Tagle: Barmherzigkeit auch von anderen Religionen lernen

Kardinal TagleIm Jahr der Barmherzigkeit muss die katholische Kirche über ihre eigenen Grenzen hinausgehen und Barmherzigkeit auch von anderen Religionen lernen. Das betonte Kardinal Luis Antonio Tagle am Mittwoch bei der Begegnung mit Studenten an der Universität Gregoriana. Wie Ministerpräsident Dieter Althaus war auch Kardinal Tagle bei der Vorstellung des Buchs „Religion and Politics“ des Franziskaners Samuele Sangalli dabei, in dem es um die Rolle von Religion und Religionsfreiheit in der globalisierten Welt geht.

Tagle mahnte bei der Begegnung, die Barmherzigkeit nicht nur gegenüber Kirchenmitgliedern zu leben, sondern gerade auch mit denen, die außerhalb der katholischen Kirche stehen. „Geben wir Zeichen der Barmherzigkeit für den Bruder, die Schwester, den Nachbarn, die Leidenden und Verlassenen. Wenn wir uns die Welt ansehen, nicht nur in Asien, ist dort, wo Ungerechtigkeiten entstehen, ein Mangel an Barmherzigkeit. Die Menschen werden zu Opfern von jenen, die keine Gnade kennen. Während des Heiligen Jahres schauen wir auf sie alle. Sie sind zu Opfern geworden und wir schenken ihnen die Barmherzigkeit, weil wir in ihnen einen Bruder, eine Schwester, einen Nachbarn sehen.“

An die Ränder zu gehen, bedeute auch, die Sphäre der eigenen Religion zu überschreiten, so der philippinische Kardinal. Christen könnten so herausfinden, wie die Barmherzigkeit in anderen Glaubensrichtungen gelebt werde. Und zwar nicht nur in den großen Religionen, sondern auch in den traditionellen indigenen Religionen. Auch diese seien wichtig für den Kampf für Gerechtigkeit, Frieden und den Klimaschutz, findet der Erzbischof von Manila.

Wie Barmherzigkeit in anderen Religionen gelebt werde, könne man etwa am Beispiel buddhistischer Mönche sehen. Sie sammelten in den Städten Essen und stellten es dann für Arme zur Verfügung. Sie fragten also nicht nach Almosen für sich, sondern für die Armen, und nur wenn etwas übrig bleibe, äßen es auch sie. Man könne also von den barmherzigen Werken der anderen Religionen lernen, so der Erzbischof von Manila. In diesem buddhistischen Brauch könnten die Christen Jesus wiedererkennen, auch wenn es sich dabei um eine andere Religion handele. Und Tagle gab noch ein Beispiel dafür, wie Barmherzigkeit zwischen den unterschiedlichen Religionen gelebt werden könne:

„Vor einigen Monaten haben wir ein Flüchtlingscamp in Griechenland besucht. Dort trafen wir einen Jungen aus Syrien, er war ganz allein und wir gaben ihm zu Essen. Er fragte mich auf Englisch: Bist du Muslim? Ich lachte und sagte: Nein. Und während ich weiterging, trafen sich unsere Blicke, es war ein mysteriöser Augenblick. Ich wünsche ihm alles Gute, jede Nacht bete ich für ihn. Ich weiß nicht einmal, wie er heißt. Aber er bekam Brot von einem Nicht-Muslim ausgeteilt und in diesem flüchtigen Augenblick gab es eine Verbindung. Eine Verbindung zwischen zwei Menschen, die das Leid teilen.“

Tagle, der auch Präsident von Caritas Internationalis ist, wies auf die Glaubenssituation in Afrika hin, wo es viele Misch-Ehen mit unterschiedlichen Religionen gebe. „Eheleute unterschiedlichen Glaubens lernen den barmherzigen Umgang jeden Tag. Die Familie wird zu einer Schule der Barmherzigkeit insbesondere in interreligiösen Familien.“

Diesen Umgang mit anderen Religionen sollten sich Christen zum Vorbild nehmen und lernen, und zwar nicht aus Büchern, sondern durch die persönliche Begegnung. „Machen wir die Religion und Kultur des Anderen konkret, indem wir Freundschaften fördern. Studieren wir Kulturen nicht aus Büchern. Kulturen und Religionen werden von Menschen verkörpert. Also lernen Sie Menschen kennen, sprechen Sie mit ihnen, diskutieren Sie, weinen und lachen Sie mit ihnen. Das ist die Eintrittskarte in eine andere Kultur.“ (rv)

 

Vatikan: Ernennungen für Caritas Internationalis und Cor Unum

Kardinal TagleDer Papst hat Kardinal Luis Antonio Tagle, Präsident von Caritas Internationalis und Erzbischof von Manila, zum Mitglied des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ ernannt. Das gab der Vatikan an diesem Samstag bekannt. Zudem stockte Franziskus den Führungsausschuss von Caritas Internationalis mit drei weiteren Mitgliedern auf: dem Bischof von Gent und Präsidenten von Caritas Europa, Lucas Van Looy, dem Erzbischof von Zypern und Präsident der Caritas Zypern, Youssef Antoine Soueif, und dem Präsidenten von Caritas Ozeanien, Pater Gerard Patrick Burns. (rv)

Kard. Maradiaga: „Stoppt Waffenhandel mit Syrien!“

Syrien und die benachbarten Staaten könnten ein ähnlich tragisches Schicksal erleiden wie die Balkanstaaten in den 90er Jahren. Das sagt der Präsident von Caritas Internationalis, der honduranische Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, im Gespräch mit Radio Vatikan.

„Es ist sehr schade, dass das Blutvergießen in Syrien weiter ansteigt. Die internationale Gemeinschaft ist so still und so langsam bei ihren Versuchen, einzugreifen – das ist eine Schande. Ich möchte nicht noch einmal so eine ähnliche Situation wie in der Balkankrise der 90er Jahre haben, wo es zwar am Ende Frieden gab, aber unter großem Leiden der Menschen. In Syrien ist es jetzt genau das Gleiche."

Es müsse gehandelt werden, und zwar dringend, so der Kardinal, der auch konkrete Schritte aufzählt:

„Es ist vor allem nötig, dass der Waffenhandel mit Syrien gestoppt wird. Denn das ist einer der Gründe, warum so viele Staaten mit Veto-Recht in der UNO nicht eingegriffen haben. Es ist zwar erwünschenswert, in Zeiten der Finanzkrise an Geld zu kommen, aber es ist eine Schande, dass dieses Geld mit dem Blut von Menschen bezahlt wird."

Eine wichtige Stimme sei jene des Papstes; eine moralische Instanz, die bleibt:

„Deshalb ist seine Stimme so wichtig. Sie klopft an die Türen des Gewissens, um daran zu erinnern, dass wir in menschlichem Sinn und nicht in materialistischem Sinn denken müssen."

Die Hilfe von Caritas Internationalis in Kooperation mit den Hilfsorganisationen vor Ort sei in Syrien durch die Bombenangriffe erschwert. Caritas Internationalis versuche aber trotzdem, so gut wie möglich für medizinische Hilfe, Essen und Notunterkünfte der Flüchtlinge zu sorgen, vor allem wo jetzt der Winter nahe, so Kardinal Maradiaga. (rv)

Kardinal Maradiaga: Für eine „Globalisierung“ der sozialen Gerechtigkeit

Die Welt braucht nicht nur „eine Globalisierung des Marktes und der Wirtschaft, sondern auch eine Globalisierung der Gerechtigkeit". Das sagt der Präsident von Caritas Internationalis, Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga aus Honduras, im Gespräch mit Radio Vatikan. Maradiaga hat in den letzten Tagen im Vatikan an der Vollversammlung der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften teilgenommen.

„Wir können schon sagen, dass wir in den letzten fünfzig Jahren – seit der selige Johannes XXIII. seine Friedensenzyklika ,Pacem in Terris‘ schrieb – große Fortschritte in Sachen Gerechtigkeit gemacht haben. Es gibt durchaus mehr Gerechtigkeit auf internationaler Ebene, davon zeugen die Schuldsprüche gegen Verantwortliche des Jugoslawienkrieges und, vor ein paar Tagen, gegen den früheren Präsidenten von Liberia. Es gibt auch mehr Gerechtigkeit, was das Vorgehen gegen international operierende Unternehmen betrifft, die Zigaretten verkaufen oder schadhafte Silikonimplantate für Brüste. Was fehlt, sind Fortschritte bei der sozialen Gerechtigkeit: Die Armut steigt, Finanzverbrechen bleiben noch ungestraft, und darum muss jetzt das Nachdenken darüber anfangen, wie sich auch in diesem Bereich Gerechtigkeit globalisieren ließe."

Wenn der Kardinal aus Honduras selbst über Globalisierung nachdenkt, dann klingt das so:

„Warum konnten sich früher im Kalten Krieg die feindlichen Blöcke gegenseitig so gut in Schach halten? Und warum erleben wir seit dem Mauerfall, als der Kapitalismus zum einzigen System wurde, so viele Ungerechtigkeiten, vor allem die im Finanzbereich, die die aktuelle Krise ausgelöst haben? Wir müssen zurück zu dem, was Johannes XXIII. in seiner Enzyklika vor fünfzig Jahren forderte – nämlich zu einer echten Förderung der Menschenrechte und zur Ethik. Dass man die Ethik so an den Rand drängte, hat zu den Problemen geführt, die wir jetzt erleben." (rv)