Die Erklärung des Pressesprechers des Vatikan, P Federico Lombardi, im Wortlaut:
2001 hatte der Heilige Vater Johannes Paul II. ein Dokument großer Wichtigkeit promulgiert, das Motu Proprio „Sacramentorum Sanctitatis Tutela“, das der Glaubenskongregation die Zuständigkeit gab, im Bereich des Kirchenrechtes über einige besonders schwere Vergehen zu verhandeln und zu richten. Diese Zuständigkeiten waren zuvor anderen Dikasterien zugeordnet oder sie waren nicht vollständig geklärt.
Das Motu Proprio (das „Gesetz“ im strengen Sinn) war begleitet von einer Reihe von Anwendungs- und Verfahrensnormen wie den „Normae de gravioribus delictis.“ Im Verlauf der folgenden neun Jahre hat die Erfahrung natürlich eine Ergänzung und Aktualisierung dieser Normen nahegelegt, so dass sie die Verfahren beschleunigen oder vereinfachen können, um sie wirkungsvoller zu machen, oder um neue Fragen aufzugreifen. Dies wurde vor allem durch die vom Papst vorgenommene Zuteilung der Zuständigkeit an die Glaubenskongregation erreicht, aber sie waren nicht in die ursprünglichen Regeln eingeordnet. Dadurch ist jetzt eine systematische Überprüfung dieser Normen erfolgt.
Die schwerwiegenden Vergehen, auf die sich diese Vorschriften beziehen, sind zentrale Anliegen für das Leben der Kirche, die Sakramente der Eucharistie und der Buße, außerdem auch der sexuelle Missbrauch inderjähriger unter 18 Jahren durch einen Kleriker.
Die große öffentliche Resonanz in den letzten Jahren besonders zu der letzten Art des Vergehens hat große Aufmerksamkeit gefunden und es hat sich eine intensive Debatte über jene Normen und Verfahren entwickelt, die die Kirche für ihre Beurteilung und die Bestrafung anwendet.
Es ist richtig, dass sich hier vollständige Klarheit über die nun geltenden Vorschriften in diesem Bereich findet, und dass eine solche Regelung auf geordnete Weise vorgestellt wird, um so jedem Orientierung zu geben, der mit dieser Materie befasst ist.
Ein erster Beitrag zur Klärung – vor allem für den Gebrauch für die Medien – wurde vor kurzem durch eine Veröffentlichung des ,Leitfadens zum Verständnis der grundlegenden Verfahren der Glaubenskongregation bei Vorwürfen sexuellen Missbrauchs‘ auf der Website des Heiligen Stuhles geleistet. Bei der Veröffentlichung der neuen Normen handelt es sich aber doch um eine ganz neue Angelegenheit, die einen offiziellen und aktualisierten Rechtstext, der für die gesamte Kirche gilt, anbietet.
Um ein Verständnis für die weitere Öffentlichkeit herzustellen, die sich vor allem für die Fragen um den sexuellen Missbrauch interessiert, möchten wir einige relevante Aspekte beleuchten.
Unter den Neuerungen im Vergleich zu früheren Normen sollten vor allem jene unterstrichen werden, die das Verfahren zügiger machen: Zum Beispiel nicht den Verfahrensweg einzuschlagen, sondern per außergerichtlichem Dekret zu handeln, oder dem Heiligen Vater unter bestimmten Umständen besonders
schwerwiegende Fälle mit Blick auf die Entlassung aus dem Klerikerstand direkt vorzulegen.
Eine weitere Vorschrift sieht vor, nicht nur Priester, sondern auch Laien als gerichtliche Mitarbeiter, als Anwälte oder als Staatsanwälte einzubeziehen, um die Fragen zu vereinfachen und die Entwicklungen der
Kirche zu berücksichtigen. Analog dazu ist zur Erfüllung dieser Funktion nicht unbedingt ein Doktorgrad in Kirchenrecht notwendig, sondern die notwendige Kompetenz kann auch in anderer Weise erlangt werden, zum Beispiel mit dem akademischen Titel der Lizenz.
Zu beachten ist auch die Passage über die Verlängerung der Verjährungsfrist von zehn auf zwanzig Jahren, immer mit der Möglichkeit der weiteren Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus.
Bedeutsam ist auch die Gleichstellung von Minderjährigen und Menschen mit geistiger Behinderung, und die Einführung eines neuen Straftatbestandes: der Kinderpornografie. Diese ist wie folgt definiert: „Der Erwerb, der Besitz oder die Weitergabe“ durch einen Kleriker „in irgend einer Weise oder durch irgendwelche Mittel, von pornografischen Bildern von Kindern unter 14 Jahren.“ Es werden außerdem die Vorschriften über die Vertraulichkeit des Verfahrens wiederholt, zum Schutz der Würde aller Beteiligten.
Ein Punkt, der nicht berührt wird, aber zur Zeit viel diskutiert wird, ist die Zusammenarbeit mit den zivilen Behörden. Es muss daran erinnert werden, dass diese heute veröffentlichten Regeln Teil des kirchlichen Strafrechts sind, in sich abgeschlossen und vollständig vom zivilen getrennt. In diesem
Zusammenhang kann jedoch darauf hingewiesen werden, was in dem bereits erwähnten “ Leitfaden zum Verständnis der Verfahren …“steht, der auf der Website des Heiligen Stuhls veröffentlich ist. In diesem Leitfaden findet sich die Aussage: „Es sind immer die Vorschriften des bürgerlichen Rechts
über die Verweisung von Straftaten an die Behörden einzuhalten“. Er findet sich im Abschnitt über die „vorbereitenden Maßnahmen“.
Dies bedeutet, dass es in dem von der Glaubenskongregation vorgeschlagenen Verfahren nötig ist, den Anordnungen der gültigen Gesetze in den verschiedenen Ländern zu folgen, und nicht dem Ablauf des kanonischen Verfahrens oder diesem erst im Nachhinein.
Die heutige Veröffentlichung der Normen leistet einen großen Beitrag zur Klarheit und zur Rechtssicherheit in einem Feld, in dem die Kirche sich stark verpflichtet sieht, mit Strenge und Transparenz vorzugehen, um damit
völlig den gerechten Erwartungen des Schutzes der moralischen Kohärenz und der biblischen Heiligkeit zu entsprechen, die die Gläubigen und die öffentliche Meinung auf sie richtet, und die der Heilige Vater immer wieder bekräftigt hat.
Selbstverständlich gibt es noch viele weitere Maßnahmen und Initiativen von Seiten verschiedener kirchlicher Stellen.
Was die Glaubenskongregation angeht, untersucht sie im Augenblick, wie allen Bischöfen dabei zu helfen ist, wie sie in den Situationen und in den Fragestellungen, in denen sie tätig sind, kohärente und wirkungsvolle
Vorschriften und Maßnahmen zu formulieren und entwickeln, um dem Problem des Missbrauchs Minderjähriger durch Kleriker oder im Umfeld der Aktivitäten oder Institutionen der Kirche zu begegnen.
Dies wird ein weiter entscheidender Schritt auf dem Weg sein, dass die Kirche die Früchte der Lehren und der reifen Reflexion aus der schmerzhaften Geschichte dieser dem sexuellen Missbrauch durch Kleriker geschuldeten Krise in dauerhafte Praxis und ständiges Bewusstsein umsetzt.
Um diesen kurzen Überblick über die wichtigsten Neuerungen der Normen abzuschließen, ist es hilfreich, auch auf diejenigen Vorschriften kurz einzugehen, die Vergehen anderer Natur behandeln. Auch diese sind der
Substanz nach nicht wirklich neu, da es sich um die Einbeziehungen bereits in Kraft stehender Rechtsvorschriften handelt, um so eine geordnete und strukturierte Rechtsordnung über die „schwersten Vergehen“ zu erhalten, die der Glaubenskongregation vorbehalten sind.
Genauer gesagt wurden einbezogen: die Verbrechen gegen den Glauben (Häresie, Schisma und Apostasie), für die normalerweise die Ordinarien zuständig sind, für die die Kongregation aber als Berufungsinstanz zuständig ist; die Aufnahme und Veröffentlichung der sakramentalen Beichte aus böser Absicht, über das bereits 1988 ein Dekret der Verurteilung ausgestellt wurde, und über die versuchte Weihe. (rv)