Synodenaula: Was machen die Arbeitsgruppen?

Bernd HagenkordSeit Montag tagen im Vatikan die Arbeitsgruppen der Bischofssynode, um das von Kardinal Erdö erstellte zusammenfassende Papier, die so genannte „Relatio post Disceptationem“, zu bearbeiten. Pater Bernd Hagenkord nimmt an den Arbeitsgruppen hinter verschlossenen Türen teil und weiß, dass es eine intensive Arbeitsphase ist, voller Engagement und auch Kritik.

Täglich sechs Stunden Texten und Diskutieren
Dreieinhalb Stunden am Vormittag und noch einmal zweieinhalb Stunden am Nachmittag: Täglich setzen sich die nach Sprachen zufällig zusammengestellten Gruppen mit der „Relatio“ auseinander. Hinzu kommen die Zeiten, an denen einzelne oder mehrere Teilnehmer an Verbesserungsvorschlägen arbeiten, in den Pausen oder auch abends. Es werden Texte erarbeitet, Änderungsvorschläge zu Papier gebracht, Entwürfe verworfen und dann wieder ergänzt. Man kann die Konzentration in diesen Tagen fast mit Händen greifen.

Mindestens so viel kann man über den Text sagen: Er hat alle Teilnehmer zum Nachdenken und Mitdenken angeregt. Nicht alle stimmen zu, es gibt viel Kritik, wie es auch normal ist bei Textarbeit, dass vor allem die kritischen Dinge zur Sprache kommen. Einige Stimmen sind sehr kritisch, und das zeigt sich auch in den Arbeitsgruppen. In allen Gruppen, die ich bislang besuchen konnte, wird das sehr deutlich.

Einzelne Arbeitsgruppen mit zwanzig Teilnehmer

Die Gruppen umfassen etwa zwanzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer, vor allem natürlich die stimmberechtigten Synodenväter, aber auch alle anderen sind eingeladen, ihren Beitrag zu leisten. Man geht durch den Text – die Relatio – diskutiert, macht Textvorschläge, bespricht diese und arbeitet sich so durch die einzelnen Teile hindurch. Wenn es einen ausformulierten Änderungsvorschlag gibt, wird der in der Arbeitsgruppe abgestimmt und bei Mehrheit geht er an die Redaktionsgruppe weiter, die alle Vorschläge aus allen Gruppen einsammelt.

Am Donnerstag werden die jeweiligen Berichterstatter der Gruppen in der Vollversammlung berichten, danach geht es für die Redaktionsgruppe an die Arbeit. Eineinhalb Tage wird dieses Redaktionsteam Zeit haben um daraus einen einzigen Text zu formulieren.

In den vergangenen Synoden war es im Anschluss daran zu so genannten „Propositionen“ gekommen, Vorschlägen, die dem Papst übergeben wurden. Dieses Mal soll ein runder Text den Abschluss bilden, der im Anschluss den Bistümern und der Weltkirche zur Vorbereitung und Weiterarbeit gegeben wird, in Vorbereitung auf die kommende Synode 2015. Das ist ungleich mehr Arbeit, denn die einzelnen und sehr unterschiedlichen Einwände, Vorschläge und Änderungsanträge müssen miteinander abgestimmt sein.

Mediale Aufmerksamkeit bringt neues Gefühl in die Synode

Allen Teilnehmern hier ist klar, dass nach den öffentlichen Reaktionen auf die Relatio am Montag nun die Augen auf ihre Arbeit gerichtet ist. Es ist ein neues Gefühl, in der Vergangenheit war das Interesse an Synoden eher übersichtlich. Man arbeitet hier am Abschlusstext, aber auch daran, etwas für die Diskussionen und Arbeiten in der Weltkirche zu erstellen. Wie gesagt, man kann die Konzentration in diesen Tagen fast mit Händen greifen.

Aus der Bischofssynode Pater Bernd Hagenkord für Radio Vatikan. (rv)

100 Tage Franziskus – ein Kommentar

Papst Franziskus ist am Freitag 100 Tage Papst – Anlass für Radio Vatikan, Rückschau zu halten. Lesen und hören Sie hier einen Kommentar von unserem Redaktionsleiter, Pater Bernd Hagenkord SJ.

Was ist so besonders an der 100? Sind 100 Tage anders als 93 oder 104? Für Journalisten wohl, dienen solche Daten doch einem ritualisierten Blick auf etwas Neues. In diesem Fall auf das Pontifikat Papst Franziskus.

Was können wir bei einem solchen Blick sehen? Zum einen, dass die häufig geäußerte Vermutung, das "Wirkliche" müsse noch kommen, nicht stimmt. Wir sehen einen Papst, der sein Verständnis von Amt ausübt, täglich und vor aller Augen. Bei den Menschen, für die Menschen und für die Kirche, die diese Menschen bilden.

Er hat die Symbolsprache des Amtes geändert und – wie seine letzten Vorgänger alle auch – Dinge weggelassen, die nicht mehr als Symbol dienen, sondern nur verwirren. Er kommuniziert direkt, baut keine Distanzen auf, spricht spontan und predigt frei. Es sind nicht "nur" Zeichen, die wir sehen, wenn wir die Massen von begeisterten Menschen und die Umarmungen, die Segnungen, das Anfassen, die Gespräche sehen, die Franziskus dort führt. Das ist der Papst, der Franziskus sein will.

Auch einige Themen hat er ganz klar benannt, in Ansprachen, Predigten und Gesprächen. Gegen die Selbstumkreisung der Kirche, gegen den Karrierismus, etc. Vor allem aber ist das alles ein "für": Gegen Selbstumkreisung bedeutet eine verkündende, freudige Kirche. In den Worten des Papstes: e bello, no? Gegen Karrierismus bedeutet eine großherzige Kirche und großherzige Christen. In den Worten des Papstes: è bello, no?

Aber trotz dieser Worte, die immer wieder Interesse und Faszination für diesen Papst wecken, ist es das "Gesamtkunstwerk" Papst, das so beeindruckend ist, und zwar von Tag Eins an. Sein Auftreten, Handeln, Spechen und seine Art, Bischof zu sein, passen zusammen. Durch sein Tun ist er ein Verkünder dessen, für den er steht.

In einer seiner ersten Predigten hat er den heiligen Franziskus zitiert: er forderte seine Franziskaner auf, "mit allem das Evangelium zu verkünden, und wenn nötig, dann auch mit Worten". Das ist es, was wir sehen, wenn mir nach 100 Tagen auf den Papst blicken. Und ich bin sicher, dass wir das bei all den anderen Gelegenheiten der Medienwelt auch sehen werden: nach 500, 1.000 oder sonst wieviel Tagen. (rv)

Der neue Papst und die Schubladen: Ein Kommentar

Bernd HagenkordVon unserem Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord SJ

 Das Ofenrohr in der Sixtinischen Kapelle war noch nicht kalt, da war der Kampf um die Deutungshoheit schon im vollen Gang. Drauflos wurde erklärt, was da im Konklave, im Vatikan und unter den Kardinälen passiert sei.

Holen wir erst einmal etwas Luft. Franziskus ist noch nicht 24 Stunden Papst. Er hat durch seine Namenswahl und sein Auftreten ganz starke Aussagen gemacht, auch die Gebetsbitte für sich und seinen Vorgänger waren geistliche Zeichen auf sein Pontifikat hin.

Es wird sich viel ändern, er wird viel ändern. Und auch wir müssen uns ändern. Dringend.

Zum Ersten hat uns Franziskus bewiesen, dass unsere Kategorien von „konservativ“ und „progressiv“ nicht mehr stimmen. Es ist ja ein altes Lied auf diesem Blog, aber ich stimme es noch einmal an: Was wir in unserer Kirche und nicht nur da unter diesen Begriffen verstehen, trifft schon längst nicht mehr die Realität. Und genau das ist das Problem mit diesen Kategorien: Sie sollen uns helfen, zu verstehen, verwirren aber nur noch. Sie ver-unmöglichen es, zu sehen. Sie verstellen den Blick.

Wenn man zum Beispiel seinen Einsatz für Gerechtigkeit, das Anprangern von Ausbeutung etc. sieht, dann muss man ihn einen fortschrittlichen Papst nennen. Wenn man seine moraltheologischen Ansichten zitiert, dann wird jeder deutschsprachige Journalist ihn einen Konservativen nennen. Das Ergebnis: Eine gespaltene Persönlichkeit.

Könnten wir den Papst selber dazu befragen, würde er – und viele andere mit ihm – verwundert den Kopf schütteln und uns fragen, wie wir darauf kämen, diese Dinge voneinander zu trennen. Für den Blick Lateinamerikas, Afrikas und anderer Teile der Welt gehören Schutz des Lebens und Fragen der Gerechtigkeit untrennbar zusammen, sie kämen gar nicht auf die Idee, das in einerseits progressiv und andererseits konservativ aufzuspalten.

Unsere Kategorien des Verstehens stimmen also nicht mehr.

Um nicht missverstanden zu werden: Damit will ich die Anliegen, die sich hinter den Begriffen verbergen, keinesfalls herunterspielen. Die bleiben wichtig. Aber daneben treten eben auch andere Anliegen, die mit dem Selbstverständnis einer wachsenden und lebendigen Kirche vorgetragen werden. Jetzt zu tun, als ob „die halt noch nicht so weit sind wie wir“, ist genauso ein Blind-Macher wie die überholten Kategorien.
Wir müssen neu lernen, Kirche zu sehen und zu verstehen. Das ist die für mich nachhaltigste Wirkung des gestrigen Abends. Der Mann, der dort auf den Balkon getreten ist, wird für uns eine Herausforderung sein. Und das ist eine wunderbare Voraussetzung für den Beginn eines neuen Pontifikates. (rv)