Buchtipp: Der erste Stellvertreter

Der US-amerikanische Anthropologie-Professor David Kertzer tritt mit einer klaren These an. Pius XI., Papst von 1922 bis 1939, hat aus seiner Sicht dem italienischen Faschismus den Weg geebnet und sei über weite Strecken ein Verbündeter Benito Mussolinis gewesen. In seinem Werk „Der erste Stellvertreter. Papst Pius XI. und der geheime Pakt mit dem Faschismus“ vertieft Kertzer diese Einschätzung auf 600 Seiten, ein Drittel davon sind Fußnoten.

Mit sicherem Blick fürs stimmige Detail zeichnet der Autor den Weg der beiden so ungleichen Männer nach: Achille Ratti, der aufbrausende Papst, der am liebsten Bücher und Berge hat, und der nach Macht, Frauen und sich selbst gierende Aufsteiger Mussolini. Beide kamen im Jahr 1922 an die Macht, beide waren politisch aufeinander angewiesen. Der Papst brauchte ein Stück Land rund um den Petersdom, Souveränität und die Zusicherung freier Kultausübung in Italien, und Mussolini brauchte politische Anerkennung, die er international ausschlachten konnte. Folgerichtig kam es zum Abschluss der Lateran-Verträge 1929. Kertzer zeichnet Pius als ein Kirchenoberhaupt mit deutlichen Sympathien für Mussolinis autoritären Führungsstil, beide hätten mit Demokratie nichts anfangen können und sich in gemeinsamer Feindschaft zu Juden und Sozialisten vereint fühlen dürfen.

Es ist ein lebendig geschriebenes und mit viel Stoff unterfüttertes Zeitporträt, das der Autor hier ausbreitet. Zugleich wird man den Eindruck nicht los, der Autor legt sich freiwillig Scheuklappen an: er lässt manches weg, was seine zentrale These ins Wanken bringen könnte, und bringt anderes, von dem man sich fragt, was es hier zu suchen hat. Bereitwillig lässt sich Kertzer etwa von einer besonders bunten Quellenkategorie umgarnen: von Spitzelberichten. Mussolini unterhielt ein dichtes Netzwerk an Spionen, die auch rund um den Vatikan horchten. Durchgängig zitiert der Autor aus diesen faschistischen Spitzelberichten, die Aufgeschnapptes in wild-gehässigem Tonfall wiedergeben. Dass es unzuverlässige Quellen sind, sagt Kertzer selbst, aber nur in den Fußnoten. Indessen erfährt der verdutzte Leser über homosexuelle Neigungen einzelner Kirchenmänner der 1920er Jahre. Solche Episoden mögen sich süffig lesen, bloß hält sich ihr Erkenntniswert mit Blick auf das Anliegen der Arbeit in Grenzen.

Kertzers Werk ist ein hübscher Mosaikstein der Forschung zum schwierigen Verhältnis zwischen katholischer Kirche und den europäischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts. Große neue Erkenntnisse bringt es nicht, dafür viele Anekdoten, plastisch arrangierte Szenen, sogar Dialoge. Dafür gab es den Pulitzer-Preis, die berühmteste journalistische Auszeichnung in den USA.

Zum Mitschreiben: Der erste Stellvertreter. Papst Pius XI. und der geheime Pakt mit dem Faschismus, David I. Kertzer Verlag: Theiss (Rezension: Gudrun Sailer), Preis: 38 Euro. (rv)

Jerewan: Papst gedachte der Völkermord-Opfer

Logo ArmenienIm stillen Gebet gedachte der Papst der Opfer der Armenier-Verfolgung im Ersten Weltkrieg. Franziskus besuchte an seinem zweiten Reisetag in Armenien die Gedenkstätte Zizernakaberd bei der armenischen Hauptstadt Jerewan. Dort legte er einen Kranz und Rosen am Mahnmal nieder. Es gab keine Ansprache. Nach dem Moment der Stille pflanzte der Papst einen kleinen Baum.

Begleitet wurde Papst Franziskus vom armenischen Staatspräsidenten Sersch Sargsjan und Katholikos Karekin II. Anschließend traf der Papst mit Nachkommen von Armeniern zusammen, die von Papst Pius XI. in dessen Sommerresidenz in Castel Gandolfo 1923 beherbergt wurden und so vor den andauernden Pogromen gerettet wurden. Nach Schätzungen waren bei der Verfolgung durch die Osmanen im Ersten Weltkrieg bis zu 1,5 Millionen Armenier getötet worden.

Der Papst sprach auch ein Gebet und sagte unter anderem: „Erhöre uns, o Herr, und habe Erbarmen, vergib uns unsere Schuld.“ Danach begab sich der Papst zusammen mit dem Katholikos Karekin II. und den armenischen Präsidenten auf die Terrasse des Gedenkmahles. Bevor er das Mahnmal verlies, trug er noch einige Worte in das Gästebuch ein: „Hier bete ich, mit dem Schmerzen im Herzen, damit nie wieder solche Tragödien geschehen mögen, damit die Menschheit nicht vergisst und weiß, dass das Gute das Böse besiegt. Gott möge dem geliebten armenischen Volk und der ganzen Welt Frieden und Trost schenken. Gott bewahre die Erinnerung des armenischen Volkes. Die Erinnerung darf niemals vergessen werden, die Erinnerung ist die Quelle des Friedens und der Zukunft.“ (rv)

Papst: Weltall interreligiös erforschen

Castel GandolfoEin interreligiöser Ansatz zur Erforschung des Weltalls könnte helfen, die Schöpfung religiös besser zu verstehen. Das sagte Papst Franziskus an diesem Freitag im Vatikan vor den Astronomen der päpstlichen Sternwarte und einigen ihrer Fachkollegen, die zu einem Kongress am Sitz der Sternwarte in Castelgandolfo versammelt waren. „Gerade im interreligiösen Dialog, der heute notwendiger denn je ist, kann die naturwissenschaftliche Forschung über das Universum eine gemeinsame Perspektive bieten, die von Glaubenden und Nichtglaubenden geteilt wird“, sagte der Papst vor den Astronomen.

Besonders würdigte er dabei die Sommerschulen der päpstlichen Sternwarte, die seit 30 Jahren stattfinden. „Sie sind eine wertvolle Möglichkeit für junge Astronomen aus aller Welt, die in einem Dialog miteinander treten und in der Suche nach der Wahrheit zusammenarbeiten.“ Franziskus rief seine Astronomen überdies dazu auf, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Universum mit den Menschen zu teilen, „indem ihr unentgeltlich das weitergebt, was auch ihr unentgeltlich empfangen habt“.

Anlass des Symposions und der Papstaudienz war der 80. Jahrestag der Neugründung der päpstlichen Sternwarte durch Papst Pius XI. im Jahr 1935. Ebenfalls an diesem Freitag gab der Vatikan die Ernennung eines neuen Direktors für die Sternwarte bekannt. Der US-Amerikaner Guy Consolmagno löst den Argentinier Jose Gabriel Funes ab, beide gehören dem Jesuitenorden an.

Die vatikanische Sternwarte befindet sich auf dem Areal der päpstlichen Sommerresidenz Castelgandolfo, die Papst Franziskus jüngst für Touristen zugänglich gemacht hat. Alle dort beschäftigten Astronomen sind Jesuiten, da die „Specola Vaticana“ seit ihrer Neugründung 1935 dieser Gemeinschaft anvertraut ist. Die astronomischen Beobachtungen werden in einem Observatorium in Tucson in den USA durchgeführt, für das der Vatikan gemeinsam mit einer dort ansässigen Universität aufkommt. Astronomie ist die einzige Naturwissenschaft, die der Vatikan selbst betreibt. (rv)

Vatikanische Archivöffnungen befeuern die Forschung

Papst Pius XI.Wie stellte sich der Vatikan in den 1930er Jahre zur Rassendebatte der damaligen Zeit? Mit dieser Frage setzte sich ein internationaler Kongress auseinander, der am Freitag im Camposanto Teutonico im Vatikan zu Ende ging. Ziel der von der Görres-Gesellschaft organisierten Tagung war es auch, acht Jahre nach der Öffnung der Bestände zum Pontifikat Papst Pius XI. an den vatikanischen Archiven eine Zwischenbilanz zu ziehen. Einer der Organisatoren, der Potsdamer Kirchenhistoriker Thomas Brechenmacher, sagte im Gespräch mit Radio Vatikan:

„Wir haben wie bei allen diesen Archivöffnungen einen viel detaillierteren Einblick in die Diskussions- und Entscheidungsvorgänge bekommen. Zum Beispiel die Initiativen des Heiligen Offiziums in den 1930er Jahren, die sich auseinandersetzen mit den totalitären Ideologien, zu denen auch der Rassismus gezählt wird. Die Verästelungen und Verzweigungen der verschiedenen Positionen im Heiligen Offizium und im Jesuitenorden, beim Papst, im Staatssekretariat, wir sehen auch auf diesem Feld, was wir auf anderen Feldern schon oft festgestellt haben: Die Kirche ist kein monolithischer Block, sondern es gibt die unterschiedlichsten Einrichtungen, Positionen und Strömungen, die alle an Entscheidungen beteiligt sind. Hier findet man eine Vielfalt von höchst unterschiedlichen Haltungen, zum Beispiel innerhalb des Jesuitenordens, von starrem Antijudaismus bis hin zu sehr avancierten modernen theologischen Positionen zum Judentum. Zu dieser Ausdifferenzierung tragen die Archivöffnungen bei.”

Mit besonderer Spannung warten Historiker nun auf die Öffnung der Bestände aus dem Pontifikat Pius XII. Vatikanische Verantwortliche haben sie verschiedentlich für 2015 in Aussicht gestellt.

Brechenmacher selbst sprach bei der Tagung über die „Rassenenzyklika“, die Papst Pius XI. im Jahr 1938 in Auftrag gab. Das Lehrschreiben sollte nie erscheinen. Pius XI. starb am 10. Februar 1939, sein Nachfolger Pius XII. – der bisherige Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli – verfolgte das Vorhaben nicht weiter. Bisher war die Forschung davon ausgegangen, die Kurie bzw. Pacelli selbst habe das Erscheinen der Enzyklika verschleppt, weil darin die Ablehnung des Rassismus durch Pius XI. allzu harsch in Erscheinung getreten wäre. Brechenmacher zufolge sind die Gründe für das Nichterscheinen der Enzyklika differenzierter zu sehen. Jedenfalls seien die drei Entwürfe für das Lehrschreiben im Februar 1939 noch unreif gewesen.

„Meine Überlegung war: Zum einen wäre sie in der Situation vom März 1939 tatsächlich zu deutlich gewesen, weil Pacelli in dieser Situation der gespannten europäischen Lage vor dem Kriegsausbruch für den Frieden plädieren wollte. Er hat sich bewusst dafür entschieden, Friedensworte zu sprechen und erst einmal kein weiteres Öl ins Feuer zu gießen. Das ist die eine Seite. Die andere mögliche Seite ist, dass die Enzyklika Aussagen über das Judentum beinhaltete, die kontraproduktiv hätten verwendet werden können. Zwar wurde der rassistische Antisemitismus in der Enzyklika abgelehnt, auf der anderen Seite plädierten die Entwürfe aber für einen religiösen Antijudaismus. Meine Überlegung ist: Dieses als Enzyklika veröffentlicht, hätte der nationalsozialistischen Propaganda die Möglichkeit gegeben, durch verzerrte Darstellung und Zitierung diese Enzyklika zu ihren Gunsten kontraproduktiv auszulegen.“  (rv)

Italien: Tagung über historische „Rassendebatte“ im Vatikan

Papst Pius XI.Ein internationales Symposium im Vatikan beleuchtet in den kommenden Tagen die „Rassendebatte“ rund um die Päpste und die Kurie in der Zwischenkriegszeit. Die Organisatoren wollen damit eine Zwischenbilanz zehn Jahre nach der Öffnung der vatikanischen Archive zur Epoche des Nationalsozialismus in Deutschland vor 1939 ziehen. Bei der Tagung geht es unter anderem um die öffentliche Kritik Pius XI. am Faschismus und die Rassendebatte in jener Zeit. Veranstalter der Tagung am Campo Santo Teutonico sind das Historische Institut der Universität Potsdam in Zusammenarbeit mit dem Römischen Institut der Görres-Gesellschaft.  (rv)

 

Vor 75 Jahren: Pius XI. stirbt

Papst Pius XI.Am 10. Februar vor 75 Jahren starb im Vatikan Papst Pius XI. – der Papst der Lateranverträge und der Enzyklika „Mit brennender Sorge“. Wenige Monate vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sprangen die Zeiger damit auf Wechsel im Vatikan. Der gelehrte Lombarde Achille Ratti hatte 17 Jahre lang als Nachfolger des heiligen Petrus auf dem römischen Bischofsstuhl gesessen. Sein größtes Verdienst in dieser Zeit: Er hatte mit Mussolini die Lateranverträge geschlossen und damit seinen Frieden mit Italien gemacht, der Vatikan war entstanden und hatte eine völkerrechtliche Absicherung.

„Einige Biografien von Pius XI. verzeichnen, dass dieser schon als Anwärter aufs Priesteramt zu seinen Freunden gesagt habe: Wenn ich eines Tages mal Papst werden sollte, dann würde ich mit dem italienischen Staat per Konkordat Frieden schließen.“ Das berichtet Agostino Gavazzi vom Pius-XI.-Studienzentrum aus Desio, der Heimatstadt des Papstes. Aber Pius sah durchaus auch die dunklen Seiten an Mussolini und überhaupt an den Diktatoren seiner Zeit: Mit ihm begann das Papsttum als Verteidigerin der Menschenwürde die Stimme zu erheben. „Er tat das mit Enzykliken, die den atheistischen Kommunismus verurteilten, die den Faschismus als Einschränkung der Freiheit des Einzelnen verurteilten und die den Nationalsozialismus mit seiner Brutalität verurteilten.“

Enzyklika gegen Rassenwahn blieb in der Schublade

„Mit brennender Sorge“ hieß die Enzyklika von Pius XI. gegen die Nazis in den dreißiger Jahren. Es war die erste Enzyklika überhaupt, die auf deutsch verfasst wurde, richtete sie sich doch vor allem an das Reich. Sie wurde dort überall von den Kanzeln verlesen, nährte den Widerstand vieler Katholiken gegen Hitler. Eine weitere Enzyklika gegen Rassenwahn und Judenverfolgung blieb Entwurf, der Tod des Papstes verhinderte ihre Veröffentlichung, erst Jahrzehnte danach wurde der Text bekannt – lange nach dem Holocaust.

Pius` Tod fiel in die schwierige Zeit kurz vor dem Zweiten Weltkrieg. Sofort erhoben sich Gerüchte, er sei vergiftet worden. Nun war zwar der Vater von Mussolinis Geliebter einer der im Vatikanischen Gesundheitszentrum tätigen Ärzte. Doch es gibt bis heute nicht den geringsten Hinweis auf einen Mord an Pius XI. Am 2. März wurde nach einem kurzen Konklave sein Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli zum Papst gewählt: Pius XII.

Zwei Flaschen Wein für den Nachfolger

„An Pius XI. fällt vor allem auf, von welcher Aktualität er auch heute noch ist“, sagt Agostino Gavazzi. „Er hat sich sehr geschickt der Medien bedient, vor allem des Radios.“ Gavazzi gefällt vor allem die Sozialenzyklika Quadragesimo Anno: „Sie spricht, vielleicht zum ersten Mal überhaupt, vom Prinzip der Subsidiarität. Und sie nennt die Arbeit ein Instrument der Menschenwürde und des menschlichen Wachstums. Und Profit sei zwar nichts Schlechtes in sich, solle aber dem Wohl der Menschheit insgesamt zugute kommen. Auch hier zeigt sich wieder mal die Aktualität von Papa Ratti!“

Im Geburtshaus des Papstes in Desio werden einige Erinnerungsstücke an Pius aufbewahrt. Die kurioseste ist bestimmt – eine Flasche Wein. „1938 war der Papst krank geworden; da bekam er ein paar Flaschen Wein aus Karthago geschenkt. Daraufhin entschied er, zwei davon übrigzulassen für den, der im Jahr 2000 Papst sein würde. Das Interessante ist, dass sich Pius XI. als ein polnischer Bischof bezeichnete, weil er in seiner Zeit als Nuntius in Polen zum Bischof geweiht worden war; und der Papst des Jahres 2000, der die Flaschen zum Geschenk bekam, war der polnische Papst Karol Wojtyla! Johannes Paul II. behielt eine dieser Flaschen für sich, die zweite schenkte er dem Museum in Desio. Und die haben wir heute hier in der Vitrine, mit dem Etikett: Pius XI., für seinen Nachfolger des Jahres 2000.“ (rv)

Aktenzeichen: Enzyklika „Mit brennender Sorge“

Vor 75 Jahren veröffentlichte Papst Pius XI. seine Enzyklika an die Deutschen. Papst Pius XI. wandte sich ab 1931 erstmals per Radio aus dem Vatikan direkt an die Menschen. Noch herrschte Frieden auf der Welt. Aber es sollte nicht mehr lange dauern bis zur Katastrophe des 2. Weltkrieges. In der Tat: 1933 kam Adolf Hitler zur Macht, im Vatikan sah man mit zunehmender Sorge auf das dumpfe Geschehen in Berlin. Papst Pius XI. und sein Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli – langjähriger Nuntius in Deutschland – trugen immer schwerer die Last einer großen Verantwortung.

„Mit brennender Sorge und steigendem Befremden beobachten Wir seit geraumer Zeit den Leidensweg der Kirche, die wachsende Bedrängnis der ihr in Gesinnung und Tat treubleibenden Bekenner und Bekennerinnen inmitten des Landes und des Volkes, dem St. Bonifatius einst die Licht- und Frohbotschaft von Christus und dem Reiche Gottes gebracht hat."

Es ist in diesen Tagen 75 Jahre her, dass Papst Pius XI. sich mit diesen Worten an alle deutschen Katholiken wandte. „Mit brennender Sorge" ist die erste und bisher einzige Enzyklika in deutscher Sprache. Lange hatten fünf deutsche Bischöfe und der Papst darum gerungen, in welcher Form und mit welchen Inhalten es klug und richtig sei, in aller Öffentlichkeit die Rechte der deutschen Katholiken gegenüber dem nationalsozialistischen Staat einzuklagen. Die Enzyklika trug die Handschrift Eugenio Pacellis und Kardinal Michael Faulhabers. Alle diplomatischen Bemühungen hatten nichts erbracht.

Diese Enzyklika vom Passionssonntag 1937 sollten sich alle diejenigen zu Gemüte führen, die es sich angewöhnt haben, die katholische Kirche anzuklagen, man habe damals nichts und zu wenig gegen den Nationalsozialismus unternommen. Natürlich blieb der Kirche keine andere Basis als die der geistig-geistlichen Auseinandersetzung mit dieser christusfeindlichen Ideologie. Sie nutzte aber auch alle Möglichkeiten, die den Konkordatspartnern offenstanden. Drei Bände umfassten allein die Briefe zwischen 1934 und 1936, die Nuntius Pacelli, der spätere Pius XII., an die deutsche Seite in Berlin richtete. Und dabei war eine der ersten und wichtigsten Forderungen Pacellis, die Freiheit der Katholischen Presse. Später kamen alle Bereiche hinzu, in denen die Rechte einer freien Religionsausübung und grundsätzliche Menschenrechte verletzt wurden. Dass dies alles mit scheinbar leiser Stimme geschah, lag am Charakter diplomatischer Beziehungen, aber auch an der alles überdröhnenden nationalsozialistischen Propaganda. Wohl auch deshalb stellte Nuntius Pacelli allen deutschen Bischöfen seine Korrespondenz mit der Reichsregierung zu. Der Grat war schmal zwischen Einmischung in staatliche Angelegenheiten und dem Bestehen auf kirchlichen Belangen. Deshalb gilt für die Enzyklika "Mit brennender Sorge":

„Die Enzyklika blieb ein geistliches Wort…. Die Beschreibung, die das politische System Deutschlands in der Enzyklika fand, war zugleich seine Verurteilung. Es war vertragsbrüchig, kirchenfeindlich, verletzte Rechte und Menschenwürde, Freiheit der Religion und des Gewissens, vergötzte Rasse, Volk, Staat und Führer."

14. März 1937 unterschrieben, wurde der Brief bereits am darauffolgenden Sonntag in allen deutschen katholischen Kirchen verlesen. Viele Priester verschlossen ihn, um ganz sicher zu gehen, nach Erhalt im Tabernakel in der Kirche. Keiner der Priester hat sich geweigert, den recht langen Text zu verlesen. Die Berichte über die Wirkung der Enzyklika betonen den tiefen Eindruck, den die Verlesung bei den Zuhörern hinterließ. Die Enzyklika war „bei weitem das Schärfste, was eine souveräne Instanz in Ausübung ihres Amtes über das Dritte Reich bisher öffentlich ausgesprochen hat..

Nicht zufällig wurden aber noch zwei andere totalitäre Systeme in den gleichen Tagen angeprangert. In „Divini Redemptoris" klagte Pius XI. den leninistisch-stalinistischen Kommunismus an, unterschrieben am 19. März 1937, und am 28. März richtete sich der Papst an die Kirche in Mexiko (Firmissimam constanziam), die schwer unter ihren antichristlichen Machthabern zu leiden hatte. Diese drei Enzykliken zusammen waren das Kernstück der Lehramtlichen Aussagen gegenüber den totalitären Systemen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Es hat etwas Tragisches an sich, dass die deutsche Bischofskonferenz zwar von Rom klare Worte erwartete, selbst aber durch Uneinigkeit gelähmt war. Das betraf aber niemals die generelle Analyse, dass dieses Regime kirchenfeindlich war, sondern die sehr verschiedenen Vorstellungen, wie damit seelsorglich und öffentlich umzugehen sei. Jeder Vorschlag einzelner Bischöfe wurde von anderen nicht akzeptiert und damit wieder lahm gelegt. Die Angst, dass durch weitere Worte im Stil der Enzyklika „Mit brennender Sorge", der Hass der Nationalsozialisten ins Irrationale gesteigert werde, war allenthalben groß und nicht unberechtigt. Die Sittlichkeitsprozesse gegen Priester und Ordensleute gaben Anlass zu schlimmen Befürchtungen. Es zeigte sich Hass gegen die Kirche auch in unteren Parteiorganisationen. Dies beweisen nicht nur die zahlreichen Kreuzfrevel dieser Zeit, sondern auch eine Vielzahl anderer Aktionen. An die Tür des Bischofs von Eichstätt schmierte man: "Schurken, schwarze Brut, Schweinehunde, Volksverhetzer, Römlinge.

„Hängt die Juden, stellt die Schwarzen an die Wand" – das war Repertoire nationalsozialistischer Hetze. Die Zeugnisse dieser Art ließen sich fortsetzen. Aber es waren ja nicht nur Worte. Über eintausend Priester und Ordensleute starben in Gefängnissen und im KZ. Zehntausende litten wegen ihres christlichen Bekenntnisses und wurden umgebracht. All das hatte 1937 bereits seinen Anfang genommen und wurde in den folgenden acht Jahren bittere Realität.

‚Mit brennender Sorge’ verurteilt nicht nur die Kirchenverfolgung in Deutschland, sondern auch das Neuheidentum der nationalsozialistischen Theorien, die Vergötterung des Staates und den Gebrauch von Rasse und Blutlinien, um den menschlichen Wert zu bestimmen.

Sie sagt:
„Wer die Rasse, oder das Volk, oder den Staat, oder die Staatsform, die Träger der Staatsgewalt oder andere Grundwerte menschlicher Gemeinschaftsgestaltung – die innerhalb der irdischen Ordnung einen wesentlichen und ehrengebietenden Platz behaupten – aus dieser ihrer irdischen Wertskala herauslöst, sie zur höchsten Norm aller, auch der religiösen Werte macht und sie mit Götzenkult vergöttert, der verkehrt und fälscht die gottgeschaffene und gottbefohlene Ordnung der Dinge. Ein solcher ist weit von wahrem Gottesglauben und einer solchem Glauben entsprechenden Lebensauffassung entfernt."

Eine Stelle ist insbesondere ein offensichtlicher Schlag gegen Hitler und den Nationalsozialismus:
„Nur oberflächliche Geister können der Irrlehre verfallen, von einem nationalen Gott, von einer nationalen Religion zu sprechen, können den Wahnversuch unternehmen, Gott, den Schöpfer aller Welt, den König und Gesetzgeber aller Völker, vor dessen Größe die Nationen klein sind wie Tropfen am Wassereimer, in die Grenze eines einzelnen Volkes, in die blutmäßige Enge einer einzelnen Rasse einkerkern zu wollen."

Die Enzyklika schließt mit dem Satz: „Dann – das sind Wir gewiss – werden die Feinde der Kirche, die ihre Stunde gekommen wähnen, bald erkennen, dass sie zu früh gejubelt haben." Die Nationalsozialisten konfiszierten alle verfügbaren Ausgaben der Enzyklika, verhafteten die Drucker, welche die Texte herstellten und beschlagnahmten ihre Druckerei. Die Verteiler der Enzyklika wurden verhaftet. Zahlungen, die Deutschland unter dem Konkordat an die Kirche leisten sollte, wurden reduziert. Verschiedene Priester wurden mit fabrizierten Anklagen, Devisenvergehen oder moralischer Verfehlungen angeklagt.

Im Mai des gleichen Jahres zitierte eine Schweizer Zeitung Adolg Hitler mit den Worten:

„Das Dritte Reich sehnt sich nicht nach einem Modus vivendi mit der katholischen Kirche, sondern nach ihrer Zerstörung mit Lügen und Unehre, um einer deutschen Kirche Platz zu machen, in der die deutsche Rasse verherrlicht wird."

Von diesem Zeitpunkt an betrachteten die Nationalsozialisten Papst Pius XI. als ihren Feind.

Aus diesem Wissen und dunkler Ahnung heraus sagt Pius XI. zum Schluss seiner Enzyklika: „Jedes Wort dieses Sendschreibens haben Wir abgewogen auf der Waage der Wahrheit und zugleich der Liebe. Weder wollten Wir durch unzeitgemäßes Schweigen mitschuldig werden an der mangelnden Aufklärung, noch durch unnötige Strenge an der Herzensverhärtung irgend eines von denen, die Unserer Hirtenverantwortung unterstehen und denen Unsere Hirtenliebe deshalb nicht weniger gilt, weil sie zur Zeit Wege des Irrtums und des Fremdseins wandeln."

‚Mit brennender Sorge’ verurteilte nicht nur die Kirchenverfolgung in Deutschland, sondern auch das Neuheidentum der nationalsozialistischen Theorien, die Vergötterung des Staates und den Gebrauch von Rasse und Blutlinien, um den menschlichen Wert zu bestimmen.

Soviel zur Enzyklika „Mit brennender Sorge"

Eugenio Pacelli wurde am 2. März 1939, seinem 63. Geburtstag, als Nachfolger von Pius XI. zum Papst gewählt. Das NS-Regime sandte als eine von sehr wenigen Regierungen keine Delegation zur Amtseinführung des neuen Papstes. Gleich zu Beginn seines Pontifikats wurde Pius XII. mit der Kriegsgefahr konfrontiert. Am 15. März brach Hitler das Münchner Abkommen. Der Angriff auf Polen – der Beginn des 2. Weltkrieges – stand vor der Tür. Pius XII. hielt an der politischen Neutralität fest und erklärte in seiner legendären Rundfunkrede im Radio Vatikan am 31. August 1939:

„Mit dem Frieden ist nichts verloren, aber alles kann mit dem Krieg verloren werden".

Wie sein Vorgänger Benedikt XV. im Ersten, so veröffentlichte Pius XII. im Zweiten Weltkrieg hunderte von Friedensappellen – sie gingen im Donner des Kriegsgeschehens und der Totenstille der Konzentrationslager unter. Die unzähligen Hilfsaktionen des Vatikan ebenso. Sie kamen und kommen erst allmählich ans Tageslicht der Historie. Umso mehr beeindrucken sie. (rv)