Lombardi: „Maltareise gab ein Hoffnungszeichen“

Die erste Auslandsreise Benedikts in diesem Jahr war aus Vatikansicht ein voller Erfolg. Das sagt Vatikansprecher P. Federico Lombardi in seinem Editorial für Radio Vatikan an diesem Samstag. Der Papst habe die Reise unter schwierigen Umständen in Angriff genommen, denn die Medien hätten eine ablehnende Einstellung der Malteser erwartet. Das Gegenteil sei der Fall gewesen, fügt Lombardi an.
„Die Reise war eine ständige Bereicherung bis hin zum festlichen Empfang der Jugend am Hafen von La Valletta. Paradoxerweise wurde einer der Höhepunkte der Reise, die von den internationalen Medien mit Spannung erwartet wurde, im Stillen und abseits der Medienblicke durchgeführt: Das Treffen mit einigen Missbrauchsopfern. Doch die Art und Weise, wie sie im Anschluss darüber gesprochen haben, hat viele Menschen tief bewegt.“
Damit sei dieses Treffen, so Lombardi, ein bedeutendes Hoffnungszeichen für die Kirche gewesen. Die Kirche zeige, dass sie lebendig und ihren Weg fortschreitet, indem sie auch ihre Wunden mit Ehrlichkeit angehe, so der Vatikansprecher weiter. Und sagte abschließend:
„Eine solche Botschaft hatten wir wirklich nötig.“ (rv)

„Nicht triumphalistisch, sondern mutig“ – Ein eine Bilanz der Papstreise nach Malta

Papstreise Malta 2. Tag

Malta kann weder als Hauptschauplatz der Weltpolitik gelten, noch spielt es kirchlich eine übergeordnete Rolle. Und doch: Die Papstreise zum kleinen südeuropäischen Inselstaat hat einen sehr starken Eindruck hinterlassen – besonders auch wegen der Papstbegegnung mit Missbrauchsopfern, aber nicht nur. Hören Sie aus Malta das Fazit unseres Korrespondenten Stefan Kempis zur Papstreise:
Etwas mehr als 24 Stunden hat Benedikt XVI. an diesem Wochenende auf der Insel Malta verbracht – Besuch bei einer selbstbewussten Ortskirche, deren tiefer Glauben und Feierfreude bestechen. Stefan Kempis mit einer Bilanz der 14. Auslandsreise unseres Papstes.
Was hat der Papst getan auf Malta? Er hat mit den Maltesern gefeiert und sie im Glauben gestärkt. Hört sich an wie ein Gemeinplatz – ist aber keiner: „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe“, das ist der Auftrag Jesu an Petrus, wie wir gerade an diesem Sonntag im Johannesevangelium gelesen haben. Genau das hat Petrusnachfolger Benedikt auf Malta getan – und er konnte dabei auf einem bemerkenswerten Fundament an Glaubensstärke bei den Einwohnern aufbauen, wie es anderswo in Europa längst zerbröselt ist.
Oft sind bei Reisen dieses Papstes seine Predigten und Ansprachen bemerkenswert – aber diesmal scheint mir das (von seiner ersten auf dem Flughafen abgesehen) nicht so zu sein. Stattdessen war es eine Geste Benedikts, die berührte: sein Treffen mit Missbrauchsopfern. Er hat da den schwierigeren Teil erwählt: Statt eine flammende Rede gegen Missbrauch zu halten, hat er die Anklagen und erschütternden Berichte der Opfer aus-gehalten. Er soll sogar geweint haben vor Scham über die Verbrechen vieler Priester. Ohne diese Begegnung abseits der Teleobjektive wäre das Reiseprogramm Benedikts womöglich peinlich und triumphalistisch erschienen. Aber der Steuermann des Schiffleins Petri ist eben nicht nur im Katamaran an La Vallettas malerischen Mauern entlang gefahren – er hat auch im Stillen bei seinem Treffen mit Missbrauchsopfern Mut bewiesen.
Die eindrucksvollen Reden dieser Reise kamen diesmal nicht so sehr vom Papst – jedenfalls nach meinem Eindruck – als vielmehr von den Maltesern selbst: Beeindruckender Klartext. „Es ist ein Krieg im Gang zwischen Laizismus und Christentum“, sagt Präsident Abela. – „Wir können nicht einfach mit dem Kirchenmodell so weitermachen, wie wir es seit Jahrzehnten gewohnt waren“, sagt Erzbischof Cremona, und: „Wir müssen zurück zu einer Kirche, die demütig genug ist, ihr Versagen und ihre Sünden einzugestehen, aber stark genug, um auf den Heiligen Geist zu setzen.“ – „Die Kirche gibt denen, die an ihrem Rand stehen, das Gefühl, nicht dazuzugehören; wir wünschen uns mehr Verständnis, weniger strenge Urteile“, sagt ein Jugendlicher zum Papst. – „Wir leben wie zwischen zwei Wirklichkeiten eingequetscht“, sagt ihm ein junges Paar: „Wir können doch unsere Kinder nicht einfach zu Gottvertrauen erziehen, wenn die in eine Welt des Konkurrenzkampfs hineinwachsen!“ – „Man nimmt uns oft nicht ernst, man sieht uns als eine negative Kraft“, meint ein Priesteramtskandidat, und weiter: „Wir müssen doch zugeben, dass die Kirche durch Episoden gegangen ist, die man heute kaum noch erklären oder rechtfertigen kann… Und zitternd“ – das ist ein bemerkenswerter Satz aus dem Mund eines Seminaristen – „bitten wir Gott um Vergebung unserer Sünden, und dass er uns von Gefahren fernhält, denn wir wollen anderen keinen Schaden zufügen!“
Also, diesmal war es mindestens ebenso Malta, das zum Papst sprach, wie umgekehrt Benedikt, der zu den Maltesern sprach. Fazit: Man kann nach dieser Reise nicht mehr sagen, der Papst lebe in einem Elfenbeinturm und kriege die Probleme in Kirche und Welt nicht so richtig mit. Die Malteser haben Klartext geredet und dem Papst das gesagt, was viele Katholiken denken. Das Beeindruckende war: Sie haben das mit einer ungebrochenen Glaubensfreude verbunden. Eine bemerkenswerte, sehr souveräne Kombination.
Was hat der Papst getan auf Malta? Er hat die Menschen hier im Glauben gestärkt – aber vor allem hat er sehr genau hingehört. (rv)

Lombardi: „Viele Feiernde, wenige Polizisten“

Viel mehr feiernde Menschen am Straßenrand als gedacht – und fast keine Polizisten zu sehen: Das war der Eindruck, den Papst-Sprecher Federico Lombardi in den ersten Stunden der Maltareise des Papstes gewann. In La Valletta meinte der Jesuit am Samstagabend vor Journalisten, die Reise habe viel enthusiastischer begonnen als erwartet. Stefan Kempis mit Fragen an P. Lombardi.
Was sind Ihre Eindrücke von den ersten Stunden des Papstes auf Malta?
„Ich glaube, wir können begeistert sein! Denn die Aufnahme durch das maltesische Volk ist wirklich wunderbar. Die ganze Bevölkerung ist auf der Straße, wie zu einem großen Fest. Die Leute sind sehr zufrieden, den Papst hier zu haben, und eine solche Gelegenheit zu haben, ihren Glauben auf eine volkstümliche und tiefe Weise auszudrücken! Ich glaube wirklich, dass diese Wurzel, die bis auf den heiligen Paulus zurückgeht, tief und gesund ist. Man sieht, wie dieses Ereignis des Schiffsbruchs des Paulus hier auf dieser Insel immer noch etwas Aktuelles ist: Wir sehen, wie der Glaube hier neues Leben gibt und Mission erweckt. Die Freude, den anderen den Glauben weiterzugeben, und die große Tradition des Missionswerks der Malteser in der Welt- das ist beeindruckend. Diese kleine Bevölkerung, die wirklich überall zerstreut war und jedes Mal den Glauben mit sich gebracht hat in viele Teile der Welt: Das konnte man heute Abend in dieser Pauluskirche und in der Paulusgrotte erleben.“
Viele hatten vorher die Befürchtung, die Reise werde durch die Missbrauchs-Skandale überschattet. Das scheint aber heute nicht so auszusehen…
„Für die maltesische Bevölkerung sicher nicht! Wir haben heute sicher 100.000 Leute gesehen, und ich glaube, dass wir morgen noch einmal 100.000 Menschen sehen werden… die waren nicht besonders von diesem Problem bedrückt. Natürlich – das Problem besteht in der Kirche, und es besteht auch hier, aber man muss die richtigen Proportionen sehen, und wenn etwas zu korrigieren ist, muss man das tun, klar und entschieden. Hier allerdings haben wir eine Bevölkerung, die aus dem Glauben feiert, und das müssen wir ihr erlauben… Es gibt ja in der Welt nicht nur das, was uns die Zeitungen sagen!“ (rv)

Papst Benedikt im maltesischen Präsidentenpalast

Nach einer guten halben Stunde ist die Begrüßungszeremonie schon vorüber; Benedikt steigt in das Papamobil und fährt in Richtung Hauptstadt, zu einem längeren Gespräch mit dem Präsidenten. Vor dem Palast der Großmeister im Zentrum von La Valletta herrscht eine wirklich ausgelassene Stimmung: Hunderte von Kindern winken mit gelb-weißen Fähnchen, bringen dem Papst ein (leicht verspätetes) Geburtstagsständchen, skandieren „Oh happy day“. Im Innern des prachtvollen Palastes, von dem aus die Malteserritter einst die Insel regierten, macht der Präsident für den Papst den Fremdenführer, und Benedikt wirkt äußerst interessiert. Ein privates Gespräch zwischen den beiden Staatschefs, dann schenkt der Papst Abela ein Mosaik, das den Schiffbruch des Paulus darstellt.
Es ist mit einem gerüttelt Maß Verspätung, dass Benedikt dann an seinem nächsten Programmpunkt eintrifft: Im Städtchen Rabat, wo unter einer barocken Basilika die Paulusgrotte liegt. Hier soll der Völkerapostel mehrere Monate in römischer Haft gewesen sein. Tausende haben hier auf den Papst gewartet, die Stimmung in der einsetzenden Dämmerung ist volksfesthaft – ein Kind hat sich als Schweizergardist verkleidet. Diese Grotte, in der schon Johannes Paul II. betete, ist die Keimzelle des Christentums auf der Insel: Erst mit seinem Gebet hier ist Benedikt, der Nachfolger des Petrus, aber auch des Paulus – wie Paul VI. gern betonte – so richtig angekommen auf Malta, da wo alles anfing… (rv)

Papst in der Paulusgrotte auf Malta

Papst Benedikt XVI. hat bei seinem Besuch auf Malta am Samstagabend die Paulusgrotte besucht. Die Grotte befindet sich in Rabat, eine Ortschaft in der Nähe der Hauptstadt Valletta. Der Völkerapostel Paulus strandete der Tradition nach vor genau 1.950 Jahren und lebte drei Monate lang auf Malta. In der Grotte sagte der Papst:
„Der Aufenthalt des Völkerapostels Paulus ist ein unvergessliches Ereignis für die Geschichte der Insel. Mit seiner Botschaft hat Paulus das Christentum tief verwurzelt und die nationale Identität Maltas geprägt. Auch heute ist diese Insel ein christliches Zeugnis angesichts der vielen Bedrohungen gegen die Heiligkeit des Lebens und die Würde von Ehe und Familie notwendig. Nach wie vor braucht die Gesellschaft grundlegende moralische Werte. Nur sie bilden die Grundlage für echte Freiheit und tatsächlichen Fortschritt. Das gleiche Evangelium, das vor 1.950 Jahren der Apostel Paulus auf der Insel predigte, muss auch heute im Rahmen einer Neuevangelisierung die Menschen zur Umkehr, zu einem neuen Leben und zu einer Zukunft in Hoffnung anhalten."
Nach seiner Ankunft in Rabat betete der Papst zunächst still vor dem Tabernakel in der Kirche. Dann stieg er in die Grotte hinab. Als Geschenk hinterließ er eine silberne Votivlampe und seinen Pileolus, die weiße Kopfbedeckung des Papstes.
Geistigen Vater Maltas
Paulus sei durch seinen durch einen heftigen Sturm erzwungenen Aufenthalt zum geistigen Vater Maltas geworden, sagte der Papst. Er dankte den rund 250 Missionaren für ihre Arbeit, die an dem Gebetstreffen in der Paulusgrotte teilnahmen. Wie der Völkerapostel Paulus verkündeten und bezeugten sie das Christentum in der Welt. Rund um die Kirche in Rabat herrschte Volksfeststimmung. (rv)

Protestanten auf Malta: „Auch wir werden Flaggen schwingen“

Für eine Nacht der Nachbar des Papstes: Wilfried Steen wohnt in Rabat nur wenige Schritte von der Nuntiatur entfernt, in der sein Landsmann Benedikt die Nacht von Samstag auf Sonntag verbringt. Allerdings – Steen ist Protestant. Er leitet die deutsche protestantische Gemeinde auf Malta. Und trotzdem freut er sich über den Besuch aus Rom und plant dazu sogar eine Art ökumenischer Gartenparty. Stefan Kempis sprach mit ihm über die Nähe der meisten Malteser zur katholischen Kirche – und ob er das nicht manchmal mit Befremden sieht.
„Nein – eigentlich mit Bewunderung. Ich erlebe nämlich hier als evangelischer Pfarrer eine ausgeprägt ökumenische Arbeit der katholischen Kirche und sehe mich hier als Vertreter einer kleinen Minderheit doch sehr akzeptiert und angenommen, auch von meinen katholischen Amtsbrüdern. Ich glaube, dass hier ein großes Selbstbewusstsein der katholischen Kirche dabei hilft, „Andersgläubigen" im ökumenischen Verbund die Tür zu öffnen und zu sagen: Jawohl, ihr seid ein bisschen anders als wir, aber ihr seid unsere Geschwister!"
Das ist aber in anderen sehr katholischen Gegenden, etwa in Polen, nicht so…
Nein."
Wie erklären Sie sich, dass hier in Malta funktioniert, was anderswo nicht immer klappt?
„Ich glaube, es funktioniert hier deshalb, weil es in der Vergangenheit in der Geschichte dieses Volkes nie solche Auseinandersetzungen auch um die konfessionellen Fragen gegeben hat: Malta war ja immer eindeutig ein katholisches Land und ist das auch noch heute. Und das hilft, glaube ich, sehr, sich zu öffnen und zu sehen, dass es neue Bewegungen gibt, dass wir als Kirche eigentlich an einem Strange ziehen."
Als deutscher Besucher kann man im Moment in Valletta das Gefühl haben, hier wird jetzt mit dem Papst noch einmal Paulus und die große Belagerung des 16. Jahrhunderts sozusagen nachgespielt…
„Sie haben natürlich nicht unrecht, dass das manchmal etwas skurril wirkt. Aber eigentlich hat das etwas sehr Liebenswertes, das man sich so zu seiner eigenen Geschichte bekennt – und ich glaube, das macht die Malteser sehr selbstbewusst."
Haben Sie Verbindungslinien zum Papstbesuch?
„Wir werden natürlich hier im Haus, weil wir hier ganz nah dran sind und der Papst hier vorbeifährt, dazu beitragen, dass er eine freundliche Begrüßung hat… Wir werden hier mit unserer deutschen Flagge ein Zeichen setzen und werden auch entsprechend alles schmücken. Wir treffen uns hier als protestantische Gemeinde, aber auch die katholische deutsche Gemeinde: Wir versammeln uns hier, trinken gemeinsam Kaffee, vergnügen uns – und warten darauf, dass der Papst vorbeifährt. Benedikt fährt hier durch unsere Strasse, und das werden wir natürlich nutzen, um als evangelische und katholische Deutsche hier zu stehen und Flaggen zu schwingen und ihn mit Hallo auch auf seinem Weg zu begleiten!" (rv)

Die Paulusgrotte – Keimzelle des maltesischen Christentums

Die Paulusgrotte gilt den Maltesern als jener Ort, an dem der heilige Paulus drei Monate lang unter den Römern gefangen saß und gelehrt hat. Unser Kollege Stefan Kempis war schon vor dem Papstbesuch dort und beschreibt seine Eindrücke vor Ort:
La Valletta, Busbahnhof, gleich vor den festungsartigen Mauern der Hauptstadt, die im 16. Jahrhundert von den Malteserrittern angelegt wurde. Von hier fährt Bus Nummer 81 in einen noch älteren Teil der Geschichte von Malta: 25 Minuten Fahrt für einen Sprung ins Jahr 60, in die Zeit des Apostels Paulus. Wir fahren nach Rabat, zur Pauluskirche: In der alten Grotte darunter soll der Völkerapostel, wie die letzten Seiten der „Apostelgeschichte" erzählen, drei Monate lang gelebt und gelehrt haben, als Gefangener des Römischen Reichs. Der Bus fährt durch mehrere Städte und Dörfer, aber man merkt kaum die Übergänge, eher ist es, als fahre man durch immer neue Viertel immer der gleichen Stadt. Fernab der Küste ist Malta leicht hügelig, windig, trocken: Überall Kakteen, Palmen, gelblicher Stein.
Ankunft in Rabat: Das Städtchen, in dem auch Benedikt XVI. bei seinem Besuch übernachtet, liegt wie ein Adlernest auf einer Kuppe, beherrscht von der Silhouette der barocken Basilika, mit ihrer rotweißen Kuppel. Im Innern des Gotteshauses barocker Überschwang; Arbeiter legen letzte Hand an. Ein paar Stufen hinunter in die dunkle Krypta, dann öffnet sich ein Gittertor zu einer Art Höhle: Hier in diesem kleinen Raum schlug also die Stunde Null für Maltas Christentum.
„Paulus ist unser Vater", erklärt mit großer Selbstverständlichkeit Luis Suban, der Erzpriester der Basilika. „Er ist unser Vater im Glauben. Da ist es doch natürlich, dass der Papst 1.950 Jahre nach Paulus` Schiffbruch nach Malta kommt… Übrigens", so glaubt Suban, „hat der Papst ja sowieso ein Faible für Malta. Sein zweiter Sekretär kommt von hier und ein enger Mitarbeiter in der Glaubenskongregation, und wäre er nicht zum Papst gewählt worden, wäre er im Juni 2005 nach Malta gekommen – das war schon alles geplant. Ich hoffe, wir bereiten ihm einen schönen Empfang – der Besuch wurde ja im Februar angekündigt, und wir sind immer noch nicht fertig mit den Vorbereitungen…"
Die Grotte ist klein und eng; Besucher haben sie im Lauf der Jahrhunderte erweitert, indem sie Staub von den Wänden kratzten, galt dieser doch als wundertätig, als Heilmittel gegen Schlangengift.
„Da, wo die heutige Kirche liegt, war der Stadtrand des antiken Melite; hier, gleich vor den Toren der Stadt, war das römische Gefängnis. Und das hier ist eine Zelle dieses römischen Kerkers… Die Statue dort kommt aus der Schule des Bernini, sie wurde von einem Großmeister des Barock hier aufgestellt. Dann sieht man hier Bilder von Johannes Paul II., der ebenfalls 1990 diesen Ort besucht hat – er hat hier zwanzig Minuten lang alleine gebetet! -, und das hier sind Lampen, die die Johanniter und Malteserritter gestiftet haben. Hier schließlich sehen Sie vier Lampen, die Papst Paul VI. gestiftet hat. Und diese Treppen dort führen in die Katakomben…"
„Paulus-Katakomben" – am Eingang zu diesem Komplex kommen wir später vorbei, als wir wieder draußen sind an der frischen Luft. Der christliche Friedhof stammt aus dem vierten Jahrhundert – erster sicherer Nachweis für eine christliche Gemeinde auf der Insel, wenn man vom Zeugnis der „Apostelgeschichte" einmal absieht. Rabats Gassen sind eng, gewunden, orientalisch. In einem mit Büchern nur so vollgestopften Zimmer besuchen wir noch auf einen Sprung den wohl eminentesten Paulusforscher der Insel, den Priester John Azzopardi – er kommt aus einer der bekanntesten Familien von Malta.
„Ich habe immer in einem Paulus-Ambiente gelebt", sagt Azzopardi, „alle meine Forschungen kreisen darum. Paulus auf Malta – das ist eine eigene Kultur für sich. Er ist ein Symbol, er hat einen wichtigen Teil von Maltas Identität mitgeformt. Darüber habe ich übrigens gerade ein Buch geschrieben, das ich heute abend im Büro des Ministerpräsidenten vorstelle… Wir sind das einzige Volk der Welt zusammen mit Griechenland, das den von Paulus gebrachten Glauben bis heute bewahrt hat. Und wir sind die einzigen überhaupt, die ihn nicht nur Völkerapostel nennen, sondern unseren Vater! Genau das steht auch in einer schönen lateinischen Inschrift über der Paulusgrotte: Anderen ist er Lehrer, uns ist er Vater…"
Azzopardi kann beredt schildern, wie herzlich Paulus, obzwar Gefangener, von den Maltesern dereinst aufgenommen worden ist. Wenn Paulus allerdings heute Schiffbruch vor Malta erleiden würde – das weiß auch der Geistliche – dann würde er ohne große Umstände in ein Internierungslager für Immigranten geschafft.
„Wissen Sie, die Immigration bedeutet für uns große wirtschaftliche Probleme… Unmenschliche Bedingungen in den Lagern? Naja – vielleicht aus der Sicht unserer Bequemlichkeiten. Aber die Zahl der Ankömmlinge ist so groß und die Probleme so schwerwiegend… die Regierung gibt sich schon große Mühe."
Es wird Abend: Bus Nummer 81 schaukelt zurück nach La Valletta. An Bord auch einige Immigranten mit schwarzer Hautfarbe. Hinter uns zurück bleibt die beeindruckende Silhouette von Rabat. (rv)

Malta vor dem Papstbesuch: „Neue Offenheit“?

In 24 Stunden bricht Papst Benedikt XVI. zu seiner 14. Auslandsreise auf die Insel Malta auf. Dort will er an die Landung des Apostels Paulus auf dem Archipel erinnern, das zwischen Sizilien und Tunesien liegt. Vorgesehen ist ein Besuch Benedikts in der „Paulusgrotte“, eine große Messfeier unter freiem Himmel und ein Treffen mit Jugendlichen. Wie die Malteser den Papstbesuch aufnehmen, verrät der Erzbischof von Malta, Paul Cremona, im Interview mit Radio Vatikan:
„Die Bevölkerung wartet gespannt auf den Papstbesuch.. Vor allem die Kirche sagt den Gläubigen, sich vorzubereiten und den Papst willkommen zu heißen. So wie es die Malteser vor fast 2000 Jahren taten, als der Heilige Paulus zu ihnen kam. Sie haben ihn mit Liebe und Gastfreundschaft aufgenommen.“
Angesichts der Missbrauchskrise hat auch die maltesische Kirche Aufklärungswillen gezeigt. Erzbischof Cremona bekräftigt:
„Wir wollen unser Bestes geben, um all diese Missbrauchsfälle in der Kirche aufzuklären. Wir haben alle Menschen Maltas dazu aufgerufen, uns über Missbrauchsfälle zu informieren und uns dabei zu helfen, diese Verbrechen aufzuklären.“
Dass der Besuch Benedikts das Glaubensleben der Insel neu beleben kann, von dieser Hoffnung ist auch in der Bevölkerung etwas zu spüren. Die deutsche katholische Publizistin Livia Leykauf lebt seit einigen Jahren auf Malta. Unser Korrespondent Stefan Kempis hat mit ihr gesprochen.
Was kann man sich vom Papstbesuch hier auf Malta erwarten?
„Viele erhoffen sich eine Neubelebung des Glaubens; ich denke auch, dass eine neue Offenheit und mehr Gespräch durch den Papstbesuch angeregt werden. Da ist schon viel passiert…“
In welcher Hinsicht mehr Gespräch?
„Es gab hier in den letzten Tagen eine Pressekonferenz von zehn Männern, die in einem katholischen Waisenhaus sexuell missbraucht worden sind – diese ganze Sache ist seit sieben Jahren vor Gericht anhängig, und nichts passiert. Doch durch den Papstbesuch ist da wirklich Bewegung hineingekommen; Menschen kommen miteinander darüber ins Gespräch… über Dinge, die vorher vollkommen tabuisiert wurden. Der Erzbischof hat sie empfangen; beide Seiten haben von einem sehr offenen, sehr warmen, sehr verständnisvollen Gespräch berichtet. Das ist etwas Neues, was hier passiert. Was auch passiert und was ich bisher noch nie wahrgenommen habe, ist auch, dass sich gewisse kirchenkritische Töne vernehmen lassen, die bisher irgendwo versteckt waren. Also, ich erlebe es so, dass durch diesen Papstbesuch Dinge auf eine gute Weise aufbrechen – auch wenn es kritische oder sehr schwierige Dinge sind. Es bewegt sich etwas – und das ist, glaube ich, ganz wichtig für Maltas Kirche.“
Paulus wurde vor 1950 Jahren sehr herzlich aufgenommen, notiert Lukas. Wäre das heute ganz anders?
„Das wäre heute ganz anders, zumindest wenn er nicht weißer Hautfarbe wäre…!“
Da mag die Katholikin Recht haben – die Situation der Mittelmeerflüchtlinge, die auf die Insel kommen, ist schrecklich. Wir haben einen Abstecher in ein maltesisches Auffanglager gemacht, in dem Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern bis zu 18 Monate festsitzen, während sie auf Bearbeitung ihrer Asylanträge warten. In einem solchen Auffanglager hat Stefan Troendle vom ARD-Hörfunk mit Collin aus Nigeria gesprochen:
„Ich wäre ja in meinem Land geblieben, das ist ok für mich. Es hängt mit den Problemen zusammen, die ich dort habe wegen der Regierung, wegen der religiösen und politischen Krise in Nigeria. Es gibt viele Familie, die Probleme haben und weg müssen; wenn sie bleiben, werden sie umgebracht. In anderen Ländern ist es doch ähnlich. Deswegen kommen so viele hierher – und nicht freiwillig. Ich habe hier Asyl beantragt, aber ich würde jedes europäische land bevorzugen, wo es so etwas wie Menschenrechte gibt. In Malta gibt es die nämlich nicht.“ (rv)