Kardinal Marx schlägt Europäischen Konvent vor

 

 

Kardinal Reinhard Marx hat die Einberufung eines neuen Europäischen Konvents vorgeschlagen, um die europäische Idee wieder mit Leben zu füllen. Es sei wichtig, „Räume des Dialogs für den ganzen Kontinent“ zu schaffen, sagte er am Samstagabend auf einem Kongress im Vatikan. Der Europäische Konvent solle „die großen Fragen der Einigung offen beraten“; dabei müssten „sowohl die Einzelnen als auch die gesellschaftlichen Gruppen die Möglichkeit zur Beteiligung an der Debatte haben“.

Der Münchner Erzbischof Marx ist Präsident der Kommission der katholischen Bischofskonferenzen in der EU (ComECE). Er sprach auf einem von der ComECE organisierten Kongress mit dem Titel „(Re)thinking Europe“ im Vatikan. Dabei bekräftigte er, die Kirche wolle „die Entwicklung einer europäischen Gesellschaft mit befördern“.

Wir geben das Projekt Europa nicht auf

Europa stehe an einem entscheidenden Punkt seiner Entwicklung, so Kardinal Marx. Es stelle sich die Frage, ob der Kontinent sich wieder auseinanderentwickle und zu überkommenen Mustern zurückkehre, oder ob er Kraft zu einem neuen Aufbruch finde. Marx wörtlich: „Jetzt ist die Stunde Europas. Jetzt ist die Stunde der Christen in Europa… Wir geben das Projekt Europa nicht auf, sondern nehmen es neu an.“

An der zweitägigen Dialogveranstaltung im Vatikan, die auf eine Anregung von Papst Franziskus zurückging, nahmen etwa 350 Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft aus allen 28 EU-Mitgliedsstaaten teil. Der Papst – Träger des Aachener Karlspreises für Verdienste um die europäische Einigung – rief sie am Samstagabend dazu auf, „Europa wieder eine Seele zu geben“. (rv)

Europa leidet an Gedächtnisverlust und ist unfruchtbar, warnt Papst Franziskus

Konflikt der 1960er führte zum Verrat am eigenen Vermächtnis und lässt Jugend ohne Wurzeln – Rückbesinnung auf christlichen Ursprung und sakramental verortetes Familienbild nötig für eine christliche, solidarische Gesellschaft, so der Pontifex.

VATIKANSTADT – Papst Franziskus hat in einer ausführlichen Rede zu Europa die Ehe von Mann und Frau verteidigt, die Unfruchtbarkeit der Revolution der 1968er verurteilt und betont, dass die Familie das notwendige Fundament einer christlichen, solidarischen Gesellschaft ist – auch und gerade für ein Europa, dem man vorwerfen könne, „Verrat an seinen Idealen“ verübt zu haben.

Der Pontifex sprach vor vor Teilnehmern der Tagung „(Re)Thinking Europe“, bei der 350 Teilnehmer aus 28 Delegationen sämtlicher EU-Nationen, zusammen mit Vertretern katholischer Organisationen und Bewegungen, an diesem Wochenende in Rom den christliche Beitrag für eine Zukunft Europas diskutierten.

Franziskus wörtlich:

„Die Familie bleibt als erste Gemeinschaft der grundlegendste Ort dieser Entdeckung [christlicher Identität]. In ihr wird die Verschiedenheit hochgehalten und zugleich in der Einheit wieder zusammengefasst. Die Familie ist die harmonische Einheit der Unterschiede zwischen Mann und Frau, die umso wahrer und tiefer ist, je mehr sie fruchtbar und fähig ist, sich für das Leben und für die anderen zu öffnen.“

Seit den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, so der Papst weiter, sei „ein beispielloser Generationenkonflikt im Gang“.

Dieser habe dazu geführt, „dass man bei der Weitergabe der Ideale, die das große Europa gebildet haben, dem Vermächtnis den Verrat vorgezogen hat“.

„Auf die Ablehnung dessen, was von den Vätern kam, folgte so die Zeit einer dramatischen Unfruchtbarkeit und dies nicht nur weil in Europa wenig Kinder gezeugt werden und es allzu viele sind, die ihres Rechtes, geboren zu werden, beraubt worden sind (…)“.

Schlimmer noch als diese Verleugnung der natürlichen wie übernatürlichen Wahrheit über Sexualität: Diese Revolution habe sich als unfähig erwiesen, so Franziskus weiter, „den jungen Menschen die materiellen und kulturellen Werkzeuge zu übergeben, um sich der Zukunft zu stellen“.

„Europa erlebt eine Art Gedächtnisverlust. Dazu zurückzukehren, eine solidarische Gemeinschaft zu sein, bedeutet, den Wert der eigenen Vergangenheit wiederzuentdecken, um die eigene Gegenwart zu bereichern und den nachfolgenden Generationen eine Zukunft der Hoffnung zu übergeben“. (CNA Deutsch)

Welche Rolle spielt das Christentum für Europas Zukunft?

VATIKANSTADT – Der Zeitpunkt hätte kaum dramatischer und treffender sein können: Am gleichen Tag, an dem in Barcelona das katalonische Parlament für die Unabhängigkeit von Spanien stimmte, hat in Rom ein Treffen über die Zukunft Europas und der Europäischen Union begonnen.

Nicht nur Katalonien, Brexit und andere Unabhängigkeitsbestrebungen belasten die EU. Die Länder der Union ringen mit der Massenmigration, islamistischem Terror, dem demographischen Niedergang, Misstrauen gegenüber Institutionen und „Eliten“, Populismus und Demagogie. Kurzum: Die EU ist in der Krise, und Europa, darin sind sich viele Beobachter einig, steht an einem Kreuzweg.

Das Bild des Kreuzwegs ist gestern – neben den Beziehungen untereinander – Hauptthema zum Auftakt der Konferenz im Vatikan gewesen.

Unter dem Titel „(Re)Thinking Europe“ soll der christliche Beitrag für eine Zukunft Europas neu erörtert werden von 350 Teilnehmern aus 28 Delegationen sämtlicher EU-Nationen, zusammen mit Vertretern katholischer Organisationen und Bewegungen. Auch Papst Franziskus wird eine Rede halten.

Klimawandel wichtiger als Glaube und Familie?

Das Schicksal des Kontinents sei, angesichts der aktuellen Probleme Europas, auch dem Heiligen Stuhl nicht gleichgültig, sagte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in seiner Eröffnungsrede. Der Heilige Stuhl „wird immer seinen Beitrag anbieten wollen“. Die EU sei ein menschliches Projekt, so Parolin weiter.

Das „Projekt Europa“ habe Großes bewirkt, sagte in seiner Auftaktrede Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE), die das Treffen mit veranstaltet.

Der deutsche Kardinal, der auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, identifizierte Klimawandel, Digitalisierung der Arbeitswelt und Migration als die wichtigen Themen. Es stelle sich gleichzeitig die Frage, wie und was die Kirche beitragen könne, so Marx weiter.

Für andere Beobachter ist Europas Krise des Glaubens und der Familie die zentrale Frage, und die Antwort darauf völlig klar. So etwa für den renommierten Philosophen Sir Roger Scruton, einer Köpfe der Pariser Erklärung für ein „Europa, wo(ran) wir glauben können“. Dieser sagte kürzlich gegenüber CNA Deutsch:

„Die Katholische Kirche sollte tun, wozu sie berufen ist, namentlich das Evangelium predigen und den Glauben verteidigen“.

Dass so unterschiedliche Wahrnehmungen darüber, was eigentlich das Problem ist, an diesem Wochenende differenziert diskutiert werden können, auch und gerade für ein Europa mit Zukunft: Das hat im Vorfeld der aktuellen Konferenz der Botschafter Ungarns, Eduard Habsburg, gegenüber CNA gewürdigt. Habsburg begrüßte die Initiative des Heiligen Stuhls, Gastgeber einer solchen Konferenz zu sein.

Wenn Europa wirklich fortschreiten wolle, dann „muss es meiner Meinung nach zu seinen christlichen Wurzeln zurückkehren“, so der ungarische Botschafter, der bei der Konferenz die italienischsprachige Gruppe leitet.

Der Betonung von Glaube und Familie als zentrale Herausforderungen stimmt Frankreichs Botschafter am Heiligen Stuhl zu. Philippe Zeller betonte gegenüber CNA, wie wichtig es sei, an Europas christliche Wurzeln und das gemeinsame Vermächtnis zu erinnern – denn „derzeit läuft es für Europa tatsächlich nicht sehr gut“. Daher seien sie, als europäische Botschafter am Heiligen Stuhl, froh und dankbar für diese Konferenz, und die Möglichkeit einer offenen Diskussion.

Mit Spannung erwartet wird neben den Debatten auch die Rede von Papst Franziskus. Dieser hat in der Vergangenheit immer wieder mit deutlichen Worten Tadel geübt. So sagte er dem Europäischen Parlament am 25. November 2014, dass Europa eine „Großmutter und nicht mehr fruchtbar und lebendig ist“.

Elise Harris, Hannah Brockhaus, Pilar Pereiro und Alessio di Cinto trugen zur Berichterstattung bei. (CNA Deutsch)