicht, wie dringlich es sei, „eine authentischere Weisheit des Lebens ins Bewusstsein der Völker zu bringen“ und für das Wohl aller zu arbeiten.

Die verantwortungsvolle Begleitung des menschlichen Lebens von seiner Zeugung bis hin zu seinem natürlichen Ende, so der Papst, sei ein „Werk von Unterscheidung und liebender Intelligenz freier und begeisterter Männer und Frauen“ sowie „für Hirten, die keine Söldner sind,“ schloss der Papst seine Ansprache. (rv)

Keine Entscheidung für die falsche Richtung

Ein Kommentar zur Diskussion über die Änderungen bei der Päpstlichen Akademie für das Leben.

Die Ernennung der ordentlichen Mitglieder der neuen Päpstlichen Akademie für das Leben durch Papst Franziskus am vergangenen Dienstag hat zu Gerüchten geführt. So wurde behauptet, Papst Franziskus habe die „Lebensschützer“ aus der Akademie entfernt und auch die Satzung geändert, um damit das Erbe des heiligen Papst Johannes Pauls II. zu verraten. Außerdem seien zwielichtige neue Mitglieder ernannt worden. Die Wahrheit ist viel weniger spektakulär.

Wie aus gut unterrichteten Kreisen zuverlässig zu erfahren ist, gab es schon vor der Wahl von Papst Franziskus Pläne, die Satzung zu ändern und die ordentlichen Mitglieder nur noch für fünf Jahre zu bestellen, außerdem war vorgesehen, der Akademie einen mehr akademischen Charakter zu geben.

Papst Johannes Paul II. hatte bei der Gründung der Akademie 1994 sowohl Wissenschaftler als auch Aktivisten ernannt, die sich für den Lebensschutz engagieren. Das hatte in den vergangenen Jahren zunehmend zu Spannungen innerhalb der Akademie geführt. Deswegen war daran gedacht worden, künftig eher Wissenschaftler in die Akademie zu berufen. Diese Überlegungen waren, wie es heißt, bereits im Pontifikat von Papst Benedikt weit fortgeschritten, konnten dann aber durch den Rücktritt des Papstes nicht umgesetzt werden. Durch die von Papst Franziskus eingeleitete Kurienreform verzögerte sich die Reform der Akademie zunächst.

Was offenbar jetzt hinzukam, war die Entscheidung für die Aufnahme auch nichtkatholischer Mitglieder. Dies hatte Papst Johannes Paul II. schon für die Päpstliche Akademie der Wissenschaften befürwortet, in die er unter anderem die bekennenden Atheisten Stephen Hawking und Wolf Singer aufnahm, so dass mitunter sogar die Klage aufkam, Katholiken würden bei der Aufnahme in diese Päpstliche Akademie benachteiligt.

So weit geht die Reform der Päpstlichen Akademie für das Leben jetzt nicht. Fast alle Mitglieder sind katholisch, 24 der jetzt ernannten 50 Mitglieder wurden bereits unter Papst Johannes Paul II. ernannt, 10 unter Papst Benedikt XVI. Damit sind nur 16 der Mitglieder Neu-Ernennungen von Papst Franziskus. Das wird für Kontinuität sorgen. So ist das einzige deutsche Mitglied, der Psychiater und Theologe Manfred Lütz, der 2003 im Auftrag von Kardinal Ratzinger im Vatikan einen Kongress zur Missbrauchsfrage organisierte, noch von Papst Johannes Paul II. nicht nur zum ordentlichen Mitglied ernannt, sondern auch ins Direktorium der Akademie berufen worden. Von einer Abkehr der Akademie vom Erbe Papst Johannes Pauls II. kann also keine Rede sein.

Besonderes Aufsehen erregte die Ernennung eines Juden, eines Moslem, eines griechisch Orthodoxen, eines Anglikaners und eines japanischen Nobelpreisträgers. Dabei war klar, dass diese Nichtkatholiken nicht in allem katholische Überzeugungen vertreten.

Es wird sich zeigen müssen, ob zum Beispiel die Tatsache zu Irritationen führen wird, dass der Oxforder anglikanische Moraltheologe Niggel Biggar zwar in der Euthanasiefrage und bei der zur Zeit international heftig diskutierten Debatte um den ärztlich assistierten Suizid offenbar voll der katholischen Lehre entspricht, aber in der Abtreibungsfrage eine abweichende Meinung vertritt.

Dabei darf allerdings ohnehin kein Mitglied der Akademie im Namen der Akademie sprechen. Bei den hauptamtlichen Mitarbeitern der Akademie hat sich aber seit Papst Benedikt nichts Wesentliches geändert, es gab vor allem eine Änderung in der Präsidentschaft. Kurz vor Erreichen des achtzigsten Lebensjahres wurde Bischof Ignacio Carrasco de Paula durch Erzbischof Paglia ersetzt.

Dass die nicht wieder ernannten Mitglieder nun enttäuscht sind, ist verständlich, dass manche von ihnen aus ihrer eigenen Nichternennung eine Richtungsentscheidung des Papstes machen wollen und zwar eine Entscheidung für die falsche Richtung, geben die Fakten nicht her. (CNA Deutsch)

Akademie für das Leben: „Theologie der schmutzigen Hände erwünscht“

Erzbischof PagliaIgnoranz beim Thema Sterben ist immer schädlich: Erzbischof Vincenzo Paglia, neu ernannt. Leiter der Päpstlichen Akademie für das Leben, zieht Bilanz zum Thema der letzten Dinge des Lebens. In einem Buch, das den aus dem Sonnengesang des Franziskus von Assisi entnommenen Titel „Schwester Tod“ trägt, wirft Paglia einen überaus kritischen Blick auf dem Umgang mit Leid und Sterben: Euthanasie sei eine Art Fundament des modernen Denkens geworden, schreibt der Erzbischof. Das Buch ist noch vor seiner Ernennung in die neue Aufgabe entstanden, betrifft aber seinen jetzigen Aufgabenbereich.

Er wolle für die Begleitung von sterbenden Menschen werben, so Paglia. „In einer Zeit, in der die Einsamkeit so etwas wie eine Krankheit geworden ist, welche die gesamte Gesellschaft erfasst hat, sind Tod und Leben bitter geworden, und sie werden noch bitterer, wenn sie nicht begleitet werden.“ Es sei so etwas die die große Selbstlüge der westlichen Welt, so Paglia und setzt die Begegnung dagegen. „Niemand ist eine Insel, wir sind alle niemals nur allein wir selbst, sondern immer auch gemeinsam mit anderen. Wir müssen das Bewusstsein einer ‚Communio’, einer Gemeinschaft für eine Gesellschaft wieder gewinnen, die über-individualistisch, über-technisch und letztlich über-einsam geworden ist.“

Es sei geradezu revolutionär, in einer Gesellschaft, die Menschen vereinsamen lasse und wegwerfe, diese aufzunehmen und sich um sie zu kümmern, das habe man nicht zuletzt bei Mutter Teresa sehen können. „Von daher ändert sich die Welt, von da her endet die Unmenschlichkeit. Ich glaube fest: wenn ein Weggeworfener geliebt wird, dann beginnt genau da das Paradies.“

Paglia plädiert mit Papst Franziskus unter anderem dafür, die Bindungen zwischen den Generationen wieder zu stärken und das Sterben nicht vor Kindern zu verheimlichen. Denn aus dem Umgang mit dem Tod sei viel zu lernen, so etwa die zentrale Bedeutung menschlicher Bindungen, die „wichtiger sind als Karriere, Geld und materielle Reichtümer“.

Zu diesen Überzeugungen passe seine neue Aufgabe im Vatikan sehr gut, so Paglia, den Papst Franziskus nicht nur zum Präsidenten der Päpstlichen Akademie für das Leben gemacht hat, sondern auch zum Großkanzler des Päpstlichen Instituts Johannes Paul II. für Studien zu Ehe und Familie.

„Meine Aufgabe lässt sich so übersetzen, dass ich dem Bewusstsein der Gläubigen und auch der Nichtglaubenden helfen soll zu verstehen, dass der Auftrag Gottes an uns in der Wirklichkeit der Grenzen, der Peripherien beginnt und in den Dramen, welche diese Peripherien kennzeichnen. Die Theologie vom Leben und übrigens auch die von Ehe und Familie muss sich die Hände schmutzig machen an der Realität des Lebens. In diesem Sinn bittet Papst Franziskus die Theologie und die Pastoral darum, nicht einfach nur die Konzepte zu putzen – wenn ich das so sagen darf – sondern zu helfen, Leben zu retten.“ (rv)