Tschechische Republik: Historischer Vertrag unterzeichnet

TschechienDie tschechische Regierung hat eine historische Vereinbarung mit der katholischen Kirche und anderen 15 religiösen Gruppierungen unterzeichnet, mit der den Religionsgemeinschaften Schadenersatzzahlungen in Milliardenhöhe zugesichert werden. Die Zahlungen beziehen sich auf durch das kommunistische Regime enteignete Besitztümer der Kirchen. Die Vereinbarung wurde trotz des Widerstandes des linken Parteispektrums unterzeichnet. Unter den betroffenen Religionsgemeinschaften unterzeichnete nur die Baptistengemeinde die Vereinbarung nicht, da sie, wie aus einem Statement hervorgeht, sich lieber durch Mitgliedsbeiträge finanziere. Laut der Vereinbarung hätte die Baptistengemeinde Anspruch auf circa 228 Millionen Koruna (11,8 Millionen USD), so Milan Kern, der den 2.500 Mitgliedern der Baptist Union in Tschechien vorsteht.

Diejenigen, die die Vereinbarung unterzeichnet haben – unter ihnen Katholiken, Juden und Protestanten – werden enteigneten Besitz, der sich nun in Staatshand befindet, im Wert von etwa 75 Milliarden Koruna (3,9 Milliarden USD) zurück bekommen. Die tschechische Regierung sagte außerdem zu, 3,1 Milliarden USD über einen Zeitraum von 30 Jahren zurückzuerstatten.

Zerstörtes Eigentum

Dieses Geld soll als Schadenersatz für Kirchenbesitz gelten, der nicht mehr rückerstattet werden kann, weil er entweder zerstört worden ist oder an Dritte weitergegeben wurde. Als größte Religionsgemeinschaft steht der katholischen Kirche der Löwenanteil der Zahlungen und Rückerstattungen zu, gleichzeitig geht mit der Vereinbarung einher, dass der tschechische Staat schrittweise die Zahlungen für Priestergehälter und andere Zahlungen an die Kirche über die nächsten 17 Jahre einstellen wird.

Der tschechische Premierminister Petr Necas sagte vor Journalisten, er sei froh darüber, dass der Vertrag nun unterzeichnet sei, mehr als 20 Jahre nach dem Kollaps des Kommunismus. Das sei „ein Akt der Gerechtigkeit“, der die Beziehungen zwischen den Religionsgemeinschaften und dem Staat verbessern werde, nachdem sie unter dem kommunistischen Regime schweren Schaden erlitten hätten, so der Premierminister. Er erinnerte daran, dass 1948, als die Kommunisten in der damaligen Tschechoslowakei an die Macht gekommen waren, alle Kircheneigentümer eingezogen worden waren.

Getötete Priester

Das Regime hatte auch kirchliche Führungspersönlichkeiten verfolgt. Mindestens 65 katholische Priester, Mönche und Nonnen waren exekutiert oder in Gefängnissen getötet worden, während andere durch die schlimmen Lebensumstände zum Selbstmord getrieben worden sind, wie Historiker berichten. Kirchen durften ihren Glauben nur unter kommunistischer Kontrolle leben, und Priestergehälter wurden durch den Staat gezahlt.

Obwohl die Schadensersatzzahlungen vergangenes Jahr im Parlament vereinbart worden waren, wurde die Vereinbarung durch die linksgerichteten Sozialdemokraten angefochten. Nach Worten des Parteiführers Bohuslav Sobotka gäbe es „keinen Grund für den Vertrag.“ Die Sozialdemokraten vertreten die Ansicht, dass die Kirchen zu große Rückzahlungen in einer Nation erhielten, die Europas größte Anzahl von Atheisten beherbergt – laut Schätzungen handelt es sich um 30 Prozent der Bevölkerung – und riefen das Verfassungsgericht an.

Popuslismus

Der Präsident des ökumenischen Kirchenrates in der Tschechischen Republik, Joel Ruml, weist diese Sichtweise jedoch zurück. Er nannte die Rückzahlungsvereinbarung einen Weg, um eine „modern Beziehung zwischen den Kirchen und dem Staat“ aufzubauen und erklärte, er bedauere es, dass die Sozialdemokraten den Weg des Populismus einschlügen. Wie Nachrichtenagenturen berichteten, habe ein Sekretär des Verfassungsgerichtes die Regierung aufgefordert, mit der Unterzeichnung der Vereinbarung noch zu warten, nachdem in letzter Minute die Beschwerde der Sozialdemokraten eingegangen war, doch der Premierminister habe dies abgelehnt. Während der Richterspruch des Verfassungsgerichts noch erwartet wird, erklärten die Kirchen, sie hofften darauf, ein neues Kapitel in ihrer oft schwierigen Geschichte zu schreiben. (rv)