Vom 16. bis 19. September wird Papst Benedikt XVI. seine erste Reise nach Großbritannien antreten. Dass eine englische Königin den Papst aus Rom empfängt, wäre Ende des 16. Jahrhundert unvorstellbar gewesen. Besonders unter Königin Elisabeth I. (1533-1603) lebte die feindliche Gesinnung gegenüber der katholischen Kirche auf. Das englische Seminar in Rom hat eine Ausstellung über die vermutlich schwerste Zeit für britische Katholiken auf die Beine gestellt. Mit allen Sinnen sollen Besucher erleben, was Pilgerwesen und Mission damals bedeuteten.
„Wenn Sie ein Auge schließen, dann erscheint es von diesem Punkt aus zweidimensional": Der Leiter des englischen Seminares in Rom, Andrew Headon, steht vor dem Kern der Ausstellung „Non angli sed angeli" (Zu Deutsch: Keine Angelsachsen sondern Engel), dem Märtyrerbild. Als Trompe l´oeil können die Besucher das Bild zweidimensional erleben. Es zeigt den verwundeten Christus und zu seinen Füßen die beiden englischen Märtyrer: Den Heiligen Thomas von Canterbury und den Heiligen Edmund. Sie laden dazu ein, durch das Nordtor Roms, der Porta Flaminia, nach England zu ziehen und in den Himmel, wie Headon ergänzt. Seit der Reformationszeit ruft das Bild britische Seminaristen dazu auf, als Missionar gen Nord auszuziehen, hinaus aus dem sicheren Rom gen Norden.
„Wann immer die Seminaristen hörten, dass einer ihre Brüder einen Märtyrertod gestorben war, versammelten sie sich vor diesem Bild. Das gilt auch schon für die ersten Seminaristen. Sie kamen dann vor dem Bild zusammen, sangen das Te Deum und lobten Gott."
Zwischen 1581 bis 1679 starben 42 englische Seminaristen als Märtyrer. Begonnen hatte der Wandel des einst katholischen Britanniens mit der Exkommunikation von Heinrich VIII. Er hatte sich ohne päpstliche Erlaubnis wiederverheiratet. Über die Exkommunikation durch Papst Clemens VII. erbost, setzte er sich zum Oberhaupt der Church of England ein.
„Ich glaube, 400 Jahre nach der Reformation lässt sich nur schwer beurteilen, wie damals die Situation war, vor allem die politische Situation. Für die normale Bevölkerung galt damals, wer nicht zur anglikanischen Messe ging, musste eine Steuer bezahlen, wurde bestraft. Es lässt sich leicht sagen, sie hätten gegenüber dem Papst loyal bleiben sollen. Es gab damals einen so großen Druck auf das Volk."
Der Ausstellungstitel „non angli sed angeli" spielt auf eine Äußerung von Papst Gregor I. (ca. 540 – 604) an. Er soll beim Anblick britischer Sklaven gesagt haben, das sind keine Angelsachsen, sondern Engel. Später schickte er Missionare zu den britischen Inseln. Die Ausstellung beschreibt die beschwerliche Route, die Via Francigenia, die viele britische Pilger von Canterbury nach Rom nahmen. Headon erzählt von den damaligen Strapazen der Pilgerreise. Als Fremde waren die Pilger unterwegs, oftmals ohne Kenntnisse der Sprache vor Ort, wilde Tiere und Räuber lauerten am Wegesrand, es gab immer wieder regionale Kriege, von denen der Pilger aber nur ungefähre Informationen besaß. Auf die Rückkehrer, die als Missionare von Rom aus in die andere Richtung loszogen, lauerten zudem vielerorts Spione. Die Königin hatte sie scharenweise ausgesetzt. Schafften es die Missionare dennoch in Britannien anzukommen, war es für sie nicht leicht zwischen Feind und Freund zu unterscheiden. Sie mussten sich auf die in Rom genannten Kontaktdaten und Ansprechpartner verlassen. Messen wurden im Geheimen gefeiert. Falls sich ein Geistlicher schnell verstecken musste, gab es für den Ernstfall so genannte Priesterlöcher.
„Die Priesterlöcher waren verdeckt von hölzernen Vertäfelungen oder sie befanden sich in Kaminen. So dass jemand, der vor dem Haus stand, diese verborgenen Räume nicht sehen konnte. Wenn der Priester sich plötzlich verstecken musste, konnte er das innerhalb des Hauses tun und das manchmal auch für viele Tage."
Das englische Seminar in Rom ist die älteste britische Einrichtung im Ausland, erklärt der Leiter des Priesterseminars. Headon hat die Ausstellung mitorganisiert. Die Wurzeln des Seminars reichen zurück bis in Jahr 1362. Damals befand sich in dem Gebäude eine britische Pilgerherberge. Forscher seien in den alten Haushalts- und Gästebüchern der Herberge auf interessante Notizen gestoßen. So könnte zum Beispiel der britische Schriftsteller William Shakespeare Gast der Pilgerunterkunft gewesen sein:
„Es gibt eine Theorie, dass William Shakespeare hierher als Gast gekommen sein könnte. Zu Zeiten als das Seminar noch eine Pilgerstätte war. Es gibt unbekannte Jahre in Shakespeares Leben, wo wir nicht genau wissen, was er damals gemacht hat. Eine Möglichkeit ist, dass er damals in Italien war. Schließlich spielen einige seiner Stücke in Verona oder Venedig. Wenn er damals auch nach Rom gekommen ist, dann wäre die britische Herberge doch mit Sicherheit eine Anlaufstelle gewesen."
Die entsprechenden Einträge, die auf Shakespeares möglichen Aufenthalt in Rom hindeuten, sind in einem der kleinen Ausstellungsräume zu sehen. Die ganze Schau führt durch Kellergewölbe, die unterhalb des weitläufigen englischen Seminars in einer der römischen Altstadtgassen liegen. Gregorianische Klänge füllen die Räume. Auf dem Fußboden ist die Pilgerroute, die Via Francigenia, wie ein alter Kartendruck abgebildet. Dazu gibt es Videofilme, ein kleines begehbares Priesterversteck. Herzraum der Ausstellung ist die Krypta unterhalb der Seminarkirche. In der Mitte des hellverklinkerten Gewölbes steht eine Dreifaltigkeitsstatue. Dahinter ist auf einer Leinwand ein Mann projiziert, der in klassischer Pilgerkleidung im dunklen Kapuzenumhang und mit einem Stock durch einen Wald wandert. Hier lädt die Ausstellung zur Meditation ein, betont Seminarleiter Headon.
„Ich wollte eine lebendige Schau und die Geschichte des Instituts erzählen, aber ich wollte den Besuchern auch einen Eindruck von dem Pilgerwesen und der Mission geben. Die Ausstellung ist nicht nur interaktiv, weil es ein begehbares Priesterloch gibt, nein, die Ausstellung ist zum Beispiel mit der Meditation in derKrypta wie eine Pilgerreise angelegt, der Weg von Rom und wieder zurück."
Die Ausstellung „Non angli sed angeli – a pilgrimage and a mission" ist noch bis Ende Juli in Rom zu sehen. (rv)