Die Kirche hat 19 neue Kardinäle: Papst Franziskus hat sie an diesem Samstag im Petersdom feierlich eingesetzt. Es war sein erstes Konsistorium zur Schaffung neuer Kardinäle überhaupt. Zur allgemeinen Überraschung nahm auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. an der Feier teil; für ihn war es der erste Auftritt in einer größeren Öffentlichkeit seit seinem Amtsverzicht vor ziemlich genau einem Jahr.
„Wir grüßen mit gleicher Zuneigung und Ehrerbietung den emeritierten Papst, Seine Heiligkeit Benedikt XVI., froh über seine Anwesenheit unter uns.“ Beifall brandet auf in San Pietro, als der neue Kardinal Pietro Parolin den emeritierten Papst begrüßt. Benedikt sitzt auf einem eigenen Platz neben den Kardinälen in der ersten Reihe, Franziskus hatte ihn zur Teilnahme eingeladen. Als der amtierende Papst und sein Vorgänger sich zu Beginn kurz begrüßen und umarmen, nimmt Benedikt sein Scheitelkäppchen ab: ein Zeichen der Ehrerbietung gegenüber Franziskus, dem er nicht die Schau stehlen will.
Zum ersten Mal erweitert der Papst aus Argentinien das Kardinalskollegium. Feierlich setzt er den von ihm ernannten Kardinälen den Roten Hut auf, streift ihnen ihren Ring über den Finger. Kardinäle werden an diesem Samstag, dem Fest Kathedra Petri, auch der neue vatikanische Staatssekretär Parolin und der deutsche Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller aus dem Bistum Mainz, früherer Bischof von Regensburg. Die neuen Kurienkardinäle sind vier; zwölf hingegen leiten große Bistümer in aller Welt, und drei sind schon älter als achtzig Jahre, dürfen darum an keinem Konklave mehr teilnehmen.
„Danke, Heiliger Vater, für das große Vertrauen, dass Sie uns schenken“, sagt der – ab jetzt darf man sagen: Kardinalstaatssekretär – Erzbischof Pietro Parolin. „Auf dieses Vertrauen wollen wir antworten mit Treue, Großzügigkeit und Standhaftigkeit. Wir wollen bereit sein dazu, uns unerschrocken und mit aller Kraft bis hin zum Vergießen des Blutes einzusetzen für die Förderung des christlichen Glaubens, für den Frieden und das Wohlergehen des Volkes Gottes und für die Freiheit und die Ausbreitung der Heiligen Römischen Kirche.“ Es gehe den neuen Kardinälen um die Nachfolge des Gekreuzigten, so Parolin mit einem Zitat des früheren Papstes Benedikt.
Einer der neuen Kardinäle (aus Elfenbeinküste) sitzt im Rollstuhl; Papst Franziskus steigt von seinem Stuhl vor dem Hochaltar ins Kirchenschiff herunter, um ihn ins Kardinalskollegium aufzunehmen. Zu dieser Aufnahme gehört nicht nur der Rote Hut, der Ring und eine Urkunde, sondern auch die Zuweisung einer Titelkirche in Rom. Das erinnert daran, dass die ersten Kardinäle römische Pfarrer waren. Seinem Nachfolger als Erzbischof von Buenos Aires, Mario Aurelio Poli, weist Franziskus seine eigene frühere Titelkirche zu, St. Roberto Bellarmino im schicken Stadtviertel Parioli. Kardinal Müller, Präfekt der Glaubenskongregation, bekommt die barocke Sant`Agnese in Agone an der Piazza Navona zugewiesen. Auch der frühere Sekretär von Johannes XXIII., Loris Capovilla, wird vom Papst in seinen „Senat“ aufgenommen – in Abwesenheit, denn Capovilla ist schon fast hundert Jahre alt und konnte die Reise nach Rom nicht mehr antreten. Ihm wird Santa Maria in Trastevere zur Titelkirche zugewiesen.
„Jesus ging voraus.“ Um dieses Wort aus dem Markusevangelium (Kapitel 10, Vers 32) kreist die Predigt des Papstes. „Auch in diesem Moment geht Jesus uns voraus. Er ist immer vor uns. Er geht vor uns her und bahnt uns den Weg… Und das ist unsere Zuversicht und unsere Freude: seine Jünger zu sein, bei ihm zu sein, ihm nachzugehen, ihm zu folgen…“
Schon bei seiner ersten Messe nach der Papstwahl, am 14. März 2013 in der Sixtinischen Kapelle, sei „Gehen“ – „camminare“ – „das erste Wort gewesen, das der Herr uns vorgelegt hat“, so Franziskus.
„Heute kehrt dieses Wort wieder, aber als eine Geste, als das Handeln Jesu, das fortdauert… Das beeindruckt uns in den Evangelien: Jesus wandert viel umher, und während des Weges unterweist er die Seinen. Das ist wichtig. Jesus ist nicht gekommen, um eine Philosophie, eine Ideologie zu lehren… sondern einen „Weg“ – einen Weg, der gemeinsam mit ihm zurückzulegen ist, und diesen Weg erlernt man, indem man ihn beschreitet, im Gehen. Ja, liebe Mitbrüder, das ist unsere Freude: mit Jesus zu gehen.“
Allerdings: Ein bequemer Weg sei das nicht, denn der Weg Jesu sei „der des Kreuzes“. Anders als Jesu Jünger damals wüssten wir heute, dass Jesus letztlich siege, und dürften deshalb „vor dem Kreuz keine Angst haben, im Gegenteil, im Kreuz liegt unsere Hoffnung“.
„Und doch bleiben auch wir immer noch im Menschlichen verhaftet, sind Sünder und der Versuchung ausgesetzt, wie die Menschen und nicht wie Gott zu denken. Und wenn man weltlich denkt, was ist dann die Folge? Das Evangelium sagt: „Die zehn anderen Jünger … wurden sehr ärgerlich über Jakobus und Johannes“. Sie wurden sehr ärgerlich. Wenn die Mentalität der Welt vorherrscht, kommen Rivalitäten, Neid und Parteiungen auf…“
Darum sei das Wort, das Jesus heute an uns richte, „sehr heilsam“, urteilt Papst Franziskus. Es solle uns helfen, mit Jesus „völlig im Einklang zu stehen“.
„Lassen wir uns von ihm zusammen-rufen. Und hören wir auf ihn, in der Freude, gemeinsam sein Wort aufzunehmen, uns von diesem Wort und vom Heiligen Geist belehren zu lassen, um in der Nähe des Herrn immer mehr ein Herz und eine Seele zu werden.“
Dann wendet sich der Papst direkt an seine Kardinäle:
„Die Kirche braucht euch, eure Mitarbeit und vor allem eure Gemeinschaft – Gemeinschaft mit mir und untereinander. Die Kirche braucht euren Mut, das Evangelium bei jeder Gelegenheit zu verkünden – gelegen oder ungelegen – und um Zeugnis für die Wahrheit zu geben. Die Kirche braucht euer Gebet… Die Kirche braucht eure Anteilnahme, vor allem in diesem Moment des Schmerzes und des Leidens in so vielen Ländern der Erde. Wir wollen unsere geistliche Nähe zu den kirchlichen Gemeinschaften und zu allen Christen, die unter Diskriminierung und Verfolgung leiden, zum Ausdruck bringen. Die Kirche braucht unser Gebet für sie, damit sie stark im Glauben sind und auf Böses mit Gutem zu reagieren wissen.“
„Männer des Friedens“ sollten die Kardinäle, der Papst und überhaupt die Christen sein, Frieden sollten sie stiften, „Frieden und Versöhnung für die Völker, die in diesen Zeiten von Gewalt, vom Ausschluss und von Krieg heimgesucht sind“.
Nach nicht einmal anderthalb Stunden ist die Feier – keine Messe – vorüber, mit dem Gesang des Salve Regina. Franziskus betet noch einen Moment vor der berühmten antiken Petrusstatue aus Bronze im Mittelschiff der Basilika; die Statue ist wegen des Festes Kathedra Petri mit Prunkgewändern geschmückt. Auch seinen Vorgänger Benedikt grüßt Papst Franziskus noch einmal kurz, dann zieht er zusammen mit seinen neuen Kardinälen aus. Am Sonntag wird er mit ihnen eine Dankmesse zelebrieren. Insgesamt besteht das Kardinalskollegium jetzt aus 218 Trägern des Roten Hutes. 122 von ihnen wären nach jetzigem Stand berechtigt, an einer Papstwahl teilzunehmen, 96 sind hingegen schon zu alt dafür. Europa stellt 116 Kardinäle, davon 61 Konklave-tauglich. Zum Vergleich: Aus Lateinamerika kommen 35 Kardinäle, davon 19 papstwahl-berechtigt. Die europäischen Länder, die die meisten Kardinäle stellen, sind Italien (51), Spanien und Deutschland (beide 10), Frankreich (8), Polen (6) und die Schweiz (4). Portugal und Großbritannien beherbergen jeweils drei Kardinäle. Allerdings sind nicht alle darunter wahlberechtigt. (rv)