Ist Silvio Berlusconi als italienischer Ministerpräsident noch tragbar? Nicht nur außerhalb der Landesgrenzen fragt man sich das. Der x-te Skandal rund um den Regierungschef, bei dem es wieder einmal um rauschende Feste mit jungen Mädchen in seiner Villa geht, läßt auch die italienische Kirche immer mehr von dem fidelen Premier abrücken.
„Ich bin nun mal ein Mensch mit einem guten Herzen, und ich helfe immer, wenn jemand Hilfe braucht." So rechtfertigt es Berlusconi, dass er vor ein paar Monaten persönlich bei einer Polizeistation in Norditalien anrief, um Druck auf die Beamten zu machen: Sie sollten die minderjährige Marokkanerin, die sie wegen Diebstahls verhörten, gehen lassen. Durch diese Intervention von ganz oben kam heraus, dass das Mädchen mindestens zweimal an einem der peinlichen Feste im Hause Berlusconi teilgenommen hat, die manche Staatsanwälte mit Prostitution und Kokain in Verbindung bringen.
„Ich bin hier, um über Müll zu reden – echten Müll. Den medialen Müll überlasse ich euch", sagt Berlusconi bei einem Besuch in Neapel, wo wieder einmal Müllberge brennen. Und auch die seit Montag endlich 18-jährige Marokkanerin – Künstlername „Ruby" – die den neuesten Skandal ins Rollen gebracht hat, will mit dem „Müll" (auf italienisch heißt das „spazzatura") nichts zu tun haben. „Die Presse wühlt doch nur im Müll, wie Silvio richtig gesagt hat: Die blasen alles auf, damit die Leute die Zeitungen kaufen. Aber mir macht das nichts aus."
Anderen macht das schon was aus: Etwa der italienischen Kirche. Sie hat in den letzten Jahren immer mehr oder weniger zu Berlusconi gehalten, weil der nicht an den Schutz des Lebens rührt und kirchlichen Schulen nicht den Geldhahn zudreht. Jetzt ist aber auch ihre Geduld erschöpft: „Unglaublich", dass Berlusconi „nicht genug Selbstkontrolle aufbringt", schimpft Italiens verbreitetstes Wochenmagazin „Famiglia Cristiana": Nicht nur „die Glaubwürdigkeit und Würde des Regierungschefs" sei beschädigt, sondern die politische Kultur Italiens überhaupt und die Beziehungen zum Ausland. Berlusconi solle „alles aufklären", fordert die Bischofszeitung „Avvenire" – dessen Direktor Berlusconi letztes Jahr, nachdem er sich scharf zu einem ähnlichen Skandal geäußert hatte, aus dem Amt mobben ließ. „Das heutige Italien ist krank", sagt Mailands Kardinal Dionigi Tettamanzi der Zeitung „Repubblica" von diesem Donnerstag: „Wie sollen denn Eltern das alles ihren Kindern erklären, die das gleiche Alter haben wie die Mädchen, die man im Moment in den Zeitungen sieht?"
„Die Politik hat doch das Gemeinwohl zum Ziel", räsonniert der Philosoph Antonio Maria Baggio bei Radio Vatikan: „Das Gemeinwohl ist aber nicht nur materiell, sondern hat auch eine ethische Dimension – da geht es um positive Beziehungen, um in der Gesellschaft gut zusammenzuleben. Dafür braucht man Sauberkeit."
Schon wieder dieses Bild vom Müll und von der Sauberkeit – es kehrt in diesen Tagen, von Berlusconi selbst ausgehend, immer wieder. Und da ist es schon bemerkenswert, dass auch der Papst an diesem Mittwoch auf einmal von „Müll" gesprochen hat. Als er eine französische Mystikerin des Hochmittelalters vorstellte, kam er auf einmal – in freier Rede – darauf zu sprechen, sie habe „ihr Gewissen von Christus erleuchten lassen" und wurde dadurch „innerlich gesäubert". „Und genau das brauchen wir auch: dass Chrsti Wort, Leben und Licht unser Gewissen erleuchten und säubern. Den Müll gibt es nicht nur auf den Straßen der Welt – auch in unseren Gewissen gibt es Müll, und in unseren Seelen. Nur das Licht des Herrn, seine Kraft und seine Liebe reinigen und säubern uns und bringen uns auf den rechten Weg."
Nein, ein direkter Kommentar zu Berlusconi war das nicht. Trotzdem auffällig, dass Papst Benedikt XVI., übrigens ein aufmerksamer Zuschauer der italienischen Fernsehnachrichten, in diesen Tagen auf italienisch dieses Wort „Müll" ausspricht: „spazzatura". (rv)
Schlagwort: Silvio Berlusconi
Italien: Kath. Medien im Streik gegen Mediengesetz
Am Streik gegen ein Mediengesetz der Regierung Silvio Berlusconis beteiligen sich auch die katholischen Medien Italiens. Der bischöfliche Pressedienst gibt an diesem Freitag keine Nachrichten heraus, die vatikanischen Informationsdienste Fides und Misna melden nicht, die kircheneigene Zeitung Avvenire erscheint nicht: insgesamt rund 40 konfessionelle Organe schlossen sich der Aktion an. Der Protest richtet sich gegen ein neues Pressegesetz, das „unrechtmäßige" Zitate aus Telefonmitschnitten und Ermittlungsunterlagen unter teils drastische Strafen stellen will. Insgesamt soll das Abhören auch für die Justiz schwieriger gemacht werden, ein Schlag gegen den Kampf gegen die Mafia, fürchten die Medien. Außerdem dürfe man über laufende Gerichtsverfahren nicht mehr berichten, so das Vorhaben des Gesetzes. Misna betonte in einer Erklärung, das geplante Abhörgesetz behindere in ungerechtfertigter Weise die Recherche und behindere die Medien in ihren Aufgaben, die ihnen auch nach der katholischen Soziallehre zukämen. Zu dem „Tag des Schweigens" – so der Name der Aktion – hatte der nationale Journalistenverband FNSI aufgerufen. Lediglich die Medien, an denen die Familie von Silvio Berlusconi beteiligt ist, beteiligten sich nicht. Dazu gehören die Tageszeitung „Il Giornale" und der rechtskonservative „Libero". (rv)
Italien: Kirche wirft Berlusconi undemokratisches Verhalten vor
Nach einem Eildekret, das die Beteiligung von Italiens Regierungspartei „Volk der Freiheit" (PdL) an den Regionalwahlen Ende März sicherstellen soll, gibt es jetzt auch Kritik aus der italienischen Bischofskonferenz. „Die Spielregeln während des Spiels zu ändern, ist ein höchst unfaires Vorgehen", sagte der für Rechtsfragen zuständige Bischof Domenico Mogavero am Sonntag im Gespräch mit Radio Vatikan. Der Kirchenmann warnte davor, Verfahrensregeln „willkürlich" unter Berufung auf Werte wie die politische Partizipation ausser Kraft zu setzen. Italien sei möglicherweise „nicht reif für eine echte Demokratie". Die Bischofskonferenz distanzierte sich mittlerweile von Bischof Mogaveros Worten; dennoch ist klar, dass dieser das Unbehagen vieler Katholiken in Worte gefasst hat. – Die Regierung unter Ministerpräsident Silvio Berlusconi hatte am Wochenende ein Dekret verabschiedet, das Pannen bei der Zulassung seiner Partei zu den Wahlen in Latium und der Lombardei ausbügeln soll. In Latium war die Kandidatenliste der Partei nicht rechtzeitig im Wahlbüro abgegeben worden, in der Lombardei entsprachen benötigte Unterschriften auf den Dokumenten nicht den formalen Vorgaben. Nach dem Dekret reicht es zur Wahrung der Frist, wenn die Abgesandten der Partei das betreffende Amt mit den Unterlagen betreten haben. Staatspräsident Giorgio Napolitano hat das Eildekret am späten Freitagabend unterschrieben, den ganzen Vorgang aber zuvor als „Schlamassel" bezeichnet. Die Oppositionsparteien riefen für den kommenden Samstag, 13. März, zu Protestkundgebungen auf. (rv)