Wer an Fußball denkt, denkt an Sport, Fair Play, Tore, Teamgeist und Fans. Internationale Turniere werden durch alle Gesellschaftsschichten mit Begeisterung verfolgt und stiften auch so etwas wie ein nationales Selbstbewusstsein. Doch für Fußballspiele braucht man Stadien, und die müssen in der Regel vor Weltmeisterschaften erst einmal gebaut werden. So in Katar, das die Fußball-WM 2022 ausrichten wird. Die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter auf diesen Baustellen werden in einem kürzlich erschienen Bericht von Amnesty International dokumentiert und angeprangert. Was genau sind die Vorwürfe, die Amnesty erhebt? Das haben wir Regina Spöttl gefragt, sie ist Länderbeauftragte der Menschenrechtsorganisation Amnesty Deutschland für Katar.
„Die Vorwürfe fangen eigentlich schon in den Heimatländern der Arbeitsmigranten in den armen südostasiatischen Staaten an. Dort machen skrupellose Vermittlungsagenturen den Menschen falsche Versprechungen und bringen diese nach der Erhebung von erheblichen Vermittlungsgebühren nach Katar. Dort angekommen, nimmt man ihnen die Pässe ab und oft bekommen sie auch nur den halben Lohn gegenüber dem, der ihnen versprochen worden ist. Sie müssen lange Arbeitszeiten hinnehmen, sechs Tage die Woche bis zu 14 Stunden täglich bei glühender Hitze und werden dann abends in menschenunwürdige Quartiere gebracht, wo teilweise nicht mal Strom und Wasser zur Verfügung stehen. Die Lohnfortzahlungen lassen oft bis zu sieben Monate auf sich warten! Wer sich beschwert, der wird bedroht und eingeschüchtert, ihm droht die Abschiebung. Einer der Manager hat kürzlich zu einem Arbeiter gesagt, wenn du in Katar bleiben willst, dann sei still und arbeite weiter. Das ist ein Kriterium für Zwangsarbeit!“
RV: Wie reagiert denn die Fifa auf diese schlimmen Bedingungen, denen die Arbeiter ausgesetzt sind, die auch im Vorfeld so absehbar gewesen sind, und die jetzt nochmals durch den Amnesty-Bericht dokumentiert worden sind?
„Die Fifa ist erstaunlich gleichgültig. Sie beteuern zwar immer wieder, dass etwas geschehen muss, dass sie natürlich auch möchten, dass etwas geschehen sollte, aber die Fifa geht nicht konsequent genug an die katarische Regierung heran und fordert explizit eine Verbesserung der Lage für Arbeitsmigranten. Insofern verletzt die Fifa ihre Sorgfaltspflicht als Veranstalter und wenn jetzt nicht bald etwas passiert, wenn die Fifa nicht wirklich aktiv wird, dann wird sie mitverantwortlich dafür, dass die WM 2022 auf dem Rücken zehntausender ausgebeuteter Arbeitsmigranten stattfinden wird. Das wollen wir als Fans ganz bestimmt nicht.“
RV: Sie haben die Fans angesprochen. Was kann denn der einzelne Fan tun, um die Fifa in diesem Sinne zu beeinflussen?
„Wir haben seit gestern auf unseren Homepages amnesty.org und amnesty.de eine Petition geschaltet. Diese Petition geht an die Fifa und dort können sich alle Fans und alle Interessierten eintragen und fordern, dass etwas geschieht. Die Fans können aber natürlich auch an ihre Vereine gehen, gerade auch an die großen Vereine, die in Katar ja auch Wintertraining abhalten. Auch sie können sich engagieren und beteiligen und der Fifa endlich einmal klar machen, dass man dahinter nicht steht. Die Arbeitsbedingungen für die Arbeiter dort müssen menschenwürdig und respektvoll sein!“ (rv)