Papst Benedikt XVI. hat internationale Standards für mehr Transparenz in den Finanzgeschäften des Vatikans festgelegt, um Geldwäsche und die Finanzierung des Terrorismus auszuschließen. In einem so genannten Motu proprio, das heißt einem Schreiben aus eigenem Antrieb, erlässt der Papst an diesem Donnerstag vier entsprechende Gesetze. Sie gelten nicht nur für den Vatikanstaat, sondern auch für alle Organismen des Heiligen Stuhles, soweit sie mit Finanz- und Wirtschaftsgeschäften zu tun haben. Über die Einhaltung der Gesetze wacht eine neue vatikanische Aufsichtsbehörde, die „Autorität für Finanzinformation" (AIF), deren Einrichtung Benedikt XVI. gleichzeitig verfügte.
Ausdrücklich begrüßte der Papst in seinem Schreiben die Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft im Kampf gegen Geldwäsche und Finanzierung des Terrorismus. Mit den vorliegenden neuen Gesetzen mache sich der Heilige Stuhl diese Regeln zu Eigen. Benedikt weist überdies darauf hin, dass er die neuen Gesetze in Erfüllung des monetarischen Abkommens zwischen Vatikanstaat und Europäischer Union vom 17. Dezember 2009 erlässt.
Mit dem Maßnahmenpaket reagiert der Papst auf Vorwürfe gegen das vatikanische Geldinstitut IOR („Istituto delle Opere di Religione") wegen Geldwäsche. Vor drei Monaten hatte die italienische Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen IOR-Chef Ettore Gotti Tedeschi und einen weiteren Bankmanager eingeleitet sowie 22 Millionen Euro von einem IOR-Konto bei einer italienischen Bank beschlagnahmt. Gotti Tedeschi und der Manager sollen bei Finanztransaktionen die Namen der wahren Auftraggeber verschwiegen und somit der Geldwäsche Vorschub geleistet haben, so der Vorwurf. Der Vatikan sicherte in der Folge seine Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden zu.
Das neue Dekret soll es dem Vatikan ermöglichen, auf die „Weiße Liste" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zu gelangen. Diese Liste vereint die Staaten mit scharfen Kontrollen gegen illegale Finanzgeschäfte.
Das als „Vatikanbank" bekannte IOR verwaltet Gelder katholischer Orden und Verbände. Außerdem agiert das Institut als Sparkasse und als Investmentbank für die Anlagegeschäfte der Kurie. Es ist nicht dazu verpflichtet, seine Bilanzen zu veröffentlichen. Schätzungen zufolge beläuft sich sein Anlagevolumen auf fünf Milliarden Euro. Der Aufsichtsrat und die Direktion des IOR setzen sich heutzutage aus professionellen Bankmanagern zusammen, in der Regel katholische Laien. Ettore Gotti Tedeschi beispielsweise gehört dem Opus Dei an.
Das IOR ist eine Einrichtung des Vatikanstaats und untersteht somit nicht den Vorgaben, die für italienische Banken gelten. Dennoch kann das vatikanische Geldinstitut Ziel von Ermittlungen der römischen Staatsanwaltschaft werden. Als die Leitung des IOR noch Klerikern und nicht Bankmanagern anvertraut war, fand sich das Institut gelegentlich in handfeste Finanz-Skandale verwickelt. So wurde die Vatikanbank in den 80er Jahren unter der Leitung des US-amerikanischen Erzbischof Paul Marcinkus Haupteigner der Privatbank Banco Ambrosiano, die Geldwäsche für die Mafia betrieb und offenbar Kontakte zur Geheimloge P2 unterhielt. (rv)
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Vatikan: Richtlinien zu Missbrauch veröffentlicht
Bei Fällen von sexuellen Übergriffen auf Kindern und Jugendlichen durch Kleriker sollen „immer“ die Behörden eingeschaltet werden. Das steht in Vatikan-Richtlinien, die an diesem Montag auf der Homepage des Heiligen Stuhls veröffentlicht worden sind. In den schwersten Fällen kann der Papst einen Täter-Priester gleich laisieren, auch wenn noch kein kanonisches Urteil vorliegt, so die Richtlinien. Vatikansprecher Pater Ciro Benedettini präzisierte, das jetzt veröffentlichte Regelwerk sei nicht neu, sondern stamme von 2003. Es werde jetzt veröffentlicht, um „die vom Papst gewünschte absolute Transparenz“ deutlich zu machen. Bei Übergriffen auf Erwachsene gelten andere Normen.
Vieles ist eigentlich schon bekannt von dem, was in den jetzt veröffentlichten Richtlinien steht. Immerhin findet sich dort aber ganz klar der – an den verantwortlichen Ortsbischof gerichtete – Satz: „Das bürgerliche Gesetz, das die Anzeige von Verbrechen bei den Behörden betrifft, soll immer befolgt werden.“
Die Glaubenskongregation hat – so wird in den Richtlinien deutlich – mehrere Optionen, wenn ihr ein Missbrauchsfall zur Kenntnis gelangt. Je nach der Schwere der Vorwürfe kann sie entweder den Ortsbischof ermächtigen, selbst vor einem lokalen Kirchengericht einen Strafprozess durchzuführen; in diesem Fall kann der Beschuldigte gegen sein Urteil Revision bei der Glaubenskongregation einlegen. Oder die Kongregation kann im entsprechenden Bistum einen Verwaltungsprozess anstoßen: Werden dabei kanonische Strafen verhängt, darf der Beschuldigte ebenfalls bei der Kongregation dagegen Berufung einlegen. „Die Entscheidung, die die Kardinalsmitglieder der Glaubenskongregation dazu fällen, ist endgültig“, so die Richtlinien.
Und dann eine interessante weitere Regelung: „In wirklich schwerwiegenden Fällen, also wenn ein ziviles Gericht einen Priester wegen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilt hat oder wenn es evidente Beweise gibt, kann die Glaubenskongregation den Fall direkt dem Heiligen Vater unterbreiten – mit der Bitte, dass der Papst ein „ex-ufficio“-Dekret für die Zurückstufung in den Laienstand erlässt. Gegen ein solches päpstliches Dekret ist keine kanonische Berufung möglich.“ Wenn beschuldigte Priester selbst um Dispens vom Priesteramt bäten, dann „genehmigt der Heilige Vater das um des Wohles der Kirche willen“, so der Text wörtlich. Von „Vertuschung“ oder von „Geschwätz“ ist in dem Regelwerk keine Rede. (rv)
Deutsche Übersetzung der Vatikan-Richtlinien bei kath.net <<<hier>>>
Kasper: „Habe nie von Entschädigungen gesprochen“
Der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper verteidigt den Vatikan und die deutschen Bischöfe: Die Missbrauchsfälle seien von der Kirche entschieden angegangen worden, sagte Kardinal Kasper in einem Exklusiv-Interview mit Radio Vatikan. Die Fälle würden nicht allein die katholische Kirche betreffen. Kardinal Kasper will auch ein kürzlich wiedergegebenes Interview richtigstellen.
Herr Kardinal, in den vergangenen Tagen sorgte in Deutschland die Debatte zum Thema „Missbrauch“ für Schlagzeilen. Die katholische Kirche war natürlich sehr davon betroffen. Ihre Einschätzungen dazu?
„Es ist ein trauriges Thema und erfüllt uns mit Scham, dass solche Dinge in katholischen Einrichtungen vorgekommen sind und dass Kinder missbraucht wurden. Dass dies verwerflich ist, darüber kann überhaupt keine Frage bestehen. Dass dies auch aufgeklärt werden muss, ist völlig klar. Ich habe den Eindruck, die Deutschen Bischöfe tun in dieser Situation das, was möglich ist. Sie verhalten sich sehr klug. Ich habe dazu kürzlich Stellung genommen und zwar in einer italienischen Zeitung [„La Repubblica“, Anmerkung der Redaktion]. Die Wiedergabe war allerdings sehr frei. Vor allem habe ich kein Wort gesagt zu möglichen oder erforderlichen Entschädigungen. Das ist eine juristische Frage, die völlig außerhalb meines Gesichtskreises und meiner Zuständigkeit ist. Dazu habe ich kein Wort gesagt.“
Sie kennen die katholische Kirche in Deutschland sehr gut. Sie wissen auch, dass in der Vergangenheit bereits Anti-Missbrauchsmaßnahmen ergriffen wurden. Was halten Sie von den bisherigen Richtlinien?
„Die katholische Kirche in Deutschland ist die einzige Institution, die dazu Richtlinien erlassen hat. Diese kann man jetzt aufgrund der Erfahrungen sicherlich verbessern. Fakt ist aber, dass wir bereits Richtlinien haben. Nun müssten auch alle anderen Institutionen, die davon betroffen sind, solche Maßnahmen ergreifen. Denn Missbrauch ist kein katholisches, sondern ein gesellschaftliches Problem. Jetzt muss man also gemeinsam zusammensitzen und überlegen, was man für die Prävention tun und wie man den Opfern helfen kann.“
Und wie ist es aus Vatikan-Sicht? Der Vatikan ist ja nicht schweigsam oder unternimmt nichts in Sachen Missbrauch. Auf Weltkirchenebene gibt es doch Richtlinien.
„Selbstverständlich hat der Vatikan mehrfach Stellung dazu genommen. Das war so, als die Missbräuche in den Vereinigten Staaten in den Schlagzeilen waren und in Irland die Fälle bekannt wurden. Der Vatikan unterstützt selbstverständlich die Ortsbischöfe. Über die klare Meinung des Papstes zu dieser Frage besteht kein Zweifel. Es ist leider ein völlig falscher Zungenschlag hereingekommen über die deutsche Bundesjustizministerin. Ich habe den Eindruck, sie kennt das Kirchenrecht nicht. Sie kann nicht unterscheiden, was kirchenrechtliche Zuständigkeit und staatliche Kompetenzen sind. Das sind unterschiedliche Rechtskreise und Vorgänge. Selbstverständlich ist es so, dass dort, wo es notwendig ist, eine Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften gefördert wird. Schweigemauern werden nicht von der Kirche aufgebaut. Ich habe gewisse Erfahrungen als Bischof gesammelt. Ich hatte damals meinen Personalreferenten zu den Eltern geschickt, wo Vorwürfe da waren. Die Eltern schwiegen, obwohl wir sie gedrängt hatten, dass sie reden sollten. Diese Vorwürfe gegen die katholische Kirche, dass wir nicht zusammenarbeiten würden und Schweigemauern aufbauen, sind völlig absurd und außerhalb der Welt.“
Themenwechsel: An diesem Sonntag wird Papst Benedikt XVI. die lutherische Gemeinde in Rom besuchen. Sie sind im Vatikan für die Ökumene – und auch für den Dialog mit dem Luthertum – zuständig. Ihre Einschätzung zu diesem Besuch, der ja auch für Deutschland sicherlich wichtig ist?
„Ich freue mich über diesen Besuch. Die Visite ist ein Ausdruck der gewachsenen Zusammenarbeit und Nähe zwischen uns und den lutherischen Christen in Deutschland und der lutherischen Gemeinde hier in Rom. Es ist eine gute und freundschaftliche Beziehung, die der Papst zum Ausdruck geben möchte. Er leistet zugleich einen Beitrag zur weiteren Verbesserung des Verhältnisses zu den lutherischen Christen, die in Deutschland sind. Der Dialog mit den Lutheranern war ja einer der ersten nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Dieser Dialog hat wesentliche Fortschritte gemacht. Man denke hierbei an die Rechtfertigungslehre. So hoffen wir, dass das eine Zukunftsperspektive eröffnet. Ich freue mich, am Sonntag dabei sein zu können.“ (rv)