Der frühere päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele wird sich vor Gericht verantworten müssen. Das wurde an diesem Montag im Vatikan bekannt. Neben dem Ex-Butler wird einem weiteren Laienangestellten der Prozess gemacht, nämlich dem 48-jährigen Informatiker Claudio Sciarpelletti aus dem päpstlichen Staatssekretariat. Gabriele ist des schweren Diebstahls angeklagt, Sciarpelletti lediglich der Beihilfe; den Anklagepunkt Geheimnisverrat gegen den Informatiker ließ Untersuchungsrichter Piero Bonnet nach gründlichen Erhebungen fallen, sagte Vatikansprecher Pater Federico Lombardi vor Journalisten.
Der Vatikan veröffentlichte gleichzeitig sowohl den Untersuchungsbericht als auch die Anklageschrift gegen die beiden Männer. Sciarpelletti, ein Bekannter Paolo Gabrieles, war nur eine Nacht lang in Haft und wurde anschließend wieder auf freien Fuß gesetzt. Lombardi:
„Bei einer Untersuchung des Arbeitsplatzes von Sciarpelletti haben die Fahnder einen Umschlag mit vertraulichen Vatikandokumenten gefunden, die der Journalist Gianluigi Nuzzi veröffentlicht hatte. Der Informatiker verstrickte sich dann in Widersprüche über die Herkunft dieser Dokumente und wird hauptsächlich deswegen prozessiert. In jedem Fall steht die Schwere seines Fehlverhaltens in keinem Vergleich zu den Taten von Paolo Gabriele. Die Richter betrachten ihn nicht als Komplizen des Kammerdieners. Und sie halten es für wahrscheinlich, dass Sciarpelletti mit einer milden Strafe davonkommt, bis hin zum Freispruch."
In Paolo Gabrieles Wohnung fanden die Beamten hingegen nicht nur „Massen von Dokumenten" – viele von ihnen standen nicht in Bezug zum Datenschwund -, sondern sogar Geschenke an den Papst wie einen Scheck über 100.000 Euro, ein Goldstück und ein wertvolles Buch aus dem 16. Jahrhundert.
„Gabriele hat dies in der Vernehmung mit der großen Unordnung in seiner Wohnung begründet. Zu dem Buch sagte er, er habe den Papstsekretär Gänswein gebeten, es einem Literaturlehrer seiner Kinder zeigen zu dürfen, und es deshalb mitgenommen."
Zwei psychiatrische Gutachten, die der Generalstaatsanwalt und Gabrieles Anwälte unabhängig voneinander beantragt hatten, bescheinigten dem Kammerdiener schwere seelische Probleme. Paolo Gabriele hatte erklärt, er habe mit der Weitergabe der vertraulichen Papiere dem Vatikan helfen wollen.
„Es gibt da einen fast tragischen Widerspruch zwischen der erklärten Absicht, Gutes zu tun, und einer objektiven Schwere der vollbrachten Tat. Da gibt es das persönliche Interesse Gabrieles, er selbst spricht von seinem Interesse für Geheimdienste und seiner Leidenschaft, Dokumente zu sammeln und dergleichen. Die psychiatrischen Gutachten helfen, diesen Widerspruch zu verstehen und einzuordnen."
In dem vom Justizpromotor angeforderten Gutachten liest sich das so: „Paolo Gabrieles Persönlichkeit ist fragil und unsicher und zeichnet sich durch ein tiefes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Zuneigung durch andere aus". Dennoch wird Gabriele Schuldfähigkeit bescheinigt. Anders das Gutachten der Anwälte, das zum Schluss kommt, der Kammerdiener sei aufgrund seiner seelischen Störung nicht gerichtlich belangbar; der Untersuchungsrichter schloss sich dieser Beurteilung allerdings nicht an.
Mit der Aufnahme des Prozesses gegen die beiden Angeklagten sind die Ermittlungen über die Affäre „Vatileaks" keineswegs abgeschlossen, betonte Lombardi. Die Richter hätten bei ihren Untersuchungen eine Reihe wichtiger Hinweise erhalten, wie es zu dem Datendiebstahl und der folgenden Veröffentlichung in Buchform und im Internet kommen konnte, und würden ihnen nachgehen, erklärte der Vatikansprecher. Papst Benedikt sei an einer kompletten Aufklärung der Causa gelegen.
Unter Verschluss bleibt vorerst der Bericht der dreiköpfigen Kardinalskommission, die Papst Benedikt im März mit parallelen Ermittlungen im Vatikan beauftragt hatte. Die Kardinäle hatten ebenfalls ein langes Gespräch mit Paolo Gabriele. Der Kammerdiener schickte dem Papst über die Kardinalskommission einen Brief, in dem er seinen früheren Dienstherren um Vergebung bat, bestätigte Lombardi. Papst Benedikt könne Gabriele jederzeit begnadigen, indem er in das Verfahren eingreift, wahrscheinlich sei das aber nicht, sagte der Vatikansprecher.
„Wenn der Papst Gabriele begnadigen will, wird er wohl zuerst das Urteil des Gerichts abwarten, sonst gibt es Verwirrung."
Prozessauftakt für die beiden Angeklagten wird voraussichtlich im Herbst dieses Jahres sein. Die Verhandlungen sind nach Vatikanrecht öffentlich. (rv)
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