Es wird die kürzeste Auslandsreise eines Papstes in der Geschichte: Am nächsten Dienstag fliegt Franziskus nach Straßburg, spricht dort vor dem EU-Parlament und dem Europarat. 26 Jahre ist es jetzt her, dass der heilige Papst Johannes Paul II. sich an die EU-Abgeordneten wandte; der Besuch von Franziskus im Europarat ist sogar eine Premiere, dorthin ist noch kein Papst gekommen. Worüber wird Franziskus in Straßburg sprechen? Das verrät uns Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, im Interview mit dem Vatikanischen Fernsehzentrum CTV.
„Bewahrung der Schöpfung, oder weltlich gesprochen: Schutz der Umwelt. Und dann das Thema der Solidarität gegenüber den Menschen, die neue Möglichkeiten außerhalb ihres eigenen Landes suchen, auch das ist ja ein Thema, auf das der Papst häufig zurückkommt. Es wird vor allem um Solidarität gehen, die ja nicht nur einer der Werte des geeinten Europas ist, sondern sogar – finde ich – das eigentliche Ziel der Existenz Europas, und sicher eine seiner grundlegenden Dimensionen. Und schließlich die ganzheitliche Vision des Menschen: Der Mensch in all seinen Dimensionen, einschließlich der spirituellen und transzendenten. Diese Dimension kann auch eine konstruktive Antwort geben auf die Herausforderungen, vor denen Europa im Moment steht.“
Nur dreißig Prozent der Europäer haben den Umfragen zufolge derzeit eine positive Sicht der EU; das liegt vor allem an der hartnäckigen Wirtschaftskrise. Die Idee des geeinten Europa hat an Glanz eingebüßt. Was tun, Kardinal Parolin?
„Die Menschen sehen in Europa oft eine weit entfernte Realität, eine bürokratische Realität, die sich nicht für die wirklichen Probleme des Alltags der Menschen interessiert. Die Krise führt zu einem Verlust an Hoffnung und Vertrauen, dass Europa tatsächlich eine Antwort auf die vielen Probleme auf dem Kontinent geben kann. Anders als vor einigen Jahrzehnten gibt es jetzt nicht mehr diesen Optimismus, dass man schon Antworten finden wird. Ich habe den Eindruck, dass das, was mal am Beginn der europäischen Idee stand, seine Gründungswerte nicht länger allgemein akzeptiert werden. Wenn man keinen gemeinsamen Ausgangspunkt mehr hat, kann man aber auch nicht mehr gemeinsam die Probleme anpacken. Darum scheint es mir wichtig, dass man in Schule und Ausbildung den jungen Leuten konkret zeigt, welchen Wert das europäische Projekt hat. Und dass es, wenn man es im Geist seiner Gründungsväter lebt, auch heute noch den Herausforderungen gewachsen und zu konkreten Antworten in der Lage ist.“
‚Europa ist müde’, hat Papst Franziskus Mitte Juni bei einem Besuch bei der römischen Basisgemeinschaft Sant`Egidio gesagt. ‚Wir müssen ihm helfen, sich wieder zu verjüngen.’ 75 Millionen junge Leute in Europa sind ‚Weder-Nochs’, das heißt, sie arbeiten nicht und studieren auch nicht. Parolin:
„Das große Problem Europas ist heute leider die Arbeitslosigkeit, vor allem bei jungen Leuten. Das führt zu immer mehr sozialer Ausschließung. Man müsste diesen Menschen mehr Solidarität und Hilfe geben, ihnen und den Migranten, den alleinerziehenden Müttern, den alten und behinderten Menschen – mehr Hilfen für sie wären ein sicherer Weg, um dem europäischen Projekt wieder mehr Kraft zu verleihen. Denn wie gesagt: Genau deswegen ist Europa geboren. Um Frieden zu sichern und eine besondere Aufmerksamkeit für die Schwächeren.“ (rv)