Am Montag hat Papst Franziskus die beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomaten zum traditionellen Neujahrsempfang getroffen. Unter ihnen war auch Reinhard Schweppe, der deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl. Im Gespräch mit Stefanie Stahlhofen hat er die Begegnung noch einmal Revue passieren lassen.
„Beeindruckend fand ich, dass der Papst sehr zum Punkt gesprochen hat. Es war eine politische Rede, die ungefähr zwei Drittel zu außenpolitischen Themen sehr konkret Stellung genommen hat. Ich denke, das ist etwas Neues, das hat es in der Vergangenheit so nicht gegeben.“
Sie haben ja auch die Ansprachen von Benedikt noch in Erinnerung, was ist jetzt bei Franziskus anders gewesen – wo ist er konkreter geworden und warum?
„Ein Beispiel: Naher und Mittlerer Osten. Franziskus hat sich sehr präzise zu Syrien oder Ägypten geäußert. Und er hat etwas gemacht, was mir aufgefallen ist: Er hat in dem Kontext an einen seiner berühmten Vorhänger erinnert: Benedikt XV., der im ersten Weltkrieg eine Friedensinitiative gestartet hat, die leider keinen Erfolg hatte. Ich habe das ein bisschen als Aufforderung empfunden: Wenn die großen Mächte die in Kürze in Genf zusammen sitzen werden Interesse daran haben, dass sich die vatikanische Diplomatie etwas stärker einschaltet – wir sind dazu bereit.“
Der Papst ist eindringlich auf Syrien eingegangen. Sie selbst haben durch ihre Zeit als Ständiger Vertreter bei dem Büro der Vereinten Nationen und den anderen internationalen Organisationen in Genf Erfahrungen. Wie schätzen Sie die bevorstehende „Genf 2“ Konferenz zu Syrien am 22. Januar ein?
„Die Syrien-Frage ist sehr schwierig. Deswegen ist ein stärkeres Engagement der vatikanischen Diplomatie glaube ich, willkommen. Die Verhandlungen sind festgefahren, ich weiß nicht, ob Genf 2 schon den Durchbruch bringen kann, weil die Positionen verhärtet sind. Der Vatikan hat aber etwas ganz Bemerkenswertes gemacht: Anfang September hat der Papst einen Brief an Putin als den Vorsitzenden der G-20, die damals in St. Petersburg getagt haben, geschrieben. Noch bemerkenswerter als der Brief war der Anhang dazu: Ein Sechs-Punkte-Programm, welche Prinzipien nach Auffassung des Heiligen Stuhls in jeglicher Friedensregelung über Syrien enthalten sein müssten. Das fanden wir sehr bemerkenswert, das war etwas, was wir seit Jahrzehnten vom Heiligen Stuhl nicht gewöhnt sind.“
Glauben Sie denn, dass der Papst damit auch etwas erreicht?
„Ich denke schon. Insbesondere, wenn man in Genf 2 und darüber hinaus nicht weiterkommen sollte, könnte ich mir vorstellen, dass eine Kraft, die in Syrien über große Autorität verfügt und auch Interessen hat – 15 Prozent der syrischen Bevölkerung sind Christen, die katholische Kirche in Syrien ist angesehen – ,Willkommen ist. Das könnte eine Kraft sein, die etwas mehr erreichen kann als die üblichen Teilnehmer.“
Wie finden Sie es, dass sich Franziskus so konkret auch zu politischen Themen äußert, vielleicht sogar stärker noch als Benedikt das getan hat?
„Ich finde das richtig. Die vatikanische Diplomatie ist kompetent. Der Stab ist klein, aber man hat ein weltweites Netz. In der Rede vor dem diplomatischen Corps ging es ja nicht nur über Syrien und Nahost im Allgemeinen, sondern auch über Themen wie Menschenrechte und Umweltschutz, es ging um Flüchtlings- und Migrationsfragen. Das sind alles Themen, bei denen die katholische Kirche eine große Autorität genießt. Ich habe selbst in meiner Zeit als ständiger Vertreter bei der UNO in Genf erlebt, welches Gewicht der vatikanische Vertreter, der dortige Nuntius, hat. Ihm wird nicht unterstellt, wie westlichen, östlichen oder Drittwelt-Vertretern, dass er nur Interessen-Vertreter ist, sondern er steht so ein bisschen über den Parteilichkeiten.“
Franziskus hat sehr viele Themen angesprochen, es ging um sehr viele Länder und Bereiche. Europa hat er dabei aber ausgespart. Warum?
„Er hat es nicht ganz ausgespart, er hat den ersten Weltkrieg genannt. Das war ein bisschen schmerzlich, aber wir haben uns daran zu gewöhnen: Wir sprechen hier von einer Weltkirche. Die meisten Katholiken gibt es in Brasilien, gefolgt von Mexiko. Es ist glaube ich normal, dass der Eurozentrismus etwas zurückgefahren wird. Deswegen können wir gut damit leben, dass in einer Neujahrsansprache Europa nicht so eine große Rolle gespielt hat. Schauen wir mal, was im nächsten Jahr ist.“ (rv)
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